LVwG Vorarlberg LVwG-408-84/2020-R7

LVwG VorarlbergLVwG-408-84/2020-R720.1.2021

EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z5
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §1
COVID-19-MaßnahmenG DV 2020 §2Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGVO:2021:LVwG.408.84.2020.R7

 

 

 

 

 

ImNamenderRepublik!

 

 

 

Erkenntnis

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Schlömmer über die Beschwerde der H GesmbH, W, vertreten durch Hummer Schönknecht Rechtsanwälte, Wien, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft F vom 02.09.2020 betreffend Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz, zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)wird der Beschwerde keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

 

 

Begründung

 

1. Mit angefochtenem Bescheid wurde Folgendes entschieden:

 

„Spruch

 

Der Antrag der H GesmbH vom 28.07.2020 auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950, BGBl Nr 186/1950 (WV) i.d.g.F. wird im Hinblick auf die Betriebsstätte in F, Mgasse, abgewiesen .“

 

2. Gegen diesen Bescheid hat die Einschreiterin rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser wird Folgendes vorgebracht:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Die Beschwerdeführerin – HGesmbH mit Sitz in W – betreibt in F, Mgasse, eine Filiale (Betriebsstätte) ihres Handelsbetriebes.

 

Mit Schreiben vom 28.7.2020 beantragte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde die Zuerkennung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für den Zeitraum 15. April bis einschließlich 30. April 2020 für die Betriebsstätte an der Adresse Mgasse, F.

 

Eine Betriebsschließung oder Betriebsbeschränkung gemäß § 20 EpiG ist nicht erfolgt.

 

4. Dieser Sachverhalt ergibt sich bereits aus der Aktenlage und ist unbestritten.

 

5.1. Rechtliche Grundlagen:

 

Gemäß § 32 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl Nr 186/1950 idF BGBl I Nr 104/2020, ist natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder

2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder

3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder

4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder

5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder

6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder

7. sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

 

Gemäß Abs 3 leg cit ist die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1974_399_0/1974_399_0.pdf , zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl Nr 414, ist vom Bund zu ersetzen.

 

Gemäß Abs 4 leg cit ist für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.

 

§ 32 Abs 1, 3 und 4 EpiG, BGBl Nr 186/1950 idF BGBl I Nr 43/2020, ist mit dem oben zitierten Gesetzestext ident.

 

Gemäß § 33 EpiG, BGBl Nr 186/1950 idF BGBl Nr 702/1974, ist der Anspruch auf Entschädigung gemäß § 29 binnen sechs Wochen nach erfolgter Desinfektion oder Rückstellung des Gegenstandes oder nach Verständigung von der erfolgten Vernichtung, der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahme bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt.

 

Gemäß § 49 Abs 1 EpiG, BGBl Nr 186/1950 idF BGBl I Nr 62/2020, ist abweichend von § 33der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme besteht, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen.

 

Gemäß § 4 Abs 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), BGBl I Nr 12/2020 idF BGBl I Nr 23/2020, tritt dieses Bundesgesetz mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31.12.2020 außer Kraft.

 

Gemäß Abs 1a leg cit tritt Abs 2 idF des Bundesgesetzes, BGBl I Nr 16/2020, rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft.

 

Gemäß Abs 2 leg cit, so der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen hat, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.

 

Gemäß Abs 3 leg cit bleiben die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 unberührt.

 

Gemäß Abs 4 leg cit können Verordnungen aufgrund dieses Bundesgesetzes vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.

 

5.2. Rechtliche Beurteilung:

 

Zunächst wird festgehalten, dass die Bestimmungen des EpiG trotz Erlassung des COVID-19-MG aufrecht geblieben sind. Das bedeutet, dass § 32 EpiG mit seiner ausdrücklichen taxativen Aufzählung der Fälle, in denen eine Vergütung zu leisten ist, unverändert Bestand hat. In den Erläuterungen zur Epidemiegesetz-Novelle 1974, BGBl Nr 710/1974, RV 1205 BlgNr 13 GP . 3, wird ausgeführt, dass § 32 eine Entschädigung für alle natürlichen und juristischen Personen sowie für die Personengesellschaften des Handelsrechts vorsehe, die durch eine Erwerbsbehinderung infolge der im Gesetz aufgezählten behördlichen Maßnahmen einen Verdienstentgang erlitten hätten.

