VwGH Ra 2021/09/0247

VwGHRa 2021/09/024717.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Hermagor, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 31. August 2021, KLVwG‑965/4/2021, betreffend Vergütung für Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (mitbeteiligte Partei: A gmbh in B), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs8
EpidemieG 1950 §32
EpidemieG 1950 §33
EpidemieG 1950 §49 Abs1 idF 2020/I/062
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090247.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit einem am 21. Dezember 2020 eingebrachten Antrag begehrte die mitbeteiligte Partei eine Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für ihren Dienstnehmer XY, der vom 18. bis 25. November 2020 bescheidmäßig abgesondert war. Dabei wurde unter näherer Aufschlüsselung in Bruttoentgelt/Hauptbezug und Dienstgeberanteil zur Sozialversicherung eine Vergütung in Höhe von insgesamt € 1.860,06 beantragt, wobei das „Bruttoentgelt, Hauptbezug“ des betroffenen Dienstnehmers mit € 5.370 angegeben wurde.

2 Mit Eingabe vom 4. Februar 2021 übermittelte die mitbeteiligte Partei der belangten Behörde (nunmehrige Amtsrevisionswerberin) ein ausgefülltes Erhebungsformular samt Berechnungsblatt zum Antrag des Arbeitgebers auf Vergütung gemäß § 32 EpiG für unselbstständige Erwerbstätige, in dem ‑ wiederum unter näherer Aufschlüsselung in Bruttoentgelt und Dienstgeberanteil zur Sozialversicherung ‑ ein Vergütungsbetrag von € 1.606,24 begehrt wurde, wobei das „Bruttoentgelt“ nunmehr mit € 5.125 angegeben wurde.

3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. April 2021 wurde dem „mit Eingabe vom 21.12.2020 und 05.02.2021“ eingebrachten Antrag der mitbeteiligten Partei „vollinhaltlich“ stattgegeben und eine Vergütung für den Verdienstentgang in der Höhe von € 1.606,24 zugesprochen.

4 Die mitbeteiligte Partei erhob dagegen Beschwerde an das Verwaltungsgericht, in der sie sich im Wesentlichen gegen die Nichtvergütung von Sonderzahlungen und Dienstgeberbeiträgen zur Arbeitslosenversicherung wendet.

5 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) den Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die belangte Behörde zurück.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht ‑ nach Wiedergabe der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur anteiligen Berücksichtigung von Sonderzahlungen ‑ im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe weder Ermittlungsschritte zur Abklärung der unterschiedlichen Einkommensbeträge in den Einreichunterlagen gesetzt, noch weitere Überlegungen hinsichtlich des grundsätzlich regelmäßig anfallenden Entgeltes sowie der Berücksichtigung von Sonderzahlungen angestellt. Aufgrund der sich widersprechenden Zahlen in den vorgelegten Aktenunterlagen sei es dem Verwaltungsgericht nicht möglich, eine korrekte Berechnung des Verdienstentgangs durchzuführen.

7 Gegen diesen Beschluss erhob die belangte Behörde die vorliegende außerordentliche Revision. In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren sah die mitbeteiligte Partei von der Einbringung einer Revisionsbeantwortung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Die Amtsrevision macht zu ihrer Zulässigkeit ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Unzulässigkeit von Beschwerden bei vollinhaltlicher Stattgabe des Antrags geltend. Damit erweist sich die Revision als zulässig; sie ist auch begründet:

9 Voranzustellen ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Berufung (nunmehr Beschwerde) voraussetzt, dass der Berufungswerber (Beschwerdeführer) einen Grund dafür hat, die Entscheidung der Erstinstanz zu rügen. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn dem Parteiantrag bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten vollinhaltlich entsprochen wurde (vgl. VwGH 15.3.2016, Ra 2015/02/0246, mwN).

10 Für die Beurteilung der Frage, ob dem Antrag der mitbeteiligten Partei durch den von der belangten Behörde erlassenen Bescheid vollinhaltlich entsprochen wurde oder ob die mitbeteiligte Partei durch diesen Bescheid in subjektiven Rechten verletzt werden konnte, ist entscheidend, was Inhalt des verfahrenseinleitenden Antrags war.

11 Parteienerklärungen im Verfahren sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen; es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. VwGH 18.3.2022, Ra 2021/03/0331, mwN).

