Normen
BVergG 2006 §319 Abs1;
BVergG 2006 §319 Abs2;
BVergG 2006 §319;
LVergabenachprüfungsG Tir 2006 §19 Abs6 Z1;
LVergRG Stmk 2012 §29 Abs1;
LVergRG Stmk 2012 §29 Abs2 Z2;
LVergRG Stmk 2012 §29 Abs2;
LVergRG Stmk 2012 §29;
VwRallg;
Spruch:
Spruchpunkt II des angefochtenen Beschlusses wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin beantragte mit Schriftsatz vom 11. März 2016, die Zuschlagsentscheidung der mitbeteiligten Partei in einem näher bezeichneten Vergabeverfahren für nichtig zu erklären. Unter einem wurde die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt sowie der Ersatz der entrichteten Pauschalgebühr in der Höhe von insgesamt EUR 3.000,-- durch die mitbeteiligte Partei begehrt.
2 Mit Schriftsatz vom 15. März 2016 zog die Revisionswerberin - auf Grund der Zurücknahme der Zuschlagsentscheidung durch die mitbeteiligte Partei - ihre Anträge auf Nichtigerklärung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurück. Weiters beantragte die Revisionswerberin, ihr 25% der entrichteten Pauschalgebühr, somit EUR 750,--, zu refundieren und die mitbeteiligte Partei zum Ersatz der nicht zu refundierenden Pauschalgebühr in der Höhe von insgesamt EUR 2.250,-- zu verpflichten.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. März 2016 verfügte das Landesverwaltungsgericht Steiermark, dass der Revisionswerberin Pauschalgebühren im Ausmaß von EUR 750,-- refundiert werden (Spruchpunkt I). Die mitbeteiligte Partei wurde verpflichtet, der Revisionswerberin die für den Nachprüfungsantrag entrichtete Pauschalgebühr abzüglich der zu refundierenden 25%, somit EUR 1.500,--, zu ersetzen (Spruchpunkt II). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III).
Das Verwaltungsgericht verwies auf die Regelung des § 29 Abs. 2 des Steiermärkischen Vergaberechtsschutzgesetzes 2012 (StVergRG 2012), wonach ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf einstweilige Verfügung nur dann bestehe, wenn dem Nachprüfungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben werde und dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben oder der Antrag nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen worden sei. Nach § 29 Abs. 1 StVergRG 2012 habe ein Gebührenersatz auch im Fall der Klaglosstellung während eines anhängigen Verfahrens zu erfolgen.
Im vorliegenden Fall sei die Zuschlagsentscheidung vor Erlassung der einstweiligen Verfügung zurückgenommen und sohin keine einstweilige Verfügung erlassen worden, weshalb der Revisionswerberin kein Anspruch auf Ersatz ihrer für die einstweilige Verfügung entrichteten Gebühr zustehe. Trotz Klaglosstellung sei der mitbeteiligten Partei nur der Ersatz der für den Nachprüfungsantrag entrichteten Pauschalgebühr aufzuerlegen gewesen.
4 Gegen Spruchpunkt II dieses Beschlusses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Stellungnahme.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, es fehle an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob im Fall der Klaglosstellung ein Anspruch auf Ersatz der für den Antrag auf einstweilige Verfügung entrichteten Gebühr auch dann bestehe, wenn dem Antrag auf einstweilige Verfügung deshalb nicht stattgegeben wurde, weil der Antrag vor der Entscheidung darüber zurückgezogen wurde.
Die Revision ist zulässig.
6 Die maßgebliche Bestimmung des Steiermärkischen Vergaberechtsschutzgesetzes 2012 (StVergRG 2012), LGBl. Nr. 80 in der Fassung LGBl. Nr. 87/2013, lautet:
"§ 29 Gebührenersatz
(1) Vor dem Landesverwaltungsgericht - wenn auch nur teilweise - obsiegende Antragstellerinnen/Antragsteller haben Anspruch auf Ersatz ihrer gemäß § 28 entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin/den Auftraggeber. Die Antragstellerin/Der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz der entrichteten Gebühren, wenn sie/er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird.
(2) Ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf
einstweilige Verfügung besteht nur dann, wenn
1. dem Nachprüfungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und
2. dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde
oder der Antrag nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde.
(3) Über den Gebührenersatz entscheidet das Landesverwaltungsgericht."
7 Die Regelung des § 29 Abs. 1 und 2 StVergRG 2012 deckt sich inhaltlich mit jener des § 319 Abs. 1 und 2 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006). Wie sich den Erläuterungen zur (Vorgänger)Regelung des Steiermärkischen Vergaberechtsschutzgesetzes, LGBl. Nr. 154/2006, entnehmen lässt, wurde im Hinblick auf die starke Verflechtung von Bundes- und Landesrecht im Vergabewesen und die praktische Handhabung durch die Rechtsanwender eine enge Anlehnung der landesrechtlichen Rechtsschutzgesetze an die entsprechenden bundesrechtlichen Regelungen als geboten erachtet (XV. GPStLT RV EZ 674/1, Vorblatt).
