VwGH Ra 2015/06/0057

VwGHRa 2015/06/005727.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision 1. der Gges.m.b.H. & Co KG, 2. der S GmbH, beide in S und vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Wilhelm-Spazier-Straße 2a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. April 2015, W113 2014864‑1/8E, betreffend Genehmigung nach dem UVP‑G 2000 für die Errichtung und den Betrieb eines Golfplatzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. Landesumweltanwaltschaft Salzburg in 5020 Salzburg, Membergerstraße 42, 2. Gemeinde Anif, 3. M S, 4. E S, beide in A, 5. Dipl. Ing. H R, 6. A R, beide in A, 7. Mag. Dr. W L, 8. A L, 9. C L, alle in A, 10. Bürgerinitiative z.Hdn. W P in A), den Beschluss gefasst:

Normen

ForstG 1975 §17
ForstG 1975 §17 Abs3
ForstG 1975 §18

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015060057.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberinnen haben dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag der Landesumweltanwaltschaft Salzburg auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge: BVwG) wurde die Beschwerde der Revisionswerberinnen gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 16. Oktober 2014, mit welchem der Antrag der Erstrevisionswerberin vom 9. Dezember 2009 auf UVP‑rechtliche Genehmigung eines 18 Loch Golfplatzes samt Driving Range sowie der Zweitrevisionswerberin auf Genehmigung der dazugehörigen Verkabelung einer 30kV Leitung gemäß § 17 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Prüfung der Umweltverträglichkeit (Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 ‑ UVP‑G 2000) in Verbindung mit § 17 Abs. 3 Forstgesetz (in der Folge: ForstG) abgewiesen worden war, abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, die belangte Behörde habe das Vorhaben zutreffend als UVP‑pflichtig gemäß Z 17 lit. a der Spalte 2 des Anhangs 1 des UVP‑G 2000 erkannt. Im Rahmen des Projektes solle eine befristete Rodung und eine unbefristete Rodung von (näher bezifferten) Waldflächen durchgeführt werden. Sollte das Vorhaben der nach dem ForstG durchzuführenden Interessenabwägung nicht standhalten, könne es nicht alleine durch die Prüfung nach dem UVP‑G 2000 plötzlich die Bewilligungsfähigkeit erlangen.

Die belangte Behörde habe umfassend ermittelt, ob und welche öffentlichen Interessen an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Flächen einerseits und welche öffentlichen Interessen an der Erhaltung der Rodungsfläche andererseits bestünden. Zu sämtlichen in Betracht kommenden öffentlichen Interessen aus den Bereichen Raumordnung, Arbeitsmarktinteresse, Volkswirtschaft, Tourismuswirtschaft und Sportausübung seien Sachverständigengutachten eingeholt worden. Die nach § 17 Abs. 3 ForstG durchaus ins Kalkül zu ziehenden öffentlichen Interessen der Tourismuswirtschaft und Sportausübung seien von der belangten Behörde in der Interessenabwägung implizit berücksichtigt worden. Die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung sei im Ergebnis nicht zu beanstanden.

6 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringen die Revisionswerberinnen zunächst vor, die entscheidende Rechtsfrage sei, ob die vorgesehenen projektimmanenten positiven forstlichen Maßnahmen, nämlich die „Rückgabe“ bestockter Nichtwaldflächen in die Waldeigenschaft sowie die Aufforstung nicht bestockter „Nichtwaldflächen“, als Bestandteil des Vorhabens im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden müssten oder nicht. Das BVwG sei diesbezüglich von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 24. Juli 2014, 2013/07/0215) abgewichen. Da der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis an der forstrechtlichen Interessenabwägung nichts auszusetzen gehabt habe, folge daraus, dass im dort zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren das Abwägungsmaterial ordnungsgemäß ermittelt worden sei und daher Aufforstungen als projektimmanente Maßnahmen in der Interessenabwägung hätten berücksichtigt werden können.

