VwGH 84/14/0196

VwGH84/14/019621.5.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des JM in M, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt, gegen 1. den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. Oktober 1988, Zl. I/7-St-M-87203, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (hg. Zl. 88/02/0217), und 2. den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 27. Oktober 1988, Zl. I/7‑St‑M‑87203, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 (hg. Zl. 88/02/0218), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §47 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1984140196.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich und dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 2.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 5. Juni 1987 um ca. 18.45 Uhr „auf der Freilandstraße (Bundesstraße 35) zwischen M und R (Fahrtrichtung R) schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gefahren“. Dadurch habe er eine Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.

1.2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich wurde er schuldig erkannt, er habe am 5. Juni 1987 um ca. 18.45 Uhr in „M.auf der Bundesstraße 35 in Fahrtrichtung R und anschließend von R auf der Bundesstraße 30 in Fahrtrichtung W“ ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug ohne erforderliche Lenkerberechtigung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt. Dadurch habe er eine Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG 1967 begangen. Über ihn wurde auch deswegen eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.

2. In seiner gegen beide Bescheide gerichteten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die beiden belangten Behörden haben eine gemeinsame Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

3. Der Gerichtshof hat erwogen:

3.1. Hinsichtlich beider Bescheide macht der Beschwerdeführer geltend, daß die belangten Behörden § 51 Abs. 5 VStG 1950 verletzt hätten. Bei dieser Behauptung übersieht der Beschwerdeführer, daß seine Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft H vom 13. Oktober 1987 laut Eingangsstempel am 2. November 1987 bei der Erstbehörde eingelangt ist. Mit diesem Tag hat der Lauf der Einjahresfrist nach § 51 Abs. 5 VStG 1950 begonnen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 11790 A/1985). Die mit der Zustellung der Bescheidausfertigung an den Beschwerdeführer am 28. Oktober 1988 bewirkte Erlassung der angefochtenen Bescheide erfolgte somit innerhalb der genannten Frist. Die Spekulationen über den Beginn dieser Frist, die auf das Datum des Berufungsschriftsatzes (28. Oktober 1987), der im übrigen am 30. Oktober 1987 zur Post gegeben wurde, gestützt werden, gehen angesichts der geschilderten Aktenlage ins Leere.

3.2. Hinsichtlich beider in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen behauptet der Beschwerdeführer, er sei nicht der Lenker des Kraftfahrzeuges gewesen. Er bekämpft damit die Beweiswürdigung der belangten Behörden, die auf Grund der Ergebnisse ihres Ermittlungsverfahrens die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers zur Tatzeit am Tatort als erwiesen annahmen.

In Ansehung der Beweiswürdigung der belangten Behörde ist die verwaltungsgerichtliche Prüfungsbefugnis dahin beschränkt, ob die Behörde den Sachverhalt genügend erhoben hat und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Ob der Akt einer Beweiswürdigung richtig in dem Sinne ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende Darstellung und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht, kann der Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht überprüfen (vgl. dazu die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Im Lichte dieser eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes ist kein zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide führender Fehler zu erkennen, der der belangten Behörde unterlaufen wäre. Die belangte Behörde stützte ihre Annahme, der Beschwerdeführer sei der Lenker des gegenständlichen Kraftfahrzeuges gewesen, im wesentlichen auf die zeugenschaftlichen Aussagen von drei Gendarmeriebeamten, die den Beschwerdeführer, der ihnen persönlich bekannt ist, als Lenker einwandfrei identifizieren konnten. Die Zeugen hatten ihre Wahrnehmungen unabhängig voneinander an drei verschiedenen Orten gemacht. Der Beschwerdeführer hat sich damit verantwortet, daß er nicht der Lenker gewesen sei und daß eine Verwechslung mit einer anderen Person vorliegen müsse. Er hat es aber unterlassen, seine Verantwortung dadurch zu untermauern, daß er angegeben hätte, wo er sich zur Tatzeit aufgehalten habe bzw. wer seines Wissens nach der Lenker des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges gewesen sei. Die belangten Behörden konnten daher in schlüssiger Weise als erwiesen annehmen, daß der Beschwerdeführer der Lenker gewesen ist.

