European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017110080.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Anträge der belangten Behörde auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses und auf Kostenersatz werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 1. Oktober 2015 wurde dem Mitbeteiligten als nach außen vertretungsbefugtem Geschäftsführer der L sp. z o.o. mit Sitz in Polen zur Last gelegt, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin, nachdem sie aufgrund einer Kontrolle einer näher genannten Baustelle in Wien von Organen der Abgabenbehörde am 5. Mai 2015 per E-Mail aufgefordert worden sei, für 18 näher angeführte entsandte und nicht in Österreich sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer, die auf der Baustelle beschäftigt gewesen seien, die gemäß § 7d Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) erforderlichen Lohnunterlagen in deutscher Sprache binnen 48 Stunden an die Abgabenbehörde nachzureichen, dieser Aufforderung entgegen § 7f Abs. 1 Z 3 AVRAG nicht vollständig nachgekommen sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 7f Abs. 1 Z 3 zweiter Fall iVm. § 7i Abs. 1 erster Strafsatz AVRAG iZm. § 9 Abs. 1 VStG verletzt. Über ihn wurden deshalb 18 Geldstrafen von je EUR 750,-- (bzw. 18 Ersatzfreiheitsstrafen von je einem Tag und 21 Stunden) verhängt und ihm zusätzlich ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben. 2 In der dagegen erhobenen Beschwerde bestritt der Mitbeteiligte u.a. den Vorwurf, es seien nicht alle Unterlagen fristgerecht an das Finanzamt übermittelt worden.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31. Jänner 2017 der Beschwerde Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren ein. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Begründend führte es lediglich aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass es sich bei den im Straferkenntnis angeführten Arbeitnehmern um von der L sp. z o.o. grenzüberschreitend an die A GmbH überlassene Arbeitskräfte gehandelt habe, die zum Tatzeitpunkt mit Arbeitnehmern der A GmbH auf der Baustelle gearbeitet hätten. Der Mitbeteiligte sei zum Tatzeitpunkt der zur Vertretung nach außen Berufene der L sp. z o.o. gewesen.
Die rechtlichen Erwägungen lauten:
"7d AVRAG in der zur Tatzeit geltenden Fassung lautet wie
folgt:
‚(l) Arbeitgeber/innen im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b
Abs. 1 haben jene Unterlagen, die zur Überprüfung des dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind (Lohnunterlagen), in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer/innen am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Verlangen binnen 24 Stunden nachweislich zu übermitteln.
(2) Hat der/die Arbeitgeber/in im Sinne des § 7b Abs. 1 eine/n Beauftragte/n nach § 7b Abs. 1 Z 4 bestellt, so trifft: die Verpflichtung nach Abs. 1 diese/n. Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die Beschäftiger/in, wobei der/die Überlasser/in dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen bereitzustellen hat.'
§ 7f AVRAG in der zur Tatzeit geltenden Fassung lautet wie folgt:
‚(1) Die Organe der Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach §§ 7b Abs. 5 und 7d zu überwachen sowie die zur Kontrolle des dem/der nicht dem ASVG unterliegenden Arbeitnehmer/in unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts im Sinne des § 7i Abs. 5 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und
1. die Betriebsstätten, Betriebsräume und auswärtigen Arbeitsstätten oder Arbeitsstellen sowie die Aufenthaltsräume der Arbeitnehmer/innen ungehindert zu betreten und Wege zu befahren, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist,
2. von den dort angetroffenen Personen Auskünfte über alle für die Erhebung nach Abs. 1 maßgebenden Tatsachen zu verlangen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass es sich bei diesen Personen um Arbeitgeber/innen oder um Arbeitnehmer/innen handelt/ sowie
3. in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§ 7b Abs. 5 und 7d) Einsicht zu nehmen, Abschriften dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung von Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Erfolgt bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten die Kontrolle nicht am ersten Arbeits(Einsatz)ort, sind die Unterlagen der Abgabenbehörde nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.
(2) Die Organe der Abgabenbehörden haben die Ergebnisse der Erhebungen nach Abs. 1 dem Kompetenzzentrum LSDB zu übermitteln und auf Ersuchen des Kompetenzzentrums LSDB konkret zu bezeichnende weitere Erhebungen zu übermittelten Erhebungsergebnissen oder Erhebungen auf Grund von begründeten Mitteilungen durch Dritte durchzuführen.'
