VwGH 2013/05/0051

VwGH2013/05/005123.6.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Beschwerde der H GmbH in W, vertreten durch Dr. Susanne Pertl, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Loquaiplatz 13/19, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 29. Oktober 2012, Zl. MA 64 - 1687/2012, betreffend Versagung einer Gebrauchserlaubnis (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §1 Abs1;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §2 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Die beschwerdeführende Partei ist Inhaberin einer aufrechten Bewilligung nach dem (Wiener) Gebrauchsabgabegesetz 1966 (im Folgenden: GAG) für einen transportablen Verkaufsstand in Wien, Kärntner Straße / X.-Gasse. Bei einer behördlichen Kontrolle wurde festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei zwei Ständer mit Ansichtskarten (Warenausräumungen) aufgestellt hatte, wofür keine Bewilligungen vorlagen, weshalb sie aufgefordert wurde, um eine entsprechende Bewilligung dafür anzusuchen.

Mit Eingabe vom 20. August 2009 stellte die beschwerdeführende Partei an den Magistrat der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat), Magistratsabteilung (im Folgenden: MA) 46, den Antrag, eine Warenausräumung auf zwei Ständern im Ausmaß von je 50 x 50 cm vor ihrem Kiosk am genannten Standort zu bewilligen.

In der daraufhin eingeholten Stellungnahme des Amtssachverständigen der MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung) vom 26. August 2009 wurde unter Hinweis auf ein Einvernehmen mit der "Wiener Wirtschaftskammer - Wiener Einkaufsstraßen" und mehreren Vereinigungen von Kaufleuten sowie der Bezirksvorstehung darüber, dass es grundsätzlich keine neuen Bewilligungen für Warenausräumungen (u.a.) im Bereich der Kärntner Straße und der angrenzenden Straßen geben solle, weil die Warenausräumungen in Summe untypische Elemente im Straßenraum bildeten und dies zwangsläufig zu einer negativen optischen Wirkung und in weiterer Folge zu einer Entwertung des örtlichen Stadtbildes führe, die beantragte Warenausräumung aus Sicht der Stadtgestaltung abgelehnt.

Mit Bescheid des Magistrates (MA 46) vom 12. Jänner 2012 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 1 Abs. 1 und 2 iVm § 2 Abs. 2 GAG die beantragte Gebrauchserlaubnis wegen dem beantragten Gebrauch entgegenstehender öffentlicher Rücksichten versagt, wobei sich die Behörde auf die gutachterliche Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 26. August 2009 stützte.

Die beschwerdeführende Partei erhob dagegen Berufung.

Im weiteren Verfahren gab eine Amtssachverständige der MA 19 aus architektonischer Sicht die folgende (weitere) Stellungnahme vom 30. Mai 2012 ab:

"Einleitung:

Der öffentliche Raum ist ein wesentlicher Bestandteil der räumlichen wie sozialen städtischen Struktur und bedarf der gleichen Aufmerksamkeit und der gleichen planerischen Verantwortung wie die bebauten Räume. Der öffentliche Raum ist ein wesentlicher Baustein für eine nachhaltige Stadtentwicklung.

Im öffentlichen Raum überlagern sich die vielfältigen Nutzungsansprüche einer dynamischen städtischen Gesellschaft. Ziel der Stadtplanung ist es, unter Wahrung der Interessen des örtlichen Stadtbildes, eine Balance zwischen diesen Ansprüchen zu ermöglichen.

Die Aufstellung von Anlagen im öffentlichen Raum folgt bestimmten stadtgestalterischen Konzepten, die gewährleisten, dass es zu keiner Störung des Stadtbildes kommt. Grundsätzlich sind dabei Elemente, welche die Sicht auf anerkannte Qualitäten der Stadt verdecken, diese überragen, dominieren oder konkurrieren, aus Sicht der Stadtgestaltung zu vermeiden. Dabei sind Grundsätze und Vorgangsweisen zu beachten, die dem Benützer ein optimales Erleben des öffentlichen Raumes auch aus einem architektonischen und künstlerischen Blickwinkel erlauben. Insbesondere in Stadträumen mit verstärktem Fußgeheraufkommen und Treffpunktfunktion muss unter Berücksichtigung aller wirtschaftlichen Interessen die gestalterische Qualität beachtet werden.

