Normen
AVG §13 Abs3
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §11 Abs1 Z3
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §11 Abs3
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §6
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §6 Abs2 Z9
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §6 Abs3
ElektrizitätswesenG NÖ 2005 §9 Abs1
GewO 1994 §353
GewO 1994 §74 Abs2 Z1
GewO 1994 §75 Abs2
GewO 1994 §77 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021040011.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin beantragte die elektrizitätsrechtliche und starkstromwegerechtliche Bewilligung für die Errichtung einer näher beschriebenen Windkraftanlage in S Den von der Revisionswerberin der belangten Behörde übermittelten Projektunterlagen war unter anderem eine schalltechnische Untersuchung der E GmbH & Co KG vom 9. Juni 2017 betreffend die „in den nächstgelegenen Wohnnachbarschaften zu erwartenden Betriebsgeräuschimmissionen“ angeschlossen.
2 Der Mitbeteiligte ist Grundeigentümer von vier landwirtschaftlich genutzten Grundstücken, die unmittelbar an die beiden Grundstücke, auf denen die beantragte Windkraftanlage errichtet werden soll, angrenzen bzw. von den beiden Grundstücken lediglich durch einen ca. 10 m breiten Weg getrennt sind.
3 Innerhalb der von der belangten Behörde festgelegten Frist erhob der Mitbeteiligte schriftlich Einwendungen gegen das Projekt. Diese begründete er einerseits mit einer durch Eisabwurf drohenden Gefährdung für ihn, seine Arbeiter und Maschinen und „die jeweilige Kultur“, zumal seine „Grundstücke ... mittlerweile auch in den Wintermonaten ... nicht nur maschinell, sondern auch in Handarbeit“ (Gemüsebau) bearbeitet würden, sowie mit einer Belästigung durch Schattenwurf, andererseits mit einer für die auf seinen Grundstücken „arbeitenden Personen“ zu hohen und daher unzumutbaren Lärmbelästigung, zumal „speziell bei Sonderkulturen sehr viel händische Arbeit notwendig“ sei.
4 Aufgrund der Mitteilung des lärmtechnischen Amtssachverständigen vom 28. August 2019 legte die Revisionswerberin die ergänzende Stellungnahme der E GmbH & Co KG vom 17. September 2019 vor, worin für verschiedene Messpunkte an den Grenzen zu den Grundstücken des Mitbeteiligten A‑bewertete Schalldruckpegel zwischen 47,5 und 52,0 dB der zu erwartenden Immissionen, nicht jedoch der jeweilige Umgebungsgeräuschpegel ausgewiesen wurden.
5 Diese Angaben beurteilte der lärmtechnische Amtssachverständige in seiner Stellungnahme vom 7. Oktober 2019 als schlüssig. Der Amtssachverständige für Umwelthygiene führte in seiner Stellungnahme vom 15. Oktober 2019 aus, die für die Grundstücke des Mitbeteiligten ausgewiesenen Prognosewerte würden unter den für eine Wohnnachbarschaft als Grenze zur Gesundheitsgefährdung etablierten Werte von 65 dB untertags und 55 dB nachts liegen, weshalb nicht von einer Gesundheitsgefährdung für eine von der Behörde hinsichtlich des Schutzniveaus nicht näher definierte zulässige Nutzung von Liegenschaften mit der Nutzungsart „landwirtschaftlich genutzt ‑ Acker, Wiese oder Weide“ auszugehen sei.
Betreffend die möglichen Auswirkungen auf das „Wohlbefinden der Nachbarn“ stelle sich die Frage nach dem Schutzniveau. Sowohl die Verordnung über den Schutz der Arbeitnehmer/innen vor der Gefährdung durch Lärm und Vibration (Verordnung Lärm und Vibration ‑ VOLV), als auch die für landwirtschaftliche Betriebe zur Anwendung kommende Verordnung über den Schutz der Dienstnehmer in der Land- und Forstwirtschaft vor Gefährdung durch Lärm und Vibrationen (NÖ LFW LV‑VO) würden für gehörgefährdenden Lärm 80 dB als Grenzwert definieren. Von einem Schutz des Wohlbefindens sei in diesen Verordnungen nichts zu entnehmen. Eine allfällige Störung des Wohlbefindens durch Lärm hänge maßgeblich von der Art der zulässigen bzw. erwartbaren Nutzung eines Grundstücks ab. Eine besondere Schutzbedürftigkeit von rein landwirtschaftlich genutzten Flächen sei den einschlägigen Richtlinien (z.B. WHO, ÖAL) nicht zu entnehmen. Jedenfalls wäre die ortsübliche Umgebungsgeräuschsituation bei dieser Beurteilung miteinzubeziehen. Durch die teilweise unmittelbare Nähe der Grundstücke des Mitbeteiligten zur Schnellstraße S 33 sei mit einer entsprechenden Beeinflussung der Bestandsituation zu rechnen. Mangels lärmtechnischer Ausführungen sei eine Quantifizierung der Bestandsituation derzeit nicht möglich.
Sollte die Behörde eine gutachterliche Aussage zu den zu erwartenden Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Nachbarn betreffend die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke des Mitbeteiligten für nötig erachten, seien ergänzende Angaben zum Schutzniveau hinsichtlich des Wohlbefindens von Menschen auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen; zu der nach Ansicht der Behörde zu schützenden Tätigkeit bzw. zum Aufenthaltszweck auf diesen Flächen; zur Aufenthaltsdauer der zu schützenden Personen und zur üblichen Tageszeit deren zu erwartenden Aufenthalts auf diesen Flächen sowie zur bestehenden ortsüblichen Umgebungsgeräuschsituation zu diesen Tageszeiten erforderlich.