§7i Abs 2 AVRAG in der zur Tatzeit geltenden Fassung lautet wie folgt:
‚(2) Wer als Arbeitgeber/in im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 oder als Beauftragte/r im Sinne des § 7b Abs. 1 Z 4 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält oder als Überlasser/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht bereitstellt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von l 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen.'
Wie dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zu entnehmen ist, ist bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung der Arbeitgeber lediglich verpflichtet, die Lohnunterlagen dem Beschäftiger bereitzustellen, nicht jedoch die Unterlagen an die Finanzpolizei zu übermitteln. Da der (Mitbeteiligte) Arbeitgeber der 18 im Straferkenntnis angeführten Arbeiter war und diese im Zuge einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung für die (A GmbH) tätig waren, traf den (Mitbeteiligten) als Arbeitgeber lediglich die Verpflichtung, die entsprechenden Unterlagen dem Beschäftiger, nämlich der (A GmbH) bereitzustellen, nicht jedoch der Finanzpolizei zu übermitteln. Da die dem (Mitbeteiligten) zur Last gelegten Tat keine Verwaltungsübertretung bildet, war spruchgemäß das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen."
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des eingangs bezeichneten Finanzamtes. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich der Revision vollinhaltlich anschloss und ausdrücklich beantragte, der Revision stattzugeben.
5 Zur Zulässigkeit der Revision wird unter anderem vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe "irrtümlich" den zweiten statt des ersten Absatzes des § 7i AVRAG als die zu § 7f Abs. 1 Z 3 AVRAG passende Strafnorm erachtet. Es habe womöglich über eine dem Beschuldigten in diesem Verfahren gar nicht angelastete Tat, nämlich § 7i Abs. 4 Z 2 iVm § 7d Abs. 2 leg.cit., entschieden und damit den Prozessgegenstand verfehlt.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
7 Die maßgeblichen Bestimmungen des AVRAG in der vorliegend
anzuwendenden Fassung, BGBl. I Nr. 94/2014, lauten auszugsweise:
"Ansprüche gegen ausländische Arbeitgeber/innen mit Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat
§ 7b. (1) Ein/e Arbeitnehmer/in, der/die von einem/einer Arbeitgeber/in mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, hat unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf ...
...
(3) Arbeitgeber/innen im Sinne des Abs. 1 haben die Beschäftigung von Arbeitnehmer/innen, die zur Erbringung einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, spätestens eine Woche vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen zu melden ...
(4) Die Meldung nach Abs. 3 hat für jede Entsendung gesondert zu erfolgen und hat folgende Angaben zu enthalten; nachträgliche Änderungen bei den Angaben sind unverzüglich zu melden: ...
...
(5) Arbeitgeber/innen im Sinne des Abs. 1 haben, sofern für den/die entsandten Arbeitnehmer/innen in Österreich keine Sozialversicherungspflicht besteht, Unterlagen über die Anmeldung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E 101 nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, Sozialversicherungsdokument A 1 nach der Verordnung (EG) Nr. 883/04) sowie eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs. 3 und 4 am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten oder diese den Organen der Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich zu machen. Sofern für die Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer/innen im Sitzstaat des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin eine behördliche Genehmigung erforderlich ist, ist auch die Genehmigung bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die erforderlichen Unterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Ist die Bereithaltung oder Zugänglichmachung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Verlangen nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis einschließlich des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.
...
Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen
§ 7d. (1) Arbeitgeber/innen im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 haben während des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 7b Abs. 4 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§ 7b Abs. 1 Z 4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten, auch wenn die Beschäftigung des/der einzelnen Arbeitnehmers/in in Österreich früher geendet hat. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Aufforderung nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.
(2) Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die inländische/n Beschäftiger/in. Der/Die Überlasser/in hat dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen nachweislich bereitzustellen.
...
Erhebungen der Abgabenbehörden
§ 7f. (1) Die Organe der Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach §§ 7b Abs. 5 und 7d zu überwachen sowie die zur Kontrolle des dem/der nicht dem ASVG unterliegenden Arbeitnehmer/in unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts im Sinne des § 7i Abs. 5 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und
...
