Normen
AVG §13 Abs2
AVG §13 Abs2 idF 2008/I/005
AVG §13 Abs5
AVG §13 Abs5 idF 2008/I/005
AVG §33 Abs3
B-VG Art133 Abs8
VwGG §26 Abs1
VwGG §26 Abs1 Z5
VwGG §34 Abs1
VwGG §62
VwGVG 2014 §17
VwRallg
WRG 1959 §116 Abs2 idF 2013/I/097
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021070003.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 2. Dezember 2019 erteilte die belangte Behörde - aufgrund eines entsprechenden Antrags der mitbeteiligten Parteien vom 5. Juni 2018 ‑ gemäß näher zitierten Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) den mitbeteiligten Parteien die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung zur Änderung des auf dem Grundstück Nr. 910, KG O., bestehenden Brunnens unter bestimmten Bedingungen, Auflagen und Fristen (Spruchpunkt I.). Zudem legte sie ein Schutzgebiet um den Brunnen fest (Spruchpunkt II.).
2 Dagegen erhoben Gabriele S. und Claus S. als Miteigentümer des Grst. Nr. 910, KG O., Beschwerde.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 17. September 2020 wies das Verwaltungsgericht (unter Spruchpunkt A.I.) diese Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des Bescheides ‑ mit der Maßgabe, dass näher bezeichnete Auflagen entfielen ‑ als unbegründet ab. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des Bescheides gab es (unter Spruchpunkt A.II.) der Beschwerde Folge, behob diesen Spruchpunkt und wies den Antrag auf Anpassung des Schutzgebiets entsprechend dem Stand der Technik ab. Die Revision erklärte es für zulässig.
4 Die gegen Spruchpunkt A.II. dieses Erkenntnisses erhobene ‑ auf Art. 133 Abs. 8 B‑VG iVm. § 116 Abs. 2 WRG 1959 gestützte ‑ ordentliche Revision der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (in der Folge: revisionswerbende Partei) wies das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. Dezember 2020 als verspätet zurück.
5 Dagegen richtet sich der gegenständliche Vorlageantrag der revisionswerbenden Partei, aufgrund dessen der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die Revision berufen ist (§ 30b Abs. 1 VwGG).
6 Gemäß § 26 Abs. 1 erster Satz VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) sechs Wochen.
7 Nach § 26 Abs. 1 Z 5 VwGG beginnt die Revisionsfrist in den Fällen des Art. 133 Abs. 8 B‑VG dann, wenn das Erkenntnis dem auf Grund des Bundes- oder Landesgesetzes zur Erhebung der Revision befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem es von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat.
8 Nach Art. 133 Abs. 8 B‑VG bestimmen die Bundes- oder Landesgesetze, wer in anderen als den in Abs. 6 genannten Fällen wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben kann.
9 Gemäß dem ersten Satz des ‑ auf der Grundlage von Art. 133 Abs. 8 B‑VG erlassenen ‑ § 116 Abs. 2 WRG 1959, BGBl. I Nr. 97/2013, kann der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gegen eine auf der Grundlage dieses Bundesgesetzes getroffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts innerhalb der gemäß § 26 Abs. 1 Z 5 VwGG festgelegten Frist Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben.
10 Nach § 116 Abs. 2 erster Satz WRG 1959 iVm. § 26 Abs. 1 Z 5 VwGG hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nunmehr: die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus) daher, wenn ihm eine auf der Grundlage des WRG 1959 getroffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugestellt wurde (und er dagegen Revision zu erheben beabsichtigt), die Revision ab dem Tag der Zustellung innerhalb der sechswöchigen Frist des § 26 Abs. 1 erster Satz VwGG zu erheben. Nur dann, wenn dem Bundesminister eine solche Entscheidung nicht zugestellt wurde, beginnt die sechswöchige Revisionsfrist in jenem Zeitpunkt zu laufen, in dem er von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat.
11 Im vorliegenden Fall wurde das angefochtene Erkenntnis der revisionswerbenden Bundesministerin unbestritten am Freitag, den 23. September 2020, zugestellt. Daher begann für sie die sechswöchige Revisionsfrist des § 26 Abs. 1 erster Satz VwGG an diesem Tag zu laufen.
12 Die vorliegende Revision brachte sie am Freitag, den 4. November 2020 ‑ also am letzten Tag der Revisionsfrist ‑ um 18.07 Uhr elektronisch mittels E‑Mail beim Verwaltungsgericht ein.
13 Nach § 13 Abs. 2 AVG können schriftliche Anbringen der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.
14 Gemäß § 13 Abs. 5 AVG ist die Behörde nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.
15 Mit der AVG‑Novelle BGBl. I Nr. 5/2008 wurde die (im Jahr 1998 eingeführte) gesetzliche Fiktion betreffend die Rechtzeitigkeit bestimmter außerhalb der Amtsstunden einlangender Anbringen ersatzlos beseitigt (vgl. RV 294 BlgNR 23. GP 10). Damit gilt ein Anbringen noch am selben Tag (und damit als rechtzeitig) eingebracht, wenn die Behörde auch außerhalb ihrer Amtsstunden Empfangsgeräte empfangsbereit hält und das Anbringen nach dem Ende der Amtsstunden (aber noch am letzten Tag einer allfälligen Frist) bei ihr einlangt. Entscheidend ist allerdings, ob die Behörde von der ihr nach § 13 Abs. 2 zweiter Satz AVG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht und ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden mit der Wirkung bekundet, dass sie auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt - mit Wiederbeginn der Amtsstunden - als eingebracht und eingelangt gelten (VwGH 27.9.2019, Ra 2019/02/0008; 25.9.2018, Ra 2018/01/0276; 26.9.2017, Ra 2017/04/0086).
16 Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts vom 17. September 2020 gegenüber der revisionswerbenden Bundesministerin die „Kundmachung [des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 20. Jänner 2020] über die Kommunikation (den Verkehr) zwischen Landesverwaltungsgericht und Beteiligten“, welche gemäß ihrem § 5 Abs. 1 mit 21. Jänner 2020 in Kraft trat, auf der Homepage des Verwaltungsgerichts bekanntgemacht war.
17 Nach § 1 Abs. 1 dieser Kundmachung wird für schriftliche Anbringen/Eingaben (einschließlich Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof sowie damit zusammenhängende Schriftsätze), die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen sind, unter anderem die Einbringung mittels E‑Mail bestimmt.
18 § 1 Abs. 2 zweiter und dritter Satz der Kundmachung lauten dazu wie folgt:
„Für alle anderen Anbringen/Eingaben, die im Wege des elektronischen Verkehrs eingebracht werden, gilt, dass die Empfangsgeräte des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich auch außerhalb der Amtsstunden (vgl § 2) empfangsbereit sind, allerdings werden diese nur während der Amtsstunden betreut. Anbringen/Eingaben, die außerhalb der Amtsstunden an diese Empfangsgeräte gerichtet werden, können daher nicht entgegengenommen werden. Dies hat die Wirkung, dass Anbringen auch dann, wenn sie an sich bereits in den Verfügungsbereich des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich gelangt sind, erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (und eingelangt) gelten und (erst) ab diesem Zeitpunkt behandelt werden.“
19 Nach § 2 Abs. 1 der Kundmachung sind die Amtsstunden für ‑ den hier relevanten ‑ Freitag von 7.00 Uhr bis 12.30 Uhr festgelegt.
20 Im vorliegenden Fall liegt somit eine Kundmachung betreffend organisatorische Beschränkungen im Sinn des § 13 Abs. 2 zweiter Satz AVG vor (vgl. zur Rechtslage in Oberösterreich bereits VwGH 27.9.2019, Ra 2019/02/0008), die ‑ schon ausgehend von ihrem Wortlaut ‑ auch die Einbringung von Revisionen beim Verwaltungsgericht erfasst.
21 Da die vorliegende Revision am letzten Tag der Revisionsfrist erst außerhalb der Amtsstunden eingebracht wurde, ist sie als verspätet anzusehen (vgl. zu einer vergleichbarer Fallkonstellation VwGH 21.5.2019, Ra 2019/03/0018, 0019, mwN).
22 Auf Grund des Vorlageantrages war die Revision vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen, wobei der gegenständliche Beschluss an die Stelle des Zurückweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtes tritt (VwGH 26.4.2017, Ro 2017/03/0010, mwN).
Wien, am 17. Februar 2021
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)