 

Der hier zu beurteilende Fall eines Vermögensnachteiles, der aufgrund der Erlassung einer Verordnung nach dem COVID-19-MG entstanden ist, fällt nicht unter die im EpiG taxativ aufgezählten behördlichen Maßnahmen. Des Weiteren hat sich auch nicht ergeben, dass gegenständlich tatsächlich eine Maßnahme gegenüber der Beschwerdeführerin verhängt worden wäre, die auf den § 32 EpiG zurückgeführt werden könnte.

 

An dieser Stelle ist auch festzuhalten, dass auch die Bestimmungen des § 32 Abs 3 EpiG, wonach die Arbeitgeber den Arbeitnehmern den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen haben, nur dann anzuwenden ist, wenn Maßnahmen nach dem EpiG dazu geführt haben, dass es zu einer Behinderung des Erwerbes gekommen ist.

 

§ 32 Abs 3 EpiG ist keine Rechtsgrundlage für eine Entgeltfortzahlung, wenn die Behinderung des Erwerbs – wie gegenständlich – durch eine Maßnahme nach dem COVID-19-MG entstanden ist. Dasselbe gilt für den Übergang des Anspruchs auf Vergütung vom Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber. Auch ein solcher findet nur im Fall von Maßnahmen nach demEpiG statt. Das COVID-19-MG enthält keine derartigen Regelungen.

 

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) führte ua in seiner Entscheidung vom 14.07.2020, G 202/2020-20, aus, dass im Hinblick auf Betretungsverbote von Betriebsstätten, die wegen COVID-19 auf Grundlage des § 1 COVID-19-MG angeordnet würden, eine Vergütung des dadurch entstandenen Verdienstentganges nach § 32 EpiG nicht in Betracht komme. Der Gesetzgeber habe die Geltung der Regelungen des EpiG über die Schließung von Betriebsstätten betreffend Maßnahmen nach § 1 COVID-19-MG ausgeschlossen. Mit der Schaffung des COVID-19-MG habe der Gesetzgeber offenkundig (auch) das Anliegen verfolgt, Entschädigungsansprüche im Falle einer Schließung von Betriebsstätten nach dem EpiG, konkret nach § 20 iVm§ 32 EpiG, auszuschließen.

 

Weitershat der VfGHim zitierten Erkenntnis ausgeführt, dass auch das im§4 Abs 1a COVID-19-MG vorgesehene rückwirkende Inkrafttreten des §4 Abs 2 idF des BGBl I Nr 16/2020 mit 16. März 2020 aus Sicht des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes keinen Bedenken begegnet: Der Ausschluss der Anwendbarkeit der Bestimmungen des EpiG betreffend die Schließung von Betriebsstätten sei bereits in der – am 16. März 2020 in Kraft getretenen – Stammfassung des § 4 Abs 2 COVID-19-MG, BGBl I Nr 12/2020, enthalten gewesen. Mit der Novellierung BGBl I Nr 16/2020 sei die Bestimmung lediglich insofern präzisiert worden, als die Bestimmungen des EpiG betreffend die Schließung von Betriebsstätten „im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung“ nach §1 COVID-19-MG nicht gelten würden. Eine rückwirkende Beeinträchtigung einer Vertrauensposition sei darin nicht zu erblicken.

 

Die Anwendung des § 32 EpiG – gegenständlich wohl § 32 Abs 1 Z 5 iVm Abs 4 EpiG –auf Maßnahmen resultierend aus § 4 iVm § 1 COVID-19-MGscheitert somit schon deswegen, weil – wie bereits oben ausgeführt – § 32 EpiG jene Fälle, in denen eine Vergütung zu leisten ist, taxativ aufgezählt hat und dazu keine Maßnahmen aus einer COVID-19-Maßnahmenverordnung, selbst wenn diese nachträglich teilweise als rechtswidrig aufgehoben wurde, zählen.