Befund:

Der gegenständliche Verkaufskiosk für den Verkauf von Zeitungen befindet sich an der Einmündung der (X.-Gasse) in die Kärntner Straße. Neben den zwei angesuchten Warenausräumungen auf Ständern im Ausmaß von 50x50cm sind an der Frontseite des Kiosks weitere Warenausräumungen angebracht. (siehe Foto)

Die Kärntner Straße befindet sich in der Schutzzone und dem UNESCO Weltkulturerbe Wien - Innere Stadt. Sie wurde jüngst neu gestaltet.

Die Entwürfe für die Neugestaltung der Fußgeherzone wurden 2007 im Zuge eines EU-weit ausgeschriebenen Wettbewerbes für die Fußgängerzone in der Wiener City gewonnen.

Bereits in der Ausschreibungsphase wurde wegen des hohen Nutzungsdruckes in der Kärntner Straße und wegen des hohen Gestaltungsanspruchs, im Einvernehmen mit der Wiener Wirtschaftskammer - Wiener Einkaufsstraßen, der IG - Kaufleute der Kärntner Straße, der Kaufleute am Graben, dem Kohlmarkt Komitee, der IG-Kaufleute Rotenturmstraße und der Bezirksvorstehung, die grundsätzliche Absicht formuliert, im Bereich der Kärntner Straße, des Grabens, des Kohlmarktes, der Rotenturmstraße und der angrenzenden Straßen, keine Warenausräumungen mehr zu bewilligen.

In der Ausschreibung zum Wettbewerb wurde als Entwurfskriterium für sämtliche Einrichtungen in der Fußgängerzone formuliert, dass der freie Durchblick, sowohl in Längsrichtung der Straßen, als auch den Blick auf die Geschäftsportale, nicht eingeschränkt werden darf. Besonderer Bedacht war auf die Funktionen für den FußgängerInnenverkehr zu legen, das sind Einkaufen, Freihalten einer Passantenzone vor den Auslagen und Geschäftseingängen, Flanieren, Besichtigen, Gastronomie, Zuordnung der Schanigärten zu den Lokalen, Fußwege zur Zielerreichung und temporäre Inszenierungen, wie der Weihnachtskorso, der Silvesterpfad, Fronleichnamsprozession, Prominentenhochzeiten, Staatsbegräbnisse und anderes mehr.

Das Sieger-Projekt des Architekturbüro (K.) zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es einen Zonierungsplan konzipierte, der die Schanigärten der Gastronomie, die Funktionen des Fußgängerverkehrs und den Liefer- und anderen motorisierten Verkehr optimal anordnete.

Wesentliche Voraussetzung dafür ist die Freihaltung der Zone

vor den Geschäften.

Gutachten:

Der Kärntner Straße kommt als Geschäftsstraße in Wien ein besonderer Stellenwert zu. Auf Grund der historischen Bedeutung und auf Grund ihrer Repräsentationsfunktion für die Gesamtstadt ist eine besondere Behandlung in gestalterischen Fragen legitim.

Wie im Befund begründet soll die Kärntnerstraße von Warenausräumungen freigehalten werden. Weil das Ansuchen diesem konzeptionellen Anspruch der Stadtgestaltung entgegen steht, stören die angesuchten Ständer das örtliche Stadtbild.

Zum Berufungsschreiben der (beschwerdeführenden Partei) wird wie folgt Stellung genommen:

Die Neugestaltung der Kärntnerstraße und die Neuordnung der Kioske stellt eine geänderte städtebaulich-architektonische Rahmensituation dar. Die Vermeidung von Warenausräumungen im Zuge der Neuordnung und Zonierung der Fußgeherzone geschieht im öffentlichen Interesse.

Von der neuen hochwertigen Gestaltung profitieren die Halter

der Gebrauchserlaubnisse in besonderem Maße.

Schluss:

Das vorliegende Ansuchen ist aus oben genannten Gründen, aus stadtgestalterischer Sicht abzulehnen, weil der Erteilung der Gebrauchserlaubnis städtebauliche Interessen und Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes gemäß § 2 GAG entgegen stehen und weil die Warenausräumung das örtliche Stadtbild gemäß § 85 BO stört."

Die beschwerdeführende Partei erstattete zu dieser gutachterlichen Stellungnahme mehrere Äußerungen. Mit Schriftsatz vom 4. September 2012 brachte sie (u.a.) vor, dass im Zuge der Planung des Verkaufsstandes in Absprache mit der MA 19 die zulässige Grundfläche von 12 m2 auf 10 m2 im Hinblick auf ein fix montiertes, umlaufendes Vordach von 60 cm Breite (im Eingangsbereich 90 cm Breite) verringert worden sei, weil von Beginn an geplant gewesen sei, unter diesem Vordach Warenausräumungen, wie diese für Souvenirstände üblich seien, anzubringen bzw. aufzustellen. Diese Absicht sei der Behörde bekannt gewesen und auch "goutiert" worden. Unter der für den Verkaufsstand in Abstimmung mit der MA 19 projizierten Fläche seien somit die Grundfläche von 10 m2 und die unter dem fix montierten Vordach befindliche Fläche zu verstehen. Der Kiosk mit dem fix montierten Vordach, welches bereits für Warenausräumungen konzipiert worden sei, sei eigens so situiert worden, dass er nicht in die Fassadenachse der Kärntner Straße hineinrage und keine (visuelle) Beeinträchtigung der übergeordneten Straße darstelle. Es werde die Anberaumung einer Ortsverhandlung im Beisein eines Vertreters der MA 19 und des Architekten K. angeregt.

Ferner legte die beschwerdeführende Partei mit diesem Schriftsatz die gutachterliche Stellungnahme der K. GmbH vom 1. September 2012 vor, die auszugsweise lautet:

"...

A_GRUNDLAGEN

Der Kiosk ... wurde im Frühjahr / Sommer 2009 geplant und errichtet. Die Planung wurde in sämtlichen Gestaltungsfragen im Vorfeld mit der MA 19 ... abgestimmt und von dieser genehmigt.

...

Weiters wurde von der MA 19 auch ein fix montiertes, umlaufendes Vordach von 60cm Breite (im Eingangsbereich 90cm Breite) genehmigt.

Des weiteren wurden im Zuge der Planung für die Neugestaltung der FUZO WIEN CITY NEU auch Bedacht auf die Freihaltung der Verkehrsrelationen zwischen (X.-Gasse) und Kärntnerstraße genommen und mit der MA 46 abgestimmt.

Der Kiosk wurde unter größter Bedachtnahme auf das historische Umfeld, mit Respekt vor der Neugestaltung der Fußgängerzone und unter Verwendung von hochqualitativen Materialien geplant und ausgeführt, mit dem Anspruch eines prototypischen, modernen und dennoch zeitlosen Verkaufsstandes.

B_WARENAUSRÄUMUNGEN

...

1_Die Warenausräumung befindet sich unter dem Vordach, welches als integraler Bestandteil (mit dem Kiosk fix verbunden - in unabänderlichen, genehmigten Ausmaßen) des Objektes anzusehen ist. D.h. Waren, die innerhalb der projizierte Flächen dargeboten werden, stellen keine Beeinträchtigung der Verkehrsrelationen dar.

2_Weiters ist der Kiosk so situiert, daß er nicht in die Fassadenachse der Kärntnerstraße hineinragt, und so ebenfalls keine (visuelle) Beeinträchtigung der übergeordneten Straße darstellt.

3_Darüber hinaus stünden dem Betreiber nach gängiger Rechtslage ... noch 2 m2 bewilligungsfrei zur Verfügung, die vom ggst. Objekt nicht konsumiert wurden.

Als Vergleich dazu seien (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) einige aktuelle Beispiele (August 2012) von Warenausräumungen im Bereich der Fußgängerzone angeführt:

...

Aus diesen Beispielbildern geht klar hervor, daß ggst. Warenausräumung keinen Einzelfall darstellt.

Die augenscheinliche Differenz besteht darin, daß die Waren unterhalb von temporären Überdachungen (Markisen, Sonnenschirmen, mobilen Vordächern) angeboten werden, die nicht als Teil der Fassade / des jeweiligen Objektes angesehen werden können und somit eine Einschränkung des Fußgängerverkehrs und sonstiger Verkehrsrelationen mit sich bringen.

..."

Die Amtssachverständige der MA 19 erstattete in der Folge eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 19. September 2012:

"... Insbesondere wird die Frage beantwortet ob die Aufstellung der Ständer unter dem Vordach des Kiosk die Beurteilung aus Sicht der Stadtgestaltung ändert:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind auf das vorliegende, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des GAG idF

LGBl. Nr. 58/2009 lauten auszugsweise:

"§ 1

Gebrauchserlaubnis

(1) Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes ist vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist. Dies gilt nicht, soweit es sich um Bundesstraßengrund handelt. ...

(2) Jeder in der Sondernutzung (Abs. 1) nicht angegebene Gebrauch, der über die bestimmungsgemäße Benützung der Verkehrsflächen nach den straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Bestimmungen hinausgeht, bedarf der privatrechtlichen Zustimmung der Stadt Wien als Grundeigentümerin."

"§ 2

Erteilung der Gebrauchserlaubnis

(1) Die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis ist nur auf Antrag zulässig. ...

(2) Die Gebrauchserlaubnis ist zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie insbesondere Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Parkraumbedarf, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes, entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist."

Die beschwerdeführende Partei bringt in der Beschwerdeergänzung vor, der angefochtene Bescheid sei "überschüssig", weil sich die Versagung auf die gesamte öffentliche Fläche und den darüber liegenden Luftraum im Bereich X.-Gasse und Kärntner Straße beziehe, während dem Antrag die Bewilligung der Ausräumung innerhalb der Fläche und des Luftraumes des genehmigten Verkaufsstandes zugrunde liege. Da der Bescheid die Warenausräumung mit dem Standort eines Kiosks im Bereich Kärntner Straße / X.-Gasse untersage, der Kiosk jedoch auf Höhe des Hauses X.-Gasse 1 stehe, gelte die Untersagung nicht - jedenfalls nicht zweifelsfrei - auch für den Standort auf Höhe X.- Gasse 1, sondern für eine öffentliche Fläche im Bereich der Ecke der beiden genannten Verkehrswege. Der Bescheid sei daher schon in sich widersprüchlich und stehe auch im Widerspruch zum Antrag der beschwerdeführenden Partei.

Mit den darin enthaltenen Ausführungen, es gebe - angeblich - ein Einvernehmen mit der Kaufmannschaft, dass die Warenausräumungen eingestellt werden sollten, gestehe der Bescheid zu, dass für die Abweisung des Antrages keine gesetzliche Grundlage bestehe. Es gebe auch keine Absichtserklärung der Kaufmannschaft für die Einschränkung von Warenausräumungen, und es verfolge diese genau das Gegenteil. Irgendwelche Absichtserklärungen irgendwelcher Gremien seien jedenfalls keine Grundlage für eine Abweisung des Antrages.

Ferner werde im angefochtenen Bescheid das Gutachten der K. GmbH fehlerhaft interpretiert. Eine Störung des Gesamtbildes der Stadt Wien sei zweifelsfrei nicht gegeben, und gerade der Kiosk der beschwerdeführenden Partei sei einer der wenigen Kioske, der allen gewünschten Belangen auch eines historischen Stadtbildes entspreche. Wenn im angefochtenen Bescheid der K. GmbH wortwörtlich die Kompetenz der Beurteilung architektonischer Fragen zuerkannt werde, stelle sich die Frage, warum dessen Kompetenz nicht auch für seine Erklärungen zur fehlenden Stadtbildstörung zu gelten habe.

Wenn der angefochtene Bescheid vorwiegend auf die Stellungnahme des Amtssachverständigen verweise, werde übersehen, dass dieser in der Regel nur von der Umgestaltung der Kärntner Straße spreche. Davon beeinflusst wolle der angefochtene Bescheid offensichtlich die mit der Umgestaltung der Kärntner Straße verbundenen Absichten auch auf die X.- Gasse verlagern. Er übersehe geflissentlich auch jene Ausführungen des Amtssachverständigen, wonach eine kommerzielle Nutzung von überlassenen Flächen selbstverständlich zu akzeptieren sowie auf die Bedürfnisse der Fußgänger und Touristen in Abstimmung mit den Anforderungen der Stadtgestaltung der City Wien Rücksicht zu nehmen sei. Genau diesen Bedürfnissen, vor allem der Touristen, entspreche die Aufstellung von Ansichtskartenständern, weil nur eine derartige Ausräumung für die Touristen den Zugang zu den Ansichtskarten über die Stadt Wien und deren Kultur ermögliche. Es seien auch keine negativen Einflussnahmen auf die historische Bedeutung und die Repräsentationsfunktion des Bereiches der Kärntner Straße oder allenfalls auch der X.-Gasse erkennbar, und es sei nicht nachvollziehbar, warum die Aufstellung zweier Ansichtskartenständer mit den bescheidenen Ausmaßen unterhalb einer Eindachung eines Kiosks mit dem Stadtbild unverträglich sein solle. Die öffentliche Fläche und der darüber liegende Luftraum seien bis zu den Außenkanten des Kiosks bereits gegen Entgelt zur Nutzung an die beschwerdeführende Partei überlassen, und ein unter dem Dach aufgestellter Ansichtskartenständer nehme zufolge seines Durchmessers nicht einmal die Fläche einer stehenden Einzelperson ein. Die Warenausräumungen seien nicht geeignet, ein Mehr an Anräumung des öffentlichen Raumes zu verursachen. Auch sei es unverhältnismäßig, wenn die Aufstellung von ein oder zwei Ansichtskartenständern versagt werde, die schon auf Grund ihrer Größe und ihres Standplatzes keine Sichtbehinderung auf die im Umfeld errichteten Objekte darstellten und auch sonst nicht stadtbildstörend seien.

Die Stellungnahmen der MA 19 vom 30. Mai 2013 (offenbar gemeint: 2012) und 19. September 2012 genügten nicht den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten, weil diese keine konkreten, einer objektiven Überprüfung standhaltenden Argumente bzw. Messergebnisse, sondern nur nicht näher begründete pauschale Aussagen beinhalteten, weshalb insgesamt daraus nicht ableitbar sei, aus welchen Gründen es zu den von der MA 19 angeführten Einflussnahmen auf das Stadtbild komme. Wie sich die Situation vor Ort darstelle, könne ausschließlich den Lichtbildern, die der Stellungnahme der K. GmbH beigeschlossen seien, entnommen werden. Irgendwelche unbestimmten, nicht nachvollziehbaren Besichtigungsergebnisse eines Organes einer Unterbehörde oder eine, auf unbestimmte Positionen der WK (gemeint: Wirtschaftskammer) Wien aufbauende Stellungnahme eines Amtssachverständigen seien jedenfalls unzureichend.