6 In seiner Stellungnahme vom 10. Oktober 2019 widersprach der Mitbeteiligte unter anderem dem Vorbringen der Revisionswerberin, wonach der Mitbeteiligte weder Gemüse noch Obst anbaue, mit dem Hinweis, dass er „auf einen Teil meiner landwirtschaftlichen Flächen bereits Gemüse anbaue“.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2019 erteilte die belangte Behörde unter Vorschreibung von Auflagen die elektrizitätsrechtliche Genehmigung und die starkstromwegerechtliche Bewilligung der beantragten Windkraftanlage.
7 Begründend führte die belangte Behörde ‑ soweit im Revisionsverfahren wesentlich ‑ aus, dass die auf die näher genannten vier Grundstücke des Mitbeteiligten im Bereich von 47 dB bis 52 dB ausgewiesenen energieäquivalenten Immissionen unter den der Wohnnachbarschaft als Grenze zur Gesundheitsgefährdung etablierten Werten lägen. Wenn für eine Wohnnachbarschaft keine Gesundheitsgefährdung abgeleitet werden könne, könne bei Liegenschaften mit der Nutzungsart „landwirtschaftlich genutzt ‑ Acker, Wiese oder Weide“ erst recht von keiner Gesundheitsgefährdung ausgegangen werden. Zudem würden an Arbeitsplätzen 80 bis 85 dB über einen Zeitraum von acht Stunden als zumutbar angesehen werden. Arbeiten am Feld seien einem Arbeiten an einem Arbeitsplatz vergleichbar und daher gleich zu beurteilen.
8 Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde, in der er auf die Gefährdung durch von der Windkraftanlage ausgehenden Infraschall bzw. das Risiko des Eisabwurfs während der Arbeiten auf seinen landwirtschaftlichen Flächen, auf denen er zum Teil Gemüse anbaue, hinwies.
9 In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) vom 23. September 2020 erörterte der Richter unter anderem, dass seiner Ansicht nach die Feststellungen zur Lärmsituation auf den Grundstücken des Mitbeteiligten im angefochtenen Bescheid unzureichend seien und für die Beurteilung einer unzumutbaren Belästigung auch die Bestandsituation zu erheben gewesen wäre. Zu diesem Zweck erscheine entweder eine Erweiterung der lärmtechnischen Untersuchung durch die Revisionswerberin oder die Beauftragung eines nichtamtlichen Sachverständigen möglich, weil ein Amtssachverständiger für derartige Messungen nicht zur Verfügung stehe. Daraufhin erklärte sich die Revisionswerberin bereit, bis Ende November 2020 eine entsprechende Ergänzung der schalltechnischen Untersuchung vorzulegen.
10 Mit Schreiben vom 29. September 2020 übermittelte das Verwaltungsgericht das Verhandlungsprotokoll. Darin verwies das Verwaltungsgericht bezugnehmend auf die Erörterungen während der Verhandlung zur erforderlichen Ergänzung der bisherigen schalltechnischen Untersuchungen auf die dem Schreiben angeschlossene „im Verwaltungsverfahren erstattete Stellungnahme des Sachverständigen für Umwelthygiene vom 15. Oktober 2019“, speziell auf die von diesem geforderte Darstellung der bestehenden Geräuschsituation auf den Nachbargrundstücken“ des Mitbeteiligten. Insofern liege „ein Mangel der nach § 6 Abs. 2 Z 9 NÖ Elektrizitätswesengesetz 2005 erforderlichen Einreichunterlagen vor“. Unter Androhung der Zurückweisung des Antrags auf Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Genehmigung gemäß § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG forderte das Verwaltungsgericht die Revisionswerberin auf, „diesen Mangel durch Ergänzung bzw. Überarbeitung der schalltechnischen Untersuchung längstens bis zum 30. November 2020 zu beheben“.
11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen die Bewilligung nach dem NÖ Starkstromwegegesetz gemäß § 28 Abs. 1 erster Halbsatz iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurück (Spruchpunkt 1.). Im Übrigen gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG Folge und wies den Antrag der Revisionswerberin vom 12. Juni 2017 auf Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung für näher genannte Windkraftanlage als mangelhaft zurück (Spruchpunkt 3.). Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht jeweils für nicht zulässig (Spruchpunkte 2. und 4.).
12 Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage legte das Verwaltungsgericht ‑ soweit für das Revisionsverfahren wesentlich ‑ zu den Spruchpunkten 3. und 4. begründend dar, der Mitbeteiligte habe eine Belästigung durch von der geplanten Anlage ausgehenden Lärm fristgerecht geltend gemacht, weshalb er als Partei des elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsverfahrens Anspruch habe, dass die Einreichunterlagen ausreichen, ihm jene Informationen zu vermitteln, die er zur Verfolgung dieses subjektiv‑öffentlichen Nachbarrechts im Verwaltungsverfahren brauche. Das Verwaltungsgericht sei in seiner rechtlichen Beurteilung an das Beschwerdevorbringen nicht gebunden. Daher sei es berechtigt, den angefochtenen Bescheid umfassend auf eine unzumutbare Belästigung durch Lärm (§ 11 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 3 NÖ ElWG 2005) zu prüfen. Dies schließe die Prüfung der Vollständigkeit der Einreichunterlagen ein.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 77 Abs. 1 und 2 iVm § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 seien für die Beurteilung, ob eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn vorliege, die konkreten tatsächlichen örtlichen Verhältnisse maßgeblich. Es bedürfe daher präziser, auf sachverständiger Grundlage zu treffender Feststellungen über die Immissionssituation vor Inbetriebnahme des zu genehmigenden Projekts, der die auf Grund des zu genehmigenden Projekts zu erwartenden Immissionen gegenüber zu stellen seien. Die Behörde habe daher ‑ grundsätzlich auf Basis von lärmtechnischen Messungen ‑ die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse ohne Einbeziehung des zu beurteilenden Vorhabens festzustellen. Diese Rechtsprechung sei auf die mit § 77 Abs. 2 GewO 1994 fast wortgleiche Formulierung des § 11 Abs. 3 NÖ ElWG 2005 zu übertragen.