 

Da im gegenständlichem Fall die Behinderung des Erwerbes und der dadurch entstandene Vermögensnachteil nicht durch eine der in § 32 Abs 1 Z 1 bis 7 EpiG aufgezählten Maßnahmen entstanden ist, gebührt für den Verdienstentgang kein Ersatz nach dem EpiG.

 

An dieser Beurteilung ändern auch die oben unter Punkt 2. wiedergegebenen Vorbringen der Beschwerdeführerin nichts.

 

Zunächst ist festzuhalten, dass für den Zeitraum 14.4. bis 30.4.2020 die gegenständliche vom Beschwerdeführer zitierte COVID-19-Maßnahmenverordnung in Geltung war. Erst nachträglich stellte der VfGHin seiner Entscheidung vom 14. Juli 2020 ua fest, dass in diesem Zusammenhang die angefochtene Regelung auch eine Ungleichbehandlung von Geschäften mit mehr als 400 m² (Verkaufsfläche) gegenüber vergleichbaren Betriebsstätten, insbesondere von Bau- und Gartenmärkten, bedeuten würde. Für den VfGHwar in diesem Zusammenhang eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung nicht erkennbar. Aus der Entscheidung des VfGH ergibt sich jedoch nicht, dass nun aufgrund der nachträglichen Feststellung der teilweisen Rechtswidrigkeit der COVID-19-Maßnahmenverordnung eine Anwendung des EpiG resultieren könnte, dies wohl für die von den rechtswidrigen Regelungen der genannten Verordnung betroffenen Unternehmen. Daher ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach, wenn nachträglich Teile einer Verordnung aufgehoben werden, dies dazu führen könnte, dass – ohne eine diesbezügliche klare rechtliche Vorgabe – eine Regelung aus einem anderen Gesetz (hier EpiG) zur Anwendung kommen könnte, nicht nachvollziehbar. Wie bereits ausgeführt wurde, liegen gegenständlich keine Maßnahmen basierend auf Verordnungen oder Bescheide des EpiG vor, womit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Schlussendlich ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, dass schon der VfGHin seiner Entscheidung vom 23. Juli 2020, G 202/2020-20, ua ausgeführt hat, dass die Betretungsverbote in einem umfangreichen Maßnahmen- und Rettungspaket eingebettet gewesen seien. Dieses habe darauf abgezielt, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Betretungsverbote auf die betroffenen Unternehmen bzw im Allgemeinen von Folgen der COVID-19-Pandemie abzufedern. So hätten die betroffenen Unternehmen insbesondere Anspruch auf Beihilfen bei Kurzarbeit und auf andere finanzielle Unterstützungsleistungen gehabt. Im Hinblick auf diese Hilfsmaßnahmen stelle das Betretungsverbot keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums dar. Bei der gegebenen Konstellation könne ein Anspruch auf Entschädigung für alle vomBetretungsverbot erfassten Unternehmen aus diesem Grundrecht nicht abgeleitet werden.

 

6. Die Beschwerdeführerin hat im Zusammenhang mit der Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgebracht, die belangte Behörde habe es unterlassen, für den die Erledigung maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen. In weiterer Folge weist sie diesbezüglich auf Bestimmungen des EpiGhin und wirft der belangten Behörde vor, jegliche Ermittlungen dazu unterlassen zu haben.

 

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich vorliegend klar ergibt, dass die Regelungen des EpiG nicht zur Anwendung kommen, womit auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen ist.

 

Darüber hinaus hat das Landesverwaltungsgericht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet, da der entscheidungswesentliche Sachverhalt unstrittig und entscheidungsreif vorliegt, eine solche nicht beantragt wurde sowiegegenständlich lediglich Rechtsfragen zu beurteilen sind.

 

7. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die im Verfahren auftretenden Rechtsfragen können aufgrund des klaren Wortlautes der anzuwendenden Bestimmungen ausreichend beurteilt werden.

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