VwGH Ra 2021/06/0218

VwGHRa 2021/06/02189.3.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart‑Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. der A F, 2. der A F und 3. der I F, alle in N, alle vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 7. Oktober 2021, LVwG‑318‑32/2021‑R9, betreffend Feststellung nach dem Vlbg BauG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Nüziders; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauG Vlbg 2001 §33 Abs1
BauG Vlbg 2001 §33 Abs2
BauG Vlbg 2001 §33 Abs3
BauG Vlbg 2001 §33 Abs4
BauG Vlbg 2001 §34 Abs2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021060218.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Der Bürgermeister der Gemeinde N (Behörde) stellte mit Bescheid vom 2. Februar 2021 gemäß § 33 Abs. 1 BauG fest, dass es sich bei dem von den Revisionswerberinnen angezeigten bestehenden Bauwerk (Whirlpoolüberdachung) um ein bewilligungspflichtiges Vorhaben gemäß § 18 Abs. 1 lit. f Baugesetz (BauG) handle.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) der Beschwerde der Revisionswerberinnen gegen diesen Bescheid keine Folge und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, die Behörde habe ‑ sofern ein angezeigtes Bauvorhaben bewilligungspflichtig sei ‑ dies mit Bescheid spätestens sechs Wochen nach Vorliegen einer vollständigen Bauanzeige festzustellen (§ 33 Abs. 1 und 4 BauG). Im vorliegenden Fall stelle das Bauvorhaben aufgrund seiner Größe (Fläche von mehr als 25 m2 und einer Höhe von über 3,50 m) kein anzeigepflichtiges Nebengebäude gemäß § 19 lit. a BauG dar, sondern sei gemäß § 18 Abs. 1 lit. f BauG bewilligungspflichtig.

In weiterer Folge begründete das LVwG, dass die Abstandsflächen nicht eingehalten würden, die Behörde dies aber mangels Vorlage eines Abstandsflächenplanes nicht habe beurteilen können. Die Bauanzeige sei somit nicht vollständig gewesen und die Frist von maximal sechs Wochen zur Feststellung der Bewilligungspflicht habe daher nicht mit dem Einbringen der (unvollständigen) Bauanzeige zu laufen begonnen, der Feststellungsbescheid vom 2. Februar 2021 sei somit nicht rechtswidrig im Sinn des § 33 Abs. 4 letzter Satz BauG.

Im Übrigen beziehe sich die in § 33 Abs. 4 zweiter Satz BauG enthaltene Anordnung der Rechtswidrigkeit verspätet abgefertigter Bescheide nur auf Bescheide nach Abs. 2 und 3, nicht aber auf Bescheide nach Abs. 1 dieser Bestimmung. Diese Regelung solle sicherstellen, dass die Säumnis der Behörde im Anzeigeverfahren nicht bewirke, dass ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne Baubewilligung ausgeführt werden dürfe (Hinweis auf den in Germann/Fleisch abgedruckten Motivenbericht zum BauG in der Stammfassung LGBl. Nr. 52/2001).

6 In der Zulässigkeitsbegründung bringen die Revisionswerberinnen zunächst zusammengefasst vor, die Rechtsauffassung des LVwG, wonach sich die in § 33 Abs. 4 zweiter Satz BauG enthaltene Anordnung der Rechtswidrigkeit verspätet abgefertigter Bescheide nur auf Bescheide nach Abs. 2 und 3, nicht aber auf Bescheide nach Abs. 1 dieser Bestimmung beziehe, sei „bereits anhand des unkommentierten Gesetzeswortlautes unvertretbar“. Dem Motivenbericht sei zu entnehmen, dass Bescheide, die im Sinn des § 33 Abs. 4 BauG verspätet abgefertigt würden, im Berufungswege aufzuheben seien.

7 Gemäß § 33 Abs. 4 BauG müssen Bescheide, mit denen die Bewilligungspflicht eines angezeigten Vorhabens festgestellt (Abs. 1), ein anzeigepflichtiges Vorhaben freigegeben (Abs. 2) oder ein anzeigepflichtiges Vorhaben untersagt (Abs. 3) wird sowie eine Mitteilung darüber, dass ein anzeigepflichtiges Vorhaben nicht die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt (Abs. 3) spätestens sechs Wochen nach Vorliegen einer vollständigen Bauanzeige abgefertigt werden. Später abgefertigte Bescheide nach den Abs. 2 und 3 sind rechtswidrig, eine verspätete Mitteilung wirkungslos.

Der in Germann/Fleisch abgedruckte Motivenbericht zum BauG in der Stammfassung LGBl. Nr. 52/2001 zu § 33 Abs. 4 leg. cit. lautet:

„Die Anordnung der Rechtswidrigkeit verspätet abgefertigter Bescheide bezieht sich nur auf Bescheide nach Abs. 2 und 3, nicht aber auf Bescheide nach Abs. 1. Einer Berufung gegen einen Bescheid, mit dem erst nach Ablauf der 6‑Wochen‑Frist nach Abs. 1 die Bewilligungspflicht des angezeigten Bauvorhabens festgestellt wird, wäre daher nicht Folge zu geben, sofern lediglich die verspätete Abfertigung des Bescheides geltend gemacht wird. Die Regelung soll sicherstellen, dass die Säumnis der Behörde im Anzeigeverfahren nicht bewirkt, dass ein bewilligungspflichtiges Vorhaben ohne Baubewilligung ausgeführt werden darf. Ab Vorliegen des Bescheides, mit dem die Bewilligungspflicht festgestellt wird, darf das ‑ allenfalls schon begonnene ‑ Bauvorhaben nicht mehr gemäß § 34 Abs. 2 ‑ weiter ‑ ausgeführt werden.“

§ 33 Abs. 4 BauG beinhaltet demnach einerseits eine sechswöchige Entscheidungspflicht (bzw. Abfertigungspflicht) und andererseits werden die Rechtsfolgen einer verspäteten Abfertigung geregelt. Während sich die Regelung der Abfertigungspflicht auf alle Bescheide nach Abs. 1 bis 3 bezieht, soll die im zweiten Satz angeordnete Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit verspätet abgefertigter Bescheide ausdrücklich nur die Bescheide nach Abs. 2 und 3 erfassen. Dem Motivenbericht zum BauG zufolge beabsichtigt der Vorarlberger Landesgesetzgeber genau diese Differenzierung; es handelt sich somit um keine planwidrige Lücke. Im Motivenbericht wird im Einklang mit dem Gesetzestext festgehalten, dass sich die Anordnung der Rechtswidrigkeit verspätet abgefertigter Bescheide nur auf Bescheide nach Abs. 2 und 3 beziehe und eben nicht auf Bescheide nach Abs. 1, damit eine allfällige Säumnis der Behörde nicht bewirke, dass ein bewilligungspflichtiges Vorhaben ohne Baubewilligung ausgeführt werden dürfe.

Insofern ist die Rechtslage klar (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bei nach den in Betracht kommenden Normen klarer Rechtslage etwa VwGH 23.7.2021, Ra 2021/06/0108, Rn. 7, mwN).

8 Angesichts dessen erweisen sich die Fragen, ob die Bauanzeige vollständig war und wann die Frist von maximal sechs Wochen zur Feststellung der Bewilligungspflicht zu laufen begann, als nicht entscheidungsrelevant, sodass mit den Zulässigkeitsausführungen insoweit keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufgezeigt wurde.

9 Verfehlt ist auch die Ansicht der Revisionswerberinnen, wonach „die Genehmigungsfiktion des § 33 Abs. 4 Vlbg BauG sich auch auf baubewilligungspflichtige Vorhaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Vlbg BauG erstreckt da § 33 Abs. 4 sich mit seiner 6 Monatsfrist auch auf den § 33 Abs. 1 bezieht“, weil sich die Rechtswidrigkeit von Bescheiden ‑ wie oben dargelegt ‑ eben nicht auf solche gemäß Abs. 1 bezieht. Keinesfalls kann aus dem Ablauf der Frist zur Feststellung der Bewilligungspflicht eines Bauvorhabens gemäß § 33 Abs. 1 BauG geschlossen werden, dass dadurch ein genehmigungspflichtiges zu einem anzeigepflichtigen Bauvorhaben würde und damit keiner Baubewilligung mehr bedürfte (vgl. etwa VwGH 26.9.2017, Ra 2016/05/0067, zur insoweit vergleichbaren Rechtslage gemäß § 16 Abs. 3 NÖ BauO; 22.2.2012, 2011/06/0183, zu §§ 22 und 28 TBO 2001; 23.2.1995, 94/06/0246, zu § 24 Abs. 2 BauG). Daran ändert auch nichts, dass gemäß § 34 Abs. 2 BauG nach Ablauf der sechswöchigen Frist mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen werden darf, sofern weder ein Bescheid gemäß § 33 Abs. 1 bis 3 BauG noch eine Mitteilung gemäß Abs. 3 abgefertigt wurde. Auch dazu kann auf die Ausführungen im Motivenbericht verwiesen werden, wonach ab Vorliegen des Bescheides, mit dem die Bewilligungspflicht festgestellt wurde, das ‑ allenfalls schon begonnene ‑ Bauvorhaben nicht mehr unter Berufung auf § 34 Abs. 2 leg. cit. weiter ausgeführt werden darf.

10 Zum weiteren Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerberinnen, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 33 Abs. 6 BauG vor, wonach über Beschwerden beim Landesverwaltungsgericht gegen Bescheide nach den Abs. 1 bis 3 leg. cit. spätestens nach drei Monaten zu entscheiden sei, wird auf die Möglichkeit hingewiesen, gemäß § 38 VwGG einen Fristsetzungsantrag zu stellen. Auch diesbezüglich ist die Rechtslage klar.

11 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. März 2022

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