LVwG Niederösterreich LVwG-AV-599/001-2020

LVwG NiederösterreichLVwG-AV-599/001-202016.9.2020

SHG AusführungsG NÖ 2020 §4 Abs1 Z2
SHG AusführungsG NÖ 2020 §5 Abs1 Z3
SHG AusführungsG NÖ 2020 §5 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.599.001.2020

 

 

 

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin HR Mag. Marihart über die Beschwerde der Frau A gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten vom 07. Mai 2020, Zl. ***, betreffend Abweisung eines Antrages auf Zuerkennung von Leistungen nach dem NÖ Sozialhilfe-Ausführungsgesetz (NÖ SAG), zu Recht:

 

 

1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

 

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten (im Folgenden: belangte Behörde) vom 07. Mai 2020, Zl. ***, wurde der Antrag von Frau A (im Folgenden: Beschwerdeführerin) auf Leistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhaltes und auf Leistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfes abgewiesen.

 

Begründend dazu wurde unter Anführung der rechtlichen Grundlagen des NÖ SAG ausgeführt, dass Voraussetzung für eine Leistung der Sozialhilfe unter anderem sei, dass die hilfesuchende Person zum dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sei. Die Beschwerdeführerin sei russische Staatsangehörige und verfüge über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“. Aus diesem Grund liege keine Berechtigung zum dauernden Aufenthalt im Inland vor.

 

Da die Voraussetzungen für eine Leistung der Sozialhilfe nicht vorliegen würden, sei auch ein Antrag auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung abzuweisen gewesen.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde und wurde von der Beschwerdeführerin im Wesentlichen vorgebracht, dass sie alleine in einer Mietwohnung alleine lebe, 60 Jahre als sei und seit 2014 in Österreich wohne. Sie verfüge seit 01.12.2017 über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“. Die Beschwerdeführerin sei existenziell auf Leistungen aus der Sozialhilfe angewiesen. Es handle sich in diesem Fall um einen Notfall. Seit Dezember 2017 habe sie seitens des Magistrates der Stadt St. Pölten Mindestsicherung auf privatwirtschaftlicher Basis bezogen und hätte nur so finanziell überleben können.

 

Da die Beschwerdeführerin seit über fünf Jahren in Österreich rechtmäßig aufhältig sei, ihr tatsächliches Familienleben hier bestehe und sie kaum noch Bindungen zu ihrem Heimatland habe, könne ihre Aufenthaltsverfestigung materiell-rechtlich zu einem dauernden Aufenthalt im Inland gemäß § 9 BFA-VG berechtigen.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 NÖ SAG seien Personen anspruchsberechtigt, wenn sie zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt seien. In § 5 Abs. 2 NÖ SAG spezifiziere diese dauernde Aufenthaltsberechtigung demonstrativ unter Aufzählung bestimmter Aufenthaltstitel bzw. Personengruppen aber Inhaberinnen dieses Aufenthaltstitels. Aus dieser Systematik ergebe sich, dass der Landesgesetzgeber sehr wohl auch jenseits der in Abs. 2 leg. cit. genannten Personengruppen Anspruchsberechtigungen für denkbar gehalten habe. Die entsprechende Beurteilung habe folgerichtig am Maßstab der dauernden Aufenthaltsberechtigung zu erfolgen.

 

Im vorliegenden Fall sei darüber hinaus eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig, d.h. ein Ende der Unzulässigkeit sei bei Änderung der Sachverhaltsgrundlage (wie etwa Straffälligkeit) zwar denkbar, aber nicht absehbar.

 

Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin unmittelbar auf Grund von Art. 8 EMRK zum Aufenthalt berechtigt und sei ein Aufenthaltstitel zu erteilen.

 

Der VwGH habe in Bezug auf die Anspruchsberechtigung von Personen mit einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Asylgesetz nach dem OÖ Mindestsicherungsgesetz ausgesprochen, dass es zur Beurteilung des dauernden Aufenthaltstitels nicht auf dem von der zuständigen Behörde erteilten „Aufenthaltstitel“ ankomme, sondern auf ein - gegebenenfalls im Wege der Vorfragenbeurteilung - zu ermittelndes sonstiges dauerndes Aufenthaltsrecht.

 

Mit dem NÖ SAG habe sich der Österreichische Staat dazu entschlossen, Sozialhilfeleistungen zu erbringen und sei er in deren Gewährung damit an das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK gebunden.

