Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 litb
StGG Art2
EStG 1988 §5, §14, §14 Abs7 Z2, §14 Abs7 Z3, §116
UGB §198, §211
BetriebspensionsG §11
IO §48
VfGG §7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2024:G3505.2023
Spruch:
§14 Abs7 Z2 und Z3 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988), BGBl Nr 400 in der Fassung BGBl I Nr 24/2007, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E3275/2022 eine auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist eine im 100%igen Eigentum der Stadtgemeinde Judenburg stehende Aktiengesellschaft. Mit Sacheinlagevertrag von 26. August 1994 brachte die Stadtgemeinde mehrere Betriebe gewerblicher Art nach ArtIII Umgründungssteuergesetz (UmgrStG) in die beschwerdeführende Gesellschaft ein. Die Einbringungsbilanz zum 31. Dezember 1993 wies nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes auf der Passivseite Rückstellungen für Kostenersätze für Pensionen iHv umgerechnet rund € 4,98 Mio. aus. Im Personalübereinkommen vom 26. August 1994 sei die Vereinbarung getroffen worden, dass die von der beschwerdeführenden Gesellschaft der Stadtgemeinde zu ersetzenden Aufwendungen für das Personal auch allfällige Pensionszuschüsse erfassen würden.
1.2. Im Rahmen einer für die Jahre 2014 bis 2016 bei der beschwerdeführenden Gesellschaft durchgeführten Betriebsprüfung stellte das Finanzamt fest, dass für die von der beschwerdeführenden Gesellschaft gebildeten Rückstellungen für Kostenersätze für Pensionen keine ausreichende Wertpapierdeckung bestehe und daher Gewinnzuschläge gemäß §14 Abs7 Z2 EStG 1988 festzusetzen seien. Das nach Festschreibung von Gewinnzuschlägen im Beschwerdeverfahren ergangene und den Abgabenbescheid mit der Begründung aufhebende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 28. Februar 2022, RV/2100727/2019, dass die Rechtswirkung der Ausnahmeregelung des §14 Abs11 EStG 1988 auf die beschwerdeführende Gesellschaft übergegangen sei, wurde in Folge einer Amtsrevision des Finanzamts für Großbetriebe vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 8. September 2022, Ro 2022/15/0017, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Demnach sei die Regelung des §14 Abs11 EStG 1988 eine Ausnahmebestimmung, die nur auf Betriebe gewerblicher Art, nicht aber auf übernehmende Körperschaften anwendbar sei.
1.3. Im fortgesetzten Verfahren sprach das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom 19. Oktober 2022 der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes folgend aus, dass der Ausweis der Rückstellung iSd §14 Abs6 und 8 EStG 1988 die beschwerdeführende Gesellschaft jedenfalls zur Wertpapierdeckung verpflichte. Anders als vom Finanzamt vertreten, sei aber den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen, dass neben der Gewinnerhöhung wegen einer Unterdeckung im betreffenden Wirtschaftsjahr auch eine Gewinnerhöhung nach Maßgabe des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu erfolgen habe.
1.4. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §14 Abs7 Z2 und Z3 EStG 1988, BGBl 400, idF BGBl I 24/2007 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 30. November 2023 beschlossen, diese Gesetzesbestimmungen von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
2. Der Verfassungsgerichtshof legt seine Bedenken, dass die konkrete Ausgestaltung der Rechtsfolge des Gewinnzuschlages den Gleichheitsgrundsatz verletzen könnte, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"3.2. Mit Erkenntnis VfSlg 17.962/2006 hat der Verfassungsgerichtshof die Regelung des §14 Abs5 EStG idF BGBl 818/1993 und idF BGBl I 9/1998 sowie des §14 Abs7 Z7 EStG, BGBl 400/1988, als verfassungswidrig aufgehoben. Die in Prüfung gezogene Regelung erwies sich als unsachlich, da der Ausweis der Rückstellung für Anwartschaften auf Abfertigungen wie auch für laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen in der Bilanz, zu deren Bildung der Steuerpflichtige handelsrechtlich und steuerrechtlich verpflichtet ist, mit der Anschaffung von Wertpapieren bestimmter Art und bestimmten Ausmaßes in der Weise verknüpft worden ist, dass eine Unterdeckung von Wertpapieren zu einer Erhöhung des steuerpflichtigen Gewinns führt, obwohl die Wertpapiere für eine Besicherung der durch die Rückstellung zum Ausdruck kommenden Verpflichtungen weder gedacht noch geeignet waren. Da nach der in Prüfung gezogenen Regelung eine Vorsorge für die Bedienung der künftigen Verpflichtungen nicht bewirkt worden ist, war die Bildung der Rückstellungen in unsachlicher Weise mit dem Erfordernis der Wertpapierdeckung verknüpft.
3.3. Mit BGBl I 24/2007 hat der Gesetzgeber in §14 Abs7 EStG geregelt, dass für die Pensionsrückstellungen ein in den Z1 ‑ 4 näher bestimmtes Deckungserfordernis besteht. Nach Z1 müssen Wertpapiere, die in Z4 näher bezeichnet werden, am Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres im Betriebsvermögen im Nennbetrag von mindestens 50% des am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres in der Bilanz ausgewiesenen Rückstellungsbetrages vorhanden sein. §14 Abs7 Z2 EStG bestimmt, dass der Gewinn um 30% der Wertpapierunterdeckung zu erhöhen ist, wenn die Wertpapierdeckung nach Z1 im Wirtschaftsjahr auch nur vorübergehend weniger als 50% der maßgebenden Rückstellung beträgt. Mit BGBl I 24/2007 hat der Gesetzgeber den Prozentsatz von bis dahin 60 % auf 30 % abgesenkt. Für Abfertigungsrückstellungen ist das Erfordernis der Wertpapierdeckung entfallen.
[…]
4.2.1. Zum einen scheint ein jährlicher Gewinnzuschlag von 30 %, solange die Unterdeckung besteht, in Verbindung mit der unternehmens- und steuerrechtlich gegebenen Verpflichtung zur Rückstellungsbildung zu bewirken, dass im Fall einer laufenden, wiederholten oder gar permanenten Unterdeckung – etwa infolge ungünstiger Liquiditätsverhältnisse – die Summe der Gewinnzuschläge innerhalb eines Zeitraumes von etwas mehr als sechs Jahren den Rückstellungsbetrag erreicht bzw überschreitet. In einem solchen Fall hat der Steuerpflichtige anscheinend den Rückstellungsbetrag nachversteuert, ohne dass die späteren Pensionszahlungen als Betriebsausgaben abzugsfähig wären. Der Steuerpflichtige scheint in einem solchen Fall mehr zu versteuern als er als Rückstellung abgezogen hat. Für eine solche Rechtsfolge kann der Gerichtshof vorderhand keine sachliche Rechtfertigung erkennen.
4.2.2. Zum anderen erscheint die Rechtsfolge des Gewinnzuschlages nach §14 Abs7 Z2 EStG 1988 auch insofern unsachlich, als diese für das betreffende Wirtschaftsjahr mit 30 % der Unterdeckung zu ermitteln ist, ohne dass es – sieht man von der Ausnahme der Z3 (Tilgung von Wertpapieren) ab – auf die Dauer oder die Ursache der Unterdeckung ankäme. Für den Verfassungsgerichtshof erscheint es vorderhand sachlich nicht begründet, den Gewinnzuschlag generell mit 30 % einer während des Wirtschaftsjahres eingetretenen Unterdeckung zu berechnen, womit der Gewinnzuschlag im Fall einer während des Wirtschaftsjahres nur vorübergehenden Unterdeckung infolge eines kurzfristigen Liquiditätsengpasses in derselben Höhe anfällt wie im Fall einer im gesamten Wirtschaftsjahr bestehenden dauerhaften Unterdeckung. Da – abgesehen vom Fall der Tilgung – weder die Dauer der Unterdeckung noch deren Ursache im Gesetz Berücksichtigung finden, dürfte im Ergebnis nicht auszuschließen sein, dass durch die Regelung wesentlich ungleiche Fälle gleichbehandelt werden.
4.2.3. Schließlich scheint die Regelung auch insofern unsachlich zu sein, als sie im Fall einer zum Bilanzstichtag bestehenden Unterdeckung zu einem Gewinnzuschlag in zwei Wirtschaftsjahren führen dürfte: §14 Abs7 Z2 erster Satz EStG 1988 sieht im Fall der auch nur vorübergehenden Unterdeckung vor, dass der Gewinn um 30 % der Wertpapierunterdeckung zu erhöhen ist. Besteht am Bilanz-stichtag eines Wirtschaftsjahres eine Unterdeckung, führt diese zu einem Gewinn-zuschlag für dieses Wirtschaftsjahr. Zugleich dürfte aber diese Unterdeckung am Beginn des anschließenden Wirtschaftsjahres zwangsläufig – gleichsam automatisch – bestehen und in jedem Fall einen Gewinnzuschlag für das anschließende Wirtschaftsjahr nach sich ziehen, ohne dass der Steuerpflichtige dem entgegenwirken könnte. Die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, dass ein solches Ergebnis unbillig wäre und daher keine Bedenken bestünden, 'von einem Gewinnzuschlag für das zweite Wirtschaftsjahr Abstand zu nehmen, wenn die fehlenden Wertpapiere innerhalb von zwei Monaten nach Ende des ersten Wirtschaftsjahres nachgeschafft werden' (EStR 2000 Rz 3403b), findet nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes im Gesetz keine Deckung. Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorderhand davon aus, dass die Regelung der. Anordnung eines 'doppelten' Gewinnzuschlages gleichkommt, ohne dass dafür eine sachliche Rechtfertigung zu erkennen wäre.
4.3. Schließlich wird im Gesetzesprüfungsverfahren zu untersuchen sein, ob – vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber mit der in §14 Abs7 Z1 EStG 1988 vorgesehenen Wertpapierdeckung verfolgten Zielsetzung – die Regelungen zum Gewinnzuschlag gemäß §14 Abs7 Z2 und Z3 EStG 1988 sachlich gerechtfertigt sind und inwieweit vorstehende Bedenken im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung dieser Bestimmungen zerstreut werden können."
3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:
"1. Allgemeines
Die Verpflichtung zur Wertpapierdeckung ist nach der Systematik des Steuerrechts nicht geboten. Sie stellt eine Lenkungsnorm im Interesse der Pensions(anwartschafts)berechtigten dar. Die für ihre (ungerechtfertigte) Verletzung vorgesehene Sanktion ist als Gewinnzuschlag konzipiert, der die Steuerbemessungsgrundlage erhöht. Der Gewinnzuschlag ist sohin ein außersteuerliches Sanktionsinstrument: Steuerpflichtige müssen für die Verletzung einer außersteuerlichen Lenkungsvorschrift bei Vorliegen eines Gewinnes eine Erhöhung der Steuerlast und bei Vorliegen eines Verlustes die Kürzung eines vortragsfähigen Verlustes hinnehmen.
