European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGST:2020:LVwG.20.3.947.2020
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter Dr. Kundegraber über die Beschwerde des A B, geb. am ****, vertreten durch Dr. C D, Rechtsanwalt in W, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt,
z u R e c h t e r k a n n t:
A. Die Beschwerde wegen der Festnahme des Beschwerdeführers am 14. März 2020 in F, Ha (Gasthaus „E“) durch Polizeibeamte war rechtswidrig, insbesondere die Handfesselung am Rücken, die Fußfesselung und der Abtransport mit der Decke über den Kopf.
B. Der Antrag das Verlangen sich auszuweisen für rechtswidrig zu erklären, wird abgewiesen.
C. Der Antrag die Ehefrau G B aus dem Raum zu entfernen wird zurückgewiesen.
D. Der Antrag die Anhaltung im Arrest in H bis 14.00 Uhr des 14. März 2020 wird ebenfalls zurückgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
Art. 130 Abs 1 Z 2 Bundesverfassungsgesetz (B-VG)
§§ 7, 9, 28 Abs 6 und 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)
§§ 93, 118, 171 iVm 170 Strafprozessordnung (StPO)
§§ 2, 4 Waffengebrauchsgesetz (WaffGebrG)
E. Die Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld hat gemäß § 35 VwGVG iVm § 1 VwG.Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) die Kosten des Verfahrens in der Höhe von € 1.659,60 zu bezahlen (§ 17 VwGVG iVm § 62 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz [AVG]).
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. In der Beschwerde vom 23. April 2020 wird im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Vorfall in einem Hotelrestaurant ereignet hätte, nachdem der Beschwerdeführer und seine Frau mit deren Nachbarn ein Abendessen einnahmen. Im Zuge des geselligen Abends sei es zu einer Auseinandersetzung mit einem weiteren Gast des Lokals gekommen, woraufhin die Polizei verständigt wurde. Bei Eintreffen der Beamten sei der Beschwerdeführer nach dem Ausweis gefragt worden. Zum Zeitpunkt des Geschehnisses hätte sich der Beschwerdeführer aufgrund eines anhaltenden Tunnelblicks in seiner Wahrnehmung erheblich beeinträchtigt gefühlt, weshalb ihm die Präsenz der Polizei nicht bewusst gewesen wäre und selbst um Ausweisleistung der Polizisten verlangte. Der Zweck des Einschreitens sei ihm als Betroffenen nicht bekanntgegeben worden; auch die Ausweisleistung und Bekanntgabe der Dienstnummer, um sich als Polizeibeamte tatsächlich zu legitimieren, wäre nicht erfolgt. Im Zuge der mühsamen Fokussierung seines Blickfeldes auf die – mit der Aufschrift „Polizei“ versehene – Brusttasche des Beamten sei ihm überraschend Pfefferspray in das Gesicht gesprüht worden. In der Folge wäre das Mittel kraftvoll im Gesicht verteilt worden, woraufhin er sich instinktiv gegen folgende Attacken zu wehren versuchte. Während seine Ehefrau zeitgleich des Raumes verwiesen worden wäre, sei er von vier Personen gewaltsam zu Boden geworfen, misshandelt und fixiert worden. Diese wären hierbei gewaltsam auf seinen Handrücken gekniet, obwohl der Beschwerdeführer lautstark kommuniziert hätte, dass er starke Schmerzen hätte, soeben von einem REHA-Aufenthalt heimgekehrt und geschont werden müsste. Eine vom Beschwerdeführer verlangte Lockerung der Fesseln sei nicht erfolgt. Schließlich wäre ihm noch eine Decke über den Kopf gestülpt und in Fußfesseln geknebelt in das Dienstfahrzeug geschleppt worden.
Während der Fahrt in den Arrest nach H hätte er immerfort über Atemnot und starken Schmerzen der Handgelenke geklagt; die Polizeibeamten hätten dem allerdings kaum Beachtung geschenkt. Die nächste Erinnerung hätte er erst wieder in der Gitterzelle nach Untersuchung des Arztes gehabt, in welcher er zwar seine Frau, jedoch nicht einen Rechtsanwalt bzw. Verteidiger kontaktieren durfte. Im Zuge dessen wäre er einem Alkoholvortest unterzogen worden, ohne über die Möglichkeit einer Bestimmung es Blutalkoholgehalts informiert zu werden.