 

Inhaber von Aufenthaltsberechtigungen Plus gegenüber anderen dauerhaft Aufenthaltsberechtigten kategorisch von Bezug von Sozialhilfeleistungen auszuschließen und damit buchstäblich auf der Straße sitzen zu lassen, sei wirklich eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber anderen dauerhaft Aufenthaltsberechtigten. Es liege eine Verletzung der Art. 14 iVm 8 EMRK vor.

 

Die belangte Behörde knüpfte bei der Beurteilung des Anspruches auf Leistungen bei Krankheit an die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung auf Sozialhilfe an, und begründet die Abweisung des Antrages auf Leistungen bei Krankheit damit, dass die Voraussetzungen für die Sozialhilfe nicht vorliegen würden. Auch wenn die Beschwerdeführerin nicht zum dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt wäre, müsste die belangte Behörde in ihrem Fall auch das Vorliegen der Voraussetzung des § 18 NÖ SAG bezüglich der Übernahme der Kosten für Leistungen zum Schutz bei Krankheit prüfen.

 

Auf Grund einer Krebserkrankung habe sich die Beschwerdeführerin am 23.08.2016 einer Operation unterziehen müssen. Auf Grund dieser Vorerkrankung befinde sich die Beschwerdeführerin laufend in Therapie und müsse auch regelmäßig Kontrolltermine wahrnehmen. Sie benötige zusätzlich auch medikamentöse Therapien und müsste mindestens noch für die nächsten zwei Jahre täglich Anastrozil und Metformin Stada einnehmen. Die Beschwerdeführerin könne sich aber diese Medikamente nicht leisten, da sie überhaupt kein Einkommen habe. Sie sei auf die Hilfe ihrer Tochter angewiesen, die ihr aber derzeit auch nicht helfen könne.

 

Die Übernahme der Kosten für Leistungen zum Schutz bei Krankheit gemäß § 18 NÖ SAG sei im Sinne der Ziele des § 1 NÖ SAG, sohin im Sinne der Ziele der Vermeidung und Bekämpfung von Armut, sozialer Ausschließung und anderer Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen.

 

Die Übernahme der Kosten für Leistungen zum Schutz bei Krankheit bzw. die Kosten für eine Selbstversicherung in der Krankenversicherung sei auf Grund der persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse und zur Vermeidung von sozialer Härte und gesundheitlicher Gefährdung dringend zu gewähren.

 

Das Recht auf Gesundheitsschutz sei auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert.

 

Unter einem wurde in der Beschwerde ein Antrag an die belangte Behörde auf vorläufige Gewährung der beantragten Sozialhilfe auf Grund des Unionsrechts gestellt und diesbezüglich vorgebracht, dass der VwGH bereits mehrfach judiziert habe, dass auf der Grundlage der unmittelbaren Anwendung von Unionsrecht einstweilige Anordnungen mit der Maßgabe zu treffen sein können, dass dem Rechtsunterworfenen eine Rechtsposition vorläufig eingeräumt werde, deren Verleihung mit dem angefochtenen Bescheid auf der Grundlage einer (möglicherweise dem Unionsrecht widersprechenden) nationalen Rechtsvorschrift verweigert würde. Die physische und psychische Integrität und das Wohl der Beschwerdeführerin seien durch den Ausschluss von der Sozialhilfe akut gefährdet. Es bestünde die reale Gefahr einer Verletzung der in Art. 1 GRC, sowie von in Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC gewährleisteten Rechte.

 

Mangels entsprechender innerstaatlicher Regelungen stütze sich der gegenständliche Antrag unmittelbar auf Unionsrecht. Beim Magistrat St. Pölten handle es sich um die „sachnächste Behörde“, in deren Zuständigkeit die Materie Sozialhilfe falle.

 

Abschließend wurde der Antrag gestellt, das Landesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, gemäß § 28 Abs. 2 in der Sache selbst entscheiden und der Beschwerde stattgeben in eventu den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Weiters wurde der Antrag an die belangte Behörde gestellt, diese möge eine einstweilige Anordnung auf Unionsrecht auf vorläufige Gewährung der beantragten Sozialhilfe erlassen.

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Einsicht genommen in den vorgelegten Verwaltungsakt zu Zl. ***, sowie in das Zentrale Fremdenregister betreffend die Beschwerdeführerin.

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich geht von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Die Beschwerdeführerin ist am *** geboren, Staatsangehörige der Russischen Föderation und lebt seit dem Jahre 2014 in Österreich. Zurzeit verfügt die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet über den bis 30.11.2020 gültigen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz.

 

Die Beschwerdeführerin lebt alleine in einer Mietwohnung in ***, ***, wofür laut Antrag eine monatliche Miete in Höhe von € 300,-- zu leisten ist.