Die erforderlichen Deckungswertpapiere sind dauerhaft im Betriebsvermögen zu halten: Denn gemäß §14 Abs7 Z2 EStG 1988 ist ein Gewinnzuschlag dann vorzunehmen, wenn die Wertpapierdeckung nach Z1 im Wirtschaftsjahr 'auch nur vorübergehend' weniger als 50% der maßgebenden Rückstellung beträgt. Eine isolierte, von Z2 losgelöste Auslegung von Z1 könnte zwar den Schluss nahelegen, es wäre in zeitlicher Hinsicht lediglich eine 'Stichtagsbetrachtung' anzustellen, der zufolge ausschließlich die am Bilanzstichtag vorhandenen Wertpapiere für die Beurteilung einer ausreichenden Wertpapierdeckung heranzuziehen wären. Die in Z2 gewählte Wortfolge 'auch nur vorübergehend' bringt jedoch zum Ausdruck, dass nicht bloß eine tagesbezogene, auf den Bilanzstichtag fokussierte Bedeckung mit Wertpapieren, sondern grundsätzlich eine kontinuierliche, durchgängige Bedeckung durch geeignete Wertpapiere erforderlich ist, um einen Gewinnzuschlag für das jeweilige Wirtschaftsjahr abzuwenden. Mit anderen Worten ist es nicht ausreichend, wenn deckungsfähige Wertpapiere im gesetzlich erforderlichen Ausmaß kurz vor dem Bilanzstichtag angeschafft werden – und somit am Schluss des Wirtschaftsjahres (Bilanzstichtag) vorhanden sind – und zu Beginn des Folgewirtschaftsjahres wieder veräußert werden, um sie dann kurz vor dem Bilanzstichtag des Folgewirtschafsjahres wieder zu beschaffen. Das in §14 Abs7 Z2 EStG 1988 festgelegte Prinzip der Dauerdeckung (vgl Doralt, EStG, §14, Tz 59/1) verlangt vielmehr, die Wertpapiere im gesetzlich vorgegebenen Ausmaß während des gesamten Wirtschaftsjahres zu halten. Einzig §14 Abs7 Z3 EStG 1988 nennt zwei Fälle – Absinken der Rückstellung und Wertpapiertilgung – die zu einer Sanktionsbefreiung trotz 'Unterdeckung' führen; in diesem Zusammenhang ist die Rede von einem 'gelockerten Prinzip der Dauerdeckung' (vgl dazu auch Abschnitt 8.6.4.2 der Einkommensteuerrichtlinien 2000).
Im Erkenntnis VfSlg 17962/2006 hat der Verfassungsgerichtshof (übereinstimmend mit der Bundesregierung) zum Ausdruck gebracht, dass die Verknüpfung einer steuerlichen Rückstellungsbindung im Bereich des Sozialkapitals mit einer Wertpapierdeckung dann unbedenklich ist, wenn sie [eine] Besicherung der durch die Rückstellung erfassten ungewissen Verbindlichkeiten bewirkt, somit den künftigen Gläubigern (Arbeitnehmern) eine Sicherheit in Form eines Wertpapierstockes bietet. Mit der Änderung des §14 EStG 1988 durch das Budgetbegleitgesetz 2007, BGBl I Nr 24/2007, wurde dem Erkenntnis durch die Änderung des §14 Abs7 Z1 EStG Rechnung getragen und die erforderliche Sicherungsfunktion als Voraussetzung für die Qualifikation als Deckungswertpapier ausdrücklich gesetzlich verankert.
Kurzum bewirkt die Verpflichtung zur Dauerdeckung in Verbindung mit dem Erfordernis der ausschließlichen Widmung als Deckungsstock zur Besicherung der Ansprüche der aus einer Pensionszusage Berechtigten im Ergebnis, dass die Wertpapiere der wirtschaftlichen Verfügung des Arbeitgebers durch Eigentumsüber-tragung oder Verpfändung außerhalb des Sicherungszweckes entzogen werden.
2. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Nichtabzugsfähigkeit sowie das Ausmaß der Gewinnzuschläge
Der Verfassungsgerichtshof hegt Zweifel dahingehend, dass der Gewinnzuschlag im Falle einer über mehrere Jahre anhaltenden Wertpapierunterdeckung bewirken könne, dass der volle Rückstellungsbetrag 'nachversteuert' werde, ohne dass die späteren Pensionszahlungen als Betriebsausgaben abzugsfähig wären. Zudem könnte eine Kumulierung von Gewinnzuschlägen im Zeitverlauf im Ergebnis eine überschießende und damit einhergehend unsachliche Sanktion darstellen (vgl Rz. 27 des Prüfungsbeschlusses).
2.1. Zu den Bedenken im Hinblick auf die Nichtabzugsfähigkeit der Gewinnzuschläge
Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass die mit der Erhebung eines Gewinnzuschlages verknüpfte Wertpapierunterdeckung keinen Einfluss auf die Rückstellung als solche hat. Die Fortführung der Pensionsrückstellung wird gemäß §14 Abs7 Z2 letzter Satz EStG 1988 durch die Gewinnerhöhung nicht berührt. Folglich wird der Aufwand aus der Pensionszahlung steuerlich vollständig berücksichtigt: Der Gewinnzuschlag sanktioniert dagegen – ohne Einfluss auf die Rückstellungshöhe – die Verletzung einer Lenkungsvorschrift, deren Befolgung der Gesetzgeber mit der Bildung von Pensionsrückstellungen verknüpft hat (vgl dazu näher Teil III.1.). Mangels Verknüpfung zwischen Gewinnzuschlag und Rückstellungsbildung ist es nicht konsistent, diesem den steuerlichen Betriebsausgabenabzug (iZm der Rückstellungsbildung) gegenüberzustellen. Insofern sprechen keine Sachlichkeitsbedenken gegen die Nichtabzugsfähigkeit der Gewinnzuschläge.