Es werde auch gerügt, dass der zum Beweis der Absprachen bei der Verlegung des Standortes von der Kärntner Straße in die X.- Gasse beantragte Zeuge D. nicht vernommen worden sei. Bei dessen Vernehmung wäre bestätigt worden, dass es zu einer bindenden Vereinbarung mit der MA 19 gekommen sei und die beschwerdeführende Partei ausschließlich im Vertrauen auf die Vereinbarungen und Zusagen der MA 19 kooperativ im Interesse der Stadt Wien ihren Anteil der Umgestaltung der Kärntner Straße durch Verlegung des Sitzes in die nachrangige X.-Gasse eingebracht habe. Diesbezüglich werde auf die im Akt erliegende Urkunde vom 6. September 2007 samt allen darauf angebrachten handschriftlichen Anmerkungen, nämlich auch die des Sachbearbeiters D., verwiesen. Ausgehend von den getroffenen Vereinbarungen und vom Grundsatz von Treu und Glauben wäre die Bewilligung zu erteilen gewesen.

Auf Grund der Verweigerung der Durchführung eines Ortsaugenscheines sei der beschwerdeführenden Partei die Möglichkeit genommen worden, ihr sachliches Vorbringen durch Verweisung auf die Situation an Ort und Stelle unter Beweis zu stellen bzw. verständlich darzustellen. Dabei wäre hervorgekommen, dass bei einer Position des bewilligten Verkaufsstandes in der X.- Gasse die Warenausräumung von Ansichtskarten auf zwei Ständern während der Öffnungszeit des Kiosks zu keiner nachteiligen Einflussnahme auf die städtische "Darstellung", den Personen- oder PKW-Verkehr oder Veranstaltungen führe und die beantragte Warenausräumung für die Betrachter und Besucher der Stadt Wien nicht von unwesentlicher Bedeutung sei.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Die belangte Behörde begründet die Versagung der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Gebrauchserlaubnis unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 GAG damit, dass die Aufstellung der verfahrensgegenständlichen Kartenständer das Stadtbild beeinträchtigen würde.

Zu dem in dieser Gesetzesbestimmung angeführten Versagungsgrund hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass im Zuge des behördlichen Verfahrens festzustellen ist, ob einer beantragten Gebrauchserlaubnis Gesichtspunkte des Stadtbildes entgegenstehen, und dass diese Feststellung Gegenstand des Beweises durch Sachverständige ist. Dem Sachverständigen obliegt es hiebei, auf Grund seines Fachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Gestützt auf das Sachverständigengutachten hat sodann die Behörde begründet darzulegen, ob die beantragte Gebrauchserlaubnis eine diesbezügliche Wirkung entfaltet oder ob dies nicht der Fall ist. Äußerungen, die nur unüberprüfbare Behauptungen enthalten und nicht die Erwägungen aufzeigen, auf Grund derer der Sachverständige zu seinem Gutachten gelangt ist, können nicht als taugliches Gutachten eines Sachverständigen angesehen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2014, Zl. 2011/05/0089, mwN).

Liegen der Behörde einander widersprechende Gutachten von Sachverständigen vor, so ist es ihr gestattet, sich dem einen oder anderen anzuschließen. Sie hat aber die Gedankengänge aufzuzeigen, die sie veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. September 2011, Zl. 2009/05/0248, mwN).

Ein Gutachten hat zuerst einen Befund zu enthalten, in dem die örtlichen Gegebenheiten dargestellt werden. Erst auf Grund dieses Befundes hat der Gutachter auf Grund seines Fachwissens ein Urteil abzugeben, inwieweit das beantragte Vorhaben eine Wirkung auf das Stadtbild entfaltet (vgl. nochmals das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 2011/05/0089, mwN).