 

Die Beschwerdeführerin ist geschieden und hat weder Einkommen noch Vermögen. Sie musste sich im Jahr 2016 auf Grund einer Krebserkrankung einer Operation unterziehen und benötig weiterhin Therapien und Medikamente.

 

Auf Grund des Regelpensionsalters muss die Beschwerdeführerin ihre Arbeitskraft nicht zum Einsatz bereithalten.

 

Beweiswürdigung:

 

Der Sachverhalt ist insgesamt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt des dem erkennenden Gericht vorgelegten Verwaltungsaktes.

 

Unstrittig ist insbesondere und ergibt sich dies auch aus aktuell eingeholter Auskunft aus dem Zentralen Fremdenregister, dass die Beschwerdeführerin nach wie vor über den aufrechten Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ in Österreich, derzeit eben gültig bis zum 30.11.2020, verfügt.

 

Folgende Bestimmungen des NÖ Sozialhilfe-Ausführungsgesetz (NÖ SAG) sind im gegenständlichen Beschwerdeverfahren von Relevanz:

 

§ 2 Abs. 1 NÖ SAG:

„(1) Leistungen der offenen Sozialhilfe sind nur nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu gewähren.“

 

§ 4 Abs. 1 Z 1 und 2 NÖ SAG:

„(1) Im Sinne dieses Gesetzes

1. liegt eine soziale Notlage vor, wenn eine Hilfe suchende Person ihren Lebensunterhalt, Wohnbedarf oder den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung auftretenden Bedarf nach §§ 14 bis 18 für sich und für die mit ihm oder ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden, ihm oder ihr gegenüber unterhaltsberechtigten oder mit ihm oder ihr in Lebensgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln decken kann und diesen auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält;

2. sind Drittstaatsangehörige jene Personen, die nicht Staatsangehörige eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz sind;“

 

§ 5 NÖ SAG:

„(1) Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe haben nach Maßgabe dieses Abschnittes Personen, die

1. von einer sozialen Notlage betroffen sind,

2. ihren Hauptwohnsitz und ihren tatsächlichen dauernden Aufenthalt in Niederösterreich haben und

3. zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind.

(2) Zum Personenkreis nach Abs. 1 Z 3 gehören:

1. österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen sowie deren Familienangehörige, die über einen Aufenthaltstitel “Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG verfügen und seit 5 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sind;

2. Staatsangehörige eines anderen Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz sowie deren Familienangehörige im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG , jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden oder die Einreise nicht zum Zweck des Bezuges von Leistungen der Sozialhilfe erfolgt ist;

3. Asylberechtigte gemäß § 3 AsylG 2005;

4. Drittstaatsangehörige mit einem Aufenthaltstitel

a) “Daueraufenthalt-EU" gemäß § 45 NAG oder

b) “Daueraufenthalt-EU" eines anderen Mitgliedstaates und einem Aufenthaltstitel gemäß § 49 NAG.

(3) Bei Personen nach Abs. 2 Z 2 ist die Zugehörigkeit zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach Anhörung der Fremdenbehörde festzustellen.

(4) Keinen Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe des Landes haben insbesondere:

1. Personen nach Abs. 2 Z 2 während der ersten drei Monate ihres Aufenthaltes im Inland und auch danach, wenn ihnen in den genannten Fällen keine Arbeitnehmer- oder Selbständigeneigenschaft zukommt;

2. Personen während ihres sichtvermerksfreien oder sichtvermerkspflichtigen Aufenthaltes im Inland, soweit nicht Z 1 anwendbar ist;

3. Asylwerber gemäß § 13 AsylG 2005;

4. Subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 AsylG 2005, da diese Leistungen auf dem Niveau der Grundversorgung nach dem NÖ Grundversorgungsgesetz, LGBl. 9240, erhalten;

5. Personen, die wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener gerichtlich strafbarer Handlungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zumindest sechs Monaten verurteilt wurden, für den Zeitraum der Verbüßung ihrer Straftat in einer Anstalt (§ 8 StVG).“

 

Weiters lauten folgende Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) wie folgt:

 

§ 18 NÖ SAG:

„(1) Leistungen zum Schutz bei Krankheit (einschließlich Zahnbehandlung und Zahnersatz), Schwangerschaft und Entbindung umfassen jene Sachleistungen und Vergünstigungen, wie sie Bezieherinnen oder Bezieher einer Ausgleichszulage aus der Pensionsversicherung von der Österreichischen Gesundheitskasse beanspruchen können.

(2) Das Land stellt die Leistungen nach Abs. 1 durch Übernahme der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung für die nach § 9 ASVG in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogenen Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Sozialhilfe sicher. Die vom Land zu entrichtenden Krankenversicherungsbeiträge entsprechen der Höhe, wie sie von und für Ausgleichszulagenbezieherinnen und Ausgleichszulagenbeziehern im ASVG vorgesehen sind.

(3) Das Land hat die Krankenversicherungsbeiträge für die Dauer des Bezuges von Leistungen der Sozialhilfe nach diesem Gesetz zu entrichten.

(4) Soweit eine Einbeziehung der hilfsbedürftigen Person in die gesetzliche Krankenversicherung nicht möglich ist, weil sie keine Leistungen der Sozialhilfe nach diesem Gesetz bezieht, sind die Kosten für einen nach Abs. 1 auftretenden Bedarf für alle erforderlichen Leistungen, wie sie Versicherte der Österreichischen Gesundheitskasse nach dem ASVG für Sachleistungen und Begünstigungen bei Krankheit (einschließlich Zahnbehandlung und Zahnersatz), Schwangerschaft und Entbindung beanspruchen können, zu übernehmen.

(5) Zu den Kosten für Leistungen nach Abs. 4 können auf Grundlage des Privatrechts auch die Beiträge für eine freiwillige Selbstversicherung der hilfsbedürftigen Person in der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden.“

 

§ 8 Abs. 1 Z 2 NAG:

„(1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:

(..)

2. Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt;“

 

§ 20 Abs. 1, 1a und 2 NAG:

„(1) Befristete Aufenthaltstitel sind für die Dauer von zwölf Monaten oder für die in diesem Bundesgesetz bestimmte längere Dauer auszustellen, es sei denn, es wurde jeweils eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

(1a) Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 sind für die Dauer von drei Jahren auszustellen, wenn der Fremde

1. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 9 IntG) erfüllt hat und

2. in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war,

es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

(2) Die Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltstitels beginnt mit dem Ausstellungsdatum, die Gültigkeitsdauer eines verlängerten Aufenthaltstitels mit dem auf den letzten Tag des letzten Aufenthaltstitels folgenden Tag, wenn seither nicht mehr als sechs Monate vergangen sind. Der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum zwischen Ablauf des letzten Aufenthaltstitels und Beginn der Gültigkeitsdauer des verlängerten Aufenthaltstitels ist gleichzeitig mit dessen Erteilung von Amts wegen gebührenfrei mit Bescheid festzustellen.“

 

§ 41a Abs. 9 NAG:

„(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie

1. für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß §§ 55 Abs. 1 oder 56 Abs. 1 AsylG 2005,

2. für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß §§ 55 Abs. 2 oder 56 Abs. 2 AsylG 2005 oder

3. über eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3

verfügen und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 9 IntG) erfüllt haben oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausüben, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG BGBl. Nr. 189/1955 erreicht wird.“

 

 

Erwägungen:

 

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes und der zitierten gesetzlichen Bestimmungen in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:

 

Voranzustellen ist zunächst im Grundsätzlichen, dass mit 01.01.2020 das in Ausführung der Bestimmungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes beschlossene NÖ Sozialhilfe-Ausführungsgesetz (NÖ SAG) in Kraft getreten ist und dieses vollinhaltlich das zuvor in Geltung gestandene NÖ Mindestsicherungsgesetz (NÖ MSG) ersetzt hat. Der verfahrenseinleitende Antrag der Beschwerdeführerin wurde am 09.04.2020 gestellt, sodass für die Beurteilung eines Leistungsanspruchs der Beschwerdeführerin demnach ausschließlich die Bestimmungen des NÖ SAG anzusehen sind.

 

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin, welche in Niederösterreich ihren dauernden Aufenthalt hat, über den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ verfügt, welcher zurzeit bis 30.11.2020 gültig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 NÖ SAG haben Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe all jene Personen, die von einer sozialen Notlage betroffen sind, die ihren Hauptwohnsitz und ihren tatsächlichen dauernden Aufenthalt in Niederösterreich haben sowie die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind. Zu letzterem Personenkreis gehören nicht nur österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen samt deren seit mindestens fünf Jahren in Österreich lebenden Familienangehörige, die über einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ verfügen und Staatsangehörige eines anderen Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz, sowie deren Familienangehörige, sondern auch Asylberechtigte gemäß § 3 Asylgesetz 2005 und Drittstaatsangehörige mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“.