8 Die Erläuterungen zu § 319 BVergG 2006 führen aus, "dass ein Gebührenersatz auch dann zu erfolgen hat, wenn der Antragsteller während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Auftraggeber die bekämpfte Entscheidung beseitigt." In Abs. 2 ist geregelt, "dass ein Ersatz der Gebühr (für eine einstweilige Verfügung) nur dann zu erfolgen hat, wenn dem Hauptantrag stattgegeben wird und die einstweilige Verfügung entweder gewährt wurde oder bloß aufgrund einer Interessenabwägung abgewiesen wurde. Der Antragsgegner soll nicht gezwungen sein, die Kosten zu tragen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der behauptete Sicherungsanspruch des Antragstellers nicht berechtigt war" (siehe zu allem RV 1171 BlgNR 22. GP , 136).
9 In seinem (zum Tiroler Vergabenachprüfungsgesetz 2006 (Tir VNPG 2006) ergangenen) Erkenntnis vom 17. September 2014, 2013/04/0082, hat der Verwaltungsgerichtshof - in Zusammenhang mit einer bereits erlassenen einstweiligen Verfügung - festgehalten, dass sich der Anspruch auf Ersatz der Gebühr für den Antrag auf einstweilige Verfügung daraus ergebe, dass die Klaglosstellung der Stattgabe des Nachprüfungsantrags gleichzuhalten sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat somit zum Ausdruck gebracht, dass die Voraussetzung des (dort) § 19 Abs. 6 Z 1 Tir VNPG 2006 - wonach der Anspruch auf Gebührenersatz für einen Antrag auf einstweilige Verfügung eine Stattgabe des Nachprüfungsantrags erfordert - auch durch eine Klaglosstellung erfüllt wird.
10 Damit ist zwar die hier zugrunde liegende Frage des Anspruchs auf Gebührenersatz für den Antrag auf einstweilige Verfügung infolge Klaglosstellung in dem Fall, in dem eine Entscheidung über diesen Antrag vor Antragszurückziehung noch nicht ergangen ist, noch nicht geklärt. Allerdings wäre es im Hinblick auf die gesetzlich zum Ausdruck kommende Gleichsetzung der Stattgabe eines Nachprüfungsantrags mit der Klaglosstellung nicht nachvollziehbar und auch nicht sachlich gerechtfertigt, wenn die Frage des Vorliegens der Voraussetzung des (fallbezogen) § 29 Abs. 2 Z 2 StVergRG 2012 - der Stattgabe des Antrags auf einstweilige Verfügung - unter Außerachtlassung der Regelung über die Klaglosstellung in § 29 Abs. 1 zweiter Satz StVergRG 2012 zu prüfen wäre. Auch der Stattgabe des Antrags auf einstweilige Verfügung ist die Klaglosstellung gleichzuhalten. Somit steht aber der Umstand, dass über den Antrag auf einstweilige Verfügung infolge Zurückziehung nicht mehr entschieden wurde, einem Gebührenersatzanspruch hinsichtlich der für diesen Antrag entrichteten Pauschalgebühr für sich genommen nicht entgegen (vgl. auch Reisner, in Schramm/Aicher/Fruhmann (Hrsg.), Bundesvergabegesetz 2006 Kommentar (5. Lfg.), § 319 Rz. 19, 23; Walther/Hauck, in Heid/Preslmayr (Hrsg.), Handbuch Vergaberecht3 Rz. 1882 f).
Indem das Verwaltungsgericht das verkannt hat, hat es den angefochtenen Spruchpunkt II seines Beschlusses mit Rechtswidrigkeit belastet.
11 Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen: Nach der hg. Rechtsprechung kommt es für den Anspruch auf Ersatz der entrichteten Gebühren wegen Klaglosstellung darauf an, dass der Nachprüfungsantrag für die Klaglosstellung ursächlich und die Entrichtung der Pauschalgebühr zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war (siehe die Erkenntnisse vom 9. April 2013, 2010/04/0105, und vom 2. Oktober 2012, 2008/04/0132). Die Beurteilung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung hat hinsichtlich Nachprüfungsantrag und Antrag auf einstweilige Verfügung getrennt zu erfolgen. Den (oben angeführten) Erläuterungen zu § 319 BVergG 2006 lässt sich entnehmen, dass für die Kostentragung durch den Auftraggeber darauf abzustellen ist, ob der behauptete Sicherungsanspruch des Antragstellers berechtigt war (oder nicht). Ausführungen dazu, dass ein berechtigter Sicherungsanspruch vorliegend (abweichend vom Regelfall) nicht gegeben war (und der Revisionswerberin somit aus anderen Gründen kein Anspruch auf Gebührenersatz zustünde), hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen und derartige Umstände sind auch nicht ersichtlich.
12 Im Hinblick auf die obigen Ausführungen war der Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 16. März 2016 im Umfang seiner Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. Dezember 2016
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