Die Rechtslage nach dem NÖ ElWG 2005 unterscheide sich aber insofern von jener nach der GewO 1994, als § 6 Abs. 2 Z 9 NÖ ElWG 2005 den Antragsteller verpflichte, dem Antrag auf Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Genehmigung eine Beschreibung und Beurteilung der voraussichtlichen Gefährdungen und Belästigungen iSd § 11 Abs. 1 NÖ ElWG 2005 anzuschließen. Der Antragsteller habe nicht nur die von der Anlage ausgehenden Emissionen zu beschreiben, sondern auch darzustellen, wie sich diese als Gefährdung oder Belästigung auswirken. Aufgabe des Antragstellers (und nicht der Behörde) im Genehmigungsverfahren nach dem NÖ ElWG 2005 sei es daher zunächst, die durch die Anlage zu erwartenden Gefährdungen und Belästigungen der Nachbarn zu beschreiben. Dies setze neben der Beschreibung der durch die geplante Anlage entstehenden Emissionen eine Darstellung der bestehenden Lärmsituation auf den Nachbargrundstücken und deren Veränderung durch das geplante Vorhaben im Hinblick auf die jeweilige Belästigungsursache (hier Lärm) voraus. Diese Beschreibung bilde die Grundlage für die erforderlichen behördlichen Feststellungen. Die Aufgabe des lärmtechnischen Sachverständigen werde sich im elektrizitätsrechtlichen Genehmigungsverfahren daher in der Regel auf eine Plausibilitätsprüfung der technischen Beschreibung der Gefährdungen und Belästigungen beschränken.
Selbst wenn man entgegen dieser Auslegung § 6 Abs. 2 Z 9 NÖ ElWG 2005 keinen so weitreichenden Inhalt unterstellte, sei die Behörde gemäß § 6 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. berechtigt, entsprechende Angaben vom Antragsteller zu verlangen.
Im Hinblick auf die Nähe zur S 33 und den beiden bestehenden Windkraftanlagen sei eine Vorbelastung durch Lärm auf den Grundstücken des Mitbeteiligten evident. Die Revisionswerberin habe in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten, dass in der schalltechnischen Untersuchung eine Darstellung der bestehenden Lärmsituation sowie deren Änderung durch die geplante Anlage fehle.
Nach § 6 Abs. 2 Z 9 (allenfalls § 6 Abs. 3 zweiter Satz) NÖ ElWG 2005 liege in der fehlenden Darstellung der bestehenden Lärmsituation sowie deren Änderung durch die geplante Anlage ein Mangel des verfahrenseinleitenden Antrages iSd § 13 Abs. 3 AVG vor, weshalb das Verwaltungsgericht der Revisionswerberin einen entsprechenden Verbesserungsauftrag unter Androhung der Zurückweisung erteilt habe.
Dem sei die Revisionswerberin nicht fristgerecht nachgekommen. In ihrer ohne jede Begründung abgegebenen Erklärung vom 25. November 2020, sie könne die Ergänzung erst Ende Dezember 2020 vorlegen, weise sie weder auf eine nach objektiven Maßstäben zu kurz bemessene Mangelbehebungsfrist noch auf nachvollziehbare Gründe für eine Fristverlängerung hin.
Mangels fristgerechter Behebung des Mangels der Einreichunterlagen sei der verfahrenseinleitende Antrag der Revisionswerberin in Stattgebung der Beschwerde gemäß § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG zurückzuweisen gewesen.
13 Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Verwaltungsgericht mit dem klaren Wortlaut des § 6 Abs. 2 Z 9 bzw. des § 6 Abs. 3 NÖ ElWG 2005. Zu letzterer Bestimmung sei außerdem die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen. Selbst eine andere (engere) Auslegung des § 6 Abs. 2 Z 9 NÖ ElWG 2005 würde im Hinblick auf § 6 Abs. 3 leg. cit. zu keinem anderen Ergebnis führen.
14 Gegen Spruchpunkt 3. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Projektwerberin mit dem Antrag auf Aufhebung gegen Aufwandersatz. Demgegenüber beantragte der Mitbeteiligte in der von ihm erstatteten Revisionsbeantwortung die Abweisung der Revision gegen Aufwandersatz. Ebenso erstattete die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung jedoch ohne Antragstellung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zulässigkeit
15 Die Revision ist zu den in ihrem Zulässigkeitsvorbringen dargelegten Rechtsfragen und zwar über die Vollständigkeit der von der Revisionswerberin vorgelegten lärmtechnischen Unterlagen, dem damit verbundenen Umfang der Prüfpflicht der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts und der Rechtmäßigkeit des erteilten Verbesserungsauftrags sowie mangels einschlägiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über die vom Verwaltungsgericht aus § 6 Abs. 2 Z 9 iVm § 11 Abs. 1 Z 3 NÖ ElWG 2005 abgeleitete Pflicht der Revisionswerberin als Projektwerberin zur Vorlage von Immissionsberechnungen als Ausnahme vom Amtswegigkeitsgrundsatz, zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtslage
16 § 6 Abs. 2 Z 9 und Abs. 3 NÖ Elektrizitätswesengesetz 2005 (NÖ ElWG 2005), LGBl. 7800‑0, in der Fassung LGBl. Nr. 12/2018, § 9 Abs. 1 leg. cit. in der Fassung LGBl. 7800‑5, § 10 Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 leg. cit. in der Fassung LGBl. Nr. 94/2015, sowie § 11 Abs. 1 Z 2 und 3 sowie Abs. 2 und 3 leg. cit. in der Fassung LGBl. 54/2020 lauten wie folgt:
„§ 6
Antragsunterlagen
...