 

Grundvoraussetzung ist somit unter anderem, dass die antragstellende Person zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sein muss. Aus dieser gesetzlichen Bestimmung sowie aus dem zu dieser Bestimmung verfassten Motivenbericht (vgl. Ltg.-690/A-1/50-2019) ergibt sich, dass die Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe an das Recht auf einen dauernden Aufenthalt in Österreich gebunden sein soll. Ausgenommen österreichischer Staatsbürger soll demnach ein Anspruch auf Leistung der Sozialhilfe nur jenen Personen zukommen, die zum unbefristeten Aufenthalt in Österreich berechtigt sind, was sich aus den Verweisen auf die Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ und „Familienangehöriger“ bzw. auf das Aufenthaltsrecht nach dem Unionsrecht ergibt. Der diesbezügliche anspruchsberechtigte Personenkreis ist im § 5 Abs. 2 NÖ SAG taxativ aufgezählt. Mit der Anknüpfung an die Berechtigung zum dauernden Aufenthalt im Inland soll unter anderem sichergestellt werden, dass die Geldleistungen nicht in das Ausland exportiert werden können, woraus sich auch die sachlich begründete Ungleichbehandlung zu dauerhaft in Österreich berechtigten Drittstaatsangehörigen, die über keinen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügen, ergibt.

 

Abgesehen davon, dass sich sowohl aus den einschlägigen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes als auch aus dem festgestelltem Sachverhalt ergibt, dass der von der Beschwerdeführerin innehabende Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ lediglich befristet ist, wurde auch vom Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass gerade der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ keine dauernde Aufenthaltsberechtigung im Inland darstellt (vgl. etwa VwGH 20.12.2017, Ra 2016/10/0130; VwGH 27.03.2019, Ro 2018/10/0040). Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang bereits festgehalten, dass etwa die Prüfung einer Aufenthaltsverfestigung, worauf das Beschwerdevorbringen ebenso hinzielt, im Sinne des § 9 BFA-VG auf die hier maßgebliche Rechtslage schon deshalb nicht übertragbar ist, weil es sich bei der Bestimmung des § 5 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 2 NÖ SAG eben um eine taxative Aufzählung des Personenkreises, die zu einem dauernden Aufenthaltsrecht im Inland berechtigt sind, handelt.

 

Zusammengefasst ergibt sich somit aus dem festgestelltem Sachverhalt in Verbindung mit der dargestellten Rechtslage, dass die Beschwerdeführerin nicht zum anspruchsberechtigtem Personenkreis nach § 5 NÖ SAG zählt, zumal sie lediglich über einen befristeten Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ verfügt. Inwieweit und in welcher Form der Beschwerdeführerin in weiterer Folge nach Ablauf dieser Befristung ihres derzeit gültigen Aufenthaltstitels und nach allfälliger entsprechender Antragstellung ein weiterer – allenfalls auch unbefristeter – Aufenthaltstitel erteilt werden kann, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Im Falle der Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels steht es der Beschwerdeführerin sodann aber auch jedenfalls frei, neuerlich einen Antrag auf Zuerkennung von Leistungen nach dem NÖ Sozialhilfe-Ausführungsgesetz zu stellen.

 

Diesbezüglich ist zudem auch abschließend festzuhalten, dass auch im Geltungszeitraum des NÖ Mindestsicherungsgesetzes der Beschwerdeführerin aus demselben Grund bescheidmäßig die Zuerkennung von Leistungen nach dem NÖ Mindestsicherungsgesetz aberkannt wurden und der Beschwerdeführerin lediglich im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung Leistungen zuerkannt wurden. Nach den jetzt in Geltung stehenden Bestimmungen des NÖ Sozialhilfe‑Ausführungsgesetz können Leistungen der Sozialhilfe ausschließlich bei Vorliegen eines Rechtsanspruches gewährt werden; eine Leistungsgewährung als Maßnahme der Privatwirtschaftsverwaltung ist anders als nach der alten Rechtslage nunmehr im NÖ Sozialhilfe Ausführungsgesetz nicht mehr vorgesehen.

 

Betreffend das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass ihr zumindest jedenfalls Leistungen zum Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung zustehen würden, ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin wie festgestellt eben nicht die Voraussetzungen gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 NÖ SAG iVm § 5 Abs. 2 NÖ SAG („zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt“) erfüllt, weshalb sie nicht anspruchsberechtigt ist und ihr daher auch keine Leistungen zum Schutz bei Krankheit gemäß § 18 NÖ SAG zustehen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unterbleiben, da bereits die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und standen einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

 

Es wird diesbezüglich insbesondere auch auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut und die eindeutige Rechtslage verwiesen (vgl. VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0343).

 

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