Weiters habe das BVwG festgehalten, dass die UVP‑Behörde vorliegend in der forstrechtlichen Interessenabwägung die Interessen aus den Bereichen Tourismus/Fremdenverkehrswirtschaft beziehungsweise Sportausübung hätte berücksichtigen müssen. Es habe weiters ausgeführt, dass die UVP-Behörde dies zwar nicht getan, aber zumindest hinsichtlich der zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen Gutachten aus den einzelnen Fachbereichen eingeholt und damit die relevanten Ermittlungsschritte getätigt habe; damit seien sämtliche für und gegen die Rodung sprechenden öffentlichen Interessen berücksichtigt worden. Es bedürfe für eine rechtsrichtige Interessenabwägung einer korrekten Erhebung des zugrunde liegenden Abwägungsmaterials und darauf aufbauender Feststellungen. Indem das BVwG ‑ ohne selbst eine Interessenabwägung vorzunehmen ‑ die von der UVP‑Behörde vorgenommene Interessenabwägung für „nachvollziehbar“ erachte, widerspreche es der von ihm selbst angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die zu lösende Rechtsfrage sei demnach, ob das Abwägungsmaterial für die forstrechtliche Interessenabwägung rechtsrichtig festgestellt worden sei. Dies sei nicht der Fall. Richtigerweise hätten auch hier die Ermittlungsschritte der UVP‑Behörde zu einer rechtsrichtigen Feststellung des Abwägungsmaterials und darauf aufbauend zu einer korrekten Abwägungsentscheidung führen müssen. Auch damit stelle sich das BVwG gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

7 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

8 Vorab ist festzuhalten, dass einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen kann, wenn sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. aus der hg. ständigen Rechtsprechung zum Ganzen VwGH 24.2.2015, Ro 2014/05/0097, mwN, sowie jüngst zum Behinderteneinstellungsgesetz VwGH 26.7.2018, Ra 2017/11/0294, mwN).

9 Das BVwG hat im gegenständlichen (vereinfachten) UVP‑Verfahren die materiell‑rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen des ForstG beachtet und eine Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 ForstG durchgeführt. Hierfür hat es die bereits von der Landesregierung eingeholten Sachverständigengutachten (so auch aus den Bereichen Tourismuswirtschaft und Sportausübung) seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Auf Basis dieser Feststellungen ist es zu dem Ergebnis gekommen, dass die öffentlichen Interessen an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche ‑ hierzu hat es eine hohe Wohlfahrtsfunktion festgestellt (vgl. hierzu etwa Brawenz/Kind/Wieser, ForstG4 [2015], § 17, Anm. 4 sowie die darin zitierte hg. Judikatur) ‑ nicht überwiegen würden. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden (vgl. hierzu auch Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, UVP‑G3 [2013], § 17, Rz 3 und 6).

10 Wenn die Revisionswerberinnen die Interessenabwägung des BVwG gemäß § 17 Abs. 3 ForstG dergestalt angreifen wollen, als sie geltend machen, das „Abwägungsmaterial“ sei nicht rechtsrichtig festgestellt worden, so zielt dieses Vorbringen darauf ab, die projektimmanenten Ersatzaufforstungen, die das BVwG aus näher dargelegten rechtlichen Erwägungen nicht einbezogen hat, bei der Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 ForstG zu berücksichtigen.

Wie bereits das BVwG ausgeführt hat, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass eine Ersatzaufforstung nicht als Voraussetzung für eine Rodungsbewilligung, sondern nur als deren Nebenbestimmung, wenn jene zulässig ist und erteilt wird, in Betracht kommt und daher nicht in die Interessenabwägung einzubeziehen ist. Das Angebot einer Ersatzaufforstung ist für die Prüfung der Berechtigung des Antrags auf Rodungsbewilligung auch nicht wesentlich, da die Frage der Ersatzaufforstung im Hinblick auf § 18 ForstG erst für den Fall der Rodung Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 29.2.2012, 2010/10/0107; 21.6.2007, 2004/10/0095; 3.9.2001, 2001/10/0073; 31.3.1987, 84/07/0123; 11.9.1984, 82/07/0073; vgl. auch Jäger, Forstrecht3, [2003], § 17, S 147, 148 und Brawenz/Kind/Wieser, aaO, § 17, E 39 und 40).

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberinnen ist eine gegenteilige Auffassung dem Erkenntnis VwGH 24.7.2014, 2013/07/0215, nicht zu entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat darin ‑ soweit vorliegend in Bezug auf § 17 Abs. 3 ForstG relevant ‑ zu einem behaupteten Verfahrensmangel (insbesondere Punkt 9.2.2.) sowie zu allgemeinen energiepolitischen Überlegungen (insbesondere Punkt 9.3.3.) Stellung genommen. Eine explizite Auseinandersetzung mit der Frage, ob Ersatzaufforstungen in die forstrechtliche Interessenabwägung einzubeziehen sind, hat hingegen nicht stattgefunden.

Der Vorwurf, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, trifft daher nicht zu.

11 Es werden damit in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

12 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 48 Abs. 3 Z 2 und § 51, in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Der Antrag der Landesumweltanwaltschaft Salzburg auf Zuerkennung von Aufwandersatz war schon mangels Einbringung der Revisionsbeantwortung durch einen Rechtsanwalt abzuweisen.

Wien, am 27. September 2018

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