European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1983020128.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.485,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Februar 1983 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe "in der 2. Aprilhäfte 1982 in W, R-gasse, Bewerber um eine Lenkerberechtigung ausgebildet, obwohl er keine Berechtigung zum Betrieb einer Fahrschule besitzt" und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 108 Abs. 1 KFG 1967 begangen, weshalb über ihn unter Berufung auf § 134 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzarreststrafe 4 Wochen) verhängt worden ist. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher der Beschwerdeführer als Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG 1965) geltend macht, in seinem Recht verletzt worden zu sein, wegen der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung nicht bestraft zu werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf Grund des Beschlusses vom 9. September 1983 gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG 1965 Gelegenheit gegeben, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob der angefochtene Bescheid nicht aus nachstehenden Gründen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sein könnte:
Gemäß § 44 a lit. a VStG 1950 hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten, wobei für die Bezeichnung der Tat auch die Angabe des Ortes der Begehung wesentlich ist und die Umschreibung der einzelnen Sachverhaltselemente nicht durch die Begründung des Bescheides ergänzt werden kann. (Vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 1958, Zlen. 2780, 2781/55, Slg. N. F. Nr. 4549/A - nur Rechtssatz.)
Die von der belangten Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides verwendete Tatortbezeichnung "W, R-gasse" scheint dem Konkretisierungsgebot der zitierten Verwaltungsvorschrift nicht zu entsprechen, da nicht klargestellt ist, in welchem Bereich der Rgasse vom Beschwerdeführer "Bewerber um eine Lenkerberechtigung ausgebildet" worden sind, wenngleich einer in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen Behauptung des Beschwerdeführers zu entnehmen ist, daß als Tatort der ihm im vorliegenden Fall angelasteten Verwaltungsübertretung die "Räumlichkeiten seines Hauses in W, R-gasse 29" in Frage kommen dürften. Im übrigen wird durch die mangelhafte Konkretisierung des Tatortes die weitere Frage aufgeworfen, welcher Art die dem Beschwerdeführer angelastete Ausbildung von Bewerbern um eine Lenkerberechtigung war, wenn man davon ausgeht, daß diese Ausbildung entsprechend den Bestimmungen des XI. Abschnittes des KFG 1967 aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht. Da es zu den selbstverständlichen Grundsätzen jedes Strafverfahrens gehört, daß die zur Last gelegte Tat so eindeutig umschrieben wird, daß kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Täter bestraft worden ist, und daß die Möglichkeit ausgeschlossen wird, daß er etwa wegen derselben Handlung nochmals zur Verantwortung gezogen werden könnte (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1974, Zl. 382/72), könnte ein weiterer Verstoß gegen die Vorschrift des § 44 a lit. a VStG 1950 darin bestehen, daß die belangte Behörde im Schuldspruch ihres Bescheides nicht klargestellt hat, ob der Beschwerdeführer wegen seines theoretischen oder praktischen Fahrunterrichtes (oder wegen beider Tätigkeiten) bestraft werden sollte.
Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe "Bewerber um eine Lenkerberechtigung ausgebildet, obwohl er keine Berechtigung zum Betrieb einer Fahrschule besitzt", dem Umstand nicht Rechnung trägt, daß der Beschwerdeführer eine Fahrschullehrerberechtigung im Sinne des § 116 Abs. 1 KFG 1967, also die Berechtigung besitzt, an einer Fahrschule theoretischen und praktischen Unterricht zu erteilen. Die Ausbildung von Bewerbern um eine Lenkerberechtigung trotz Fehlens einer Berechtigung zum Betrieb einer Fahrschule ist nur unter der Voraussetzung strafbar, daß diese Ausbildung im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit erfolgt, weil die Erteilung des praktischen Fahrunterrichtes durch einen Fahrlehrer im Sinne des § 117 Abs. 1 KFG 1967 bzw. die theoretische und praktische Ausbildung von Fahrschülern durch einen Fahrschullehrer im Sinne des § 116 Abs. 1 leg. cit. im Auftrage des Inhabers einer Genehmigung zum Betrieb einer Fahrschule zulässig ist. Dem Schuldspruch der belangten Behörde ist nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer nach der Aktenlage offenbar deshalb bestraft werden sollte, weil er selbständig (theoretischen und/oder praktischen) Fahrunterricht erteilt hat, ohne im Besitz einer Genehmigung zum Betrieb einer Fahrschule zu sein.