Der Beschwerdeführer „geht von (menschen-)rechtswidrigen Akten exzessiver Gewaltanwendung“, der massiven Gefährdung seiner Gesundheit sowie Freiheitsentziehung durch polizeilichen Fehlverhaltens in Form von der Verletzung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt aus. Zudem stelle der Beschwerdeführer den Ersatz der Kosten.
Als Beilage wurden Lichtbilder von den behaupteten Verletzungen vorgelegt.
2. Die Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld als belangte Behörde nahm mit der Gegenschrift vom 26.05.2020 Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass der Beschuldigte A B glaubhaft der Täterschaft des Raufhandels bzw. Körperverletzung beschuldigt worden und rechtens (vergebens) um Ausweisleistung erbeteten worden wäre, obwohl die Beamten ordnungsgemäß adjustiert, eindeutig als Polizeibeamte erkennbar und berechtigt im Sinne der StPO eingeschritten wären. Der Verdächtige hätte nicht an der Klärung des Sachverhalts mitgewirkt, sich Einweghandschuhe angezogen und sich zunehmend aggressiv und bedrohlich dem einschreitenden Polizeibeamten genähert, weshalb die Anwendung eines Pfeffersprays anzudrohen gewesen wäre. Der Verdächtigte hätte sich in der Folge mit einem kraftvollen Wegschlagen des linken Arm eines Beamten widersetzt, woraufhin der Einsatz eines Pfeffersprays zur Gefahrenabwehr unvermeidlich gewesen wäre. Dies sei allerdings entsprechend den Bestimmungen des § 2, Z 2 und Z 3 WaffGebrG erfolgt.
Der Beschwerdeführer hätte sich als Reaktion des Pfeffersprayeinsatzes auf den Beamten gestürzt, diesen zu Boden gerissen und durch anhaltend heftigen Widerstand den Beamten verletzt. Die darauffolgende Fixierung mit Handfesseln wäre nur mühsam möglich gewesen. Der Betroffene sei schließlich vom roten Kreuz sachgemäß erstversorgt worden.
Trotz in Kenntnissetzung des Festnahmegrundes hätte der Beschwerdeführer beharrlich versucht sich aufzurichten um sich der Amtshandlung entziehen zu können, weshalb es sich als notwendig erwies, Fußfesseln anzulegen. Eine Decke sei über den Kopf gelegt worden, da der Festgenommene die ganze Zeit über verbal aggressiv und spuckend den Beamten gegenüber gewesen wäre. Um den Festgenommen transportfähig zu machen, wären ihm die Handfesseln am Rücken angelegt und anschließend von den Beamten sowie von der angeforderten Verstärkung mit vier weiteren Polizeibeamten ins Dienstfahrzeug getragen worden. Während der Autofahrt wäre fortwährend auf die Blutzirkulation und Atemfreiheit geachtet worden.
Nach ausführlichen Bericht des BPK vom 14.05.2020 sowie den Stellungnahmen der einschreitenden Beamten sei aus Sicht der belangten Behörde kein Fehlverhalten festzustellen. Demzufolge wurde der Antrag gestellt, das Gericht möge der Maßnahmenbeschwerde nicht Folge geben und die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Anträge zurück- bzw. abweisen.
Als Beilagen wurden das Erhebungsergebnis vom Bezirkskommandanten I J, die Stellungnahmen der beteiligten Polizeibeamten GI K L, RI M N, GI O P, GI Q R, BI S T, GI U V sowie der Abschlussbericht der StA Graz, die Zeugen-vernehmungsprotokolle und den Bericht des vorläufigen Waffenverbots inklusive der Durchsuchungs-, Sicherstellungs- und Beschlagnahmebestätigung. Zudem wurde der Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 17. März 2020, GZ: BHHG-2.2.W1-5/2019, mit dem ein Waffenverbot erlassen wurde, beigefügt.
II. Sachverhalt:
1. Nach Durchführung der Verhandlungen am 07. Juli 2020 und 20. Juli 2020, wobei der Beschwerdeführer und die zwölf Zeugen einvernommen wurden, sowie in Ansehung des Akteninhaltes und dem vorgelegten Videomaterial, war von nachfolgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt auszugehen:
Der Beschwerdeführer hielt sich in der Nacht vom 13. März 2020 auf 14. März 2020 im Gasthaus „E“ in F auf. Hierbei kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit X Y, woraufhin die Polizei von der Kellnerin Z Aa verständigt wurde.
Zwei uniformierte Polizeibeamte, GI Ba und GI K L, forderten bei ihrem Eintreffen den Beschwerdeführer zur Ausweisleistung auf, da der Verdacht des Raufhandels (§ 91 StGB) bzw. Körperverletzung (§§ 83 ff StGB) bestand. Der Beschwerdeführer negierte die Aufforderung und verlangte seinerseits eine Ausweisleistung der Polizeibeamten. GI Ba teilte dem Beschwerdeführer seine Dienstnummer und seinen Namen mit. Der Beschwerdeführer gab lautstark seinen Unmut kund und ignorierte weiterhin die Aufforderung sich auszuweisen. Vielmehr ging er immer wieder auf den Polizeibeamten GI K L zu und gestikulierte. Letztendlich drängte GI K L den Beschwerdeführer mit seiner Hand in Richtung Becken des Beschwerdeführers auf einen Abstand von einem Meter Länge zurück, wobei er gleichzeitig den Einsatz eines Pfeffersprays androhte sowie die Festnahme aussprach. Der Beschwerdeführer hat offensichtlich im Rahmen der Gestikulation mit den Händen die Hand des GI K L weggeschlagen, woraufhin dieser den Pfefferspray einsetzte. In weiterer Folge stürzten GI K L und der Beschwerdeführer zu Boden. GI Ba kam zur Hilfe, zerrte den auf GI K L liegenden Beschwerdeführer weg, weswegen die Beamten sodann imstande waren, den Beschwerdeführer gegen seinen Widerstand Handfesseln vorne anzulegen.
In weiterer Folge wurde das ORK gerufen und vom Sanitäter die Augen von den am Boden liegenden Beschwerdeführer gereinigt. Der Beschwerdeführer wehrte sich weiterhin, indem er seinen Körper kraftvoll wringte. Er spuckte hierbei unbeabsichtigt ringsum, da er Rückstände des Pfeffersprays im Mund hatte.
Die Polizisten fixierten daraufhin den Beschwerdeführer mit Handfesseln am Rücken, legten Fußfesseln an und gaben dem Beschwerdeführer zum Abtransport eine Decke über den Kopf, welche sie aus dem Fahrzeug holten.
Daraufhin wurde der Beschwerdeführer an Händen und Füßen mithilfe einer von den Beamten angeforderten Verstärkung in das Dienstfahrzeug getragen und zur Polizeiinspektion H überstellt. Während der Autofahrt hatte der Beschwerdeführer die Handfessel am Rücken und war mit einer Woll-Stoffdecke über den Kopf angeschnallt worden. Die Gurte waren somit über den Bauch und im Bereich des Halses des Beschwerdeführers gelegen (siehe zweite Videoaufnahme). In H wurde er von einem Arzt in einer Zelle untersucht, einem Alkomatvortest (1,68 Promille) unterzogen und ein vorläufiges Waffenverbot ausgesprochen. Um 14.00 Uhr des 14. März 2020 wurde der Beschwerdeführer auf Anweisung des Staatsanwaltes aus der Haft entlassen.
2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich im Wesentlichen auf den Inhalt der Einvernahme der Zeugen Ca Da und X Y, der Polizisten GI Ba, KI Ea Fa, GI K L, RI M N, GI O P, RI Ga Ha, GI Ia Ja, GI Q R, der Kellnerin Z Aa sowie der Ehefrau G B. Zusätzlich wurden die beiden zur Verfügung gestellten Videoaufnahmen (eine Aufnahme im Gastzimmer, eine weitere im Dienstfahrzeug) zur Wahrheitsfindung herangezogen. Auch die Aussage des Beschwerdeführers deckt sich weitgehend mit den Angaben der übrigen Zeugen. Die marginalen abweichenden Zeugenaussagen betreffen nicht entscheidungsrelevante Punkte. Somit steht für das Gericht der Sachverhalt in den wesentlichen Punkten fest.
