VwGH Ra 2021/05/0046

VwGHRa 2021/05/004616.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, in der Revisionssache der Ages.m.b.H. in W, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 14, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21. Dezember 2020, VGW‑111/055/3449/2020‑2 und VGW‑111/055/16142/2019, betreffend Versagung der Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO Wr §69 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050046.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 11. November 2019, mit welchem die baubehördliche Bewilligung für das Ansuchen betreffend die Errichtung eines Wohngebäudes mit sechs oberirdischen Geschoßen zwecks Schaffung von zwölf Wohnungen, einem Geschäftslokal und Hausnebenräumen sowie einem Kellergeschoß, beinhaltend eine Garage für elf Stellplätze und Hausnebenräume auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien versagt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

5 Begründend stellte das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass nach dem maßgeblichen Plandokument für die Bauliegenschaft die zulässige Gebäudehöhe mit 10,5 m festgelegt wurde; im Plangebiet herrsche allgemein eine Widmung mit Bauklasse III vor, wobei die zulässige Gebäudehöhe mehrfach auf 13 m, teilweise auch auf 10,5 m beschränkt sei. Sodann führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass durch die projektierte Überschreitung der Gebäudehöhe die Zielrichtung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes unterlaufen würde, zumal es sich nicht bloß um eine punktuelle oder abschnittsweise, sondern um eine umfassende - den gesamten Gebäudeumriss betreffende - und erhebliche Abweichung von der festgesetzten Maximalhöhe handle. Die geplante Höhenüberschreitung betrage über alle Fronten gerechnet rund 21% und an der Front A.-K.-Gasse sogar 23,80% der Höhenbeschränkung des Bebauungsplanes. Bei Verwirklichung einer derart massiven Überschreitung bliebe die - in Abweichung von der gesetzlichen Regelung getroffene - Anordnung des Bebauungsplanes betreffend die höchstzulässige Gebäudehöhe zur Gänze unbeachtet. In diesem Sinn und unter Beachtung der gebotenen restriktiven Auslegung der Abweichungsmöglichkeit, könne § 69 Bauordnung für Wien keine Grundlage für die beantragte Höhenüberschreitung bieten.

6 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision bringt die revisionswerbende Partei vor, „die belangte Behörde“ sei von einer grob fehlerhaften Auslegung des im Revisionsfall maßgeblichen Bebauungsplanes ausgegangen. Unter der am Bestand orientierten Widmung könne nicht nur der auf der Bauliegenschaft (und den Nachbargebäuden) zum Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes vorhandene Baubestand gemeint sein, zumal eine solche Bestandsorientierung kein neu zu errichtendes Gebäude erlauben würde, das höher als der Altbestand sei. Dem Plandokument sei auch nicht zu entnehmen, dass es neben der Bauliegenschaft lediglich auf die Nachbargebäude ankommen würde. Vielmehr sei in der Zielsetzung des Verordnungsgebers davon die Rede, dass sich neu zu errichtende Gebäude in das bestehende Ensemble einfügen und nicht das Erscheinungsbild dominieren sollten. Darüber hinaus sei nach der auch auf den Revisionsfall anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 20.5.2003, 2001/05/1123) die vorliegende Abweichung von der Gebäudehöhe von durchschnittlich 21% als noch unwesentlich zu beurteilen. Die rechtliche Beurteilung „der belangten Behörde“ sei demnach grob fehlerhaft erfolgt bzw. führe zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis, weshalb sich die vorliegende Revision als zulässig erweise.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

7 Die Frage, ob durch eine konkrete Abweichung von den Vorschriften des Bebauungsplanes die Zielrichtung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes im Sinn des § 69 Abs. 1 Bauordnung für Wien unterlaufen wird oder nicht, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 10.11.2020, Ra 2020/06/0258, mwN).

8 Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargestellt, zumal der Vorwurf der revisionswerbenden Partei, es sei nur der auf der Bauliegenschaft (und den Nachbargebäuden) zum Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes vorhandene Baubestand berücksichtigt und lediglich auf die Nachbargebäude abgestellt worden, nicht zutrifft. Das Verwaltungsgericht hat in seinen Feststellungen vielmehr die für die unmittelbare Umgebung um die Bauliegenschaft getroffenen Festlegungen des maßgeblichen Plandokumentes in Bezug auf die höchstzulässige Gebäudehöhe dargestellt und ist unter Zugrundelegung der massiven Überschreitung der Gebäudehöhe durch das beantragte Projekt um 21% bzw. 23,8% zu dem Schluss gelangt, dass dadurch die Zielrichtung des Plandokumentes, welches gerade für den gegenständlichen, die Bauliegenschaft umfassenden Bereich eine geringere Gebäudehöhe festlegt, unterlaufen würde. Lediglich ergänzend hat das Verwaltungsgericht festgehalten, dass sich die beabsichtigte Höhenüberschreitung auch nicht mit einer Angleichung an die Höhe der umliegenden Gebäude argumentieren lasse, weil das geplante Gebäude diesfalls die unmittelbar angrenzenden Gebäude überragen würde. Mit ihrem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 20.5.2003, 2001/05/1123, zeigt die revisionswerbende Partei auch kein Abweichen von der hg. Rechtsprechung auf, weil der diesem Erkenntnis zugrunde liegende Sachverhalt ‑ in welchem zum einen die Besonderheit gegeben war, dass die Höhe des aufsteigenden Mauerwerkes der beiden seitlichen Nachbargebäude die auf der Bauliegenschaft zulässige Gebäudehöhe überschritten hat und durch das Projekt die niedrigere der beiden benachbarten Gesimshöhen fortgesetzt werden sollte, und zum anderen das Projekt in einer Schutzzone situiert war ‑ mit dem dem Revisionsfall zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 16. März 2021

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