2.2. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Ausmaß der Gewinnzuschläge
Wäre die mehrfache Verhängung des Gewinnzuschlages als Sanktion für eine wiederholte (über mehrere Wirtschaftsjahre hinweg auftretende) unzureichende Wertpapierdeckung unzulässig, könnte sich das Unternehmen (Arbeitgeber) dieser Verpflichtung zu Lasten der Arbeitnehmer längerfristig entziehen und eine unzureichende Bedeckung – aufgrund mangelnder weiterer Sanktionen – bewusst in Kauf nehmen; damit einhergehend würde das mit der Wertpapierdeckungsverpflichtung einhergehende Sicherungsziel (vgl dazu Teil III.1.) konterkariert werden. Zur Sicherstellung einer dauerhaften Wertpapierdeckung im Sinne des Gesetzes, muss daher dessen Verletzung auch dann eine Sanktion auslösen, wenn sie mehrfach (in mehreren Wirtschaftsjahren) eintritt.
Im Übrigen wollte der Gesetzgeber durch die Absenkung des Gewinnzuschlages von 60 % auf 30 % mittels Budgetbegleitgesetz 2007, BGBl I 2007/24, gerade vermeiden, dass die zu verhängende Sanktion (Gewinnzuschlag) bei längerfristiger (mehrjähriger) Unterdeckung in ihrer Wirkung als überschießend eingestuft werden kann (vgl ErlRV 43 dB XXIII. GP 19).
2.3. Zum Vorliegen eines Härtefalles
Der Verfassungsgerichtshof weist im Prüfungsbeschluss darauf hin, dass die Kumulation von Gewinnzuschlägen nach etwa sechs Jahren das Ausmaß der Rückstellung übertreffen kann (vgl Rz. 27 des Prüfungsbeschlusses). Das erscheint nach Ansicht der Bundesregierung aber nur in einem in der wirtschaftlichen Realität nicht repräsentativen, besonders gelagerten Einzelfall möglich zu sein, in dem dauerhaft überhaupt keine Wertpapiere gehalten werden. In concreto tritt eine derartige Situation nur ein, wenn die für jedes Wirtschaftsjahr bestehende Deckungspflicht über mehrere Wirtschaftsjahre hindurch anhaltend und mehrfach verletzt wird.
Dieser Ausnahmefall kann nicht der verfassungsrechtliche Maßstab sein, der bei der Ausgestaltung der Sanktion im Falle einer Wertpapierunterdeckung vom Gesetzgeber anzulegen ist; vielmehr darf der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall, dh einen Steuerpflichtigen, der sich in Bezug auf die Verpflichtung zur Wertpapierdeckung grundsätzlich gesetzeskonform verhält, abstellen. Atypische, bloß ausnahmsweise auftretende Härtefälle (so wie hier) machen ein Gesetz noch nicht gleichheitswidrig (vgl VfSlg 14.268/1995; 17.816/2006 sowie VfSlg 8806/1980).
Der Verfassungsgerichtshof selbst führt als möglichen Grund für eine permanente Wertpapierunterdeckung das Bestehen von Liquiditätsengpässen an. Allerdings wird man bei einem Unternehmen, das über Jahre hinweg der Wertpapierdeckungspflicht aufgrund von Liquiditätsengpässen nicht nachkommen kann, davon ausgehen können, dass infolge dieser Liquiditätsengpässe auch der Personalstand – und folglich die zu bedeckenden Personalrückstellungen – nicht über mehrere Jahre in vergleichbarer Höhe bestehen werden. Dies unterstreicht nach Ansicht der Bundesregierung, dass eine Kumulation von Gewinnzuschlägen in einem Ausmaß, das die steuerlichen Auswirkungen aus der Rückstellungsbildung nach wenigen Jahren überschreitet, praktisch nur selten in besonders gelagerten Einzelfällen[auftritt].
Zudem weist die Bundesregierung darauf hin, dass die Sanktion in Form des Gewinnzuschlages nicht zwangsläufig zu einer unmittelbaren liquiditätsbelastenden steuerlichen Zusatzbelastung für den Steuerpflichtigen führen muss. Sollten der nachhaltigen Nichterfüllung der Wertpapierdeckung tatsächlich gravierende Liquidationsengpässe zu Grunde liegen, so werden diese in der Regel mit der Erzielung von Verlusten einhergehen. Diesfalls kürzt der Gewinnzuschlag (nur) den vortragsfähigen Verlust, dessen Verwertung (über den Verlustvortrag in einem späteren Gewinnjahr) aber wieder zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem regelmäßig eine günstigere Liquiditätslage gegeben sein wird. Durch die bloße Kürzung des vortragsfähigen Verlustes selbst hat der Gewinnzuschlag im Verlustentstehungsjahr im Falle einer auf Liquidationsengpässen beruhenden Unterdeckung keine unmittelbare Auswirkung.
2.4. Zwischenfazit
Aus den angeführten Gründen ist ein wiederholter Ansatz des Gewinnzuschlages nach Ansicht der Bundesregierung verfassungsrechtlich nicht nur unbedenklich, sondern vor dem Hintergrund des vom Gesetzgeber mit der Wertpapierdeckung verfolgten und vom Verfassungsgerichtshof bereits als zulässig anerkannten Zweck[es] sogar erforderlich, die der Pensionsrückstellung zu Grunde [liegende] Verpflichtung zur Dauerdeckung nachhaltig für die künftigen Gläubiger (Arbeitnehmer) zu besichern und die damit im Zusammenhang stehenden künftigen Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers abzusichern (vgl bereits Teil III.1.).
Die geltende Rechtslage für die Ermittlung des Gewinnzuschlages knüpft zwar an die Höhe der Unterdeckung (der Pensionsrückstellung) an; daraus darf aber nicht eine zwingende inhaltliche Verknüpfung zwischen der nach Maßgabe der unternehmens- und steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften gebildeten Pensionsrückstellung und dem Gewinnzuschlag als Sanktionsmaßnahme abgeleitet werden.
3. Zu den Bedenken im Hinblick auf die mangelnde Berücksichtigung der Dauer oder der Ursache einer Unterdeckung:
Der Verfassungsgerichtshof äußert Bedenken dahingehend, dass Dauer und Ursache der Unterdeckung bei der Ermittlung des Gewinnzuschlages keine Berücksichtigung fänden (vgl Rz. 29 des Prüfungsbeschlusses).