12 Weiters ist zu beachten, dass gemäß § 33 EpiG der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 EpiG binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen ist, widrigenfalls der Anspruch erlischt. In Bezug auf diese Frist wurde jedoch mit BGBl. I Nr. 62/2020 eine Sonderbestimmung für die Dauer der Pandemie mit SARS‑CoV‑2 geschaffen, die in § 49 Abs. 1 EpiG vorsieht, dass abweichend von § 33 EpiG der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS‑CoV‑2 ergangenen Maßnahme besteht, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen ist (vgl. etwa VwGH 18.3.2022, Ra 2022/03/0005).

13 Gemäß § 13 Abs. 8 AVG kann der verfahrensleitende Antrag zwar in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach aber nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden. Ist ein Leistungsanspruch, wie im vorliegenden Fall, befristet, kommt eine Antragsausdehnung nach Ablauf der Frist um einen insoweit bereits erloschenen Anspruch nicht mehr in Betracht (vgl. abermals VwGH 18.3.2022, Ra 2022/03/0005, mwN)

14 Im gegenständlichen Fall begann die Frist zur Geltendmachung der Ansprüche der mitbeteiligten Partei mit Ende der Absonderung des Dienstnehmers am 26. November 2020 zu laufen. Die Frist endet daher am 26. Februar 2021.

15 Im Antrag vom 21. Dezember 2020 machte die mitbeteiligte Partei einen Vergütungsanspruch in der Höhe von € 1.860,06 geltend. Mit dem am 5. Februar 2021 bei der belangten Behörde eingegangenen „Erhebungsformular zum Antrag des Arbeitgebers auf Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 für unselbstständig Erwerbstätige“ samt ausgefülltem Berechnungsblatt wurde hingegen ein Vergütungsanspruch in der Höhe von € 1.606,24 geltend gemacht. Das beiliegende Berechnungsblatt für den Verdienstentgang weist unter dem Punkt „aliquote Sonderzahlungen für den AbrZR“ keine Angabe auf. Im Beschwerdeverfahren erstattete die mitbeteiligte Partei auf Aufforderung des Verwaltungsgerichts, die unterschiedliche Höhe der geltend gemachten Vergütungsansprüche zu erklären, mit Schreiben vom 29. Juli 2021 eine Stellungnahme samt neu ausgefülltem Berechnungsblatt, in der sie ausführt, dass aufgrund dessen, dass bei der Berechnung der Sonderzahlungsanteil und die Diäten nicht berücksichtigt worden seien, sich ein neuerrechneter Betrag von € 1.979,54 ergebe. Bei der Berechnung ging die mitbeteiligte Partei ‑ so wie im Berechnungsblatt ‑ weiterhin von einem Bruttogehalt von € 5.125 aus.

16 Mit dem am 5. Februar 2021 bei der belangten Behörde eingelangten Erhebungsformular samt Berechnungsblatt schränkte die mitbeteiligte Partei ihren ursprünglichen Antrag vom 21. Dezember 2020 auf Vergütung des Verdienstentgangs von € 1.860,06 auf € 1.606,24 ein. Weder im ursprünglichen Antrag noch im übermittelten Ergebungsformular findet sich einen Hinweis darauf, dass die mitbeteiligte Partei auch die Vergütung der anteiligen Sonderzahlungen beantragt. Erstmals werden diese in der Beschwerde vom 18. Mai 2021 und mit Schreiben vom 29. Juli 2021 angesprochen. Die Ausdehnung des geltend gemachten Vergütungsanspruchs erfolgte damit nach Ende der Frist gemäß § 49 Abs. 1 EpiG (26. Februar 2021) und ist daher jedenfalls unzulässig (vgl. dazu bereits VwGH 18.3.2022, Ra 2022/03/0005; 13.12.2021, Ra 2021/03/0309).

17 Der behördliche Zuspruch eines Vergütungsanspruchs in der Höhe von € 1.606,24 ist damit aber als vollinhaltliche Stattgabe des Antrages zu sehen, durch den die mitbeteiligte Partei nicht in subjektiven Rechten verletzt werden konnte.

18 Da das Landesverwaltungsgericht dies verkannte und den Bescheid unter Stattgabe der Beschwerde aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an die Behörde zurückverwiesen hat, war der angefochtene Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 17. Mai 2022

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