Sowohl der Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde haben zu dieser Anfrage Stellung genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 203/1982 gebildeten Senat erwogen:
Zunächst ist in Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen festzuhalten, daß es sich bei der dem Beschwerdeführer zu Last gelegten Übertretung um ein fortgesetztes Delikt handelt (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1980, Slg. N. F. Nr. 10.138/A). Ferner entspricht die im Schuldspruch des angefochtenen Bescheides gewählte Umschreibung der Tatzeit ("2. Aprilhälfte 1982") nach Auffassung des Gerichtshofes dem aus § 44 a lit. a VStG 1950 abzuleitenden Konkretisierungsgebot, zumal mit dieser Formulierung klargestellt ist, daß dem Beschwerdeführer angelastet worden ist, die Übertretung während des Zeitraumes vom
15. bis 30. April 1982 begangen zu haben.
Im übrigen erhebt der Gerichtshof die in seinem Beschluß vom 9. September 1983 vertretene Auffassung zu seiner endgültigen, wonach die im Spruch des angefochtenen Bescheides verwendete Tatortbezeichnung "W, R-gasse" dem erwähnten Konkretisierungsgebot nicht Rechnung trägt, weil damit nicht klargestellt ist, in welchem Bereich der R-gasse vom Beschwerdeführer "Bewerber um eine Lenkerberechtigung ausgebildet" worden sind, und keineswegs zum Ausdruck kommt, daß wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme zu der erwähnten hg. Anfrage meint, nach der Aktenlage außer Zweifel stehe, daß diese Tätigkeit "nur im Hause in W, R-gasse 29" ausgeübt worden ist, zumal mit der Tatortumschreibung "W, R-gasse" kein bestimmtes Haus, sondern ein Straßenzug bezeichnet wird. Dem sich aus § 44 a lit. a VStG 1950, wonach der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat, ergebenden Gebot der genauen Umschreibung des Tatortes wäre auch dann nicht entsprochen, wenn aus der Begründung des angefochtenen Bescheides abgeleitet werden könnte, daß die belangte Behörde von der Annahme ausgegangen ist, der Tatort habe sich im Hause W, R-gasse 29 befunden. (Vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1982, Zl. 81/02/0292.)
Der Gerichtshof hält ferner die im hg. Beschluß vom 9. September 1983 vertretene Ansicht aufrecht, daß die belangte Behörde im Schuldspruch ihres Bescheides klarzustellen gehabt hätte, ob der Beschwerdeführer wegen seines theoretischen oder praktischen Fahrunterrichtes (oder wegen beider Tätigkeiten) bestraft werden sollte.
Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, wenn sie darauf hinweist, daß in der im Sinne des § 44 a lit. b VStG 1950 herangezogenen Bestimmung des § 108 Abs. 1 KFG 1967 nicht zwischen den beiden erwähnten Arten des Fahrunterrichtes unterschieden wird. Dies ändert aber nichts an der sich aus § 44 a lit. a VStG 1950 im Interesse der Vermeidung von Doppelbestrafungen ergebenden Notwendigkeit der exakten Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat, weil eine Übertretung nach § 108 Abs. 1 KFG 1967 durch die Erteilung entweder des theoretischen oder des praktischen Fahrunterrichtes, jeweils außerhalb des Betriebes einer Fahrschule, begangen werden kann. Jede der beiden Tätigkeiten erfüllt den Tatbestand der zitierten kraftfahrrechtlichen Bestimmung, wobei der Beschuldigte einen Anspruch darauf hat, daß im Schuldspruch des Bescheides eine entsprechende Klarstellung des ihm zur Last gelegten Verhaltens erfolgt. Aus dem Erfordernis des § 44 a lit. b VStG 1950, die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift im Spruch anzuführen, kann nicht abgeleitet werden, daß es bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat (§ 44 a lit. a VStG 1950) trotz mehrerer unter einen einzigen gesetzlichen Tatbestand subsumierbarer Verhaltensweisen genügt, die verba legalia der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift anzuführen. (Vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch das zu § 4 Abs. 1 lit. c StVO 1960 ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1982, Zl. 02/1246/80, ferner das im Zusammenhang mit § 19 Abs. 7 StVO 1960 ergangene hg. Erkenntnis vom 18. November 1981, Zlen. 1329, 1331/80, sowie die hg. Judikatur zu § 102 Abs. 1 erster Satz KFG 1967, insbesondere das Erkenntnis vom 20. Mai 1981, Zlen. 2907, 2908/80.)
Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang zur Untermauerung ihres Standpunktes überdies folgendes ins Treffen geführt:
"Im Tatbestand des § 108 Abs. 1 leg. cit., hinsichtlich des Ausbildens von Bewerbern um eine Lenkerberechtigung außerhalb des Betriebes einer Fahrschule, kann aber die im § 116 KFG 1967 angeführte Unterscheidung zwischen theoretischem und praktischem Fahrunterricht auch deshalb nicht getroffen werden, da die Bestimmung des § 116 leg. cit. bloß für Fahrlehrer im Sinne des KFG 1967 gilt und eine Übertretung des § 108 Abs. 1 leg. cit. auch von 'Nichtfahrlehrern' begangen werden kann. Wenn daher die vom Beschwerdeführer vorgenommene Tätigkeit zwar im Sinne des § 116 KFG 1967 zwischen theoretischem und praktischem Fahrunterricht unterscheidbar wäre, kommt es bei Beurteilung, ob der Tatbestand des § 108 Abs. 1 KFG 1967 gegeben ist, nicht darauf an, ob der Täter 'Fahrlehrer' im Sinne des KFG 1967 ist und erübrigt sich daher auch eine Unterscheidung zwischen theoretischem und praktischem Unterricht, welche Unterscheidung auch nur für Fahrlehrer im Sinne des KFG 1967 getroffen wird. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer Fahrlehrer ist, war jedoch bei Prüfung des Tatbestandes im gegenständlichen Falle unmaßgeblich."
Abgesehen davon, daß die Bestimmungen des § 116 Abs. 1 KFG 1967 für die zur Erteilung des theoretischen und praktischen Unterrichtes an einer Fahrschule berechtigten Fahrschullehrer und nicht für Fahrlehrer im Sinne des § 117 leg. cit. gelten, kann die Übertretung des § 108 Abs. 1 leg. cit., also das Ausbilden von Bewerbern um eine Lenkerberechtigung außerhalb des Betriebes einer Fahrschule sowohl von Personen, die eine Berechtigung gemäß § 116 Abs. 1 oder gemäß § 117 Abs. 1 leg. cit. besitzen, als auch von Personen ohne eine derartige Berechtigung begangen werden, weil dem Tatbestand des § 108 Abs. 1 KFG 1967 jede Ausbildung von Bewerbern um eine Lenkerberechtigung unterliegt, die nicht "im Rahmen des Betriebes einer Fahrschule", also ohne Bewilligung gemäß § 108 Abs. 3 KFG 1967 erfolgt. Es ist daher zwar für die Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des § 108 Abs. 1 KFG 1967 unbeachtlich, ob derjenige, der Bewerber um eine Lenkerberechtigung nicht im Rahmen des Betriebes einer Fahrschule ausbildet, im Besitz einer Berechtigung im Sinne der §§ 116 Abs. 1 bzw. 117 Abs. 1 leg. cit. ist oder nicht, weil ein Fahrschullehrer im Sinne des § 116 Abs. 1 leg. cit. andernfalls auch dann theoretischen und praktischen Fahrschulunterricht erteilen dürfte, wenn er keine Genehmigung im Sinne des § 108 Abs. 3 leg. cit. zum Betrieb einer Fahrschule besitzt; allerdings kann daraus nicht abgeleitet werden, daß die belangte Behörde deshalb auch berechtigt war, das Konkretisierungsgebot des § 44 a lit. a VStG 1950 zu mißachten und bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat nicht darauf Bedacht zu nehmen, daß ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 KFG 1967 sowohl dann vorliegt, wenn ohne eine Genehmigung im Sinne des § 108 Abs. 3 leg. cit. theoretischer Fahrschulunterricht erteilt wird, als auch dann, wenn ohne diese Genehmigung ein praktischer Fahrschulunterricht erteilt wird.
Schließlich hält der Gerichtshof auch an der im erwähnten hg. Beschluß vertretenen Meinung fest, daß der Schuldspruch des angefochtenen Bescheides deshalb mangelhaft ist, weil ihm nicht entnommen werden kann, daß der Beschwerdeführer nach der Aktenlage offenbar deshalb bestraft werden sollte, weil er selbständig (theoretischen und/oder praktischen) Fahrunterricht erteilt hat, ohne im Besitz einer Genehmigung zum Betrieb einer Fahrschule zu sein, weil damit dem Umstand nicht Rechnung getragen worden ist, daß der Beschwerdeführer eine Fahrschullehrerberechtigung im Sinne des § 116 Abs. 1 KFG 1967, also die Berechtigung besitzt, an einer Fahrschule theoretischen und praktischen Unterricht zu erteilen.
Es zeigt sich sohin, daß der angefochtene Bescheid aus mehreren Gründen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben war.
Von der Abhaltung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. f VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 203/1982 abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b leg. cit. in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, weil mit der in der erwähnten Verordnung vorgesehenen Pauschalsumme der gesamte Schriftsatzaufwand des Beschwerdeführers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (also einschließlich einer Stellungnahme zu einer Anfrage gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG 1965) als abgegolten anzusehen und darin auch die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Wien, am 18. November 1983
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