Normen
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §4 Abs3
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §32
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090046.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Antrag vom 10. Juni 2020 begehrte die Revisionswerberin als Betreiberin eines Fachmarktzentrums gestützt auf § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) Vergütung für den Verdienstentgang, den sie ab 16. März 2020 durch die mit Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19, BGBl. II Nr. 96/2020, der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID‑19‑Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020, der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 ergriffen wurden, BGBl. II Nr. 197/2020, alle in der jeweils gültigen Fassung, sowie der „weiteren in Betracht kommenden, im Zusammenhang mit der COVID‑19‑Pandemie in Zusammenhang stehenden Gesetzes- und Verordnungsmaßnahmen“ auferlegten Beschränkungen, erlitten habe.
2 Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis vom 24. August 2020 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich diesen Antrag ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
3 Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis zusammengefasst dahingehend, dass von der belangten Behörde gegen die Revisionswerberin keine Maßnahme nach § 20 EpiG gesetzt worden sei. Die sogenannte „Betriebsschließung“ sei auf Basis der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 erfolgt, wonach ab 16. März 2020 das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben untersagt worden sei. Ab 1. Mai 2020 sei aufgrund der COVID‑19‑Lockerungsverordnung, BGBl. II Nr. 197/2020, das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten unter bestimmten Voraussetzungen wieder zulässig gewesen. Diese Verordnungen seien aufgrund von § 1 COVID‑19‑Maßnahmengesetz (COVID‑19‑MG) erlassen worden. Zwar blieben gemäß § 4 Abs. 3 COVID-19-MG die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 unberührt, § 4 Abs. 2 COVID‑19‑MG schränke dies jedoch insofern ein, als die Bestimmungen des Epidemiegesetzs 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs einer aufgrund von § 1 COVID‑19‑MG erlassenen Verordnung nicht zur Anwendung gelangten. Insofern sei ausdrücklich intendiert und normativ festgehalten, dass in einem derartigen Fall keine Betriebsbeschränkung nach § 20 EpiG habe angeordnet werden sollen, weshalb Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG per se schon ausgeschlossen seien (Hinweis auf VfGH 14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, Rn 94). Der Verfassungsgerichtshof habe ferner ausgesprochen, dass eine durch §§ 1 und 4 Abs. 2 COVID-19-MG in Verbindung mit § 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 bewirkte Entschädigungslosigkeit nicht verfassungswidrig sei. Der von der Revisionswerberin geltend gemachte Anspruch auf Verdienstentgang nach § 32 EpiG bestehe daher nicht zu Recht.
4 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit der nach den in Betracht kommenden Normen klaren und eindeutigen Rechtslage und weil diese auch durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., klargestellt sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof der deren Behandlung mit Beschluss vom 26. November 2020, E 3417/2020-8, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision zum einen etwa dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (siehe etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124).
9 Zum anderen ist die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ‑ also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ‑ vorliegt, im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ auch nach Einbringung der Revision ‑ bereits geklärt, liegt daher keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. z.B. VwGH 25.2.2020, Ra 2019/09/0108).
10 Die Revisionswerberin argumentiert die Zulässigkeit ihrer ‑ in der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist erhobenen ‑ außerordentlichen Revision im Wesentlichen mit einer zwischen Betriebsschließungen und bloßen Betriebsbeschränkungen vorzunehmenden Unterscheidung. Während für erstere der Ausschluss des Ersatzes von Verdienstentgang ausdrücklich vorgesehen sei, treffe dies für letztere nicht zu.
11 Diesem Vorbringen ist zunächst der in der Sache der Revisionswerberin bereits ergangene Beschluss des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach § 4 Abs. 2 COVID‑19‑MG idF BGBl. I Nr. 23/2020 keineswegs nur an Betriebsschließungen anknüpft, sondern vielmehr an (alle) mit Verordnungen nach § 1 leg. cit. verfügten Maßnahmen, und für diese die Anwendung der Bestimmungen über Betriebsschließungen, sohin auch das diesbezügliche Entschädigungsrecht des Epidemiegesetzes 1950 (§ 32 Abs. 1 Z 4 und Z 5 EpiG) ausschließt. Dies gilt auch, wenn auf Grundlage von § 1 COVID‑19‑MG keine Betretungsverbote, sondern bloß (minder eingreifende) Maßnahmen verfügt wurden (siehe VfGH 26.11.2020, E 3417/2020; ebenso VfGH 26.11.2020, E 3412/2020; vgl. etwa auch VwGH 11.3.2021, Ra 2020/09/0078).
12 Die von der Revisionswerberin zur Begründung ihres Anspruchs herangezogene Bestimmung des § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG stellt schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auf einen nach § 20 EpiG eingeschränkten oder gesperrten Betrieb ab. Eine solche Betriebsbeschränkung liegt auch nach dem Zulässigkeitsvorbringen im hier zu beurteilenden Fall nicht vor, erfolgten die Einschränkungen doch ‑ auch nach dem Zulässigkeitsvorbringen ‑ durch die auf Grundlage von § 1 COVID‑19‑MG erlassene Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19, BGBl. II Nr. 96/2020. Insoweit wurde die Rechtslage zudem bereits durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2021, Ra 2021/03/0018, klargestellt.
13 § 4 Abs. 3 COVID-19-MG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 104/2020), wonach die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 „unberührt“ bleiben, ändert weder die Voraussetzungen für die Erlassung von Verfügungen nach dem Epidemiegesetz 1950 noch jene für den Ersatz von Verdienstentgang nach § 32 Abs. 1 EpiG (VwGH 24.2.2021, Ra 2013/03/0018, Rn 32).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
Wien, am 23. März 2021
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