Normen
B-VG Art133 Abs3;
MRK Art6 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24 Abs2;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §7 Abs4;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018080244.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Die vom Revisionswerber am 12. Juni 2018 gegen zwei Bescheide der belangten Behörde vom 6. Juni 2011 betreffend den Widerruf und die Rückforderung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 20. Juni 2018 als verspätet zurückgewiesen. Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag. Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde, in der u. a. geltend gemacht wurde, dass die genannten erstinstanzlichen Bescheide nicht wirksam zugestellt worden seien, mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen.
5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Der Revisionswerber erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Verwaltungsgericht die Grundsätze zur Notwendigkeit der Durchführung einer (beantragten) mündlichen Verhandlung gemäß § 24 VwGVG außer Acht gelassen habe. Die Frage, ob die erstinstanzlichen Bescheide zugestellt worden seien, könne nur durch Parteienvernehmung und allfällige Zeugeneinvernahmen geklärt werden. Das Übergehen der Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei nicht gerechtfertigt. Das Verwaltungsgericht sei auch von der Rechtsprechung abgewichen, dass die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Beweislast für eine Zustellung treffe.
7 Damit vermag der Revisionswerber keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen. In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichts, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen. Nach dem ersten Fall des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung auch dann entfallen, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde der Sache nach (trotz des unrichtigerweise auf "Abweisung" lautenden Spruchs des Verwaltungsgerichts) zurückgewiesen. Abgesehen davon ist eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht jedoch über die Sache selbst, auch aus Sicht des Art. 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen". Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse - wie etwa die Versäumung der Rechtsmittelfrist - entgegenstehen (vgl. VwGH 3.8.2016, Ra 2016/07/0058). Die Nichtdurchführung der mündlichen Verhandlung steht daher nicht im Widerspruch zur Rechtslage oder zur Rechtsprechung. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auch nicht darauf gegründet, dass die Beweislast für die Nichtzustellung der genannten erstinstanzlichen Bescheide den Revisionswerber treffe.
8 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. Jänner 2019
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