Dazu erlaubt sich die Bundesregierung auf ihre Ausführungen unter Teil III.2.2. hinzuweisen, wonach der Sanktionsmechanismus bei wiederholter Verletzung der Deckungsverpflichtung im Interesse der Effektivität mehrfach wirken muss, somit auch dann, wenn die Wertpapierdeckungsverpflichtung nachhaltig jeweils in verschiedenen Wirtschaftsjahren verletzt wird. Gerade wenn es verfassungsrechtlich geboten wäre, die Dauer der Wertpapierunterdeckung bei der Verhängung des Gewinnzuschlages zu berücksichtigen, so muss dies auch im Rahmen einer mehrjährigen Betrachtung gelten. Wird die Wertpapierdeckungsverpflichtung nachhaltig über mehrere Jahre verletzt, wirkt sich die Dauer des Verstoßes durch mehrfache Verhängung des Gewinnzuschlages aus. Die geltende Rechtslage trägt diesem Aspekt Rechnung.
Nach §14 Abs7 Z2 EStG 1988 ist die Höhe des Gewinnzuschlages im Wirtschaftsjahr nur vom Betragsausmaß der Unterdeckung abhängig, wobei bei unterschiedlichen Unterdeckungsständen der höchste Betrag für die Bemessung des Gewinnzuschlags maßgebend ist. Das Gesetz verzichtet darauf, dem Aspekt der zeitlichen Dauer der Unterdeckung im jeweiligen Wirtschaftsjahr eine sanktionsrelevante Bedeutung beizumessen, vielmehr richtet sich die Sanktion nach der Schwere des Regelverstoßes, zumal die Höhe der Unterdeckung das Ausmaß des Gewinnzuschlages bestimmt.
Die Berücksichtigung der Dauer einer Unterdeckung im jeweiligen Wirtschaftsjahr erhöht die Komplexität der Sanktionsnorm im beträchtlichen Ausmaß: Denn in diesem Fall müssten die Höhe der Unterdeckung einerseits und ihre zeitliche Dauer andererseits taggenau aufeinander bezogen werden, um Ausmaß und Dauer der Unterdeckung in der Sanktion vollständig abzubilden. Für jeden 'Unterdeckungstag' im Wirtschaftsjahr wäre ein 'Tageszuschlag' zu ermitteln; der gesamte Zuschlag würde sich sodann aus dem Saldo der Tageszuschläge ergeben. Dazu wäre eine zeitliche Abgrenzung von Unterdeckungszeiträumen erforderlich, um auf diese Weise die Unterdeckung nach Betrag und Zeitdauer (pro rata temporis) exakt zu sanktionieren. Es liegt auf der Hand, dass ein derartiges 'taggenaues' Sanktionsregime erheblich komplexer ist, als das derzeit bestehende. Nach Ansicht der Bundesregierung darf daher das zeitliche Ausmaß der Unterdeckung aus verwaltungsökonomischen Gründen unberücksichtigt bleiben.
Dessen ungeachtet weist die Bundesregierung darauf hin, dass die Rechtsprechung bei pauschalierten steuerlichen Sanktionsmechanismen einzelne Härtefälle durch relativ hohe 'Strafzuschläge' immer wieder zugelassen hat (vgl etwa VwGH 4.8.2005, 2001/17/0158, AnwBl 2006, 343ff, der gegen die Vorschreibung eines verschuldensunabhängigen Säumniszuschlags bei einer viertägigen Säumnis keine verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen hat; vgl zum Säumniszuschlag gemäß §164 der Wiener Abgabenordnung, VfSlg 17.077/2003).
Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass die bestehende Rechtslage einen ausgewogenen Sanktionsmechanismus darstellt, um die Erfüllung der Dauerdeckung sicherzustellen: Innerhalb desselben Wirtschaftsjahres bleibt die zeitliche Dauer der Deckungslücke für die Bemessung des Gewinnzuschlages unberücksichtigt, um die Komplexität der Regelung deutlich zu reduzieren. Über einen mehrjährigen Zeitverlauf löst die ungerechtfertigte Verletzung der Deckungsverpflichtung aber in jedem Wirtschaftsjahr – unabhängig von den Verhältnissen der Vergangenheit – eine Strafsanktion aus.
4. Zu den Bedenken im Hinblick auf einen automatischen 'doppelten' Gewinnzuschlag
Der Verfassungsgerichtshof erachtet eine[n] automatischen 'doppelten' Gewinnzuschlag als unsachlich (vgl Rz. 29 des Prüfungsbeschlusses).
Nach Ansicht der Bundesregierung sind die Regelungen zum Gewinnzuschlag einer Auslegung zugänglich, der zufolge die automatische Erhebung eines weiteren Gewinnzuschlages unterbleiben kann. Diese Auslegung ist nach Auffassung der Bundesregierung im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation geboten.
