Normen
ABGB §1380
EheG §55a Abs2
GebG 1957 §33 TP20
ZPO §204
ZPO §239 Abs2
ZPO §433 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1988150167.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Notariatsakt vom 22. Jänner 1986, dessen Inhalt zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht in Streit steht, trafen der Beschwerdeführer und seine damalige Ehegattin C für den Fall ihrer (nach dem Beschwerdevorbringen gemäß § 55 a EheG erfolgten) Ehescheidung eine umfangreiche, insgesamt 6 Seiten umfassende Vereinbarung. Unter anderem wurde darin in Punkt Erstens 1. und 2. folgendes festgelegt:
„Die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen den Eltern und der Minderjährigen erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten, somit das Recht, die Minderjährige zu pflegen und zu erziehen, ihr Vermögen zu verwalten und sie zu vertreten (gesetzliche Vertretung) steht nur der Mutter Frau C. zu;
Der Vater Herr H verpflichtet sich, der Minderjährigen zu Handen der Mutter Frau C bis auf weiteres, längstens bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes zur Bestreitung des Unterhaltes und der Erziehung der Minderjährigen einen Unterhaltsbetrag von monatlich S 2.700,‑‑ (Schilling zweitausendsiebenhundert) bei Exekution zu bezahlen.“
In den folgenden Punkten wurde eine Besuchsrechtsregelung hinsichtlich der Kinder getroffen, wechselseitig zwischen den Eheleuten auf Unterhalt verzichtet (Punkt Zweitens 1.), Verfügungen über den Hausrat sowie eine im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Liegenschaft getroffen und schließlich in Punkt Zweitens 6. zwischen den Eheleuten festgehalten, vice versa unwiderruflich hinsichtlich des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse keine Ansprüche gegeneinander zu haben und auf jegliche Antragstellung gemäß § 81 ff EheG zu verzichten.
Das zuständige Finanzamt erblickte in diesem Notariatsakt einen Vergleich und setzte dafür mit Bescheid eine Rechtsgebühr in der Höhe von S 10.082,‑‑ fest.
Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer mit Berufung, worin er u.a. die Rechtsauffassung vertrat, die von ihm übernommene Unterhaltsleistung für seine minderjährige Tochter entspreche nur der gesetzlichen Unterhaltspflicht und stelle keinen Vergleich dar.
Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab, worauf der Beschwerdeführer die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz begehrte.
Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung wies auch die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und vertrat die Rechtsauffassung, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Sig. N.F. Nr. 3686/F) vertragliche Regelungen künftiger Vermögensverhältnisse durch Ehegatten für den Fall der Scheidung der Gebühr gemäß § 33 TP 20 GebG unterlägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht „auf Nichtfestsetzung von Rechtsgebühren verletzt, soweit für die Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers gegenüber seiner minderjährigen (ehelichen) Tochter B eine Rechtsgebühr festgesetzt worden ist“.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 33 TP 20 GebG unterzieht außergerichtliche Vergleiche einer Rechtsgebühr, ohne allerdings den Vergleichsbegriff zu umschreiben.
In Ermangelung einer Definition des Begriffes Vergleich im Gebührengesetz ist dazu die Bestimmung des § 1380 ABGB heranzuziehen. Danach spricht man von einem Vergleich, wenn dadurch „streitige oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, daß jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun oder zu unterlassen verbindet“.
§ 55 a Abs. 2 EheG lautet:
„Die Ehe darf nur geschieden werden, wenn die Ehegatten eine schriftliche Vereinbarung über die Zuteilung der aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten, die Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr und die Unterhaltspflicht hinsichtlich ihrer gemeinsamen Kinder sowie ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander für den Fall der Scheidung dem Gericht unterbreiten oder vor Gericht schließen. Hinsichtlich des Rechtes auf persönlichen Verkehr mit gemeinsamen Kindern können die Ehegatten vereinbaren, daß sie sich die Regelung vorbehalten.“
Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erachtet für das Vorliegen eines Vergleiches in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes und der zivilrechtlichen sowie gebührenrechtlichen Literatur vor allem den Umstand des beiderseitigen Nachgebens für wesentlich (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom 11. September 1987, Zl. 86/15/0121, und die dort zitierte Literatur und Judikatur, worauf gemäß § 43 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird), wobei dieses Nachgeben keineswegs in jedem einzelnen Punkt der als Vergleich zu qualifizierenden Einigung erfolgen muß, es genügt vielmehr schon das Nachgeben auch in nur einem von mehreren Punkten (vgl. Frotz‑Hügel‑Popp, Kommentar zum GebG § 33 TP 20 B I 1b IV Abs. 3).