Zwar hat die Behörde unter dem Gesichtspunkt des Stadtbildes und städtebaulicher Interessen auch das angestrebte Gestaltungsprinzip, das die Charakteristik des örtlichen Straßenraumes prägen soll, mit zu berücksichtigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2010, Zl. 2009/05/0066, mwN). Dies entbindet die Behörde jedoch nicht davon, jeden Einzelfall anhand der Kriterien des § 2 Abs. 2 GAG zu prüfen und auf den jeweiligen Standort einzugehen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 6. September 2011, Zl. 2009/05/0246).

Die Aufzählung der öffentlichen Rücksichten in § 2 Abs. 2 GAG ist nicht taxativ. Die Gebrauchserlaubnis ist auch dann zu versagen, wenn ihr andere öffentliche Interessen, denen ein gleiches Gewicht wie den aufgezählten zukommt, entgegenstehen. Daran ändert es auch nichts, wenn die Behörde diese Rücksichten in anderen Fällen möglicherweise unbeachtet gelassen hat (vgl. zum Ganzen etwa Moritz, BauO Wien5 (2014) Anm zu § 2 Abs. 2 GebrauchsabgabeG, S. 640 f).

Die belangte Behörde hat sich bei ihrer Beurteilung des Stadtbildes auf die genannten Stellungnahmen der Amtssachverständigen vom 30. Mai 2012 und 19. September 2012 gestützt. In diesen Stellungnahmen und - ihnen folgend - im angefochtenen Bescheid ist als Kriterium für die Beurteilung der Auswirkungen der antragsgegenständlichen Verkaufsständer auf das Stadtbild der Umstand angeführt, dass "wegen des hohen Nutzungsdruckes" in der Kärntner Straße und des "hohen Gestaltungsdruckes", im Einvernehmen mit der Wiener Wirtschaftskammer, der Bezirksvorstehung und (näher bezeichneter) Interessengemeinschaften von Kaufleuten der Wiener Innenstadt, die grundsätzliche Absicht formuliert worden sei, unter anderem im Bereich der Kärntner Straße und der angrenzenden Straßen keine Warenausräumungen mehr zu bewilligen. Eine Absprache vermag ein öffentliches Interesse im Sinne des § 2 Abs. 2 GAG nicht zu begründen.

In der genannten Stellungnahme der Amtssachverständigen vom 30. Mai 2012 wird einerseits damit argumentiert, dass auf Grund von Absprachen mit der Kaufmannschaft in der damit zusammenhängenden Wettbewerbsausschreibung als Entwurfskriterien für sämtliche Einrichtungen in der hier in Rede stehenden Fußgängerzone formuliert worden sei, dass der freie Durchblick in Längsrichtung der Straßen und der Blick auf die Geschäftsportale nicht eingeschränkt werden dürften und sämtliche Funktionen des Fußgängerverkehrs gesichert werden sollten. Andererseits ergibt sich aus dem in dieser Stellungnahme enthaltenen Befund etwa jedoch nicht, auf welche Geschäftsportale der Blick durch die beiden antragsgegenständlichen Warenständer in concreto eingeschränkt würde. Die abstrakt gehaltene Äußerung der Amtssachverständigen in dieser Stellungnahme, es solle, "wie im Befund begründet", die Kärntner Straße von Warenausräumungen freigehalten werden und es würden die angesuchten Ständer das örtliche Stadtbild stören, "weil das Ansuchen diesem konzeptionellen Anspruch der Stadtgestaltung entgegensteht", reicht vor dem Hintergrund der oben zitierten Judikatur nicht aus, nachvollziehbar darzulegen, auf Grund welcher konkreten Erwägungen es zu dieser Wirkung auf das Stadtbild gerade auf Grund dieser beiden Warenständer komme. Allein der Umstand, dass die Verkaufsständer optisch wahrnehmbar sind, kann noch nicht zur Folge haben, dass das örtliche Stadtbild beeinträchtigt wird (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 92/05/0210).

Der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt erweist sich also als ergänzungsbedürftig und der angefochtene Bescheid als mangelhaft begründet.

Dieser war daher, ohne dass noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 23. Juni 2015

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