Dass eine 'taggenaue', durchgängige Wertpapierdeckung nicht stets erforderlich ist und es davon Ausnahmen gibt, bringt der Gesetzgeber durch die ausdrückliche – ebenfalls mit §14 Abs7 Z2 EStG 1988 im Zusammenhang stehende – Regelung des §14 Abs7 Z3 zweiter Teilstrich EStG 1988 zur 'Nachbeschaffungsfrist' für Wertpapiere zum Ausdruck, die einer Bedeckung von Pensionsrückstellungen gedient haben aber unterjährig – ohne dass der Steuerpflichtige darauf Einfluss gehabt hätte – getilgt wurden. In solchen Fällen, soll der Steuerpflichtige die Wirkung der Deckungslücke durch Nachbeschaffung binnen einer angemessenen Frist beseitigen können. Die Wertpapierunterdeckung kann in diesem Fall nicht 'nahtlos' behoben werden, weil der Ersatz durch andere deckungsfähige Wertpapiere eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, innerhalb derer dem Steuerpflichtigen – so die Ratio der Norm – die durch Tilgung ausgelöste Wertpapierunterdeckung nicht angelastet werden soll. Diese Frist wurde vom Gesetzgeber für den Fall der Nachbeschaffung von getilgten Wertpapieren mit zwei Monaten festgelegt. Innerhalb dieses Zeitraumes kommt die – grundsätzlich bei nur vorübergehender Unterdeckung eintretende – Sanktion (Gewinnzuschlag) nicht zur Anwendung. Die Frist von zwei Monaten erachtet der Gesetzgeber für die Ersatzbeschaffung von bedeckungsfähigen Wertpapieren als angemessen; innerhalb dieser Zeitspanne kann der Steuerpflichtige den Umstand der Wertpapierunterdeckung ohne Verhängung eines Gewinnzuschlages beseitigen. Tätigt er innerhalb des angemessenen Zeitraums keine die Wertpapierunterdeckung beseitigende Ersatzbeschaffung, ist ihm die Wertpapierunterdeckung anzulasten und der Gewinnzuschlag kommt zum Tragen.
Dieser für die Ersatzbeschaffung von getilgten Wertpapieren ausdrücklich gesetzlich verankerte Regelungsinhalt ist nach Ansicht der Bundesregierung analog auf eine zum Bilanzstichtag bestehende Wertpapierunterdeckung zu übertragen: Der sog 'automatische doppelte Gewinnzuschlag' tritt in zeitlicher Hinsicht nur am Bilanzstichtag, somit am Ende des Wirtschaftsjahres auf; insofern unterscheidet er sich von jeder anderen Unterdeckung im Wirtschaftsjahr.
Indes ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, eine Unterdeckung zum Bilanzstichtag gegenüber einer solchen zu jedem anderen Zeitpunkt des Wirtschaftsjahres durch eine Verdoppelung der Sanktion zu benachteiligen. Eine Rechtslage, die ein offenkundig unsachliches Ergebnis vermeidet, muss eine Möglichkeit vorsehen, die 'Ausstrahlung' der zum Ende des Wirtschaftsjahres bestehenden Wertpapierunterdeckung auf das Folgejahr und damit der Sanktion des doppelten Gewinnzuschlages zu unterbinden. Das Gesetz sieht dafür keine ausdrückliche Regelung vor und ist daher lückenhaft. Die Lücke lässt sich jedoch im Wege eines Analogieschlusses durch Rückgriff auf die Regelung des §14 Abs7 Z3 EStG 1988 zur Tilgung von Wertpapieren schließen. In diesem Sinne stellt die in Rz 3403b der Einkommensteuerrichtlinien 2000 zum Ausdruck gebrachte Ansicht, wonach die Nachbeschaffungsregelung des zweiten Teilstriches der Z3 zur Vermeidung der Verdoppelung des Gewinnzuschlages angewendet werden kann, eine – verfassungsrechtlich gebotene – Schließung der Regelungslücke dar.
§14 Abs7 Z2 in Verbindung mit Z1 und Z3 EStG 1988 ist daher einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich, die einen unsachlichen zwangsweisen doppelten Zuschlag im Falle der Wertpapierunterdeckung zum Bilanzstichtag vermeidet."
4. Die im Anlassfall beschwerdeführende Partei hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie sich den im Prüfungsbeschluss formulierten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes anschließt und hervorhebt, dass die in §14 Abs7 Z2 EStG 1988 normierte Sanktion für den Fall der Unterdeckung eine Nachversteuerung der Rückstellungsbildung, eine steuerliche Neutralisierung von Betriebsausgaben sowie die Besteuerung eines fiktiven Gewinnes bewirke. Dafür sei keine sachliche Rechtfertigung erkennbar.
II. Rechtslage
Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. §14 Abs7 Z1 EStG 1988, BGBl 400, idF BGBl I 34/2015 lautet wie folgt:
"(7) Für die Pensionsrückstellung besteht folgendes Deckungserfordernis:
1. Am Schluss jedes Wirtschaftsjahres müssen Wertpapiere (Z4) im Nennbetrag von mindestens 50% des am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres in der Bilanz ausgewiesenen Rückstellungsbetrages im Betriebsvermögen vorhanden sein. Auf das Deckungserfordernis können Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen, die in der gesonderten Abteilung des Deckungsstocks für die Lebensversicherung im Sinne des §300 Abs1 Z1 oder für die kapitalanlageorientierte Lebensversicherung im Sinne des §300 Abs1 Z5 des VAG 2016 geführt werden, in Höhe des versicherungsmathematischen Deckungskapitals angerechnet werden. Dies gilt auch für vergleichbare Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen gegenüber Versicherern, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes ansässig sind. Ist der Rückkaufswert höher als das versicherungsmathematische Deckungskapital, kann der Rückkaufswert angerechnet werden. Soweit Wertpapiere oder Ansprüche aus Rückdeckungsversicherungen nicht ausschließlich der Besicherung von Pensionsanwartschaften oder Pensionsansprüchen dienen, erfüllen sie nicht das Deckungserfordernis."
2. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des §14 Abs7 Z2 und Z3 EStG 1988, BGBl 400, idF BGBl I 24/2007 lauten wie folgt:
"2. Beträgt die Wertpapierdeckung nach Z1 im Wirtschaftsjahr auch nur vorübergehend weniger als 50% der maßgebenden Rückstellung, ist der Gewinn um 30% der Wertpapierunterdeckung zu erhöhen. Die Fortführung der Rückstellung wird durch die Gewinnerhöhung nicht berührt.