Der Beschwerdeführer gab in den mündlichen Verhandlungen am 7. Juli 2020 sowie am 20. Juli 2020 vorbereitete Befunde, Beweisanträge und ergänzende Vorbringen in Form von Schriftsätzen ab, welche für die Klärung des Sachverhalts nicht von Bedeutung waren. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass bei der Beweiswürdigung die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Beweisanträge wie auf ein psychophysiologisches, endokrinologisches, neurophysiologisches bzw. neurobiologisches Sachverständigengutachten bzw. eine ergänzende Einvernahme des Zeugen K L sowie des noch nicht einvernommenen Ka La keine weiteren relevanten Kenntnisse zur Klärung des Sachverhalts gebracht hätten und dementsprechend nicht Folge geleistet wurden.
III. Rechtsbeurteilung:
1. Gemäß Art. 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Eine Festnahme ohne gerichtliche Anordnung sowie die Verbringung und weitere Anhaltung sind ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- bzw. Zwangsgewalt (VwGH 07.09.1990, 90/01/0195).
Die Beschwerde vom 23. April 2020 langte am 04. Mai 2020 bei Gericht ein. Somit ist die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 7 Abs 4 VwGVG gewahrt. Da die Amtshandlung im Sprengel des Landesverwaltungsgerichts Steiermark stattfand, besteht auch die örtliche Zuständigkeit.
2. Soweit der Beschwerdeführer vermeint, dass die Ausweisleistung seiner Person gegenüber rechtswidrig gewesen war, steht dem der § 118 StPO entgegen, der die Kriminalpolizei zur Identitätsfeststellung ermächtigt, falls der Betroffene verdächtigt wird einer Straftat beteiligt zu sein. Es steht fest, dass die Polizei wegen des Verdachtes der Körperverletzung bzw. Raufhandels gerufen wurde und Umstände, wie die blutende Lippe des Opfers, von den Polizeibeamten wahrgenommen wurden, die zur Ausweisleistung ermächtigen.
3. § 118 StPO lautet:
Identitätsfeststellungen
(1) Identitätsfeststellung ist zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen angenommen werden kann, dass eine Person an einer Straftat beteiligt ist, über die Umstände der Begehung Auskunft geben kann oder Spuren hinterlassen hat, die der Aufklärung dienen könnten.
(2) Die Kriminalpolizei ist ermächtigt, zur Identitätsfeststellung die Namen einer Person, ihr Geschlecht, ihr Geburtsdatum, ihren Geburtsort, ihren Beruf und ihre Wohnanschrift zu ermitteln. Die Kriminalpolizei ist auch ermächtigt, die Größe einer Person festzustellen, sie zu fotografieren, ihre Stimme aufzunehmen und ihre Papillarlinienabdrücke abzunehmen, soweit dies zur Identitätsfeststellung erforderlich ist.
(3) Jedermann ist verpflichtet, auf eine den Umständen nach angemessene Weise an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken; die Kriminalpolizei hat ihm auf Aufforderung mitzuteilen, aus welchem Anlass diese Feststellung erfolgt.
(4) Wenn die Person an der Identitätsfeststellung nicht mitwirkt oder ihre Identität aus anderen Gründen nicht sogleich festgestellt werden kann, ist die Kriminalpolizei berechtigt, zur Feststellung der Identität eine Durchsuchung der Person nach § 117 Z 3 lit. a von sich aus durchzuführen.
Die Festnahme durch die Kriminalpolizei ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft und die damit verbundenen – als Gesamtheit anzusehenden – folgenden Amtshandlungen sind zweifelsfrei als Zwangsmaßnahmen auf Grundlage der StPO und demzufolge als unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsakte zu qualifizieren.