(2) Dem Antrag sind folgende Unterlagen, erstellt von einem nach den berufsrechtlichen Vorschriften hiezu Befugten, in zweifacher Ausfertigung und, soweit technisch möglich, auch elektronisch anzuschließen:
...
9. eine Beschreibung und Beurteilung der voraussichtlichen Gefährdungen und Belästigungen im Sinne des § 11 Abs. 1,
...
(3) Die Behörde kann von der Beibringung einzelner im Abs. 2 angeführter Unterlagen absehen, wenn diese für das Genehmigungsverfahren entbehrlich sind. Sie kann die Beibringung weiterer Unterlagen verlangen, wenn diese für die Beurteilung des Vorhabens im Genehmigungsverfahren erforderlich sind.
...
§ 9
Nachbarn
(1) Nachbarn sind alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Erzeugungsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Erzeugungsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Betreiber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.
...
§ 10
Parteien
(1) In Verfahren gemäß den §§ 7 und 8 haben Parteistellung:
...
3. die Nachbarn hinsichtlich des Schutzes der gemäß § 11 Abs. 1 Z 2 und 3 wahrzunehmenden Interessen,
...
(2) Die in Abs. 1 Z 2 bis 6 genannten Personen verlieren ihre Parteistellung, wenn sie
1. nicht innerhalb der in der Kundmachung gemäß § 7 Abs. 1 oder der in der persönlichen Verständigung gemäß § 7 Abs. 2 festgelegten Frist oder
2. bei Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 8 Abs. 1 nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung
Einwendungen erheben.
§ 11
Voraussetzungen für die Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Genehmigung
(1) Erzeugungsanlagen sind unter Berücksichtigung der Interessen des Gewässerschutzes entsprechend dem Stand der Technik so zu errichten, zu ändern und zu betreiben, dass durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage oder durch die Lagerung von Betriebsmitteln oder Rückständen und dergleichen
...
2. das Leben oder die Gesundheit oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn nicht gefährdet werden,
3. Nachbarn durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen und Schwingungen, im Falle von Windkraftanlagen auch durch Schattenwurf, nicht unzumutbar belästigt werden,
...
(2) Unter Gefährdungen im Sinne des Abs. 1 Z 2 sind nur jene zu verstehen, die über solche hinausgehen, die von Bauwerken (z.B. Hochhäuser, Sendemasten, Windkraftanalgen) üblicherweise ausgehen. Unter einer Gefährdung des Eigentums im Sinne des Abs. 1 Z 2 ist die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen.
(3) Ob Belästigungen im Sinne des Abs. 1 Z 3 zumutbar sind, ist danach zu beurteilen, wie sich die durch die Erzeugungsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
...“
Erforderliche Antragsunterlagen nach § 6 Abs. 2 Z 9 NÖ ElWG 2005
17 Die Revisionswerberin bringt vor, das Verwaltungsgericht habe ihr mangels verbesserungsbedürftigen Mangels zu Unrecht die Verbesserung der Antragsunterlagen aufgetragen, weshalb die Zurückweisung ihres Antrags um elektrizitätsrechtliche Genehmigung unzulässig sei.
Nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege ausschließlich der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht die inhaltliche Prüfung der Frage, ob unzumutbare Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen auftreten. Diese Prüfung habe sich entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes auch im Anwendungsbereich des NÖ ElWG 2005 nicht zwingend auf eine bloße Plausibilitätsprüfung zu beschränken, sondern sei ‑ dem System der GewO 1994, dem das Anlagenrecht des NÖ ElWG 2005 folge, sowie den Grundsätzen der materiellen Wahrheit und der amtswegigen Ermittlungspflicht folgend ‑ vom Verwaltungsgericht unter Beiziehung von Sachverständigen durchzuführen. Dass sich die vom Verwaltungsgericht beigezogenen Sachverständigen dabei insbesondere bei größeren Vorhaben regelmäßig auf Privatgutachten stützten und dies nach der Judikatur auch tun dürften, bedeute nicht, dass solche gutachterlichen Stellungnahmen in jedem Fall von der Konsenswerberin vorzulegen wären. Eine solche Pflicht bedürfe vielmehr einer ausdrücklichen und klaren gesetzlichen Grundlage, wie sie beispielsweise im Anwendungsbereich des UVP‑G 2000 bestünde. Solche Anforderungen seien aber keinesfalls auf Genehmigungsverfahren nach dem NÖ ElWG 2005 umzulegen, zumal dieses Gesetz keine „zweifelsfrei erkennbaren“ gegenteiligen Anordnungen enthalte, von der Offizialmaxime abzugehen. Es sei daher unzulässig, vom beherrschenden Grundsatz der Amtswegigkeit abzuweichen. Vielmehr habe auch im Anwendungsbereich des NÖ ElWG 2005 das Verwaltungsgericht von sich aus den vollständigen und wahren entscheidungswesentlichen Sachverhalt durch Aufnahme aller nötigen Beweise festzustellen.