Strittig ist im vorliegenden Fall allein die Frage, ob auch der im Notariatsakt vom 22. Jänner 1986 enthaltene Passus betreffend die Unterhaltsleistung des Beschwerdeführers an seine minderjährige Tochter inhaltlich als Vergleich zu qualifizieren ist.
Der Beschwerdeführer versucht in diesem Zusammenhang darzutun, daß die in Streit stehende Unterhaltsregelung eine zwischen den Parteien des Notariatsaktes gar nicht strittige Frage betraf und daß es sich dabei um einen gemäß § 33 TP 3 GebG gebührenfreien Alimentationsvertrag handle.
Dem ist entgegenzuhalten, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes außergerichtliche Vereinbarungen gemäß § 55 a Abs. 2 EheG grundsätzlich als Vergleich zu werten sind, weil dadurch zumindest zweifelhafte Rechte für die Zeit nach der Scheidung geregelt werden (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1983, Zl. 82/15/0081 worauf wiederum gemäß § 43 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird). In diesem Zusammenhang muß auch im vorliegenden Fall der Inhalt des Notariatsaktes vom 22. Jänner 1986 vor allem mit Rücksicht auf die eingangs dargestellten Passagen als Bereinigung zweifelhafter Rechte zwischen den vertragschließenden Teilen in Form beiderseitigen Nachgebens angesehen werden. Gemäß § 55 a Abs. 2 EheG hat u.a. genauso wie die Regelung der unterhaltsrechtlichen Beziehungen zueinander auch die Regelung der Unterhaltspflicht der scheidungswilligen Eheleute in bezug auf ihre gemeinsamen Kinder wesentlicher Inhalt derjenigen Vereinbarung zu sein, die ihrerseits unabdingbare Voraussetzung einer einvernehmlichen Scheidung ist. Damit ist aber auch die Einigung der sich einvernehmlich scheidenden Ehepartner über die Unterhaltspflicht (eines von ihnen oder beider) gegenüber den gemeinsamen Kindern als eingebunden in den vorliegenden, insgesamt als Vergleich im Sinne des § 1380 ABGB zu qualifizierenden Notariatsakt zu werten, der insofern ‑ was auch der Beschwerdeführer selbst ausdrücklich zugibt ‑ rechtlich als ein einheitliches Ganzes anzusehen ist. Das Herausnehmen einzelner Punkte aus einem Vergleich, wie es der Beschwerdeführer anstrebt, ist deshalb unzulässig, weil gerade das für einen Vergleich wesentliche Nachgeben beider Teile, jeweils für sich allein betrachtet, in einem Anerkenntnis oder einem Verzicht bestehen kann, welche Rechtsinstitute für sich gesehen, der Gebührenpflicht nach § 33 TP 20 GebG nicht unterliegen, und eine solche Betrachtungsweise der zitierten Gesetzesstelle in solchen Fällen ihren Anwendungsbereich nehmen würde.
Aus diesem Grund läßt sich auch für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts daraus gewinnen, daß die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1967, Zl. 532/67, Slg. N.F. Nr. 3686/F, und vom 30. Juni 1983, Zl. 82/15/0081, nur Fälle von Unterhaltsvereinbarungen über die Alimentation zwischen den Eheleuten behandelten, weil eben im Rahmen einer Vereinbarung nach § 55 a Abs. 2 EheG ‑ wie oben ausgeführt ‑ nicht nur die Frage der Unterhaltsregelung zwischen den scheidungswilligen Ehegatten zu klären ist, sondern auch die Frage der Alimentation der gemeinsamen Kinder.
An den vorstehenden Rechtsausführungen vermögen auch die Argumente des Beschwerdeführers in seinem ergänzenden Schriftsatz vom 5. Mai 1989 nichts zu ändern.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde ihren Bescheid mit der von der Beschwerde behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet hätte, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Wien, 19. Juni 1989
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