VwGH Ra 2017/11/0205

VwGHRa 2017/11/020516.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 31. Mai 2017, Zl. LVwG-AV-379/002-2017, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (mitbeteiligte Partei:

T G K in H, vertreten durch Mag. Dr. Geza Simonfay, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19), zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §7 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 21. Februar 2017 entzog die Revisionswerberin (die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde) dem Mitbeteiligten die Lenkberechtigung der Klassen A, B, C und D auf die Dauer seiner gesundheitlichen Nichteignung. Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ausgeschlossen.

2 Der Mitbeteiligte erhob dagegen Beschwerde.

3 Mit auf § 28 Abs. 3 VwGVG gestützten Beschluss vom 31. Mai 2017 hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Bescheid der Revisionswerberin auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an jene zurück. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG die Zulässigkeit einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof ausgeschlossen.

4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

5 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

7 1. Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht, wie die Revision zutreffend hervorhebt, die im Akt erliegenden Hinweise auf eine verspätete Einbringung der Beschwerde außer Acht gelassen hat.

8 2. Die Revision ist auch begründet.

9 2.1. Gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG beträgt die Beschwerdefrist vier Wochen. Sie beginnt gemäß § 7 Abs. 4 dritter Satz (Z. 1) VwGVG in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

10 2.2. Wie die Revision zutreffend ausführt, erliegt im Verwaltungsakt eine Kopie eines Rückscheins, demzufolge am 22. Februar 2017 an der Adresse des Mitbeteiligten ein Zustellversuch betreffend ein Schriftstück mit der Geschäftszahl des Bescheids der Revisionswerberin stattgefunden und eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden sei. Als Beginn der Abholfrist ist der 22. Februar 2017 angegeben. Im Verwaltungsakt erliegt weiters die Kopie eines Briefkuverts mit der Poststempelangabe 24. März 2017, welches die mit 24. März 2017 datierte Beschwerde des Mitbeteiligten enthalten haben dürfte. In der Beschwerde ist von einer Zustellung des bekämpften Bescheides durch Hinterlegung am 24. Februar 2017 die Rede.

11 2.3. Sollte, den Angaben auf dem Rückschein entsprechend, die Zustellung des Bescheids der Revisionswerberin bereits am 22. Februar 2017 erfolgt sein, erwiese sich die außerhalb der diesfalls am 22. März 2017 endenden Beschwerdefrist eingebrachte Beschwerde des Mitbeteiligten als verspätet und wäre zurückzuweisen gewesen. Eine inhaltliche Behandlung der Beschwerde nach § 28 VwGVG wäre diesfalls rechtswidrig.

12 Angesichts des Akteninhalts durfte das Verwaltungsgericht nicht, ohne nähere Ermittlungen zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde anzustellen, ohne weiteres davon ausgehen, dass die Beschwerde, wie im Beschwerdeschriftsatz vorgebracht, rechtzeitig eingebracht wurde. Die in der Begründung des angefochtenen Beschlusses enthaltene Einschätzung, die Beschwerde sei rechtzeitig erhoben worden, ist mangels Feststellungen zum Datum der Zustellung des Bescheids und der Beschwerdeeinbringung nicht nachvollziehbar.

13 2.4. Der angefochtene Beschluss war aus diesen Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

14 2.5.1. Im fortzusetzenden Verfahren wird das Verwaltungsgericht zunächst das Vorbringen des Mitbeteiligten in seiner Revisionsbeantwortung hinsichtlich der behaupteten Rechtzeitigkeit zu würdigen haben.

15 2.5.2. Sollte das Verwaltungsgericht die Rechtzeitigkeit der Beschwerde bejahen, wird es über die Beschwerde nach § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache zu entscheiden haben, weil die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG - anders als das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss ausführt - offenkundig nicht vorliegen. Eine Ergänzung erforderlicher Ermittlungsschritte, um mängelfreie Grundlagen für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Mitbeteiligten zu gewinnen, obliegt im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063) dem Verwaltungsgericht. Dass die Revisionswerberin Ermittlungen schlechthin unterlassen oder nur ansatzweise gepflogen hätte, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich.

Wien, am 16. August 2017

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