In diesem Zusammenhang verkenne das Verwaltungsgericht auch, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des lärmtechnischen Sachverständigen sei, über das Ausmaß der zu erwartenden Lärmimmissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliege, sein Fachwissen hinsichtlich der Wirkungen dieser Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen. Es sei daher nicht dem humanmedizinischen Amtssachverständigen oblegen, die schalltechnischen Einreichunterlagen der Revisionswerberin zu kritisieren. Eine solche Kritik auf gleicher fachlicher Ebene hätte vom schalltechnischen Amtssachverständigen formuliert werden müssen. Dieser habe jedoch keine Nachforderungswünsche geäußert, sondern die Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Einreichunterlagen und damit die ordnungsgemäße Erhebung der Bestandsituation mit seiner Stellungnahme vom 7. Oktober 2019 bestätigt. Daher sei kein mangelhaftes schalltechnisches Einreichoperat vorgelegen.
18 Dieses Vorbringen geht fehl.
19 Für den Antrag um Erteilung einer elektrizitätsrechtlichen Genehmigung schreibt § 6 Abs. 2 Z 9 NÖ ElWG 2005 vor, dass dem Antrag eine Beschreibung und Beurteilung der voraussichtlichen Gefährdungen und Belästigungen im Sinne des § 11 Abs. 1 leg. cit. anzuschließen sind.
20 Vorliegend ist wesentlich, ob die von der Revisionswerberin vorgelegten schalltechnischen Unterlagen für eine Beschreibung und Beurteilung der voraussichtlichen Belästigung des Mitbeteiligten auf seinen der geplanten Erzeugungsanlage unmittelbar benachbarten, landwirtschaftlich genutzten Grundstücken durch Lärm iSd § 6 Abs. 2 Z 9 NÖ ElWG 2005 ausreichend waren. Eine Gefährdung des Mitbeteiligten durch Lärm wurde vom humanmedizinischen Amtssachverständigen auf der Grundlage der von der Revisionswerberin vorgelegten und vom lärmtechnischen Amtssachverständigen überprüften schalltechnischen Unterlagen verneint. Die Zumutbarkeit einer möglichen Lärmbelästigung konnte der Amtssachverständige hingegen unter anderem mangels Unterlagen zur bestehenden, ortsüblichen Geräuschsituation nicht beurteilen.
21 Ob Belästigungen iSd § 11 Abs. 1 Z 3 NÖ ElWG 2005 zumutbar sind, ist gemäß § 11 Abs. 3 leg. cit. danach zu beurteilen, wie sich die durch die Erzeugungsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
22 § 11 Abs. 1 Z 3 NÖ ElWG 2005 ist im Wesentlichen § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 nachgebildet. Die in § 11 Abs. 3 NÖ ElWG 2005 festgelegten Kriterien, auf Grund welcher die Zumutbarkeit von Belästigungen der Nachbarn zu beurteilen ist, haben § 77 Abs. 2 GewO 1994 zum Vorbild (vgl. Motivenbericht der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24.5.2005, Ltg.‑428/E‑2‑2005, S. 21).
23 Als Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn vorliegt, sind die konkret gegebenen tatsächlichen örtlichen Verhältnisse maßgeblich, sodass es präziser, auf sachverständiger Grundlage zu treffender Feststellungen über die Immissionssituation vor Inbetriebnahme der zu genehmigenden Erzeugungsanlage bedarf, der die auf Grund der zu genehmigenden Erzeugungsanlage zu erwartenden Immissionen gegenüber zu stellen sind (vgl. die zu § 77 Abs. 2 GewO 1994 ergangene Rechtsprechung VwGH 26.6.2019, Ra 2017/04/0013 bis 0020, Rn. 18, mwN).
24 Der Umfang der im Zusammenhang mit einer voraussichtlichen Belästigung des Mitbeteiligten iSd § 11 Abs. 1 Z 3 NÖ ElWG 2005 von der Genehmigungswerberin gemäß § 6 Abs. 2 Z 9 leg. cit. vorzulegenden Antragsunterlagen geht über die Vorlagepflicht des § 353 GewO 1994, die den Anschluss unter anderem einer Betriebsbeschreibung, der erforderlichen Pläne und Skizzen sowie der für die Beurteilung des Projekts und der zu erwartenden Emissionen der Anlage erforderlichen technischen Unterlagen umfasst, hinaus. Da somit im Gegensatz zu § 353 GewO 1994 die Genehmigungswerberin im elektrizitätsrechtlichen Genehmigungsverfahren nach dem NÖ ElWG 2005 dem Antrag eine Beschreibung und Beurteilung der ‑ hier wesentlichen ‑ voraussichtlichen Belästigungen unter anderem der Nachbarn durch Lärm dem Antrag anzuschließen hat, obliegt unter der Voraussetzung, dass eine projektbedingte Belästigung eines Nachbarn voraussichtlich ist, es zunächst der Genehmigungswerberin Unterlagen zum Immissionsstand, der den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen noch ohne Einbeziehung des zu beurteilenden neuen Vorhabens entspricht, der Behörde vorzulegen. In weiterer Folge hat die Behörde die Unterlagen auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Dabei kann die Behörde gemäß § 6 Abs. 3 zweiter Satz NÖ ElWG 2005 die Beibringung weiterer Unterlagen verlangen, wenn diese für die Beurteilung des Vorhabens im Genehmigungsverfahren erforderlich sind.