Die einschreitenden Polizisten handelten ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft. Daher sind die getroffenen Zwangsmaßnahmen beim Landesverwaltungsgericht bekämpfbar. Der Beschwerdeführer war glaubhaft einer Straftat beteiligt und es konnte die Weigerung der Identitätsfeststellung nach § 93 Abs 2 StPO mit unmittelbaren Zwang (§ 93 Abs 1 StPO) durchgesetzt werden. Der Ausspruch der Festnahme aufgrund der Weigerung die Identität bekannt zu geben war in concreto verhältnismäßig und als angemessenen Zwang zu qualifizieren. Im Zuge der Festnahme kam auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers der Verdacht auf Widerstand gegen die Staatsgewalt (§ 269 StGB) hinzu.
§ 2 WaffGebrG lautet:
Angehörige des Wachkörpers Bundespolizei und der Gemeindewachkörper sowie Angehörige des rechtskundigen Dienstes und sonstige Angehörige der Landespolizeidirektionen und des Bundesministeriums für Inneres, die zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind, dürfen in Ausübung des Dienstes nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes von Dienstwaffen Gebrauch machen:
1. im Falle gerechter Notwehr,
2. zur Überwindung eines auf die Vereitlung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes;
3. zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme;
4. zur Verhinderung des Entkommens einer rechtmäßig festgehaltenen Person;
5. zur Abwehr einer von einer Sache drohenden Gefahr.
§ 4 WaffGebrG lautet:
Der Waffengebrauch ist nur zulässig, wenn ungefährliche oder weniger gefährliche Maßnahmen, wie insbesondere die Aufforderung zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, die Androhung des Waffengebrauches, die Verfolgung eines Flüchtenden, die Anwendung von Körperkraft oder verfügbare gelindere Mittel, wie insbesondere Handfesseln oder technische Sperren, ungeeignet scheinen oder sich als wirkungslos erwiesen haben.
In der Regel stellt die Anwendung von Körperkraft das gelindere Mittel dar. Eine solche Abwägung zwischen Körpereinsatz und Pfefferspray ist jedoch situationsbedingt zu beurteilen: In dem konkreten Fall war aufgrund des Alkoholisierungsgrades, der Größe und des Gewichts des Aggressors (113 Kilo bei einer Körpergröße von 192 cm) der Einsatz des Pfeffersprays das gelindeste Mittel zur Überwindung des auf die Vereitelung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes gewesen. Nachdem der Beschwerdeführer äußerst aufgebracht gestikulierte, kontinuierlich auf den Polizisten aktiv zuging, zuvor die Androhung des Einsatzes des Pfeffersprays bekanntgegeben wurde und er dennoch dem Polizisten – wenn auch möglicherweise unbeabsichtigt – die Hand wegschlug, war der tatsächliche Einsatz des Pfeffersprays im dem Fall gerade noch zulässig und verhältnismäßig. In der Situation bestand für den einschreitenden Beamten eine Gefahr für seine körperliche Integrität, sodass hier der Einsatz des Pfeffersprays gerechtfertigt war. Das Anlegen der Handfesseln vorne war zulässig und verhältnismäßig, um dem Widerstand des am Boden befindlichen Beschwerdeführers entgegenzuwirken.
Das weitere Anlegen der Handfesseln am Rücken als auch der Fußfessel war nicht mehr gerechtfertigt. Die Anlegung der Handfessel am Rücken wurde nach Einsatz des Pfeffersprays durchgeführt. Es ist zuvor einzuräumen, dass die Augen des Beschwerdeführers am von herbeigeholten Sanitätern gereinigt wurden als der Beschwerdeführer am Boden lag. Die Reinigung der Augen erfolgte sicherlich – auf Grund der Situation – nicht vollständig von Rückständen des Pfeffersprays. Der Beschwerdeführer hatte auch Rückstände des Pfeffersprays in der Mundhöhle und spuckte daher. Da der Beschwerdeführer sich vom Boden erheben wollte – dies ist in der Videoaufnahme ersichtlich – stellt ebenfalls keinen Grund dar die Handfesseln am Rücken zu fixieren. Der Beschwerdeführer hätte im Beisein von sechs Polizisten sehr wohl zum Fahrzeug transportiert bzw. mit Griffen im Oberarm verbracht werden können.
