VwGH Ro 2020/01/0012

VwGHRo 2020/01/001222.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des M A in W, vertreten durch Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Blütenstrasse 15/5/5.13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 2020, Zl. L519 2147675‑1/18E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §25a Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020010012.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das auf Grund einer Säumnisbeschwerde zuständig gewordene Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ den Antrag des Revisionswerbers, eines irakischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Irak zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Ein Ausspruch gemäß § 25a VwGG über die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG unterblieb.

2 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 9. Dezember 2020, E 3701/2020‑5, die Behandlung der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

3 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Im Hinblick auf das Fehlen eines Ausspruchs gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist die Revision als ordentliche Revision zu werten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. zu alldem VwGH 11.1.2021, Ro 2019/01/0015, Rn. 8, mwN).

7 Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier Ermittlungs‑ und Feststellungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. für viele VwGH 20.5.2020, Ra 2020/01/0131, mwN).

8 Die Revision wird diesen Anforderungen mit dem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe in Bezug auf die zum Fluchtvorbringen getroffenen Negativfeststellungen gegen die näher angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verstoßen, wonach das Verwaltungsgericht entsprechend dem Prinzip der Amtswegigkeit nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Beweismittel zum fallbezogen wesentlichen Sachverhalt eindeutig Stellung zu beziehen habe, nicht gerecht. Der Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis zu den Negativfeststellungen ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass und aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seinem Fluchtgrund die Glaubwürdigkeit absprach und es seiner rechtlichen Beurteilung daher nicht zugrunde legte. Die vom Revisionswerber geforderten positiven Feststellungen zu dem von ihm behaupteten Fluchtgrund können aber in einem derartigen Fall ‑ das als unglaubwürdig befundene Fluchtvorbringen betreffend ‑ nicht getroffen werden (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/20/0260, Rn. 4, mwN).

9 In Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten moniert die Revision, das Verwaltungsgericht habe sich mit der Versorgungslage im Irak aufgrund der Covid‑19 Pandemie nicht auseinandergesetzt. Eine entsprechende Relevanzdarlegung ‑ wie in Rn. 7 dargelegt ‑ lässt die Zulässigkeitsbegründung vermissen. Sie beruft sich lediglich pauschal auf näher genannte, allgemeine Berichte zur Lage im Irak, ohne auf die individuelle Situation des Revisionswerbers einzugehen. Damit zeigt der Revisionswerber jedoch nicht nachvollziehbar auf, dass infolge der Covid‑19 Pandemie bezogen auf seine konkrete Situation im Fall der Rückführung in sein Heimatland eine Verletzung seiner nach Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre (zur nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK vorzunehmenden Einzelfallprüfung sowie zur Frage, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr [„real risk“] einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht, vgl. etwa VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0255; im Zusammenhang mit der Covid‑19 Pandemie im Irak vgl. etwa zuletzt VwGH 5.2.2021, Ra 2020/19/0322; 11.1.2021, Ra 2020/01/0242; 14.9.2020, Ra 2020/18/0337, jeweils mwN).

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP , 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichts wird im Zulässigkeitsvorbringen zur behaupteten unschlüssigen Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen nicht dargetan.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

12 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 22. März 2021

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