3. in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§ 7b Abs. 5 und 7d) Einsicht zu nehmen, Abschriften dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung von Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Erfolgt bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten die Kontrolle nicht am ersten Arbeits(Einsatz)ort, sind die Unterlagen der Abgabenbehörde nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.
...
...
Strafbestimmungen
§ 7i. (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen § 7d Abs. 1 oder § 7f Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen § 7g Abs. 2 oder § 7h Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.
...
(4) Wer als
1. Arbeitgeber/in im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder
2. Überlasser/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht nachweislich bereitstellt, oder
3. Beschäftiger/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen nicht bereithält
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen.
...
(8) Parteistellung in Verwaltungsstrafverfahren
1. nach Abs. 1 erster Satz, Abs. 2 und 4 und nach § 7b Abs. 8 hat die Abgabenbehörde,
...,
auch wenn die Anzeige nicht durch die in den Z 1 bis 3 genannten Einrichtungen erfolgt. Diese können gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde Beschwerde beim Verwaltungsgericht und gegen das Erkenntnis oder den Beschluss eines Verwaltungsgerichts Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben."
8 Die Revisionslegitimation der Abgabenbehörde ergibt sich aus § 7i Abs. 8 Z 1 AVRAG. Die Revision ist aus den in ihr genannten Gründen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig. Sie ist auch begründet.
9 Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die maßgebliche Rechtslage nach dem Zeitpunkt der Tat. Im Revisionsfall war somit das AVRAG in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2014 anzuwenden. Das Verwaltungsgericht hat dies jedoch verkannt und wendete (ohne die Fundstelle explizit anzuführen) die Fassung vor dieser Novelle an. 10 Dies führt aus folgenden Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses:
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind die Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG zu begründen. Vor dem Hintergrund des § 38 VwGVG iVm. § 24 VStG hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung iSd. § 58 AVG zu begründen. Im Sinne des § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Das Verwaltungsgericht hat somit den entscheidungswesentlichen Sachverhalt festzustellen und die Gründe anzugeben, welche das Verwaltungsgericht in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen (vgl. etwa VwGH 5.4.2017, Ra 2017/11/0003 mwN).
Entgegen diesen Anforderungen fehlen in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum angenommenen Sachverhalt, der in der Beschwerde sowohl hinsichtlich des Vorliegens einer Arbeitskräfteüberlassung als auch der nicht fristgerechten Übermittlung von Lohnunterlagen bestritten worden war.
12 Derartige Erwägungen waren aber nicht etwa deshalb entbehrlich, weil - wovon das Verwaltungsgericht ausging - im Fall des Zutreffens der Vorwürfe ohnehin keine Verwaltungsübertretung vorgelegen wäre. Zu dieser Ansicht kam das Verwaltungsgericht nur deshalb, weil es, anders als die belangte Behörde, von einer Verletzung der in § 7d Abs. 2 AVRAG normierten Pflichten ausging, Lohnunterlagen bereitzuhalten und als Überlasser dem Beschäftiger bereitzustellen, und daher (den in dieser Form zur Tatzeit bereits durch § 7i Abs. 4 AVRAG ersetzten) § 7i Abs. 2 AVRAG angewendet hat. Im Revisionsfall war dem Mitbeteiligten jedoch nicht vorgeworfen worden, die Unterlagen nicht bereitgehalten bzw. bereitgestellt zu haben, sondern der in § 7f Abs. 1 Z 3 AVRAG normierten Aufforderung zur Übermittlung der Unterlagen an die Abgabenbehörde nicht vollständig entsprochen zu haben. Das Verwaltungsgericht hat sich somit entgegen der hg. Judikatur vom Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, nämlich der Verwaltungsstrafsache im Umfang des vom bekämpften Straferkenntnis erfassten und erledigten Sachverhalts, entfernt (vgl. etwa VwGH 24.7.2019, Ra 2018/02/0163, mwN).
13 Da das Verwaltungsgericht somit die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis schon aus den dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen eingegangen werden brauchte. 14 Da sich die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung der Revision vollinhaltlich anschloss und beantragte, der Revision stattzugeben, war dies der Sache nach als verspätete Revision zu werten; die darin gestellten Anträge (auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses und auf Aufwandersatz) waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. VwGH 21.6.2017, Ro 2016/03/0002, mwN).
Wien, am 11. Oktober 2019
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