Die Fußfesselung führt zu einem wesentlich gesteigerten Eingriff in die persönliche Bewegungsfreiheit. Die Verbringung zum Dienstfahrzeug hätte auch ohne Fußfessel von den sechs Polizisten durchgeführt werden können. Umso mehr, da der Beschwerdeführer mit Handfesseln fixiert war und daher im Gleichgewicht wesentlich eingeschränkt war.
Völlig unverhältnismäßig war das Überstülpen einer Decke über den Kopf und Oberkörper. Zum einen hätte ein sogenannter „Spuckschutz“ (siehe Anhang „J“ zu den Richtlinien für das Einsatztraining des BMI; Kapitel 4.8. „Spuckschutz“; Seite 18) in der Art einer Gesichtsmaske von der Polizeiinspektion – diese lag gegenüber dem Vorfallort – geholt werden können. Das Spucken des Beschwerdeführers war im Übrigen nicht zielgerichtet, sondern hatte die Ursache im Entfernen der Rückstände des Pfeffersprays in der Mundhöhle. Zum anderen ist eine derartige Maßnahme nach Einsatz eines Pfeffersprays äußerst problematisch einzustufen: Bei erheblicher körperlicher Anstrengung besteht die Gefahr, dass es aufgrund des Sauerstoffmangels zur Einschränkung der Atmung bis hin zu einer Hirnschädigung mit Todesfolge kommt. Folglich ist jedwede Körperlage, welche die Atmung beeinträchtigen könnte – Bauchlage inbegriffen – nach einem Pfeffersprayeinsatz tunlichst zu vermeiden. Erkennbare Gefahrensignale wie wirres Reden, intensiv körperlicher Widerstand, Klagen über Luftnot, heftige Atmung mit weitaufgerissenem Mund sowie ungewöhnliche Atemgeräusche waren dem Videoaufzeichnungen zufolge deutlich auch für einen Laien wahrnehmbar, wodurch erforderliche Schutzmaßnahmen hätten ergreifen werden müssen (siehe Richtlinie für das Einsatztraining des BMI; Kapitel Pfefferspray MK3, Seite 52ff.) Insbesondere eines der vorgelegten Videobänder untermauert das weitere Vorgehen der Polizisten und die akute Gefahrensituation des Beschwerdeführers, nachdem über zwanzig Sekunden – trotz Klagen nach Atemluft! – nicht, und anschließend nur nachlässig auf Seiten der Polizeibeamten reagiert wurde. Hinzu kommt, dass der angelegte Sicherheitsgurt quer über die dichte Stoffdecke am Brustbereich des Betroffenen angelegt und somit eine Sauerstoffzufuhr noch zusätzlich erheblich erschwert wurde.
Bereits eine unzulässige Maßnahme zieht die Rechtswidrigkeit der gesamten Amtshandlung nach sich. Somit ist die Verbringung des Beschwerdeführers von F in die Polizeiinspektion H nach den dargelegten Erwägungen grundlegend als unverhältnismäßig bzw. geradezu als menschenverachtend zu werten.
4. Soweit die Rechtswidrigkeit der Entfernung der Ehefrau aus dem Gastzimmer beantragt wurde ist zu beachten, dass hierbei primär die subjektiven Rechte der G B berührt sind und folglich in einem eigenen Verfahren zu klären wären.
5. Die Anhaltung in der Polizeiinspektion H und die Freilassung des Beschwerdeführers gründen sich auf die Anordnung der Staatsanwaltschaft, wodurch dem Gericht eine Beurteilung im Sinne des § 106 StPO entzogen ist.
IV. Als Kosten sind gemäß § 35 VwGVG in Verbindung mit § 1 VwGVG-AufwRrsV dem Beschwerdeführer einen Betrag von € 1.659,60 zuzusprechen. Der Aufwandersatz setzt sich zusammen aus dem Schriftsatzaufwand in der Höhe von und € 737,60 und dem Verhandlungsaufwand von € 922,00.
V. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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