VfGH G126/2024

VfGHG126/202425.11.2024

Ablehnung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Nö Landes-VertragsbedienstetenG betreffend die Verknüpfung von Entschädigungsansprüchen mit der gerichtlichen Anfechtung einer Entlassung oder Kündigung

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd, Art140 Abs1b
Nö Landes-VertragsbedienstetenG §61 Abs3, §63 Abs6
VfGG §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2024:G126.2024

 

Spruch:

Die Behandlung des Antrages wird abgelehnt.

Begründung

Begründung

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG ablehnen, wenn er keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art140 Abs1b B‑VG; vgl VfGH 24.2.2015, G13/2015).

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Der Antrag behauptet die Verfassungswidrigkeit näher bezeichneter Wortfolgen in §63 Abs6 zweiter Satz und §61 Abs3 zweiter Satz Niederösterreichisches Landes‑Vertragsbedienstetengesetz (NÖ LVBG). Die Verknüpfung von Entschädigungsansprüchen mit der gerichtlichen Anfechtung einer Entlassung oder Kündigung verstoße mangels sachlicher Begründung gegen das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B‑VG; Art2 StGG) und stehe im Widerspruch zu §60 Abs5 NÖ LVBG. Die angefochtenen Bestimmungen verletzten außerdem das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit (Art4 EMRK), weil sie Vertragsbedienstete im Fall einer erfolgreichen gerichtlichen Anfechtung einer Entlassung oder Kündigung zur Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses zwängen. Das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1.ZPEMRK sei verletzt, weil kein öffentliches Interesse am Ausschluss des Entschädigungsanspruches bestehe und selbst bei Vorliegen eines solchen das Interesse der Vertragsbediensteten überwiege.

Das Vorbringen im Antrag lässt die behauptete Verfassungswidrigkeit als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass der Antrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der zu Folge dem Gesetzgeber bei der Regelung des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrechtes der Beamten ein verhältnismäßig weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (vgl zB VfSlg 16.176/2001 mwN sowie VfSlg 17.452/2005, 20.073/2016; VfGH 7.6.2013, B1345/2012; im Fall einer Vertragsbediensteten: VfGH 1.7.2022, G17/2022), kann der Verfassungsgerichtshof keinen Verstoß gegen das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz erkennen. Die Verknüpfung eines Entschädigungsanspruches mit der gerichtlichen Feststellung der Unrechtmäßigkeit der Entlassung bzw Kündigung stößt auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Frist für die gerichtliche Anfechtung der Entlassung bzw Kündigung findet ihre sachliche Rechtfertigung in der Besonderheit der Dienstverhältnisse von Vertragsbediensteten. Der öffentliche Dienstgeber kann über Dienstposten von entlassenen oder gekündigten Dienstnehmern für die Dauer des Anfechtungsverfahrens nicht frei verfügen. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von unrechtmäßig entlassenen oder gekündigten Dienstnehmern und vorzeitig ausgetretenen Dienstnehmern, an deren Austritt den Dienstgeber ein Verschulden trifft, ist nicht zu erkennen. Ein Verstoß gegen das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit kommt mangels Eröffnung des Schutzbereiches bei Arbeiten, die auf Grund eines frei abgeschlossenen Vertrages auszuführen sind, nicht in Betracht (vgl EGMR 23.11.1983, 8919/80, Van der Mussele). Der Verfassungsgerichtshof kann auch keinen Verstoß gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums erkennen, zumal an der raschen Herstellung der Rechtssicherheit ein öffentliches Interesse besteht und die angefochtenen Bestimmungen verhältnismäßig sind.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung des – nicht näher auf das Vorliegen aller Prozessvoraussetzungen geprüfte – Antrages abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

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