VwGH Ra 2021/21/0012

VwGHRa 2021/21/001218.2.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des I D, vertreten durch Mag. Kurt Jelinek, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. November 2020, W192 2236117‑1/3E, betreffend Ausweisung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §54 Abs5 Z4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210012.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, war seit 2. Jänner 2019 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet und seit 23. Jänner 2019 als Arbeiter beschäftigt. Am 6. Dezember 2018 hatte er in Serbien eine rumänische Staatsangehörige geheiratet, die ihre unionsrechtliche Freizügigkeit ausgeübt hatte. Mit Gültigkeit von 7. Jänner 2019 bis 6. Jänner 2024 wurde ihm eine Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR‑Bürgerin erteilt.

2 Die Ehe wurde mit Beschluss eines serbischen Gerichts vom 7. Februar 2020 einvernehmlich geschieden.

3 Mit Bescheid vom 3. Juli 2020 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG eine Ausweisung und erteilte ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat.

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.

5 Das Bundesverwaltungsgericht verneinte mit näherer Begründung, dass der Revisionswerber nach seiner Scheidung weiterhin gemäß § 54 Abs. 5 NAG ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich habe. Bei der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 2 FPG und § 9 BFA‑VG kam es letztlich zum Ergebnis, dass angesichts der erst kurzen Aufenthaltsdauer und fehlenden familiären Bindungen des Revisionswerbers in Österreich sowie seiner nach wie vor starken Beziehungen zu Serbien, wo u.a. seine beiden Töchter lebten, das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts das persönliche Interesse des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwiege.

6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich der Revisionswerber gegen die Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts und rügt, dass eine mündliche Verhandlung hätte durchgeführt werden müssen. Er verfüge über eine starke Integration, die eine außergewöhnliche Konstellation darstelle und eine Ausweisung unverhältnismäßig erscheinen lasse; dies wäre im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erkennbar gewesen. Seine Scheidung sei auf Grund massiver Eheverfehlungen von Seiten seiner Ehefrau erfolgt, sodass „mangels Setzung eines Ausweisungsgrundes bzw. Scheidungsgrundes“ die getroffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls eine „besondere Härte“ darstelle, die ein Absehen von einer Ausweisung erforderlich mache.

10 Soweit der Revisionswerber damit einen Härtefall im Sinn des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG ansprechen will, ist ihm ‑ abgesehen davon, dass es sich um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich unbeachtliche Neuerung handelt ‑ zu entgegnen, dass ein derartiger Härtefall mit dem bloßen Hinweis auf ein (sei es auch ausschließliches) Verschulden des anderen Ehepartners an der Scheidung nicht dargelegt wird (vgl. VwGH 20.8.2020, Ra 2020/21/0292 bis 0294, Rn. 13, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht ist ‑ da ein sonstiger Tatbestand des § 54 Abs. 5 NAG unstrittig nicht erfüllt war ‑ zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für das Aufenthaltsrecht nach § 54 NAG im Fall des Revisionswerbers nicht (mehr) vorlagen. Damit war eine Ausweisung nach § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG grundsätzlich zulässig.

11 Was aber die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK (iVm § 9 BFA‑VG bzw. § 66 Abs. 2 FPG) betrifft, so hat der Verwaltungsgerichtshof schon vielfach ausgesprochen, dass diese dann nicht revisibel ist, wenn sie im Ergebnis vertretbar ist und keinen maßgeblichen Begründungsmangel erkennen lässt (vgl. etwa VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0264, Rn. 10, mwN). Im vorliegenden Fall kann das erzielte Ergebnis jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umstände ‑ insbesondere seine Erwerbstätigkeit ‑ in seine Beurteilung einbezogen, durfte aber angesichts des nicht einmal zweijährigen Aufenthalts und des Fehlens familiärer Bindungen in Österreich vom Überwiegen des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen und sogar vom Vorliegen eines eindeutigen Falles ausgehen, der es ihm ausnahmsweise erlaubte, von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber abzusehen (vgl. zu einem ähnlichen Fall VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0147).

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. Februar 2021

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