VwGH 82/17/0139

VwGH82/17/013921.10.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Hnatek, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des J, vertreten durch A, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 16. September 1982, Zl. A 8-408/2-1982, betreffend Ankündigungsabgabe, zu Recht erkannt:

Normen

AnkündigungsabgabeG Graz 1947 §1 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1982170139.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. Februar 1982 schrieb der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz dem Beschwerdeführer als Eigentümer der „Firma A“ für die Zeit vom 1. Jänner 1978 bis 31. Dezember 1981 eine Ankündigungsabgabe von S 100.538,-- zuzüglich eines Säumniszuschlages von S 2.011,-- zur Zahlung innerhalb eines Monates vor. Nach der Begründung dieses Bescheides sei anläßlich einer Kontrolle in der Zeit vom 5. November 1981 bis 29. Jänner 1982 festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer gewerbsmäßige Ankündigungen im Stadtgebiet von Graz in Form von „Notrufplakaten“, deren überwiegende Fläche der Firmenwerbung diene, dem städtischen Steueramt nicht gemeldet habe. Diese Ankündigungen seien laut Eigenwerbung und Erhebungen der Kontrolle in sämtlichen Grazer Hausfluren und an unbeschränkt zugänglichen öffentlichen Orten (Hauswand, Einfahrten, Behördenaufgänge, Hotelaufgang, Polizeiwachzimmer) angebracht worden. Für die Zeit vom 1. Jänner 1978 bis 31. Dezember 1981 sei für die Vornahme dieser Ankündigungen ein Entgelt von S 335.127,-- entrichtet worden, wovon die 30%ige Abgabe S 100.538,-- betrage. Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung, soweit ein S 35,20 übersteigender Betrag an Ankündigungsabgabe vorgeschrieben worden sei. Dieser (anerkannte) Betrag ergebe sich dadurch, daß durch Mitarbeiter des Beschwerdeführers acht Plakate an öffentlichen Plätzen (Ämtern, Krankenhäusern und Gasthäusern und Tankstellen) angebracht worden seien, alle anderen Plakate dagegen in Privathäusern, sodaß eine Abgabepflicht nach dem Gesetz nicht daß jegliche seien, wo Stadtgebiet von Graz die Plakate angebracht worden seien.

Nachdem eine Berufungsvorentscheidung infolge Vorlageantrages außer Kraft getreten war, wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Darin ging die belangte Behörde davon aus, daß die Abs. 1 und 2 des § 1 des Ankündigungsabgabegesetzes 1947 einen verschiedenen Adressatenkreis hätten und eine „öffentliche Ankündigung“ im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. auch dann vorliege, wenn sie in Hausfluren in Privathäusern einem praktisch nicht begrenzten Personenkreis zugänglich sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Beschwerdeführer fühlt sich in seinem Recht verletzt daß ihm ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Ankündigungsabgabegesetzes dennoch Ankündigungsabgabe vorgeschrieben worden sei.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 des Gesetzes vom 4. November 1947 betreffend Einhebung einer Gemeindeabgabe von öffentlichen Ankündigungen im Gebiete der Stadt Graz (Ankündigungsabgabe), LGBl. Nr. 39, lautet:

„(1) Von allen öffentlichen Ankündigungen im Gebiete der Stadt Graz ist eine Abgabe an die Stadtgemeinde zu entrichten.

(2) Abgabepflichtig sind alle Ankündigungen in Schrift, Bild oder durch Wiedergabe des gesprochenen Wortes, die an öffentlichen Straßen und Plätzen oder in öffentlichen Räumen (Theater, Lichtspiele, Gast- und Kaffeehäuser, Bahnhöfe u. dgl.) vorgenommen, insbesondere auch jene, die durch Lichtwirkungen hervorgebracht werden.

(3) Als öffentliche Räume gelten auch die in Graz betriebenen öffentlichen Verkehrsmittel.“

Der Verwaltungsgerichtshof kann nun der Ansicht der belangten Behörde, Abs. 1 und Abs. 2 des § 1 leg. cit. bildeten jeweils gesonderte Abgabentatbestände, nicht folgen. Könnte doch kein Zweifel daran bestehen, daß der in Abs. 2 festgelegte Steuertatbestand von der ganz allgemeinen und nicht näher konkretisierten „Abgabenpflicht“ des Abs. 1 umfaßt wird, er wäre völlig inhaltslos. Vielmehr ergibt sich zwanglos, daß § 1 Abs. 1 den Grundsatz der Einhebung einer Ankündigungsabgabe enthält, während der eigentliche Abgabentatbestand erst in § 1 Abs. 2 konkretisiert wird. Daher kommt es darauf an, ob Hausflure in Privathäusern als „öffentliche Räume“ im Sinne des § 1 Abs. 2 des Ankündigungsabgabegesetzes angesehen werden können. Aus der wenn auch beispielsweisen Aufzählung der Klammerdefinition geht nun klar hervor, daß der Gesetzgeber des Ankündigungsabgabegesetzes unter „öffentlichen Räumen“ nur solche verstanden wissen wollte, in denen von vornherein mit einem größeren Personenkreis gerechnet werden mußte, was dem Zweck der Abgabe, den Reklamewert zu besteuern, durchaus entspricht. Diese Ansicht wird auch dadurch gestützt, daß es der Gesetzgeber für notwendig hielte im Abs. 3 ausdrücklich anzuordnen, daß öffentliche Verkehrsmittel auch als öffentliche Räume gelten sollen.

Daraus ergibt sich, daß sowohl Wortlaut wie Zweck des Gesetzes Ankündigungen in Privathäusern nicht erfassen.

Schon aus diesem Grund schlagen alle Versuche der belangten Behörde fehl, in der Gegenschrift darzulegen, daß Hausflure als „öffentliche Räume“ nach anderen gesetzlichen Vorschriften aufgefaßt würden. Außerdem sind die von der belangten Behörde gebrachten Beispiele in sich unrichtig, § 115 ZPO und § 6 Außerstreitgesetz lassen von vornherein keine Möglichkeit der Kundmachung in privaten Hausfluren als Ersatz für die individuelle Zustellung zu. Die Vorschriften des § 37 Abs. 3 Z. 4 und 5 MRG, des § 22 Abs. 4 Z. 4 und 5 WGG in der Fas¬sung des MRG und des § 26 Abs. 2 Z. 5 und 6 WEG 1975 in der Fassung des MRG sehen den Anschlag im Haus lediglich als Möglichkeit der Zustellung an die Bewohner dieses Hauses vor. Von irgendeiner „Veröffentlichung“ über den Kreis der Bewohner hinaus kann keine Rede sein.

Die belangte Behörde hat also dadurch, daß sie dem Begriff der „öffentlichen Räume“ in § 1 Abs. 2 des Ankündigungsabgabegesetzes einen über das Gesetz hinausgehenden Inhalt gegeben und damit dem Beschwerdeführer ohne gesetzliche Grundlage eine Ankündigungsabgabe vorgeschrieben hat, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Damit erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 21. Oktober 1983

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte