Normen
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016210347.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist marokkanischer Staatsangehöriger und reiste 2006 nach Österreich ein. Ein erster Antrag auf internationalen Schutz wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 8. Jänner 2009 vollinhaltlich - in Verbindung mit einer Ausweisung nach Marokko - abgewiesen.
2 Der Revisionswerber stellte einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Diesen wies das Bundesasylamt mit unbekämpft gebliebenem Bescheid vom 22. Juni 2010 gemäß § 68 AVG zurück; unter einem erging neuerlich eine Ausweisung nach Marokko.
3 Mittlerweile war gegen den Revisionswerber im Hinblick auf von ihm begangene Straftaten ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen worden.
4 Der im Inland verbliebene Revisionswerber wurde dann abermals straffällig. Wegen Verbrechen des Suchtgifthandels wurde er schließlich zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren und acht Monaten verurteilt, die er - unter Miteinbeziehung der Vorhaft - ab 30. Jänner 2013 verbüßte.
5 Mit Bescheid vom 22. April 2013 verhängte die Landespolizeidirektion Tirol gegen den zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft befindlichen Revisionswerber gemäß § 76 Abs. 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung; die Rechtsfolgen dieses Bescheides - so heißt es in dessen Spruch weiter - würden nach der Entlassung aus der Gerichtshaft eintreten.
6 Diese - bedingt ausgesprochene - Entlassung fand am 30. September 2016 statt. Der Revisionswerber wurde in Schubhaft überstellt und erhob dagegen Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG.
7 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 14. Oktober 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 und 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011 ab und stellte fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlägen. Außerdem traf es diesem Verfahrensergebnis entsprechende Kostenaussprüche und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
8 Das BVwG, das auch als "gesetzliche Grundlagen" seiner Entscheidung nur § 76 Abs. 1 FPG idF des FrÄG 2011 (BGBl. I Nr. 38/2011) anführte, gelangte letztlich zu dem Ergebnis, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit 30. September 2016 den bestehenden Schubhaftbescheid vom 22. April 2013 zu Recht in Vollzug gesetzt habe, da sich keine wesentlichen Änderungen der Umstände im sozialen Umfeld des Revisionswerbers ergeben hätten. Das sei auch bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht der Fall, weshalb die Schubhaft aufrecht zu erhalten sei.
9 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen:
10 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
11 Das BVwG hat zwar richtig erkannt, dass der Schubhaftbescheid aus dem April 2013 nicht ohne Weiteres nach der Entlassung des Revisionswerbers aus der Gerichtshaft mit 30. September 2016 in Vollzug gesetzt werden durfte. Es hatte vielmehr - wie dann auch für den Fortsetzungsausspruch - eine Beurteilung zu erfolgen, ob aktuell die Voraussetzungen für Schubhaft vorliegen bzw. es waren - in den Worten des BVwG - "die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Anhaltung des (Revisionswerbers) einer Überprüfung zu unterziehen".
12 Das BVwG verkannte allerdings, dass diese Überprüfung auf Basis der aktuellen Rechtslage vorzunehmen gewesen wäre. Die Frage der Rechtmäßigkeit der (weiteren) Anhaltung hätte daher am Boden des mit 20. Juli 2015 in Kraft getretenen FrÄG 2015, mit dem § 76 FPG neu gefasst wurde, beantwortet werden müssen. Im Hinblick auf die so gebotene Neubeurteilung hätte es auch der Durchführung der ausdrücklich beantragten Beschwerdeverhandlung bedurft. Das BVwG hat demgegenüber verfehlt auf die bei Erlassung des Schubhaftbescheides maßgebliche Rechtlage nach dem FrÄG 2011 abgestellt und auch seinen Fortsetzungsausspruch ausdrücklich auf § 76 Abs. 1 FPG idF des FrÄG 2011 - die dann in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ausschließlich angeführte gesetzliche Grundlage - gestützt. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
13 Von der Durchführung der in der Revision beantragten Verhandlung konnte schon gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG abgesehen werden.
14 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Februar 2017
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