3. Z2 gilt nicht
– für jenen Teil des Rückstellungsbetrages, der infolge des Absinkens der Pensionsansprüche am Schluss des Wirtschaftsjahres nicht mehr ausgewiesen ist, und
– für die Tilgung von Wertpapieren, wenn die getilgten Wertpapiere innerhalb von zwei Monaten nach Einlösung ersetzt werden."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Gesetzesprüfungsverfahren zerstreut werden:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegt in seinem Prüfungsbeschluss Bedenken dahingehend, dass der für die Wertpapierunterdeckung in §14 Abs7 Z2 und Z3 EStG 1988 vorgesehene jährliche Gewinnzuschlag iHv 30 % unsachlich wäre. Zum Ersten könne ein jährlicher Gewinnzuschlag iHv 30 % im Fall einer laufenden, wiederholten oder gar permanenten Unterdeckung dazu führen, dass der Steuerpflichtige anscheinend den Rückstellungsbetrag nachversteuert, ohne dass die späteren Pensionszahlungen als Betriebsausgaben abzugsfähig wären. Auch bestünden zum Zweiten Bedenken dahingehend, dass es bei Ermittlung des Gewinnzuschlages – sehe man von der Ausnahme der Z3 (Tilgung von Wertpapieren) ab – weder auf die Dauer noch auf die Ursache der Unterdeckung ankomme. Und schließlich dürfte die Unterdeckung zum Bilanzstichtag gleichsam automatisch eine Unterdeckung am Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres bewirken, ohne dass der Steuerpflichtige dem entgegenwirken könnte.
2.2. Dem hält die Bundesregierung entgegen, dass die Verpflichtung zur Wertpapierdeckung nach der Systematik des Steuerrechts nicht geboten, sondern eine Lenkungsnorm im Interesse der Pensions(anwartschafts)berechtigten sei. Der Gewinnzuschlag, der als Sanktion für die (ungerechtfertigte) Verletzung der Wertpapierdeckung vorgesehen sei, stelle somit ein außersteuerliches Sanktionsinstrument dar.
Die mit der Erhebung eines Gewinnzuschlages verknüpfte Wertpapierunterdeckung habe keinen Einfluss auf die Rückstellung als solche. Ein wiederholter Ansatz des Gewinnzuschlages sei nach Ansicht der Bundesregierung verfassungsrechtlich nicht nur unbedenklich, sondern vor dem Hintergrund des vom Gesetzgeber mit der Wertpapierdeckung verfolgten Zweckes sogar erforderlich, die der Pensionsrückstellung zugrunde liegende Verpflichtung zur Dauerdeckung nachhaltig für die künftigen Gläubiger (Arbeitnehmer) zu besichern und die damit im Zusammenhang stehenden künftigen Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers abzusichern. Dabei dürfte das zeitliche Ausmaß der Unterdeckung auch aus verwaltungsökonomischen Gründen unberücksichtigt bleiben.
Zu den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf einen automatischen "doppelten" Gewinnzuschlag führt die Bundesregierung zusammengefasst aus, dass die Regelungen zum Gewinnzuschlag einer im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation gebotenen Auslegung zugänglich seien, nach der die automatische Erhebung eines weiteren Gewinnzuschlages für das dem Bilanzstichtag der Unterdeckung folgende Wirtschaftsjahr unter bestimmten Voraussetzungen zu unterbleiben habe.
2.3. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken zu den Regelungen zum Gewinnzuschlag treffen nicht zu:
2.3.1. Für rechtsverbindlich zugesicherte Pensionen sind nach unternehmensrechtlichen Grundsätzen Rückstellungen zu bilden (§198 Abs8 und §211 Abs2 UGB). Bei Gewinnermittlung nach §5 Abs1 EStG 1988 besteht daher auch in der Steuerbilanz eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung nach den Vorgaben des §14 Abs6 bis 11 EStG 1988.
Im Fall einer Rückstellungsbildung müssen spätestens am Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres Wertpapiere im Nennbetrag von mindestens 50 % des am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres in der Bilanz ausgewiesenen Rückstellungsbetrages vorhanden sein (vgl §14 Abs7 Z1 EStG 1988). Entspricht die Wertpapierdeckung im Wirtschaftsjahr auch nur vorübergehend nicht den gesetzlichen Erfordernissen, ist der Gewinn im betreffenden Wirtschaftsjahr um 30 % des Betrages der Unterdeckung zu erhöhen (§14 Abs7 Z2 EStG 1988).
2.3.2. Im Erkenntnis VfSlg 17.962/2006 hat der Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass die Verknüpfung einer steuerlichen Rückstellungsbildung im Bereich des Sozialkapitals mit einer Wertpapierdeckung dann unbedenklich sei, wenn sie eine Besicherung der durch die Rückstellung erfassten ungewissen Verbindlichkeiten bewirke, somit den künftigen Gläubigern (Arbeitnehmern) eine Sicherheit in Form eines Wertpapierstockes biete. Mit der Änderung des §14 Abs7 Z1 EStG 1988 durch das Budgetbegleitgesetz 2007, BGBl I 24/2007, ist die erforderliche Sicherungsfunktion als Voraussetzung für die Qualifikation als Deckungswertpapier ausdrücklich gesetzlich verankert worden.
2.3.3. Vor diesem Hintergrund hat der Gewinnzuschlag die Funktion, die der Pensionsrückstellung zugrunde liegende Verpflichtung durch eine kontinuierliche, durchgängige Bedeckung mit geeigneten Wertpapieren abzusichern, um die Erfüllung der künftigen Ansprüche der Arbeitnehmer und die damit im Zusammenhang stehenden künftigen Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers durch Schaffung und Aufrechterhaltung eines Deckungsstockes zu gewährleisten.
Solche Regelungen mit einer außerfiskalischen Zielsetzung der Verhaltenslenkung stehen dem Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes frei, sofern er sich dabei nicht von vorneherein völlig ungeeigneter Mittel bedient und an sich geeignete Mittel nicht zu sachlich nicht begründbaren Differenzierungen führen (VfSlg 11.369/1987, 19.933/2014, 20.538/2022).
