Normen
AVG §7;
B-VG Art133 Abs4;
LBG Slbg 1987 §37 Abs2;
LBG Slbg 1987 §9;
StGB §302 Abs1;
StGB §302;
StPO 1975 §259 Z3;
StPO 1975 §259;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die im Jahr 1962 geborene Revisionswerberin stand (vor ihrer Versetzung in den Ruhestand) zuletzt als Gruppenleiterin der Bezirkshauptmannschaft X in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg; als solcher oblag ihr in den Jahren 2008 und 2009 die Führung der Verfahren Y-Bachverbauung und Z-Hochwasserschutzverbauung (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof).
2 Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung als Disziplinarbehörde (in der Folge: DK) vom 20. April 2011 wurde gegen die Revisionswerberin ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts eingeleitet, sie habe als Behördenorgan die beiden zuvor genannten Verfahren über lange Zeiträume geführt und ständig Amtshandlungen durchgeführt, obwohl sie aufgrund Befangenheit ihre Vertretung hätte veranlassen müssen, zumal ihre Mutter und ihr Bruder an diesen Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen seien, und damit gegen § 302 StGB verstoßen bzw. ihre nach § 9 Abs. 1, 2 und 3 des Salzburger Landes-Beamtengesetzes 1987 (L-BG) normierten Dienstpflichten verletzt, wonach sie verpflichtet sei, ihre dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch zu besorgen bzw. in ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen habe, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe und sie zum Gebot der Unparteilichkeit der Amtsführung verpflichtet sei. Gleichzeitig wurde das Disziplinarverfahren aufgrund der erhobenen Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Salzburg gemäß § 50 Abs. 2 L-BG unterbrochen.
3 Mit (seit 14. Dezember 2015 rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 18. September 2014 wurde die Revisionswerberin von den gegen sie - wegen des Verdachts des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs.1 StGB - erhobenen Vorwürfen, sie habe als Beamtin der Bezirkshauptmannschaft mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf gesetzmäßige Verwaltungsrechtspflege, insbesondere am Recht auf Sachentscheidung in einem unvoreingenommen geführten Verfahren sowie Verfahrensparteien im Recht auf Behandlung von Rechtsmitteln gemäß dem AVG zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung des Wasserrechtsgesetzes Amtsgeschäfte vorzunehmen, durch näher beschriebene Handlungen in den Verfahren Y-Bachverbauung und Z-Hochwasserschutzverbauung wissentlich missbraucht, mangels Schuldbeweises gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
4 Gegen die in der Folge erlassenen Ladungsbescheide der DK vom 28. September und 11. Oktober 2016 (worin auch ausgesprochen wurde, dass im Disziplinarverfahren die Vorwürfe eines Verstoßes gegen § 302 StGB mangels Zuständigkeit der Disziplinarbehörde nicht mehr aufrecht erhalten wurden) erhob die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2016 eine Bescheidbeschwerde. Mit Beschwerdevorentscheidung der DK vom 2. November 2016 wurde (mit Spruchpunkt I) die Bescheidbeschwerde gegen den Ladungsbescheid vom 11. Oktober 2016 ab- und (mit Spruchpunkt II) jene gegen den Ladungsbescheid vom 28. September 2016 zurückgewiesen, weiters (mit den Spruchpunkten III und IV) die mündliche Verhandlung zu näher bezeichneten Terminen anberaumt und die Revisionswerberin dazu geladen.
5 Nach Erhebung eines Vorlageantrages der Revisionswerberin hinsichtlich der Spruchpunkte I., III. und IV. der Beschwerdevorentscheidung wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg mit Erkenntnis vom 8. Juni 2017 die Beschwerde als unbegründet ab und bestätigte die Beschwerdevorentscheidung. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
6 Das Verwaltungsgericht führte zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, dass sich die Revisionswerberin zwar mittlerweile im Ruhestand befinde, ihre disziplinäre Verantwortung für im Dienststand begangene Dienstpflichtverletzungen sich jedoch aus § 68 L-BG ergebe. Die von der Revisionswerberin bestrittene Befangenheit könne erst im Disziplinarverfahren geklärt werden. Im derzeitigen Zeitpunkt könnten Anhaltspunkte für eine bescheidmäßige Einstellung des Disziplinarverfahrens noch nicht erkannt werden.
7 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben (vgl. die hg. Beschlüsse vom 20. Juni 2016, Ra 2016/09/0071, und vom 25. Jänner 2016, Ra 2015/09/0144).
10 Die Revisionswerberin begründet die Zulässigkeit der Revision zusammengefasst damit, dass die angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, weil das Verwaltungsgericht die Bindungswirkung der Disziplinarbehörde an die dem rechtskräftigen Spruch eines Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung des Strafgerichtes, welche auch Tatsachenfeststellungen eines freisprechenden Strafurteils umfasse, nicht berücksichtigt habe; sie vermeint, dass das Disziplinarverfahren deshalb einzustellen gewesen wäre.
11 Dem ist Folgendes zu erwidern:
12 Wurde eine Beamtin wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, ist gemäß § 37 Abs. 1 L-BG von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um die Beamtin von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Von der Verfolgung darf jedoch nicht abgesehen werden, wenn durch das begangene Delikt das Ansehen des Landesdienstes in der Öffentlichkeit und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Gesetzmäßigkeit der Landesverwaltung offensichtlich schwer beeinträchtigt worden ist.
13 Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Disziplinarbehörde an die Tatsachenfeststellung gebunden, die dem Spruch der rechtskräftigen Entscheidung des Strafgerichts, eines Landesverwaltungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegt. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht, das Landesverwaltungsgericht oder das Bundesverwaltungsgericht als nicht erweisbar angenommen hat.
14 Wenngleich nach diesem Gesetzeswortlaut die Disziplinarbehörde nicht nur an die dem Spruch eines verurteilenden, sondern auch an die dem Spruch eines freisprechenden rechtskräftigen Urteils zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen gebunden ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 5. September 2013, 2013/09/0012), bedeutet die Bindungswirkung des § 37 Abs. 2 L-BG jedoch nicht, dass ein bestimmtes Verhalten, das zu keiner gerichtlichen Verurteilung geführt hat, nicht zum Gegenstand eines Disziplinarverfahrens gemacht werden dürfte. Nur jene Feststellungen des Strafgerichts können Bindungswirkung entfalten, die für den Spruch der Entscheidung wesentlich waren. Auch ein gerichtlicher Freispruch wegen eines bestimmten Verhaltens steht der rechtlichen Würdigung desselben Verhaltens unter disziplinarrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2010, 2005/09/0161, zum ähnlich gelagerten HDG 2002, sowie auch die hg. Erkenntnisse vom 29. Oktober 1997, 95/09/0262, und vom 3. Juli 2000, 2000/09/0006).
15 Im vorliegenden Fall erfolgte im strafgerichtlichen Verfahren ein Freispruch mangels Schuldbeweises hinsichtlich des Vorwurfes des Verdachtes der Begehung des Delikts nach § 302 StGB (Missbrauch der Amtsgewalt); in der Begründung wurde das Strafurteil im Wesentlichen darauf gestützt, dass keine Feststellungen bezüglich des zur Tatbestandverwirklichung des § 302 Abs. 1 StGB notwendigen Schädigungsvorsatzes getroffen werden könnten.
16 Im (nach Abschluss des Strafgerichtsverfahrens fortgesetzten) Disziplinarverfahren geht es aber um die Prüfung des Verdachts, ob die Revisionswerberin durch die Durchführung verschiedener Amtshandlungen trotz Vorliegens ihrer Befangenheit nach § 7 AVG ihre Dienstpflichten nach § 9 L-BG verletzt habe. Für die Erfüllung oder Nichterfüllung dieses Tatbildes ist kein Schädigungsvorsatz verlangt, womit dem (freisprechenden) Strafurteil auch keine Bindungswirkung für dieses Disziplinarverfahren zukommen kann. Anhaltspunkte dafür, dass das Disziplinarverfahren bereits in diesem Verfahrensstadium einzustellen gewesen wäre, können somit in der Revision nicht aufgezeigt werden.
17 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 12. September 2017
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