Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;
VwGG §58 Abs2 idF 2013/I/033;
VwGG §58 Abs2;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015050064.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
Mit Bescheid vom 1. August 2013 erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde H. (im Folgenden: Bürgermeister) der Revisionswerberin die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfriedungszaunes inklusive Sockel in einer Länge von 762 lfm auf einem näher bezeichneten Grundstück.
Mit (weiterem) Bescheid vom selben Tag wies der Bürgermeister die von der Mitbeteiligten, die Eigentümerin eines an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes ist, mit Schreiben vom 31. Mai 2013 erhobenen Einwendungen gegen das Bauvorhaben als unbegründet ab.
Gegen diesen weiteren, die Einwendungen der Mitbeteiligten abweisenden Bescheid erhob diese Berufung, die mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde H. (im Folgenden: Gemeindevorstand) vom 5. März 2014 als unbegründet abgewiesen wurde.
Auf Grund der von der Mitbeteiligten dagegen an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) erhobenen Beschwerde wurde mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis der genannte Berufungsbescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos aufgehoben und ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Dies begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen (u.a.) damit, dass sich der Bürgermeister über die Bestimmung des § 59 Abs. 1 AVG hinweggesetzt habe, wonach alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge - so insbesondere auch die Einwendungen - durch einen einheitlichen Bescheid, mit dem die Hauptfrage entschieden werde, zu erledigen seien. Gesonderte Entscheidungen über die begehrte baurechtliche Bewilligung einerseits und die dagegen erhobenen Einwendungen andererseits seien rechtlich nicht möglich. Da der Gemeindevorstand dies verkannt und, anstatt die ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides zu verfügen, durch Abweisung der Berufung seinerseits die Einwendungen (der Mitbeteiligten) in diesem gesonderten Bescheid abgewiesen habe, habe er seinen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser ersatzlos aufzuheben sei.
II.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, denen u.a. der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Im Rahmen der Ausführungen im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGG bringt die Revision (unter Punkt 2. "Zur Zulässigkeit und Beschwerde") vor, dass zu Unrecht der Revisionswerberin das rechtliche Gehör im Berufungsverfahren entzogen sowie die Parteistellung und Beschwerdelegitimation der Mitbeteiligten angenommen worden sei, obwohl diese keine rechtzeitigen Einwendungen im Sinne des § 22 NÖ Bauordnung 1996 erhoben habe. Darüber hinaus sei in die Rechtskraft einer unbekämpft gebliebenen Entscheidung zu Gunsten der Revisionswerberin eingegriffen worden, ohne dass ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK durchgeführt worden sei.
Mit ihrer Revision stellte die Revisionswerberin ferner den Antrag, das Verwaltungsgericht möge formell durch Bescheid über ihre Parteistellung im Berufungsverfahren absprechen, und bringt dazu vor, dass der genannte Bescheid vom 1. August 2013, mit dem die Baubewilligung erteilt wurde, in Rechtskraft erwachsen sei. Das rechtlich verfehlte, nunmehr angefochtene Erkenntnis greife durch die Behauptung rechtzeitiger und ausreichend begründeter Einwendungen in die Rechtskraft der Baubewilligung ein. Da die Parteistellung der Mitbeteiligten mangels solcher Einwendungen verloren gegangen sei und die Revisionswerberin das Bauvorhaben bereits in Auftrag gegeben habe, sei diese auch beschwert.
Die Revision ist nicht zulässig.
Im Hinblick darauf, dass § 58 Abs. 2 VwGG idF BGBl. I Nr. 33/2013 auch für Revisionen das Rechtsschutzinteresse als Prozessvoraussetzung umschreibt, ist die zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 bezüglich des Rechtsschutzinteresses als eine Prozessvoraussetzung für Parteibeschwerden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergangene Rechtsprechung auf Revisionen vor dem Verwaltungsgerichtshof entsprechend anzuwenden (vgl. zur näheren Begründung den hg. Beschluss vom 22. April 2015, Ra 2014/12/0023, mwN; ferner in diesem Zusammenhang auch den hg. Beschluss vom 21. April 2015, Ro 2014/01/0034, mwN). Die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist somit (u.a.) nur dann zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass die angefochtene Entscheidung in Rechte des Revisionswerbers eingreift.
Die ersatzlose Behebung des genannten Berufungsbescheides durch das vorliegend angefochtene Erkenntnis kann die Revisionswerberin aus folgenden Gründen denkunmöglich in einem Recht verletzen:
§ 59 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, idF BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:
"§ 59. (1) Der Spruch hat die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Mit Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages gelten Einwendungen als miterledigt. Läßt der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden.
..."
Aus dem oben wiedergegebenen Vorbringen der Revisionswerberin ergibt sich, dass der erstinstanzliche Bescheid, mit dem die genannte Baubewilligung erteilt wurde, nicht bekämpft worden ist und dem Rechtsbestand angehört. Gemäß § 59 Abs. 1 zweiter Satz AVG wurden mit diesem Bewilligungsbescheid die von der Mitbeteiligten gegen das Bauvorhaben erhobenen Einwendungen miterledigt. Wenn nun der mit einem förmlichen Abspruch die Einwendungen der Mitbeteiligten abweisende Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes mit dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis ersatzlos aufgehoben wurde, so ändert dies nichts daran, dass diese Einwendungen (auch weiterhin) mit dem Baubewilligungsbescheid als miterledigt gelten, und an der Rechtswirksamkeit der der Revisionswerberin erteilten Baubewilligung.
Im Hinblick darauf ist nicht zu erkennen, dass die Revisionswerberin durch die ersatzlose Aufhebung des genannten Berufungsbescheides in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein kann.
Der Vollständigkeit halber wird auch darauf hingewiesen, dass die Revisionswerberin durch bestimmte Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses - selbst wenn das Verwaltungsgericht, wie von ihr behauptet, tatsächlich von einer unzutreffenden Rechtsansicht ausgegangen sein sollte - in keinem subjektiven Recht verletzt werden kann, weil derartige Ausführungen keine über den normativen Gehalt des Spruches - nämlich die ersatzlose Behebung des Berufungsbescheides - hinausgehende Bindungswirkung zu entfalten vermögen (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 10. Dezember 2013, Zl. 2013/05/0203, mwN).
Die vorliegende Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 29. September 2015
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