25 Vorliegend hat die Revisionswerberin aus Anlass der Einwendungen des Mitbeteiligten die ergänzende Berechnung vom 17. September 2019 der durch die geplante Windkraftanlage auf den vier Grundstücken des Mitbeteiligten zu erwartenden Lärmimmissionen der Behörde vorgelegt. Weder darin noch in den zuvor von der Revisionswerberin vorgelegten schalltechnischen Unterlagen befindet sich jedoch eine auf die vier Grundstücke des Mitbeteiligten bezogene Darstellung des Immissionsstands, der den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen noch ohne Einbeziehung der zu beurteilenden neuen Windkraftanlage entspricht.
26 Darauf macht der humanmedizinische Amtssachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Oktober 2019 im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zumutbarkeit einer möglichen projektbedingten Lärmbelästigung von auf den vier Grundstücken arbeitenden Personen aufmerksam, wenn er darauf hinweist, dass es zu dieser Beurteilung unter anderem der Darstellung der bestehenden, ortsüblichen Umgebungsgeräuschsituation während der noch zu eruierenden üblichen Aufenthaltszeiten der auf den Grundstücken arbeitenden Personen bedarf. Diese Beurteilung des humanmedizinischen Amtssachverständigen über die Unvollständigkeit der ihm vorliegenden schalltechnischen Unterlagen ist unter den in § 11 Abs. 3 NÖ ElWG 2005 festgelegten Kriterien für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Belästigungen der Nachbarn nicht zu beanstanden. Es obliegt letztlich der Einschätzung des humanmedizinischen Amtssachverständigen, ob die ihm vorliegenden Unterlagen für eine Beurteilung der projektbedingten Lärmbelästigungen ausreichen.
27 Dem stehen die Stellungnahmen des lärmtechnischen Amtssachverständigen vom 7. Oktober 2019 und 12. Mai 2020, die ausschließlich Aussagen über die Nachvollziehbarkeit der von der Revisionswerberin ergänzend vorgelegten Berechnung vom 17. September 2019 über die durch die geplante Windkraftanlage auf den vier Grundstücken des Mitbeteiligten zu erwartenden Lärmimmissionen enthalten, nicht entgegen. Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin war auch die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des lärmtechnischen Amtssachverständigen zur Frage der Vollständigkeit der von der Revisionswerberin vorgelegten schalltechnischen Untersuchungen durch das Verwaltungsgericht vor Erteilung des Verbesserungsauftrages nicht erforderlich.
28 Da sich die Verordnung über den Schutz der Arbeitnehmer/innen vor der Gefährdung durch Lärm und Vibrationen (VOLV), BGBl. II 22/2006, und die Verordnung über den Schutz der Dienstnehmer in der Land- und Forstwirtschaft vor Gefährdung durch Lärm und Vibrationen (NÖ LFW LV‑VO), LGBl. 9020/16‑0, auf Tätigkeiten beziehen, bei denen die Arbeitnehmer/innen während ihrer Arbeit einer Gefährdung und nicht bloß einer Belästigung durch Lärm ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können, hat der humanmedizinische Amtssachverständige in seiner Stellungnahme vom 15. Oktober 2019 die Anwendbarkeit dieser Verordnungen in Bezug auf die Beurteilung der Zumutbarkeit einer projektbedingten Lärmbelästigung der auf den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken des Mitbeteiligten arbeitenden Personen zu Recht verneint. Allein auf Grund der Unterschreitung der in den beiden Verordnungen zur Verhinderung von Gefährdungen durch Lärm normierten Grenzwerte durch die für den Betrieb der beantragten Windkraftanlage zu erwartenden Lärmimmissionen kann eine unzumutbare Lärmbelästigung der auf den Grundstücken des Mitbeteiligten arbeitenden Personen ohne Bedachtnahme auf die projektbedingte Änderung der tatsächlichen örtlichen Lärmverhältnisse iSd § 11 Abs. 3 NÖ ElWG 2005 nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Voraussichtliche projektbedingte Lärmbelästigungen des Mitbeteiligten iSd § 11 Abs. 1 Z 3 NÖ ElWG 2005
29 Die Revisionswerberin bringt überdies vor, das Verwaltungsgericht begründe nicht, weshalb die eingereichten schalltechnischen Unterlagen mangelhaft seien. Der humanmedizinische Amtssachverständige erachte die Ergänzungen nur dann für erforderlich, wenn rechtlich davon auszugehen sei, dass den am Feld bzw. auf landwirtschaftlichen Grundstücken arbeitenden Personen dasselbe Schutzniveau zuzugestehen sei, wie der Wohnnachbarschaft. Dieser Auffassung habe sich die belangte Behörde nicht angeschlossen. Warum dennoch eine Nachbesserung zu erfolgen habe, könne dem angefochtenen Erkenntnis nicht entnommen werden.
30 Ausgehend vom Vorbringen des Mitbeteiligten über eine unzumutbare Lärmbelästigung seinerseits durch die geplante Windenergieanlage im Hinblick auf den auf seinen Grundstücken unter anderem durchgeführten Gemüseanbau und damit verbundene manuelle Arbeiten prüfte die belangte Behörde eine mögliche Gefährdung bzw. unzumutbare Lärmbelästigung. Eine solche Prüfung setzt zunächst die Bejahung der Nachbarstellung des Mitbeteiligten voraus.
