Normen
LMG 1975 §38 letzter Satz;
VStG §31 Abs3;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VStG §9;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Unter dem Datum 7. Jänner 1982 richtete die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung in Wien (in der Folge: BALUF) an die N Nahrungsmittelwerke Gesellschaft mbH, nunmehr KG, in Wien (in der Folge: KG) ein Schreiben mit folgendem auszugsweisen Wortlaut:
"Der Bundesanstalt liegt eine Probe der von der do. Firma erzeugten Ware vor. Gemäß § 38 Lebensmittelgesetz 1975 wird aus konkretem Anlaßfall zur Sicherung einer einwandfreien Nahrung und zum Schutz vor Täuschung ersucht, die Zusammensetzung (genaue Rezeptur einschließlich der Mengen der einzelnen Bestandteile, einschließlich aller eventuell verwendeter Zusatzstoffe sowie allenfalls verwendeter Lösungsmittel und sonstige Hilfsstoffe) der genannten Ware so bald als möglich, jedenfalls aber innerhalb von zwei Wochen schriftlich unter Hinweis auf die oben angeführte Untersuchungszahl bekannt zu geben, da diese Angaben von der Anstalt unbedingt benötigt werden. Alle Angaben werden vertraulich behandelt und unterliegen der Amtsverschwiegenheit."
Die Probe war u.a. durch die Angaben "Leberknödelsuppe", entnommen bei N, Wiener Messe, Halle 19, 1020 Wien, dem Lieferdatum 16. September 1981 sowie durch die Prägung 24 IR 1984 beschrieben.
Dieses Schreiben wurde der KG am 13. Jänner 1982 zugestellt.
Mit dem an die BALUF gerichteten Schreiben vom 27. Jänner 1982 erklärte die KG, sich in einer Notlage bezüglich der Wahrung ihrer Interessen zu befinden. Sie ersuche daher um Mitteilung, aus welchem Anlaßfall die Anstalt die Auskunft benötige, bzw. sei sie bereit, "die benötigten Auskünfte in einer Weise zu erteilen, daß die Bundesanstalt uns die Möglichkeit zu geben in der Lage ist, etwaige sich ergebende 'Mängel' bei weiteren Erzeugungen zu vermeiden".
Mit Antwortschreiben vom 19. Februar 1982 machte die BALUF die KG darauf aufmerksam, daß sie gemäß § 38 LMG 1975 zur Auskunfterteilung verpflichtet sei. Eine Garantie könne nicht gegeben werden, daß die BALUF bei Kenntnis der Rezeptur von einer Anzeige absehe.
Eine Antwort der KG auf dieses Schreiben erfolgte nicht. Am 30. Juni 1982 erstattete die BALUF Anzeige an den Magistrat der Stadt Wien.
Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) vom 13. November 1985 wurde in Abänderung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 13. März 1985 dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe
"es als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der N Nahrungsmittelwerke GesmbH nunmehr KG in Wien nn, Sstraße nn, im Sinne des § 9 des Verwaltungsstrafgesetzes zu verantworten, daß diese Gesellschaft in der Zeit vom 28. Jänner 1982 bis 18. Jänner 1983 ihrer Verpflichtung, die Zusammensetzung der von ihr erzeugten Ware 'Leberknödelsuppe' der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung bekanntzugeben, nicht nachgekommen ist, obwohl diese Untersuchungsanstalt diese Angaben aus Anlaß der zur UZ. 19701/81 vorgenommenen Untersuchung zur Sicherung einer einwandfreien Nahrung bzw. zum Schutz vor Täuschung benötigte".
Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 4 Z. 2 in Verbindung mit § 38 LMG 1975 begangen und es werde über ihn gemäß § 74 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von S 1.800,-- (Ersatzarrest 3 Tage und 12 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 38 letzter Satz LMG 1975 haben Erzeuger und Importeure die Zusammensetzung und Herstellung von bestimmten Lebensmitteln, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen den zuständigen Untersuchungsanstalten auf Verlangen bekanntzugeben, wenn diese in einem konkreten Anlaßfall zum Schutz der Gesundheit, zur Sicherung einer einwandfreien Nahrung oder zum Schutz vor Täuschung Aufklärung benötigen.
§ 74 Abs. 4 Z. 2 LMG 1975 erklärt eine Verletzung dieser Norm zur Verwaltungsübertretung.
Nach § 31 Abs. 2 zweiter Satz VStG 1950 ist die Verjährungsfrist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. (Die für den Fall des späteren Eintritts des zum Tatbestand gehörenden Erfolges getroffene Regelung kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, weil der Tatbestand den Eintritt eines Erfolges nicht vorsieht.) Sind seit dem im Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre verstrichen, so darf nach dem dritten Absatz dieser Gesetzesstelle ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt und eine verhängte Strafe nicht mehr vollstreckt werden.
Der Beschwerdeführer bringt u.a. vor, es liege Strafbarkeitsverjährung nach § 31 Abs. 3 VStG 1950 vor, weil das strafbare Verhalten - sofern ein solches überhaupt angenommen werden könne - am 27. Jänner 1982 abgeschlossen gewesen sei. Die Verjährungsfrist bei Unterlassung der "Rezepturauskunft" gemäß § 38 LMG 1975 beginne mit ungenütztem Verstreichen der in einem Auskunftsverlangen der zuständigen Untersuchungsanstalt gesetzten Frist zu laufen. Das Tatbild der Verwaltungsübertretung nach § 38 letzter Satz in Verbindung mit § 74 Abs. 4 Z. 2 LMG 1975 bestehe nur in einer Unterlassung, nicht aber darüber hinaus auch in der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes. Mit Ablauf der gesetzten Frist sei das strafbare Verhalten beendet, da es nach § 38 LMG 1975 nur auf die fristgerechte Erteilung der Aufklärung, nicht aber auf den Zustand nach Ablauf der von der Untersuchungsanstalt gesetzten Frist ankomme.
Die belangte Behörde hält dem entgegen, daß der Wortlaut des § 38 LMG 1975 keine Frist zur Erfüllung der Auskunftspflicht vorsehe. Diese Pflicht erlösche daher keineswegs mit dem Ablauf der Beantwortungsfrist, sondern dauere so lange an, bis sie erfüllt oder ihr Zweck nachträglich weggefallen sei. Eine andere Auslegung wäre mit dem Zweck des Gesetzes, den Untersuchungsanstalten Einblick in die Zusammensetzung der Lebensmittel zu geben, nicht zu vereinbaren.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Auffassung der belangten Behörde nicht zu teilen. Das sich aus den zitierten Bestimmungen ergebende Tatbild besteht nämlich lediglich in der Unterlassung der Bekanntgabe der von der zuständigen Untersuchungsanstalt verlangten Daten, nicht aber darüber hinaus in der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes, wie dies für die Annahme eines Dauerdeliktes Voraussetzung wäre (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1951, Slg. Nr. 1875/A, vom 14. April 1953, Slg. Nr. 2931/A, und vom 4. März 1983, Zl. 81/17/0183). Die pönalisierte Unterlassung ist vielmehr vollendet, wenn einem entsprechenden Verlangen der zuständigen Untersuchungsanstalt nicht innerhalb der gesetzten Frist entsprochen wird (vgl. das zur Auskunftspflicht des § 20 Abs. 1 Devisengesetz ergangene vorerwähnte Erkenntnis vom 4. März 1983, Zl. 81/17/0183). Der von der belangten Behörde erwähnte Zweck, den Untersuchungsanstalten Einblick in die Zusammensetzung der Lebensmittel zu geben, zwingt nicht zu einer anderen Auslegung. Denn diesem Zweck dient die Norm auch dann, wenn ein Verstoß gegen sie kein Dauerdelikt bildet.
Ausgehend von der dargestellten Rechtsauffassung war die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers jedenfalls unzulässig. Denn infolge des ungenützten Verstreichens der im Schreiben der BALUF vom 7. Jänner 1982 gesetzten Frist von zwei Wochen für die verlangte Auskunft war die Verwaltungsübertretung - sofern eine solche vorlag, was hier nicht mehr geprüft zu werden braucht - mit Ablauf des 27. Jänner 1982 vollendet und begann gleichzeitig die Frist des § 31 Abs. 3 VStG 1950 zu laufen. Der am 17. Dezember 1985 zugestellte angefochtene Bescheid ist daher entgegen dem Verbot des § 31 Abs. 3 VStG 1950 ergangen.
Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß es noch eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß der angefochtene Bescheid auch deshalb an einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes leidet, weil die nach § 44a lit. a VStG 1950 gebotene Angabe, auf Grund welcher Funktion der Beschwerdeführer "satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ" ist, im Spruch des Bescheides fehlt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1983, Slg. Nr. 11100/A).
Die Kostenentscheidung beruht - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren war abzuweisen, weil zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ausreichte.
Wien, am 31. Oktober 1986
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