VwGH Ra 2021/05/0043

VwGHRa 2021/05/004326.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Liebhart‑Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. des F D in G und 2. der A GmbH in W, beide vertreten durch Dr. Alfred Feitsch, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hetzgasse 45/7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 7. August 2020, VGW‑003/004/787/2020‑10, VGW‑003/V/004/788/2020, betreffend Übertretungen des AWG 2002 in Verbindung mit der Elektroaltgeräteverordnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
B-VG Art144 Abs1
MRKZP 07te Art4
VStG §5 Abs1
VStG §9
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050043.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

5 In den Revisionszulässigkeitsgründen wird ausgeführt, Judikatur zum Umfang der Verpflichtungen und der Verantwortlichkeit eines Bevollmächtigten für ausländische Fernabsatzhändler im Sinne des § 21b Elektroaltgeräteverordnung (EAG‑VO) sei bislang nicht ergangen. Aus dem nach der gesetzlichen Konzeption zwingenden Auseinanderfallen des Betriebes des bevollmächtigenden ausländischen Fernabsatzhändlers einerseits und des inländischen Bevollmächtigten andererseits folge, dass letzterer darauf angewiesen sei, dass ihm die erforderlichen Unterlagen und Mittel zur Verfügung gestellt würden, die er verarbeiten, bei den österreichischen Stellen einmelden und (im Nachhinein) überprüfen könne. Der Standpunkt der belangten Behörde, der Bevollmächtigte hätte für Fehler oder Irrtümer des ausländischen Fernabsatzhändlers auch einzustehen, wenn ihm selbst kein Verstoß gegen diese Pflichten vorzuwerfen sei, widerspreche dem Grundsatz „nulla poena sine culpa“.

6 Für die Kategorie der Gasentladungslampen habe keine Bevollmächtigung bestanden. Dennoch sei wegen des Verstoßes gegen Rücknahme‑ und Registrierungspflichten betreffend Gasentladungslampen eine Bestrafung erfolgt. Dem angefochtenen Erkenntnis fehle eine Begründung, aus der sich diese Strafbarkeit ableiten ließe.

7 Darüber hinaus werde mit dem angefochtenen Erkenntnis eine Bestrafung sowohl deswegen bejaht, weil im elektronischen Register für abfallrechtliche Stammdaten die Kategorie „Gasentladungslampen ‑ Geräte für private Haushalte“ nicht ausgewählt gewesen sei, als auch deswegen, weil 4,8 kg Gasentladungslampen nicht entpflichtet in Österreich in Verkehr gesetzt worden seien. Damit liege ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung vor.

8 Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung seien zwischen den Mitgliedstaaten verboten (Art. 34 AEUV). Die Rechtsansicht der belangten Behörde führte aber dazu, dass inländische Bevollmächtigte, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können, nicht nur eine nachträgliche Kontrolle jener Angaben vorzunehmen hätten, die ihnen vom Vollmachtgeber übermittelt worden seien, sondern für eine ständige, zeitgleiche Überprüfung der vom Fernabsatzhändler nach Österreich gelieferten Mengen von Elektro‑ und Elektronikgeräten sorgen müssten, sei es durch ständige Anwesenheit im (ausländischen) Betrieb oder durch mit jeder Lieferung vorzulegende Testdaten von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, Buchprüfern oder unabhängigen Sachverständigen. Die Konsequenz wäre, dass ausländische Hersteller gegenüber inländischen Marktteilnehmern massiv schlechter gestellt wären. Während inländische Hersteller nur die Kosten eines innerbetrieblichen Kontrollsystems für die Erstattung richtiger Meldungen zu tragen hätten, müssten ausländische Hersteller zusätzlich die Kosten einer laufenden Kontrolle durch einen österreichischen Bevollmächtigten bestreiten. Dies würde eine mittelbare Diskriminierung ausländischer Fernabsatzhändler gegenüber österreichischen Fernabsatzhändlern darstellen. Entweder würde somit dem Gebot der unionsrechtskonformen Interpretation innerstaatlichen Rechts widersprochen, oder es wäre eine Vorlage der Frage nach der Vereinbarkeit des § 21b EAG‑VO mit den unionsrechtlichen Bestimmungen an den EuGH erforderlich.

9 Darüber hinaus ergäben sich wirtschaftliche Auswirkungen, weil mit den Kontrollen hohe Kosten einhergingen, womit ausländischen Herstellern erhebliche Mehrkosten im Vergleich zu ihren inländischen Konkurrenten entstünden. Es stünde zu befürchten, dass sie in diesem Fall die Fortsetzung des Vollmachtverhältnisses ablehnten. Ausländische Fernabsatzhändler würden den Verkauf von Elektrogeräten in Österreich aber nicht einstellen. Dies würde bedeuten, dass de facto bei ausländischen Unternehmen die Bestimmungen der EAG‑VO und des AWG 2002 nicht mehr umsetzbar wären. Im Ergebnis wäre die österreichische Wirtschaft geschädigt, weil sie dann alleine die Kosten der getrennten Sammlung und Behandlung von Elektro‑ und Elektronikaltgeräten finanzieren müsste. Auch deshalb sei es enorm wichtig, ausländische Fernabsatzhändler nicht zu diskriminieren, sondern diese denselben Kontroll‑ und Überwachungsmaßnahmen zu unterwerfen wie ihre inländischen Konkurrenten.

10 Dazu ist vorweg zu bemerken, dass der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt oder einer bestimmten Rechtsnorm fehlt, für sich allein keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründet (vgl. VwGH 24.2.2015, Ro 2014/05/0097, mwN).

11 Gegenständlich erfolgte die Bestrafung in Verbindung mit § 9 VStG. § 21b Abs. 2 Z 3 EAG‑VO verlangt ausdrücklich, dass für die Registrierung als Bevollmächtigter für ausländische Fernabsatzhändler die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der österreichischen Verwaltungsvorschriften (§ 9 VStG) gegeben sein muss. Das Verwaltungsgericht hat auf ein im Sinne des § 9 VStG wirksames Kontrollsystem abgestellt, das eine Möglichkeit zur Exkulpierung bedeutet hätte, das Vorliegen eines solchen aber verneint (S. 23 ff des angefochtenen Erkenntnisses). Ein Widerspruch zum Grundsatz „nulla poena sine culpa“ ist daher nicht ersichtlich.

12 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts (S. 23 des angefochtenen Erkenntnisses) haben die Revisionswerber lediglich die Erfüllung der subjektiven Tatseite durch den Erstrevisionswerber bestritten. Angesichts dessen hätten die Revisionszulässigkeitsgründe auszuführen gehabt, dass bereits im Verfahren vorgebracht worden wäre, dass für die Kategorie der Gasentladungslampen keine Bevollmächtigung bestanden habe. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist nämlich der festgestellte Sachverhalt (vgl. VwGH 3.10.2016, Ra 2016/06/0110, mwN), und mit einem Vorbringen, das unter das Neuerungsverbot fällt, kann das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage nicht begründet werden (vgl. VwGH 28.2.2018, Ro 2015/06/0016, mwN).

13 Mit einem Verstoß gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen (hier des Doppelbestrafungsverbotes gemäß Art. 4 7. ZPMRK) kann eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht begründet werden (vgl. VwGH 26.7.2016, Ra 2016/05/0062, mwN). Abgesehen davon ist ohne nähere Begründung auch nicht nachvollziehbar, weshalb durch die fehlende Auswahl einer Kategorie im elektronischen Register für abfallrechtliche Stammdaten und durch das In‑Verkehr‑Setzen von Gasentladungslampen in nicht entpflichteter Weise ein und dasselbe Verhalten angelastet worden sein sollte.

14 Im Übrigen wird in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht nachvollziehbar dargelegt und ist auch aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes nicht ersichtlich, dass eine Diskriminierung ausländischer Hersteller gegenüber inländischen gegeben wäre. Ein Kontrollsystem auf der Grundlage des § 9 VStG hat in beiden Fällen zu greifen, und es ist im Sinne des § 9 VStG auch nicht relevant, wer die Kosten dafür zu bestreiten hat. In den Revisionszulässigkeitsgründen wird auch keine Rechtsvorschrift genannt, die diese Kosten dem ausländischen Hersteller aufbürden würde, während inländische Hersteller von diesen Kosten befreit wären. Es obliegt vielmehr stets dem gemäß § 9 VStG Verantwortlichen, für ein entsprechendes Kontrollsystem zu sorgen, unabhängig von der Frage, wer die Kosten für dasselbe letztlich trägt.

15 Bemerkt wird abschließend, dass die Frage, ob ein konkretes Kontrollsystem eines bestimmten Unternehmens ausreichend wirksam gewesen ist, nur den Einzelfall betrifft und als solche keine grundsätzliche Rechtsfrage darstellt. Dass die in diesem Zusammenhang vorgenommene Beurteilung durch das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte, wird in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht ausgeführt (vgl. VwGH 12.12.2017, Ra 2017/05/0286, mwN).

16 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 26. März 2021

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