Normen
B-VG Art133 Abs4
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §1
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §24
EpidemieG 1950 §32 Abs1 idF 1974/702
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z5 idF 1974/702
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z7 idF 1974/702
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020090075.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 11. August 2020 wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde den Antrag der Revisionswerberin - der Betreiberin eines Einrichtungshauses - vom 14. Mai 2020 auf Vergütung für den Verdienstentgang nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) ab.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
3 Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis zusammengefasst dahingehend, dass die Revisionswerberin ihren Antrag auf Vergütung von Verdienstentgang ab 11. März 2020 auf § 32 EpiG gestützt habe. Die von ihr in diesem Zusammenhang herangezogene Veranstaltungsverbots-Verordnung 2020 der Bezirkshauptmannschaft Ried vom 11. März 2020 habe sich auf § 15 EpiG gestützt. Maßnahmen nach dieser Bestimmung lösten jedoch keine Refundierungsansprüche nach § 32 Abs. 1 EpiG aus. Sowohl die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020, die ab 16. März 2020 unter anderem das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels zum Zweck des Erwerbs von Waren untersagt habe, als auch die ab 1. Mai 2020 geltende COVID‑19‑Lockerungsverordnung, BGBl. II Nr. 197/2020, die das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten unter gewissen Voraussetzungen für zulässig erklärt habe, seien aufgrund von § 1 COVID‑19‑Maßnahmengesetz (COVID‑19‑MG), BGBl. I Nr. 12/2020, erlassen worden. Zwar blieben nach § 4 Abs. 3 COVID‑19‑MG die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 unberührt, jedoch schränke § 4 Abs. 2 COVID-19-MG dies insofern ein, als die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs einer aufgrund von § 1 COVID-19-MG erlassenen Verordnung nicht zur Anwendung gelangten. Der weite Begriff einer Betriebsschließung inkludiere die ebenfalls in § 1 COVID‑19‑MG angeordneten Beschränkungen. Insofern sei ausdrücklich intendiert und normativ festgehalten, dass in einem derartigen Fall keine Betriebsschließung nach § 20 EpiG angeordnet habe werden sollen, weshalb Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG per se schon ausgeschlossen seien (Hinweis auf VfGH 14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., Rn 94). Der Verfassungsgerichtshof habe ferner (unter Hinweis auf andere näher dargestellte finanzielle Ausgleichsmaßnahmen) ausgesprochen, dass eine durch §§ 1 und 4 Abs. 2 COVID‑19‑MG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 bewirkte Entschädigungslosigkeit nicht verfassungswidrig sei. Es bestehe daher kein Anspruch der Revisionswerberin auf Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 EpiG.
4 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass zwar zur Frage der Vergütung für den Verdienstentgang in Zusammenhang mit COVID‑19 noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, dies aber eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht begründe, weil die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig und durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., klargestellt sei. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege deshalb nicht (mehr) vor (Hinweis auf VwGH 26.4.2017, Ro 2015/10/0052, Rn 11).
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 § 32 Abs. 1 bis 5 Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186, in der (nach wie vor in Geltung stehenden) Fassung der Epidemiegesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 702/1974, lautet:
„§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder
2 ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder
3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder
4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder
5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder
6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder
7. sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,
und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.
(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.
(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.
(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen.“
7 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revisionswerberin bringt nun zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, dass zur Frage nach der Anspruchsberechtigung von Unternehmern, die durch die Maßnahmenverordnungen in ihrem Betrieb behindert gewesen seien und daher Vermögensnachteile im Sinn des § 32 Abs. 1 EpiG erlitten hätten, auf Leistung einer Vergütung für den erlittenen Verdienstentgang gemäß § 32 EpiG keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Die Rechtslage sei keineswegs so eindeutig, dass dies als Argument gegen die Zulässigkeit der Revision spräche. Bei den anspruchsbegründenden Tatbeständen des § 32 Abs. 1 Z 1 bis Z 7 EpiG handle es sich um auslegungsbedürftige Normen. Insbesondere sei nicht geklärt, ob die mit den Maßnahmenverordnungen verhängten Maßnahmen als Beschränkungen oder Sperren von Betrieben gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG und/oder als „Verkehrsbeschränkungen über die Ortschaft in der wir berufstätig sind“ im Sinn des § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG zu qualifizieren seien. Dieser Rechtsfrage komme wegen der Betroffenheit vieler Unternehmer auch grundsätzliche Bedeutung zu.
10 Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt, stellt die Revisionswerberin damit doch weder dar, weshalb entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts die Verfassungsmäßigkeit des § 32 EpiG für Fälle wie den vorliegenden durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., noch nicht geklärt wäre, noch tritt sie argumentativ der Annahme eines eindeutigen Gesetzestextes durch das Verwaltungsgericht entgegen. Gegen letzteres behauptet sie schlicht ohne weitere Begründung bloß das Gegenteil. Im Übrigen wurde die Rechtslage bereits durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2021, Ra 2021/03/0018, klargestellt.
11 Die Revisionswerberin stützt ihren Anspruch ausdrücklich auf § 32 EpiG. Die von ihr in diesem Zusammenhang genannte Bestimmung des § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG stellt nun schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auf einen nach § 20 EpiG eingeschränkten oder gesperrten Betrieb ab; § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG verlangt Verkehrsbeschränkungen nach § 24 EpiG. Solche liegen nach dem Zulässigkeitsvorbringen im hier zu beurteilenden Fall jedoch nicht vor, erfolgten die Einschränkungen nach den ‑ im Zulässigkeitsvorbringen nicht in Zweifel gezogenen ‑ Ausführungen des Verwaltungsgerichts doch durch auf Grundlage des nach § 1 COVID‑19‑MG erlassene Verordnungen.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision jedoch dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (siehe etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124, je mwN).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
Wien, am 11. März 2021
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