VwGH Ra 2014/15/0007

VwGHRa 2014/15/000726.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision der D GmbH in S, vertreten durch die Prodinger Hoffmann & Partner Steuerberatung GmbH & Co KG in 5020 Salzburg, Innsbrucker Bundesstraße 83a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 18. März 2014, Zl. RV/6100157/2014, betreffend Festsetzung eines Säumniszuschlages, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §217 Abs7;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2014150007.L00

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass es lautet:

Der Bescheid des Finanzamts vom 9. Dezember 2013 (Säumniszuschlag betreffend Körperschaftsteuer 2012) wird ersatzlos aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde mit Bescheid vom 9. Dezember 2013 ein erster Säumniszuschlag in Höhe von 3.455,62 EUR vorgeschrieben, weil sie die Körperschaftsteuer 2012 nicht bis zum 4. November 2013 (Fälligkeitstag) entrichtet hat.

2 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und führte darin aus, die verspätete Zahlung sei darauf zurückzuführen, dass die mit der Zahlung betraute, an sich äußerst zuverlässige langjährige Mitarbeiterin statt dem 4. November 2013 den 4. Dezember 2013 in die Fälligkeitsliste eingetragen habe. Dies sei auch bei Durchsicht der Fälligkeitsliste durch den Vorgesetzten, Dr. D, nicht aufgefallen, sodass die Abgabe irrtümlich einen Monat verspätet, allerdings noch vor der Festsetzung eines Säumniszuschlages - eben vermeintlich fristgerecht - entrichtet worden sei. In der Vergangenheit seien keinerlei wesentliche Säumnisse aufgetreten, sodass dies eine einmalige Fehlleistung sei. Da die verspätete Zahlung nur durch leichte Fahrlässigkeit verursacht worden sei, werde auch der Normzweck des § 217 BAO, nämlich ein Druckmittel für die zeitgerechte Entrichtung von Abgaben zu bieten, nicht erfüllt.

3 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab und führte zur Begründung aus, die Büroorganisation einer Kapitalgesellschaft müsse so eingerichtet sein, dass die Wahrnehmung von Terminen und Fristen sichergestellt sei. Dazu gehörten nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Vormerkung von Fristen und entsprechende Kontrollen, die sicherstellten, dass Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen seien. Ein allfällig vorhandenes Kontrollsystem habe nicht gegriffen. Es wäre am Antragsteller gelegen darzutun, auf welche Art und Weise welche Vorkehrungen getroffen worden seien, um Fehler in der Fristenwahrung zu vermeiden. Das Fehlen von Kontrollmaßnahmen in der Büroorganisation stelle ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar.

4 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, wobei sie ihr Beschwerdevorbringen im Vorlageantrag wiederholte.

5 Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundefinanzgericht zur Entscheidung vor und führte in der Beschwerdevorlage aus, der der Beschwerdeführerin unterlaufene Fehler könne auch einem sorgfältigen Menschen passieren. Dass die Entrichtung der Abgabe zwar verspätet, aber noch vor Festsetzung des Säumniszuschlages entrichtet worden sei, zeige, dass ein internes Kontrollsystem vorhanden gewesen sei und letztlich doch gegriffen habe. Auch das bisherige Verhalten der Revisionswerberin weise darauf hin, dass sie bemüht sei, die Abgaben rechtzeitig abzuführen. Zum Nachweis dafür lag der Beschwerdevorlage das Abgabenkonto der Revisionswerberin ab 2011 bei.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge. Strittig sei, "ob in der aufgrund der irrtümlichen - um einen Monat verspäteten - Anmerkung der Fälligkeit und Entrichtung der Abgabe (durch eine an sich verlässliche Mitarbeiterin) eine leichte Fahrlässigkeit oder grobes Verschulden zu sehen ist". Dazu sei festzustellen, dass die Revisionswerberin den Namen der verlässlichen Mitarbeiterin nicht genannt und im Vorlageantrag auf den Einwand des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung, wonach keine wirksame Kontrolle vorgelegen habe, nicht eingegangen sei. Sie habe im Vorlageantrag ihr Beschwerdevorbringen wortwörtlich wiederholt. Da Kapitalgesellschaften nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ebenso wie berufsmäßige Parteienvertreter - Vorsorge durch entsprechende Kontrollen zu treffen hätten, sodass Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen seien, habe die Revisionswerberin keinen Nachweis dafür erbracht, dass grobes Verschulden auszuschließen sei. Dass der Fehler der Kanzleiangestellten auch einem verlässlichen Menschen passieren könne und nur als leichte Fahrlässigkeit zu werten wäre, ändere daran nichts. Auch dem Finanzamt könne nicht gefolgt werden, weil ein wirksames internes Kontrollsystem nicht erkennbar sei. Der falsch eingetragene Zahlungstermin, der zufällig vor Verhängung des Säumniszuschlages gelegen sei, sei eingehalten worden. Der Fehler sei nicht durch ein Kontrollsystem aufgedeckt worden. Die Revisionswerberin sei der in der Beschwerdevorentscheidung getroffenen Feststellung zum Fehlen eines wirksamen Kontrollsystems nicht entgegen getreten. Es sei daher nicht als erwiesen anzusehen, "dass einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels Umstände vorliegen, wonach die (Revisionswerberin) an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft".