31 Der Begriff des „Nachbarn“ in § 9 Abs. 1 NÖ ElWG 2005 entspricht wortwörtlich jenem des § 75 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) (vgl. Motivenbericht der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24.5.2005, Ltg.‑428/E‑2‑2005, S. 20).
32 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 75 Abs. 2 GewO 1994, auf die zu § 9 Abs. 1 NÖ ElWG 2005 zurückgegriffen werden kann, hat ein Eigentümer oder sonstiger dinglich Berechtigter das in § 75 Abs. 2 zweiter Satz erster Satzteil GewO 1994 (hier § 9 Abs. 1 zweiter Satz erster Satzteil NÖ ElWG 2005) aufgestellte Erfordernis des nicht (bloß) vorübergehenden Aufenthaltes im Nahbereich der Betriebsanlage (hier Erzeugungsanlage) nicht zu erfüllen. Allerdings kann der Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte den seine Person treffenden Nachbarschutz nur bei Zutreffen der in § 75 Abs. 2 erster Satz erster Satzteil GewO 1994 (hier § 9 Abs. 1 erster Satz erster Satzteil NÖ ElWG 2005) enthaltenen Merkmale und daher jedenfalls nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen, die den Eintritt einer persönlichen Gefährdung oder Belästigung im Hinblick auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt überhaupt möglich erscheinen lassen (vgl. etwa VwGH 28.1.1997, 96/04/0158; 16.2.2005, 2002/04/0191; 22.6.2015, 2015/04/0002, jeweils mwN).
33 In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht, jemand, der seine in der Nachbarschaft der gegenständlichen Betriebsanlage liegende Wohnung seit Jahren vermietet habe und nicht bewohne, könne nicht durch Lärm oder Geruch gefährdet werden, nicht als rechtswidrig erkannt (vgl. VwGH 25.2.1997, 96/04/0239). Hingegen hat es der Verwaltungsgerichtshof bei der Verwendung eines Grundstückes zur Freizeitnutzung sowie zur Erholung und somit bei einem, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt auf diesem Grundstück, als nicht von vornherein ausgeschlossen erachtet, dass der Eigentümer im Rahmen solcher Aufenthalte auf seinem Grundstück als Folge des Betriebes der Betriebsanlage gefährdet oder unzumutbar belästigt werden könnte und daher die Bejahung der Nachbarstellung des Betroffenen in einem solchen Fall als rechtmäßig erkannt (vgl. VwGH 16.2.2005, 2002/04/0191). Gleiches nahm der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf vorübergehende regelmäßige Aufenthalte der Betroffenen zur Durchführung näher bezeichneter „Hausmeistertätigkeiten“ auf ihrem Grundstück an, im Rahmen derer nicht ausgeschlossen ist, dass die Betroffene als Folge des Betriebes der Betriebsanlage gefährdet oder unzumutbar belästigt werden könnte (vgl. VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002).
34 Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde und das Verwaltungsgericht von einer Nachbarstellung des Mitbeteiligten, also der Möglichkeit einer projektbedingten Gefährdung oder zumindest unzumutbaren Belästigung des Mitbeteiligten im Rahmen seiner Aufenthalte auf den zur geplanten Windkraftanlage angrenzenden Grundstücken, ausgingen.
35 Hingegen kann der Mitbeteiligte mangels Stellung eines Inhabers einer Einrichtung iSd § 9 Abs. 1 letzter Satz NÖ ElWG 2005 eine Nachbareigenschaft nicht aus einer behaupteten unzumutbaren projektbedingten Lärmbelästigung sonstiger auf seinen Grundstücken arbeitenden Personen ableiten. Ebenso wenig käme diesen sich auf den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken des Mitbeteiligten nur vorübergehend aufhaltenden, nicht iSd § 9 Abs. 1 erster Satz NÖ ElWG 2005 dinglich berechtigten Personen eine Nachbarstellung zu. Wesentlich ist daher ausgehend von der Nachbarstellung des Mitbeteiligten iSd § 9 Abs. 1 erster Satz NÖ ElWG 2005 eine mögliche Gefährdung bzw. unzumutbare Belästigung iSd § 11 Abs. 1 Z 3 leg. cit. ausschließlich des Mitbeteiligten selbst, nicht jedoch auch sonstiger auf dessen Grundstücken arbeitender Personen.
36 Die von der Revisionswerberin gemäß § 6 Abs. 2 Z 9 iVm § 11 Abs. 1 Z 3 NÖ ElWG 2005 vorzulegenden Unterlagen betreffen daher nur die Beschreibung und Beurteilung einer voraussichtlichen Gefährdung bzw. Belästigung des Mitbeteiligten in Bezug auf seine arbeitsbedingten vorübergehenden Aufenthalte auf seinen vier Grundstücken nicht jedoch auch eine mögliche Gefährdung oder Belästigung sonstiger auf den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken arbeitenden Personen.
Zum Vorliegen eines Mangels nach § 13 Abs. 3 AVG
37 Eine auf § 13 Abs. 3 AVG gestützte Zurückweisung kommt nur bei solchen schriftlichen Anbringen in Frage, die mit Mängeln behaftet sind, also von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweichen. Ein solcher Mangel kann auch im Fehlen von Unterlagen gelegen sein, deren Anschluss an eine Eingabe das Gesetz ausdrücklich vorschreibt (vgl. etwa VwGH 15.6.2020, Ra 2019/10/0183, Rn. 26, mwN), wie vorliegend § 6 Abs. 2 Z 9 NÖ ElWG 2005.