In diesem Zusammenhang kann nicht erkannt werden, dass der in §14 Abs7 Z2 EStG 1988 geregelte Gewinnzuschlag ein völlig ungeeignetes Mittel zur Absicherung der künftigen Ansprüche der Arbeitnehmer wäre. Zu beachten ist vielmehr, dass arbeitsrechtlich nach §11 Betriebspensionsgesetz (BPG), BGBl 282/1990, idF BGBl I 54/2012 die für direkte Leistungszusagen nach §211 Abs2 UGB zu bildenden Pensionsrückstellungen in dem sich nach den Vorschriften des §14 Abs7 EStG 1988 unter Berücksichtigung des §116 Abs4 EStG 1988 ergebenden Ausmaß mit Wertpapieren zu decken sind. Diese Wertpapiere bilden im Insolvenzverfahren des Arbeitgebers eine Sondermasse (§48 Abs1 IO). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes verschafft das vorrangige Befriedigungsrecht den Pensionsberechtigten einen klagbaren Anspruch auf Einrichtung der gesetzlich vorgeschriebenen Wertpapierdeckung (OGH 26.4.2011, 8 Ob A 14/10g).
2.3.4. In Anbetracht der arbeitsrechtlichen, im BPG wurzelnden Zwecksetzung der Wertpapierdeckung vermag der Verfassungsgerichtshof seine Bedenken betreffend den Gewinnzuschlag nicht weiter aufrecht zu erhalten: Verfolgt der Gesetzgeber den Zweck einer Dauerdeckung zur Absicherung von Ansprüchen der Arbeitnehmer, ist es für die Ausgestaltung der Sanktion bei Unterdeckung unerheblich, ob bei einer dauerhaften Unterdeckung das Ausmaß der Gewinnzuschläge nach einer bestimmten Zeitdauer den Rückstellungsbetrag übersteigen kann. Auch kann es nicht auf die Dauer oder Ursache der Unterdeckung ankommen. Entscheidend ist vielmehr, dass der im jeweiligen Wirtschaftsjahr auf Grund einer bestehenden, vom Arbeitgeber nicht ausgeglichenen Unterdeckung zu erhebende Gewinnzuschlag als Sanktion vorgesehen ist, um den Arbeitgeber dazu zu veranlassen, die nach dem BPG bestehenden Ansprüche des Arbeitnehmers fortlaufend zu besichern. Im Gesetzesprüfungsverfahren ist auch nicht hervorgekommen, dass der Gewinnzuschlag für diesen verfolgten Zweck ein völlig ungeeignetes Mittel wäre oder zu unsachlichen Differenzierungen führen würde.
2.3.5. Besteht am Ende des Wirtschaftsjahres eine Unterdeckung, weil der Nennbetrag der in der Bilanz ausgewiesenen Wertpapiere weniger als 50 % der am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ausgewiesenen Rückstellung beträgt, ist für dieses mit dem Bilanzstichtag endende Wirtschaftsjahr der Gewinn um einen Betrag in Höhe von 30 % der Unterdeckung zu erhöhen. Da nach dem Grundsatz des Bilanzzusammenhangs die Schlussbilanz des Wirtschaftsjahres der Eröffnungsbilanz des folgenden Wirtschaftsjahres entspricht, tritt nach dem Wortlaut des §14 Abs7 Z2 EStG 1988 zugleich auch für das dem Wirtschaftsjahr der Unterdeckung folgende Wirtschaftsjahr eine Unterdeckung ein.
Diese Rechtsfolge ist mit dem aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebot nicht vereinbar, da der Gewinnzuschlag eine Sanktion für jenen Fall sein soll, dass der Arbeitgeber im betreffenden Wirtschaftsjahr den Ausgleich einer Unterdeckung unterlässt, und – bezogen auf das folgende Wirtschaftsjahr – die Unterdeckung nicht unmittelbar aus einer Unterlassung des Arbeitgebers, sondern zunächst allein aus der Bilanzidentität resultiert.
Wie die Bundesregierung zutreffend ausführt, lässt sich das Gesetz jedoch verfassungskonform auslegen:
Für den Fall einer Unterdeckung, die in einem Wirtschaftsjahr – ohne Zutun des Arbeitgebers – eintritt, sieht das Gesetz im Fall der Tilgung von Wertpapieren sachangemessen vor, dass die Unterdeckung erst dann zu einem Gewinnzuschlag führt, wenn der Arbeitgeber die Nachschaffung länger als zwei Monate unterlässt. Für die am Bilanzstichtag bestehende Unterdeckung fehlt es zwar an einer expliziten Regelung, die eine durch Bilanzidentität eingetretene Unterdeckung erst dann sanktioniert, wenn die Unterdeckung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes ausgeglichen wird. Der Zweck der Regelung des Gewinnzuschlages gebietet allerdings nach dem Gleichheitsgrundsatz ganz allgemein, eine im betreffenden Wirtschaftsjahr ohne Zutun des Arbeitgebers eingetretene Unterdeckung erst dann zu sanktionieren, wenn diese vom Arbeitgeber nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes ausgeglichen wird. Danach rechtfertigt eine aus der Bilanzidentität resultierende Unterdeckung einen Gewinnzuschlag nach §14 Abs7 Z2 EStG 1988 erst dann, wenn die erforderliche Nachschaffung nicht innerhalb des in Z3 leg.cit. für den Fall der Wertpapiertilgung angeführten Zeitraumes erfolgt.
Vor diesem Hintergrund vermag der Verfassungsgerichtshof eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht zu erkennen.
IV. Ergebnis
1. §14 Abs7 Z2 und Z3 EStG 1988, BGBl 400, idF BGBl I 24/2007 wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)