7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit u.a. ausgeführt wird, das Bundesfinanzgericht sei in Bezug auf die Frage, ob ein grobes Verschulden vorliege oder nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

 

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge gemäß § 217 Abs. 7 BAO insoweit herabzusetzen oder nicht festzusetzen, als diesen an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Für die Herabsetzung oder Unterlassung der Festsetzung eines Säumniszuschlages kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. (Grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei (oder des Parteienvertreters) ist nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls, ob der Partei selbst (bzw. ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist (vgl. etwa VwGH vom 20. Mai 2010, 2008/15/0305, und vom 31. Mai 2011, 2007/15/0169, mwN).

10 Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis kommt dem Umstand, "ob in der aufgrund der irrtümlichen - um einen Monat verspäteten - Anmerkung der Fälligkeit und Entrichtung der Abgabe (durch eine an sich verlässliche Mitarbeiterin) eine leichte Fahrlässigkeit oder grobes Verschulden zu sehen ist", keine unmittelbare Bedeutung zu, weil damit nur ein Verschulden der Dienstnehmerin der Revisionswerberin angesprochen wird. Entscheidend ist zunächst das Verhalten der Beschwerdeführerin in Bezug auf die organisatorische Einrichtung und die Eintragung der Frist in den Fristenvormerk. Dazu brachte die Revisionswerberin in der Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid und im Vorlageantrag vor, der Fristenvormerk sei vom Vorgesetzten, Dr. D, kontrolliert worden, dem der Fehler nicht aufgefallen sei. Demnach hatte die Revisionswerberin Vorsorge für die Einhaltung abgabenrechtlicher Fristen getroffen. Dass die verspätete Abfuhr der Körperschaftsteuer 2012 dadurch nicht verhindert worden ist, ändert daran grundsätzlich nichts, weil auch Kontrollorganen Fehler unterlaufen können und die einmalige Versäumung einer Frist für sich allein noch nicht den Schluss zulässt, dass die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Fristen nicht sichergestellt ist. Die Revisionswerberin hat, wie sich dies aus den - auf das Abgabenkonto ab 2011 gestützten - Ausführungen des Finanzamts in der Beschwerdevorlage ergibt, die Abgaben über Jahre hinweg rechtzeitig zum Fälligkeitszeitpunkt abgeführt. Das Bundesfinanzgericht ging demnach in Bezug auf die hier zu beurteilende Säumnis zu Unrecht vom Vorliegen eines groben Verschuldens aus.

11 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich schon aus diesem Grund als rechtswidrig und wäre wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG konnte der Verwaltungsgerichtshof aber in der Sache selbst entscheiden und den Bescheid des Finanzamtes ersatzlos aufheben.

12 Von der von der Revisionswerberin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. Jänner 2017

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