38 Enthält nach Auffassung der Behörde der Antrag nicht all jene Angaben nach § 6 NÖ ElWG 2005, so stellt dies einen Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG dar, dessen Behebung die Behörde von Amts wegen zu veranlassen hat (vgl. Motivenbericht der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24.5.2005, Ltg.‑428/E‑2‑2005, S. 20; zu gemäß § 353 GewO 1994 unzureichenden Antragsunterlagen VwGH 7.9.2009, 2009/04/0153, mwN). Die Behebung von Mängeln schriftlicher Anbringen ist auch noch im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht möglich (vgl. etwa VwGH 30.6.2015, Ra 2015/06/0051; 3.8.2016, Ro 2016/07/0008, Rn. 74).
39 Ausgehend von der die Revisionswerberin gemäß § 6 Abs. 2 Z 9 iVm § 11 Abs. 1 Z 3 und Abs. 3 NÖ ElWG 2005 treffenden Pflicht zur Vorlage hinreichender Unterlagen über die Beschreibung und Beurteilung der voraussichtlichen projektbedingten Lärmbelästigungen des Mitbeteiligten auf dessen Grundstücken und der für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer anzunehmenden Lärmbelästigung iSd § 11 Abs. 3 NÖ ElWG 2005 erforderlichen, konkret jedoch nicht vorhandenen Erhebung des Istzustandes hat das Verwaltungsgericht zu Recht gemäß § 13 Abs. 3 AVG einen Verbesserungsauftrag erteilt.
Hinreichende Bestimmtheit des erteilten Verbesserungsauftrages
40 Die Revisionswerberin moniert im Übrigen, dass der ihr gegenüber erteilte Verbesserungsauftrag nicht hinreichend bestimmt gewesen sei. Das Verwaltungsgericht habe lediglich von den nach § 6 Abs. 2 Z 9 NÖ ElWG 2005 erforderlichen Einreichunterlagen gesprochen, ohne die gesetzlichen Vorschriften zu spezifizieren. Die Konkretisierung sei erst im nunmehr angefochtenen Erkenntnis erfolgt. Ebenso werde im Verbesserungsauftrag nur die aus Sicht der Revisionswerberin unzutreffende Auffassung vertreten, dass die von ihr vorgelegte schalltechnische Untersuchung nicht die erforderlichen Angaben enthalte, um Aussagen zur Zumutbarkeit der Lärmbelästigungen auf den Grundstücken des Mitbeteiligten treffen zu können. Welche zusätzlichen Angaben für eine solche Beurteilung konkret erforderlich wären, habe das Verwaltungsgericht nicht ausgeführt. Einzig der unkommentierte Verweis auf das Gutachten des humanmedizinischen Amtssachverständigen führe nicht zu einer ausreichenden Konkretisierung des Verbesserungsauftrages, zumal die Ausführungen des humanmedizinischen Amtssachverständigen zu wenig konkret seien und die vorhandenen schalltechnischen Unterlagen nicht berücksichtigten. Die Zurückweisung des Genehmigungsantrags sei daher wegen des zu unpräzise erteilten Auftrages rechtswidrig.
41 Im Verbesserungsauftrag ist konkret anzugeben, welche vom Gesetz geforderten Eigenschaften dem Anbringen fehlen, und dem Einschreiter die Behebung dieses Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung aufzutragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird (vgl. etwa VwGH 7.9.2009, 2009/04/0153, mwN). Ein Verbesserungsauftrag muss somit konkret sein und eine unmissverständliche Aufforderung enthalten, welche Mängel zu beheben sind (vgl. etwa VwGH 26.4.2017, Ra 2016/05/0040, Rn. 21, mwN).
42 Das Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 29. September 2020 entsprach diesen Voraussetzungen. Das Verwaltungsgericht hat darin nicht bloß pauschal „auf die im Verwaltungsverfahren erstattete Stellungnahme des Sachverständigen für Umwelthygiene vom 15. Oktober 2019“ hingewiesen und dieses Schreiben dem Verbesserungsantrag angeschlossen, sondern „speziell auf die von diesem geforderte Darstellung der bestehenden Geräuschsituation auf den Nachbargrundstücken“ des Mitbeteiligten verwiesen. Für die Revisionswerberin war daher hinreichend klar, dass von ihr gemäß § 6 Abs. 2 Z 9 NÖ ElWG 2005 innerhalb der vorgeschriebenen Frist dem Verwaltungsgericht schalltechnische Unterlagen über die tatsächlichen Lärmverhältnisse auf den vier Grundstücken des Mitbeteiligten vorzulegen waren. Die Revisionswerberin hat im E‑Mail ihrer Rechtsvertretung vom 25. November 2020 an das Verwaltungsgericht auch nicht eine Klarstellung des Verbesserungsauftrages moniert, sondern darauf hingewiesen „die für Ende November 2020 in Aussicht gestellten schalltechnischen Unterlagen erst Ende Dezember 2020 vorlegen zu können“.
Ergebnis
43 Zusammengefasst ging das Verwaltungsgericht zutreffend davon aus, dass ein auf die Ergänzung der gemäß § 6 Abs. 2 Z 9 iVm § 11 Abs. 1 Z 3 NÖ ElWG 2005 für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer projektbedingten Lärmbelästigung des Mitbeteiligten als Eigentümer von vier benachbarter Grundstücke erforderlichen schalltechnischen Untersuchungen gerichteter Verbesserungsauftrag zulässig war und die ‑ insoweit unbestrittene ‑ Nichterfüllung dieses Auftrages die Zurückweisung des Genehmigungsantrages der Revisionswerberin rechtfertigte.
44 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
45 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. Juni 2021
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