Was die in diesem Zusammenhang aufgestellte Verfahrensrüge, die belangten Behörden hätten vom Beschwerdeführer beantragte Beweise nicht aufgenommen, anlangt, so vermag der Beschwerdeführer auch damit keine zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide führende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen. Die drei als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten haben übereinstimmend angegeben, daß sie ihre Wahrnehmung bei einwandfreien Sichtverhältnissen gemacht haben. Einer der drei Zeugen hat nach seinen

Angaben den Beschwerdeführer aus einer Entfernung von einem Meter im Vorbeifahren erkannt. Die vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren begehrte Einholung eines Gutachtens der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik über die Sichtverhältnisse zur Tatzeit am Tatort konnte daher unterbleiben. Der Beschwerdeführer, der die Einholung dieses „Gutachtens“ gar nicht ausdrücklich beantragt, sondern lediglich als zweckmäßig bezeichnet hat, hat im übrigen in keiner Weise Behauptungen aufgestellt, welchen Inhalt die von ihm vermißte Stellungnahme hätte haben müssen und wieso die belangten Behörden auf Grund dieser Stellungnahme zu einem anderen Ergebnis hätten kommen können.

3.3. Im übrigen behauptet der Beschwerdeführer hinsichtlich beider Verwaltungsübertretungen; § 44a lit. a VStG 1950 sei“ verletzt, weil weder der Tatort noch die Tatzeit eindeutig umschrieben sei.

Der Vorschrift des § 44a lit. a VStG 1950 ist dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. dazu die diesbezüglichen Ausführungen im bereits erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, die in der Amtlichen Sammlung unter Nr. 11894/A abgedruckt sind).

3.3.1. Hinsichtlich der Übertretung des § 20 Abs. 24 StVO 1960 wird als Tatort ein ungefähr 4 km langes Straßenstück genannt. Der als Zeuge vernommene Meldungsleger hat angegeben, dem vom Beschwerdeführer gelenkten Pkw mit seinem Dienstfahrzeug nachgefahren zu sein und diesen, obwohl er etwa 120 km/h fuhr, nicht habe einholen können. Aus dieser Schilderung ergibt sich, daß die in Rede stehende Verwaltungsübertretung auf einem längeren Straßenstück begangen worden sein muß. Angesichts dieses Umstandes in Verbindung mit der Kürze des im Spruch als Tatort angegebenen Straßenstückes vermag der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Beschwerdefall keine dem angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung infolge zuwenig konkretisierender Umschreibung des Tatortes anhaftende Rechtswidrigkeit zu erkennen. Der Beschwerdeführer hat auch kein Vorbringen erstattet, das im Lichte der erwähnten Ausführungen eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985 eine nähere Konkretisierung der Tatortangabe erforderlich gemacht hätte.

In Ansehung der Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG 1967 genügt in jedem Fall die Angabe eines bestimmten Straßenzuges bzw. bestimmter Straßenzüge, da es ausgeschlossen ist, daß dieses Delikt bei einem Lenkvorgang nur teilweise begangen wird.

3.3.2. Die in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen, erstreckten sich über einen Zeitraum von einigen Minuten. Im Lichte des zitierten Erkenntnisses vom 3. Oktober 1985 ist es unerheblich, ob die Verwaltungsübertretungen kurz vor, genau um oder kurz nach 18.45 Uhr begangen worden sind. Der Beschwerdeführer wurde unverwechselbar feststehender Verwaltungsübertretungen schuldig erkannt. Es ist nicht erkennbar, inwieweit seine rechtliche Stellung im Verwaltungsstrafverfahren geändert worden wäre, hätte es im Spruch des Straferkenntnisses etwa geheißen, er habe die Übertretung der StVO 1960 um 18.43 bis 18.44 Uhr und die Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG 1967 von 18.43 bis 18.46 Uhr begangen (vgl. zur ausreichenden Umschreibung der Tatzeit mit „gegen Mitternacht“ eines bestimmten Tages das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1985, Zlen. 84/10/0274, 0276).

4. Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 28. Juni 1989

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte