VfGH V345/2023

VfGHV345/202329.2.2024

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung der VerlustersatzverlängerungV mangels Präjudizialität; keine Anwendbarkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmung im gerichtlichen Anlassverfahren

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z4
ABBAG-Gesetz §3b
VerlustersatzverlängerungsV des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 ABBAG-G BGBl II 343/2021 idF BGBl II 144/2022 Anhang Punkt 4.2.3.
VerlustersatzV des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG-G BGBl II 568/2020 idF BGBl II 113/2022
VfGG §7 Abs1, §57 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2024:V345.2023

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z4 B‑VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Partei,

"der Verfassungsgerichtshof möge die Bestimmung Punkt 4.2.3 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG‑Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO Verlustersatz II, BGBl II Nr 343/2021, idF BGBl II Nr 114/2022) als verfassungswidrig aufheben".

II. Rechtslage

1. §3b des Bundesgesetzes über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG‑Gesetz), BGBl I 51/2014, idF BGBl I 228/2021 lautet:

"Richtlinien zur Gewährung von finanziellen Maßnahmen

 

§3b. (1) Finanzielle Maßnahmen gemäß §2 Abs2 Z7 dürfen nur zu Gunsten von Unternehmen gesetzt werden, die ihren Sitz oder eine Betriebsstätte in Österreich haben und ihre wesentliche operative Tätigkeit in Österreich ausüben.

 

(2) Auf die Gewährung von finanziellen Maßnahmen besteht kein Rechtsanspruch.

 

(3) Der Bundesminister für Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Vizekanzler unter Beachtung der geltenden Vorgaben des EU-Beihilfenrechtes per Verordnung Richtlinien zu erlassen, die insbesondere nachstehende Regelungen zu enthalten haben und die auch im Internet zur Abfrage bereit zu halten sind:

1. Festlegung des Kreises der begünstigten Unternehmen,

2. Ausgestaltung und Verwendungszweck der finanziellen Maßnahmen,

3. Höhe der finanziellen Maßnahmen,

4. Laufzeit der finanziellen Maßnahmen,

5. Auskunfts- und Einsichtsrechte des Bundes oder des Bevollmächtigten.

6. Rückforderungen.

 

(4) Der Bundesminister für Finanzen hat dem Budgetausschuss monatlich einen detailliert dargestellten Bericht, in dem sämtliche Maßnahmen zugunsten von Unternehmen gem. §3b Abs1, die zu Erhaltung der Zahlungsfähigkeit, Vermeidung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Erregers SARS‑CoV‑2 (COVID‑19) geboten sind, die nach diesem Bundesgesetz ergriffen wurden, vorzulegen. Der Bericht hat insbesondere die materiellen und finanziellen Auswirkungen der gesetzten Maßnahmen auszuweisen.

 

(5) Der Bundesminister für Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Vizekanzler in den nach Abs3 zu erlassenden Richtlinien eine betragliche Grenze für jene Fälle vorzusehen, in denen die Höhe einer bereits ausbezahlten anteiligen finanziellen Maßnahme von Aufwendungen des begünstigten Unternehmens abhängt, die für Zeiträume eines behördlichen Betretungsverbotes getätigt wurden und Bestandszinszahlungen beinhaltet haben. Rückforderungen solcher anteiliger finanzieller Maßnahmen haben insoweit zu erfolgen, als sie die betragliche Grenze überschreiten und das Bestandsobjekt infolge des behördlichen Betretungsverbotes tatsächlich nicht nutzbar war. Die betragliche Grenze beträgt EUR 12.500 pro Kalendermonat und begünstigtem Unternehmen und gilt als bewilligt im Sinne des Bundeshaushaltsgesetzes 2013 (BHG 2013), BGBl I Nr 139/2002 idF BGBl I Nr 153/2020.

 

(6) Rückforderungen von anteiligen finanziellen Maßnahmen nach Abs5 bis zur Höhe der betraglichen Grenze haben nur insoweit zu erfolgen, als das begünstigte Unternehmen bezahlte Bestandszinsen nachträglich ganz oder teilweise vom Bestandgeber oder von dritter Seite zurückbekommt.

 

(7) Für den Umfang der Auszahlung von finanziellen Maßnahmen und für die Höhe einer allfälligen Rückforderung nach Abs5 ist die tatsächliche Nutzbarkeit des Bestandsobjektes in jenen Zeiträumen, in welchen das begünstigte Unternehmen direkt von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen war, maßgeblich. Diese tatsächliche Nutzbarkeit kann auch auf der Grundlage des dem Bestandsobjekt zuzurechnenden Umsatzausfalles berechnet werden.

 

(8) Die vorstehenden Abs5 bis 7 treten mit Ablauf des 31. Dezember 2021 in Kraft. Sofern diese Absätze die Behandlung von Rückforderungen betreffen, sind sie auf jene finanziellen Maßnahmen gemäß §2 Abs2 Z7 anzuwenden, die bis zum 31. Dezember 2021 beantragt werden."

2. Der Anhang zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG‑Gesetzes betreffend Richtlinien über die Verlängerung der Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Verlängerung der Gewährung eines Verlustersatzes), BGBl II 343/2021, idF BGBl II 114/2022 lautet auszugsweise wie folgt (die von der antragstellenden Partei angefochtene Regelung ist hervorgehoben):

"3.1 Ein Verlustersatz darf nur zu Gunsten von Unternehmen gewährt werden, bei denen sämtliche nachstehende Voraussetzungen erfüllt sind:

3.1.9 das Unternehmen erleidet in den antragsgegenständlichen Betrachtungszeiträumen gemäß Punkt 4.4.2 insgesamt einen Umsatzausfall von mindestens 50%;

3.1.10 das Unternehmen hat im Rahmen einer Gesamtstrategie schadensmindernde Maßnahmen gesetzt, um die durch den Verlustersatz zu deckenden Verluste zu reduzieren (Schadensminderungspflicht mittels ex ante Betrachtung).

[…]

4.2 Ausgangspunkt für die Ermittlung des Verlustersatzes ist der Verlust, den der Antragsteller in den antragsgegenständlichen Betrachtungszeiträumen aufgrund seiner operativen Tätigkeit im Inland erleidet. Der Verlust ist die Differenz zwischen den Erträgen und den damit unmittelbar und mittelbar zusammenhängenden Aufwendungen des Unternehmens, jeweils bezogen auf die antragsgegenständlichen Betrachtungszeiträume. Aufwendungen und Erträge, die aufgrund von (direkten) Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen verrechnet werden, stellen Aufwendungen und Erträge im Sinne dieser Richtlinie dar, wenn sie unter Berücksichtigung der Schadensminderungspflicht gemäß Punkt 3.1.10 angemessen und fremdüblich sind. Die Weiterverrechnung von Leistungen im Konzern wird zudem nur anerkannt, wenn diese auch vor dem 16. September 2020 verrechnet wurden.

[…]

4.2.3 Aufwendungen, die für Zeiträume, in denen das antragstellende Unternehmen direkt von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen war, getätigt wurden und Bestandszinszahlungen beinhalten, sind bei der Ermittlung des Verlustersatzes nur insoweit zu berücksichtigen, als das jeweilige Bestandsobjekt in den relevanten Zeiträumen tatsächlich für die vertraglich bedungenen betrieblichen Zwecke nutzbar war. Das Ausmaß der tatsächlichen Nutzbarkeit ist anhand geeigneter Aufzeichnungen vom antragstellenden Unternehmen nachzuweisen. Als Nachweis können zwischen Bestandsgeber und Bestandsnehmer rechtswirksam abgeschlossene Vereinbarungen herangezogen werden, die den Grundsätzen des Fremdvergleichs entsprechen und eine endgültige Einigung auf eine aufgrund der eingeschränkten tatsächlichen Nutzbarkeit sachgerechte (ex ante Betrachtung) Bestandszinsminderung beinhalten. Liegt keine diese Voraussetzungen erfüllende Vereinbarung vor, kann die tatsächliche Nutzbarkeit auch vereinfachend anhand des dem Bestandsobjekt zuzurechnenden Umsatzausfalles ermittelt werden; dabei ist der für die Beantragung des Verlustersatzes nach Punkt 4.4 ermittelte Prozentsatz des Umsatzausfalles als Ausgangspunkt der Berechnung heranzuziehen. Insoweit der Umsatzausfall dem Bestandsobjekt zuzurechnen ist, entspricht der sich daraus ergebende Prozentsatz dem prozentuellen Anteil der im Bestandsvertrag vereinbarten Bestandszinsen, der aufgrund der eingeschränkten tatsächlichen Nutzbarkeit des Bestandsobjektes nicht als Aufwendungen geltend gemacht werden kann. Sind nur Teile eines Bestandsobjektes von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen, so können die von einem behördlichen Betretungsverbot nicht betroffenen Flächen bei der Berechnung der tatsächlichen Nutzbarkeit außer Ansatz bleiben, wenn diesen Flächen aufgrund eines gesonderten Ausweises im Bestandsvertrag ein konkreter Teil des Bestandszinses zugeordnet werden kann.

[…]

4.4. Umsätze und Umsatzausfall

4.4.1 Für die Berechnung der Umsätze eines Unternehmens im Sinne dieser Richtlinien ist auf die für die Einkommens- oder Körperschaftssteuerveranlagung oder in der Feststellung gemäß §188 BAO maßgebenden Waren- und/oder Leistungserlöse abzustellen.

4.4.2 Bei der Berechnung des Umsatzausfalls sind ein oder mehrere der folgenden Betrachtungszeiträume zu wählen, wobei sich der Umsatzausfall aus dem Vergleich zu den jeweils entsprechenden Zeiträumen des Jahres 2019 (Vergleichszeiträume) ergibt:

a) Betrachtungszeitraum 1: Juli 2021;

b) Betrachtungszeitraum 2: August 2021;

c) Betrachtungszeitraum 3: September 2021;

d) Betrachtungszeitraum 4: Oktober 2021;

e) Betrachtungszeitraum 5: November 2021;

f) Betrachtungszeitraum 6: Dezember 2021;"

3. Der Anhang zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Gewährung eines Verlustersatzes), BGBl II 568/2020, idF BGBl 113/2022 lautet wie folgt:

"3.1 Ein Verlustersatz darf nur zu Gunsten von Unternehmen gewährt werden, bei denen sämtliche nachstehende Voraussetzungen erfüllt sind:

[…]

3.1.9 das Unternehmen erleidet in den antragsgegenständlichen Betrachtungszeiträumen gemäß Punkt 4.4.2 insgesamt einen Umsatzausfall von mindestens 30%;

3.1.10 das Unternehmen hat im Rahmen einer Gesamtstrategie schadensmindernde Maßnahmen gesetzt, um die durch den Verlustersatz zu deckenden Verluste zu reduzieren (Schadensminderungspflicht mittels ex ante Betrachtung).

[…]

4.2 Ausgangspunkt für die Ermittlung des Verlustersatzes ist der Verlust, den der Antragsteller in den antragsgegenständlichen Betrachtungszeiträumen aufgrund seiner operativen Tätigkeit im Inland erleidet. Der Verlust ist die Differenz zwischen den Erträgen und den damit unmittelbar und mittelbar zusammenhängenden Aufwendungen des Unternehmens, jeweils bezogen auf die antragsgegenständlichen Betrachtungszeiträume. Aufwendungen und Erträge, die aufgrund von (direkten) Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen verrechnet werden, stellen Aufwendungen und Erträge im Sinne dieser Richtlinie dar, wenn sie unter Berücksichtigung der Schadensminderungspflicht gemäß Punkt 3.1.10 angemessen und fremdüblich sind. Die Weiterverrechnung von Leistungen im Konzern wird zudem nur anerkannt, wenn diese auch vor dem 16. September 2020 verrechnet wurden.

[…]

4.2.3 Aufwendungen, die für Zeiträume, in denen das antragstellende Unternehmen direkt von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen war, getätigt wurden und Bestandszinszahlungen beinhalten, sind bei der Ermittlung des Verlustersatzes nur insoweit zu berücksichtigen, als das jeweilige Bestandsobjekt in den relevanten Zeiträumen tatsächlich für die vertraglich bedungenen betrieblichen Zwecke nutzbar war. Das Ausmaß der tatsächlichen Nutzbarkeit ist anhand geeigneter Aufzeichnungen vom antragstellenden Unternehmen nachzuweisen. Als Nachweis können zwischen Bestandsgeber und Bestandsnehmer rechtswirksam abgeschlossene Vereinbarungen herangezogen werden, die den Grundsätzen des Fremdvergleichs entsprechen und eine endgültige Einigung auf eine aufgrund der eingeschränkten tatsächlichen Nutzbarkeit sachgerechte (ex ante Betrachtung) Bestandszinsminderung beinhalten. Liegt keine diese Voraussetzungen erfüllende Vereinbarung vor, kann die tatsächliche Nutzbarkeit auch vereinfachend anhand des dem Bestandsobjekt zuzurechnenden Umsatzausfalles ermittelt werden; dabei ist der für die Beantragung des Verlustersatzes nach Punkt 4.4 ermittelte Prozentsatz des Umsatzausfalles als Ausgangspunkt der Berechnung heranzuziehen. Insoweit der Umsatzausfall dem Bestandsobjekt zuzurechnen ist, entspricht der sich daraus ergebende Prozentsatz dem prozentuellen Anteil der im Bestandsvertrag vereinbarten Bestandszinsen, der aufgrund der eingeschränkten tatsächlichen Nutzbarkeit des Bestandsobjektes nicht als Aufwendungen geltend gemacht werden kann. Sind nur Teile eines Bestandsobjektes von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen, so können die von einem behördlichen Betretungsverbot nicht betroffenen Flächen bei der Berechnung der tatsächlichen Nutzbarkeit außer Ansatz bleiben, wenn diesen Flächen aufgrund eines gesonderten Ausweises im Bestandsvertrag ein konkreter Teil des Bestandszinses zugeordnet werden kann.

[…]

4.4. Umsätze und Umsatzausfall

4.4.1 Für die Berechnung der Umsätze eines Unternehmens im Sinne dieser Richtlinien ist auf die für die Einkommens- oder Körperschaftssteuerveranlagung oder in der Feststellung gemäß §188 BAO maßgebenden Waren- und/oder Leistungserlöse abzustellen.

4.4.2 Bei der Berechnung des Umsatzausfalls sind ein oder mehrere der folgenden Betrachtungszeiträume zu wählen, wobei sich der Umsatzausfall aus dem Vergleich zu den jeweils entsprechenden Zeiträumen des Jahres 2019 (Vergleichszeitraum) ergibt:

(a) Betrachtungszeitraum 1: 16. September 2020 bis 30. September 2020;

(b) Betrachtungszeitraum 2: Oktober 2020;

(c) Betrachtungszeitraum 3: November 2020;

(d) Betrachtungszeitraum 4: Dezember 2020;

(e) Betrachtungszeitraum 5: Jänner 2021;

(f) Betrachtungszeitraum 6: Februar 2021;

(g) Betrachtungszeitraum 7: März 2021;

(h) Betrachtungszeitraum 8: April 2021;

(i) Betrachtungszeitraum 9: Mai 2021;

(j) Betrachtungszeitraum 10: Juni 2021."

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellende Partei betreibt seit Dezember 2011 ein Hotel als Pächterin. Es bestehen zwei Pachtverträge mit zwei verschiedenen Verpächtern; ein Pachtvertrag betrifft das Hotelgebäude an sich und ein zweiter die Premium‑Suiten. Bei beiden verpachtenden Gesellschaften handelt es sich um mit der antragstellenden Partei verbundene Unternehmen im Sinne des §189a (in Verbindung mit §244) UGB.

2. Im Zeitraum vom 3. November 2020 bis einschließlich 18. Mai 2021 war auf Grund der vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erlassenen COVID‑19‑Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl II 461/2020, und der in weiterer Folge erlassenen COVID‑19‑Notmaßnahmenverordnung, BGBl II 479/2020, das Betreten von Beherbergungsbetrieben zu touristischen Zwecken untersagt. Das von der antragstellenden Partei betriebene Hotel war vom 3. November 2020 bis 18. Mai 2021 unbestrittenermaßen gänzlich geschlossen.

3. Am 29. März 2021 stellte die antragstellende Partei bei der COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (in der Folge: COFAG) einen Antrag auf Verlustersatz nach der Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG‑Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung des Verlustersatzes durch die COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Gewährung eines Verlustersatzes), BGBl II 568/2020. Diesem Antrag entsprach die COFAG teilweise: Im Oktober 2021 kam es zu einer Auszahlung von € 929.694,66 (als erste Tranche) und im November 2022 zu einer Auszahlung von € 232.642,09 (als zweite Tranche). Unter Verweis auf Punkt 4.2.3 des Anhanges zur VO über die Gewährung eines Verlustersatzes lehnte die COFAG die Auszahlung des beantragten Restbetrages ab, weil infolge der mangelnden Nutzbarkeit der Bestandsache keine Verpflichtung zur Bezahlung des Bestandzinses außerhalb dieser Zeiträume bestanden habe.

4. Am 17. Februar 2023 brachte die antragstellende Partei Klage gegen die COFAG beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ein. Sie führte aus, dass ihr Betrieb nahezu ausschließlich touristische Gäste beherberge; sie habe den Betrieb zur Reduktion der Kosten und Verringerung der unvermeidbaren Verluste vom 3. November 2020 bis 18. Mai 2021 zur Gänze geschlossen, zumal eine zulässige Beherbergung von Geschäftsreisenden keine taugliche wirtschaftliche Grundlage gewesen sei. Im Dezember 2021 habe sie mit den Verpächtern eine Pachtzinsminderung von 25% rückwirkend für den angeführten Zeitraum der Schließung vereinbart. Die antragstellende Partei sei der Auffassung gewesen, dass sie ohne Einigung mit den Verpächtern verpflichtet gewesen wäre, den vollen Bestandzins für die Zeit des Lockdowns zu zahlen.

5. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien wies das Klagebegehren der antragstellenden Partei mit Urteil vom 5. September 2023 mit der Begründung ab, dass Bestandzinszahlungen bei der Ermittlung des Verlustersatzes gemäß Punkt 4.2.3 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Verlängerung der Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Verlängerung der Gewährung eines Verlustersatzes), BGBl II 343/2021, idF BGBl II 114/2022 nur insoweit zu berücksichtigen seien, als das jeweilige Bestandobjekt in den relevanten Zeiträumen tatsächlich für die vertraglich bedungenen betrieblichen Zwecke nutzbar gewesen sei. Die antragstellende Partei sei hingegen bei der vorliegenden gänzlichen Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes zu einer Reduzierung des Pachtzinses "auf Null" berechtigt und im Sinne der Förderbestimmungen auch verpflichtet gewesen.

6. Gegen dieses Urteil erhob die antragstellende Partei Berufung und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z4 B‑VG gestützten Antrag. Darin legt sie ihre Bedenken gegen die angefochtene Verordnungsbestimmung wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):

"3. Darlegung der Bedenken

 

Die angefochtene Bestimmung der VO Verlustersatz II verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B‑VG. Die antragstellende Partei wird durch diese Regelung in ihren Rechten verletzt.

 

Punkt 4.2.3 des Anhangs zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG‑Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO Verlustersatz II, BGBl II Nr 343/2021, idF BGBl II Nr 114/2022) lautet wie folgt:

 

'Aufwendungen, die für Zeiträume, in denen das antragstellende Unternehmen direkt von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen war, getätigt wurden und Bestandszinszahlungen beinhalten, sind bei der Ermittlung des Verlustersatzes nur insoweit zu berücksichtigen, als das jeweilige Bestandsobjekt in den relevanten Zeiträumen tatsächlich für die vertraglich bedungenen betrieblichen Zwecke nutzbar war. Das Ausmaß der tatsächlichen Nutzbarkeit ist anhand geeigneter Aufzeichnungen vom antragstellenden Unternehmen nachzuweisen. Als Nachweis können zwischen Bestandsgeber und Bestandsnehmer rechtswirksam abgeschlossene Vereinbarungen herangezogen werden, die den Grundsätzen des Fremdvergleichs entsprechen und eine endgültige Einigung auf eine aufgrund der eingeschränkten tatsächlichen Nutzbarkeit sachgerechte (ex ante Betrachtung) Bestandszinsminderung beinhalten. Liegt keine diese Voraussetzungen erfüllende Vereinbarung vor, kann die tatsächliche Nutzbarkeit auch vereinfachend anhand des dem Bestandsobjekt zuzurechnenden Umsatzausfalls ermittelt werden; dabei ist der für die Beantragung des Verlustersatzes nach Punkt 4.4 ermittelte Prozentsatz des Umsatzausfalls als Ausgangspunkt der Berechnung heranzuziehen. Insoweit der Umsatzausfall dem Bestandsobjekt zuzurechnen ist, entspricht der sich daraus ergebende Prozentsatz dem prozentuellen Anteil der im Bestandsvertrag vereinbarten Bestandszinsen, der aufgrund der eingeschränkten tatsächlichen Nutzbarkeit des Bestandsobjektes nicht als Aufwendungen geltend gemacht werden kann. Sind nur Teile eines Bestandsobjektes von einem behördlichen Betretungsverbot betroffen, so können die von einem behördlichen Betretungsverbot nicht betroffenen Flächen bei der Berechnung der tatsächlichen Nutzbarkeit außer Ansatz bleiben, wenn diesen Flächen aufgrund eines gesonderten Ausweises im Bestandsvertrag ein konkreter Teil des Bestandszinses zugeordnet werden kann.'

 

Diese Bestimmung verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 Abs1 B‑VG:

 

3.8. §1104 ABGB, der sowohl für Miet- als auch für Pachtverträge Geltung hat, sieht bei außerordentlichen Zufällen (zu denen nach ständiger Rechtsprechung des OGH auch die COVID‑19 Pandemie zählt) und daraus folgender gänzlicher Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts einen vollständigen Entfall der Zahlungsverpflichtung des Bestandnehmers vor. §1105 ABGB sieht jedoch bei einem beschränkten Restnutzen des Bestandnehmers am Bestandobjekt infolge eines außerordentlichen Zufalls eine Differenzierung zwischen Miet- und Pachtverträgen vor:

 

• Bei Vorliegen eines Restnutzens ist der Mieter gemäß §1105 S 1 ABGB zur aliquoten Mietzinsminderung berechtigt.

• Der Pächter ist gemäß §1105 S 2 ABGB jedoch nur dann zur Minderung berechtigt, wenn es sich um einen Pachtvertrag mit einer Höchstlaufzeit von einem Jahr handelt und der Ertrag um mehr als die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gefallen ist.

 

3.9. Es ist daher für einen Bestandnehmer zunächst zu beurteilen, ob und inwieweit er infolge der behördlichen Maßnahmen, insbesondere in Zeiten eines Lockdowns (behördlichen Betretungsverbots) zur Minderung des Bestandzinses berechtigt ist. Hierbei ergibt sich für einen Mieter jedoch die komfortable Situation, dass auch eine aliquote Minderung (gemessen am beschränkten Gebrauch) gemäß §1105 S 1 ABGB zulässig ist.

 

3.10. Die Prüfung des Minderungsanspruches im Zusammenhang mit einem über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr abgeschlossenen Pachtverhältnisses hat zunächst dahingehend zu erfolgen, ob überhaupt ein Restnutzen vorliegt, um allenfalls in den Genuss einer vollständigen Befreiung von der Pachtzinszahlung (§1104 ABGB) kommen zu können. Kommt diese Prüfung jedoch zu dem Ergebnis, dass ein Restnutzen verbleibt, ist der Pächter – mangels Anwendbarkeit des §1104 ABGB – nicht zu einer Pachtzinsminderung berechtigt. Dabei ist es völlig unerheblich, in welchem Ausmaß ein Restnutzen besteht bzw bestehen könnte.

 

Die einem Pächter zur Verfügung stehende Orientierungshilfe für die Prüfung des Vorliegens eines Restnutzens ist – neben seiner subjektiven unternehmerischen Ansicht – die Rechtsprechung des OGH. Zum Zeitpunkt des politisch verordneten Lockdowns vom 03.11.2020 bis 18.05.2021 lag jedoch noch keine Rechtsprechung des OGH zu einem allfälligen Restnutzen eines Hotels in einem Lockdown vor. Das hat zur Folge, dass der Pächter eine Entscheidung treffen musste, ob bzw inwieweit er eine Minderung des Pachtzinses vornimmt, wobei eine (aliquote) Minderung aufgrund der Regelungen der §§1104f ABGB für Pachtverhältnisse, deren Laufzeit ein Jahr übersteigt, ausgeschlossen ist. Somit konnte der Pächter ausschließlich argumentieren, dass kein Restnutzen vorliegt, um gemäß §1104 ABGB in den Genuss einer Pachtzinsbefreiung kommen zu können. Sollte der Pächter auf diese Ansicht gestützt seine Pachtzinszahlungen eingestellt haben, hat er sich jedoch dem Risiko einer Beendigung des Pachtverhältnisses aus wichtigem Grund (namentlich Nichtzahlung des vertraglich vereinbarten Pachtzinses) ausgesetzt.

 

3.11. In den Jahren 2021 bis 2023 sind eine Vielzahl von höchstgerichtlichen Entscheidungen zu den einzelnen bestandrechtlichen Themen im Zusammenhang mit der COVID‑19 Pandemie und deren Auswirkungen (insbesondere behördlichen Maßnahmen) ergangen. Im Zusammenhang mit einem vorliegenden Restnutzen eines Bestandgegenstandes wurden etwa folgende Rechtsansichten vertreten:

 

• Eine behördliche Schließung könne zu einer Gebrauchsbeschränkung eines Geschäftslokals führen, wobei etwa im Zusammenhang mit einem Reisebüro aufgrund des Betretungsverbots dieser Gebrauchsbeschränkung mit einer Minderung von 30% Rechnung getragen werden könne. Im Übrigen sei das Geschäftslokal noch zum vereinbarten Verwendungszweck, mit Ausnahme der Kundenbetreuung in Präsenz, nutzbar, weil alle Bürotätigkeiten uneingeschränkt durchgeführt werden konnten. […]

• Die Unbrauchbarkeit bzw Unbenützbarkeit eines Bestandobjekts sei – ausgehend vom vereinbarten Geschäftszweck – anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen. Diese Ansicht wurde insbesondere im Zusammenhang mit dem Einrichten und Anbieten eines Abhol- und Lieferservices vertreten. […] Dabei komme es nicht darauf an, ob der Bestandnehmer von dieser objektiv bestehenden Möglichkeit auch subjektiv tatsächlich Gebrauch mache.

• Werde ein Lockdown-Umsatzersatz beantragt und erhalten, könne bei wertender Betrachtung nicht von einer völligen Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts ausgegangen werden. Dies habe bei einem Pachtverhältnis zur Konsequenz, dass für diese Monate (für die ein Lockdown‑Umsatzersatz beantragt und erhalten wurde) ebenfalls der vereinbarte Bestandzins geschuldet werde. […]

 

3.12. Ausgehend von dieser Rechtsprechung musste die antragstellende Partei davon ausgehen, dass keine vollständige Unbrauchbarkeit des Pachtgegenstandes vorgelegen hat, da etwa die Möglichkeit der Beherbergung 'anderer Gäste' (zB Geschäftsreisende) und die Aufrechterhaltung des (mit dem Hotel im Zusammenhang stehenden) Bürobetriebes möglich gewesen wäre. Darüber hinaus wurde auch ein Lockdown‑Umsatzersatz beantragt, sodass nach Ansicht des OGH jedenfalls eine Brauchbarkeit vorgelegen hat.

 

3.13. Im Hinblick auf diese (teilweise auch erst nach der Vereinbarung mit den Verpächterinnen) ergangene Rechtsprechung war es für die antragstellende Partei zum Zeitpunkt des Lockdowns nicht eindeutig erkennbar, ob in ihrem Fall die für eine vollständige Befreiung von der Pachtzinszahlungsverpflichtung notwendige völlige Unbrauchbarkeit des Pachtgegenstandes vorgelegen ist. Aus nachvollziehbaren Gründen hat sich die antragstellende Partei dazu entschieden, an dem Pachtvertrag festzuhalten und weiterhin Pachtzinszahlungen vorzunehmen. Auch ist es aus heutiger Sicht nicht eindeutig zu beurteilen, ob nicht anhand eines objektiven Maßstabes eine Brauchbarkeit des Pachtgegenstandes vorgelegen wäre. Da eine teilweise Brauchbarkeit (auch im Sinne eines Restnutzens) wohl – auch aufgrund der oben auszugsweise dargelegten Rechtsprechung – nicht ausgeschlossen werden kann, hätte die antragstellende Partei wohl zu keinem Zeitpunkt eine vollständige Minderung des Pachtzinses herbeiführen können. Da jedoch die §§1104f ABGB keine aliquote Minderung bei Pachtverträgen, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt, gewähren, war die Zahlung des vertraglich vereinbarten Pachtzinses durch die antragstellende Partei der einzig gangbare Weg.

 

Im Ergebnis lag daher keine vollständige Unbrauchbarkeit des gepachteten Hotelbetriebes vor und trifft nach der Regelung des §1105 Abs2 ABGB den Pächter – ohne eine abweichende vertragliche Vereinbarung mit dem Verpächter – die Verpflichtung, den Pachtzins weiterhin in voller Höhe zu bezahlen. Im Lichte der oben auszugsweise dargestellten Judikatur stellt die zwischen den Pachtvertragsparteien getroffene Vereinbarung über die Reduktion von 25% einen Erfolg für die antragstellende Partei dar, die somit jedenfalls auch ihrer Schadensminderungspflicht im Zusammenhang mit den Förderinstrumenten der Republik Österreich nachgekommen ist.

 

3.14. Punkt 4.2.3 der Richtlinien differenziert im Gegensatz zu den – oben thematisierten – Bestimmungen der §§1104 und 1105 ABGB nicht zwischen Miete und Pacht, sondern spricht pauschal nur von 'Bestandobjekten' und 'Bestandszinszahlungen'. Diese Differenzierung ist im konkreten Fall jedoch wesentlich und greift die Rechtsansicht, dass ein außerordentlicher Zufall jedenfalls zu einer gänzlichen Unbrauchbarkeit des Hotels der antragstellenden Partei und damit verbunden zu einem gänzlichen Entfall der Zinszahlungsverpflichtung des Bestandnehmers führen würde, jedenfalls zu kurz.

 

Wie bereits oben dargelegt, war es der antragstellenden Partei nicht möglich, den Pachtzins nicht zu zahlen, da auch nach der Rechtsprechung des OGH weiterhin davon ausgegangen werden musste, dass eine, wenn auch nur geringe, Brauchbarkeit des Pachtgegenstandes gegeben war.

 

3.15. Es ist deshalb unsachlich, wenn sich der Verordnungsgeber in Punkt 4.2.3 der Richtlinien über eine seit dem Inkrafttreten des ABGB im Jahr 1812 verankerte Trennung zwischen Miete und Pacht hinwegsetzt und die unterschiedlichen Rechtsfolgen bei einer teilweisen Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts als Ausfluss eines außerordentlichen Zufalls schlichtweg negiert.

 

Es ergibt sich somit der unauflösbare Widerspruch zwischen dem 'allgemeinen Zivilrecht' und den Richtlinien. Gemäß §1105 S 2 ABGB hat der Pächter wegen des verbliebenen Gebrauchsnutzen des Bestandobjektes den vollständigen Pachtzins zu bezahlen. Dieser Verpflichtung wird jedoch bei der Berechnung des Verlustersatzes nicht Rechnung getragen, weil die getroffene Vereinbarung – ohne inhaltliche Begründung – als nicht anwendbar erachtet wird und ein gänzlicher Entfall der Pachtzinszahlungsverpflichtung angenommen wird (die für den Pächter zivilrechtlich überhaupt nicht durchsetzbar ist).

 

3.16. Es ist umso bemerkenswerter, dass selbst der Verordnungsgeber von einer unsachgerechten Differenzierung ausgeht: Bekanntermaßen hat die EU‑Kommission erkannt, dass die österreichischen COVID‑19 Förderungen beihilfenrechtswidrig durchgeführt wurden (insbesondere im Zusammenhang mit den Höchstgrenzen für Unternehmensverbunde). In der Folge hat es Konsultationen zwischen der Republik Österreich und der EU‑Kommission gegeben, wobei die EU‑Kommission einer Sanierung durch eine neue – von der Republik Österreich zu erlassende – Richtlinie/Verordnung zugestimmt hat und diese inhaltlich bereits genehmigt haben soll. Diese 'Sanierungs-Richtlinie' wurde derzeit noch nicht erlassen, liegt allerdings seit Anfang August im Entwurf vor. Teil dieser 'Sanierungs‑Richtlinie' ist der Schadensausgleich, wobei der Schaden wie folgt definiert wird:

 

'Schaden: Schaden ist die Differenz des in einem Betrachtungszeitraum ermittelten Ergebnisses im Vergleich zum Ergebnis, das im entsprechenden Zeitraum des Vergleichszeitraums erzielt wurde, sofern die Differenz negativ ist (Fehlbetrag) unter Berücksichtigung folgender Faktoren:

Das Ergebnis (für einen Betrachtungszeitraum nach Punkt 8 und für einen Vergleichszeitraum) ist im Sinne der Ermittlung des Verlusts nach Punkt 4.2 RL Verlustersatz zu ermitteln, wobei Aufwendungen für Bestandzinszahlungen, abweichend von Punkt 4.2.3 der RL Verlustersatz, in der tatsächlich geleisteten Höhe berücksichtigt werden dürfen.

[…]'

 

Es ist bemerkenswert, dass ausdrücklich von Punkt 4.2.3 der Richtlinien abgewichen wird und Bestandzinszahlungen in der tatsächlich geleisteten Höhe berücksichtigt werden dürfen. Da in diesem Zusammenhang Punkt 4.2.3 der Richtlinien 'außer Geltung' gesetzt wird, lässt darauf schließen, dass dem Verordnungsgeber eine (bisherige) unsachgemäße Gleichstellung von Miet- und Pachtverhältnissen bewusst ist und dieser Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 Abs1 B‑VG ebenfalls mit dem vorliegenden Richtlinien‑Entwurf 'saniert' werden soll.

 

3.17. Punkt 4.2.3 der Richtlinien verstößt in einem weiteren Aspekt gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 Abs1 B‑VG:

 

• Ein Bestandnehmer hat während der Zeit, in denen sein Unternehmen (konkret: der Hotelbetrieb) von einer unmittelbar staatlich verordneten Betriebsbeschränkung (Schließung infolge Betretungsverbot) betroffen war, keine Möglichkeit, die für diesen Zeitraum dennoch anfallenden Bestandzinse im Rahmen der Berechnung des Verlustersatzes zu berücksichtigen und damit (durch die daraus resultierende Erhöhung des Verlustes) teilweise ersetzt zu bekommen.

• Allerdings wird bei Unternehmern, deren Betriebsstätte in ihrem Eigentum steht, gemäß Punkt 4.2.2 der Richtlinien die planmäßige Abschreibung für Wirtschaftsgüter (AfA) in voller Höhe berücksichtigt und führt zu einer Erhöhung des ersatzfähigen Verlustes.

 

3.18. Aus Punkt 2.9. der FAQS ergibt sich, dass die AfA nach den Vorschriften der §§7 und 7a EStG (unter Berücksichtigung der Sonderformen der AfA gemäß §8 EStG, zB für Anschaffungs- und Herstellungskosten für Gebäude) zu ermitteln ist. Der daraus resultierende Betrag kann vom Antragsteller für den gewählten Betrachtungszeitraum in voller Höhe in Anspruch genommen werden. Der vom Bestandnehmer zu bezahlende Bestandzins entspricht der AfA eines Eigentümers für die Nutzung des Bestandobjekts. Dies führt im Ergebnis zu einer nicht sachgerechten Bevorzugung von Liegenschaftseigentümern gegenüber Bestandnehmern und damit zu einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Eine sachliche Rechtfertigung für die aufgezeigte Besserstellung von Liegenschaftseigentümern gegenüber Bestandnehmern ist nicht gegeben.

 

3.19. Diese sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung wiegt umso schwerer, weil

 

• die AfA nicht liquiditätswirksam ist; eine Bestandzinszahlung jedoch sehr wohl; und

• die antragstellende Partei als Pächterin – ohne Einigung mit den Verpächterinnen – verpflichtet gewesen wäre, gemäß §1105 S 2 ABGB während des Lockdowns von November 2020 bis Mai 2021 den vertraglich vereinbarten Pachtzins in voller Höhe zu bezahlen.

 

3.20. Der Gleichheitssatz verbietet nicht nur, Gleiches ungleich zu behandeln ('Verbot unsachlicher Differenzierung'), sondern verbietet es auch, Ungleiches unsachlicherweise gleich zu behandeln ('Gebot differenzierender Regelungen'). Im vorliegenden Fall sind beide Fallgruppen des Gleichheitssatzes erfüllt:

 

• Einerseits verstößt die in Punkt 4.2.3 der Richtlinien bestimmte unsachgemäße Gleichstellung von Miete und Pacht gegen das Gebot differenzierender Regelungen und

• andererseits verstößt die aus Punkt 4.2.3 der Richtlinien erfließende unsachliche Ungleichbehandlung von Liegenschaftseigentümern gegenüber Bestandnehmern gegen das Verbot unsachlicher Differenzierung.

 

3.21. Bei Wegfall der Bestimmung des Punktes 4.2.3 der Richtlinien könnte grundsätzlich der tatsächlich aufgrund der Vorgaben der zivilrechtlichen Bestimmungen (§§1104 und 1105 ABGB) von der antragstellenden Partei geleistete Pachtzins bei der Berechnung des Verlusts berücksichtigt werden. Darüber hinaus würde bei Wegfall dieser Bestimmung die antragstellende Partei gegenüber Hotelbetreibern, die Eigentümer der Hotelliegenschaft sind und die AfA bei der Berechnung des Verlustersatzes berücksichtigen dürfen, gleichgestellt sein. Im Übrigen könnte die COFAG aufgrund von Punkt 3.10 der Richtlinien, der die Einhaltung der 'Schadensminderungspflicht mittels ex ante Betrachtung' als Voraussetzung für die Gewährung eines Verlustersatzes bestimmt, die Höhe der von Pächtern bei der Berechnung des Verlusts angesetzten Pachtzinszahlungen dahingehend prüfen, ob diese in Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu den zivilrechtlichen Bestimmungen (§§1104 und 1105 ABGB) stehen. Sollte die COFAG zu der Ansicht gelangen, dass die von einem Pächter angesetzten Pachtzinszahlungen nicht oder nicht zur Gänze bei der Berechnung des Verlusts zu berücksichtigen sind, könnte sie diese Position (Pachtzinszahlungen) unter Hinweis auf Punkt 3.10 der Richtlinien korrigieren.

 

3.22. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmung des Punktes 4.2.3 der Richtlinien erst durch eine Änderung der VO Verlustersatz II mit BGBl II 114/2022 im Frühjahr 2022 und somit über ein Jahr nach Erlassen der VO Verlustersatz II Eingang in die VO Verlustersatz II gefunden hat. Daraus ist erkennbar, dass bis zum diesem Zeitpunkt (Frühjahr 2022) die Abwicklung der Anträge auf Gewährung eines Verlustersatzes aufgrund der VO Verlustersatz II auch ohne den Punkt 4.2.3 der Richtlinien erfolgen konnte. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb zu einem späteren Zeitpunkt eine Regelung in die VO Verlustersatz II aufgenommen wurde, die aufgrund einer unsachgemäßen Gleichstellung von Miete und Pacht eindeutig gegen das Gebot differenzierender Regelungen verstößt.

Ein Wegfall dieser Bestimmung würde somit die Rechtslage vor der Änderung der VO Verlustersatz II durch das BGBl II 114/2022 herstellen."

7. Der Bundesminister für Finanzen erstattete eine Äußerung, in der auf die Zulässigkeit des Antrages nicht eingegangen wird; den Bedenken der antragstellenden Partei hält der Bundesminister für Finanzen inhaltlich Folgendes entgegen (ohne die Hervorhebung im Original):

"III. In der Sache:

 

[…] 2. Da infolge der COVID‑19‑Pandemie zahlreiche Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, hat die Bundesregierung umfassende Hilfsmaßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft vorgesehen. Die in diesem Zusammenhang ausgegebenen Förderungen werden durch Beiträge der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler finanziert. Es handelt sich demnach um einen 'Solidaritätstopf', der sicherstellt, dass gemeinschaftliche Herausforderungen bestmöglich gemeistert werden. Im Sinne dieses Solidaritätsgedankens und zur Sicherstellung, dass für alle Förderungen des Bundes 'einheitliche steuerliche Standards gelten, deren Einhaltung Voraussetzung für den Erhalt einer Förderung sind', wurde der Bundesminister für Finanzen mit der Verordnungsausgestaltung betraut.

 

Im Bereich der Förderverwaltung, die überwiegend im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung abgewickelt wird, gilt das (strenge) Legalitätsprinzip (wie in der Hoheitsverwaltung) hingegen nicht. Deshalb braucht es in der Privatwirtschaftsverwaltung keiner gesetzlichen Grundlage zum Tätigwerden der Verwaltung. Das ABBAG‑Gesetz sowie die verfahrensgegenständlichen Förder-RL, welche die angefochtenen Bestimmungen beinhalten, sind daher in Wirklichkeit reine 'Selbstbindungs- bzw Statutarnormen', die sich lediglich an die Verwaltung (im funktionellen Sinn, dh auch an die Förderstelle COFAG) richten. Die potentiellen Förderempfänger können daraus aber keine Rechte ableiten (Kahl, Art17 B‑VG, in: Kneihs/Lienbacher, Rill-Schäffer-Kommentar B‑VG, Rz 5).

 

Hier geht es um die Gewährung von Förderungen durch zivilrechtlichen Vertrag, auf die nach §3b Abs2 ABBAG‑Gesetz kein Rechtsanspruch besteht.

 

Wirtschaftliche Überlegungen

 

3. Neben dem allgemeinen Ziel der Begrenzung des Insolvenzrisikos, dem Unternehmen pandemiebedingt ausgesetzt waren und der Vermeidung eines drastischen Anstiegs der Arbeitslosigkeit, welches die durch die österreichische Bundesregierung gesetzten Maßnahmen verfolgen, dienen jene Maßnahmen, die durch die Förder-RL des Bundesministers für Finanzen auf Grundlage des ABBAG‑Gesetzes umgesetzt wurden, im Besonderen der Erhaltung der Zahlungsfähigkeit von Unternehmen sowie der Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten, die auf die COVID‑19-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen zurückzuführen sind.

 

Die Zielerreichung in Bezug auf Maßnahmen des Bundesministeriums für Finanzen erfolgt bekanntlich durch Garantien sowie durch (nicht rückzahlbare) Direktzuschüsse. Die gegenständliche Förderung ist als Direktzuschuss ausgestaltet.

 

Der Verlustersatz, welcher den Beihilfenzeitraum 16. September 2020 bis 30. Juni 2022 umfasst, dient der Abdeckung von Verlusten, die durch ungedeckte Fixkosten entstanden sind.

 

Die durch die Förder‑RL des Bundesministers für Finanzen ausgestalteten und von der COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) zu genehmigenden und auszuzahlenden Direktzuschüsse dienen unterschiedlichen Zwecken: So ersetzt der Fixkostenzuschuss I unmittelbar durch den Ausbruch der Pandemie im Frühjahr und Sommer 2020 verursachte Schäden (Anmerkung: Der Ausbruch der Pandemie wurde von der Europäischen Kommission als Naturkatastrophe anerkannt). Der Verlustersatz sowie der Fixkostenzuschuss 800.000 unterstützen Unternehmen bei der Abdeckung von Verlusten und Fixkosten, die durch die pandemie-bedingte Wirtschaftskrise ab Herbst 2020 entstanden sind. Der Umsatzersatz soll den Unternehmen in vom Lockdown in den Monaten November und Dezember 2020 besonders betroffenen Branchen Teile des Umsatzes ersetzen. Der Ausfallsbonus wiederum besteht aus einem auf den Umsatzausfall bezogenen Bonus sowie aus einem Vorschuss auf den Fixkostenzuschuss 800.000.

 

4. Ungeachtet der Bezeichnung der Förder‑RL als 'Verordnung' und der Publikation im Bundesgesetzblatt sind diese – materiell betrachtet – in verfassungskonformer Interpretation wohl lediglich als innenwirksame, die 'Förderverwaltung' (COFAG) bindende Enunziation zu verstehen, aus denen die einzelnen Förderwerber keine Rechte ableiten können (Kahl, Art17 B‑VG, in: Kneihs/Lienbacher, Rill-Schäffer-Kommentar B‑VG, Rz 5.). Es ist daher nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen fraglich, ob die – hier verfahrensgegenständliche – Förder‑RL gegenüber dem einzelnen Rechtsunterworfenen unmittelbare Rechtswirkungen erzeugen können; sie richten sich ausschließlich an die COFAG als Förderstelle. Das deshalb, weil – wie der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg 15.430/1999 feststellte – Selbstbindungsgesetze nicht zu hoheitlichem Vollzug ermächtigen dürfen. Die Erlassung von (Rechts‑)Verordnungen, würde man die Förder‑RL als solche qualifizieren, würde sich jedoch als Akt der Hoheitsverwaltung darstellen. In der gebotenen verfassungskonformen Interpretation ist somit eine aufgrund eines Selbstbindungsgesetzes ergangene Enunziation eines Bundesministers zu sehen.

 

5. Mit den ergänzenden Bestimmungen der §§3b Abs5 bis 8 ABBAG-Gesetz (zuletzt geändert durch BGBl I 2021/228) wurde angeordnet, dass in den maßgeblichen Verordnungen bzw Richtlinien zu regeln ist, dass anteilige Rückforderungen in jenen Fällen, in denen Zuschüsse bereits ausbezahlt wurden und der darin enthaltene Anteil für Bestandszinszahlungen über 12.500 Euro pro Kalendermonat beträgt und die betreffenden Bestandsobjekte infolge eines behördlichen Betretungsverbots tatsächlich nicht nutzbar waren, zwingend zu erfolgen haben. Zum Begehren der Antragstellerin wird festgehalten, dass die in der og. Verordnung getroffene Regelung zu Bestandzinsen zum Ziel hat, nur solche Aufwendungen finanziell durch Förderungen auszugleichen, die tatsächlich – auf Grund tatsächlicher Nutzbarkeit (vertraglich bedungene betriebliche Zwecke) der Bestandobjekte – angefallen sind. Ob dem Bestandverhältnis ein Miet- oder Pachtvertrag zu Grunde liegt, ist unerheblich.

 

Zur Unterscheidung von Miete und Pacht gemäß Erkenntnis des VfGH

 

6. Im Erkenntnis des VfGH zu G279/2021 wurde entschieden, dass die Differenzierung des dispositiven §1105 ABGB, wonach bei Fällen des außerordentlichen Zufalls Mietverträge und Pachtverträge in Bezug auf die zustehende Zinsminderung bei vorhandener Gebrauchsbeeinträchtigung (Teilnutzbarkeit) unterschiedlich behandelt werden, verfassungskonform ist. Die Unterscheidung ist demnach sachlich gerechtfertigt, weil der Pächter im Fall einer guten Entwicklung des Pachtobjekts auch von erhöhten Erträgen profitiert, während ihm der Gesetzgeber in der angefochtenen Bestimmung das Risiko außergewöhnlicher Zufälle zuweist. (siehe dazu auch Punkt 2.1.4.3 und 2.1.4.4. des Erkenntnisses G279/2021)

 

Diese Erkenntnis steht insofern der für die COFAG hier einschlägigen Bestimmung der VO nicht entgegen, als es den Bestandnehmern unbenommen bleibt, bezüglich des Teils des Bestandzinses, der nicht durch staatliche Fördergelder bezuschusst wurde, entweder – bei Mietverträgen – mit den Vermietern eine zivilrechtliche Lösung zu finden oder aber – bei Pachtverträgen – es den Pächtern obliegt, durch wirtschaftliches Geschick ertragsschwache Jahre durch ertragsstärkere wieder auszugleichen.

 

Durch die Gleichbehandlung von Miete und Pacht in Punkt 4.2.3 der VO Verlustersatz wird der vom ABGB-Gesetzgeber intendierten und vom VfGH für verfassungskonform erklärten unterschiedlichen Gefahrtragung bei Miete und Pacht entsprochen: Sowohl Pächter als auch Mieter erhalten jene Zahlungen, die sie für die vertragliche Nutzbarkeit des jeweiligen Bestandobjekts tätigten, durch anteilige Förderungen erstattet. Für den nicht nutzbaren und folglich nicht bezuschussten Teil des Bestandzinses werden beide Bestandnehmer auf die zivilrechtlichen Regelungen verwiesen. Im Ergebnis können sich Mieter daher bei Ihren Vermietern schadlos halten, während Pächter ihre Kosten durch 'Fleiß und Mühe' in der späteren Entwicklung aufholen können.

 

Würde nun die VO Verlustersatz bei Pachtverträgen keine Bestandzinsreduktion verlangen, so wären Pächter – in Widerspruch zum klaren Willen des ABGB – insofern bessergestellt als Mieter, als der Pächter im Sinne der dispositiven Gefahrtragungsregelung des §1105 ABGB (sofern diese Regelung nicht vertraglich abbedungen / abgeändert wurde) sowohl von wirtschaftlich guten Jahren überdurchschnittlich profitieren und als auch eine Förderung für das zeitweise nicht nutzbare Bestandobjekt erhalten würde. Von der vom ABGB normierten unterschiedlichen Gefahrtragung würde dadurch auf Kosten der Steuerzahler abgewichen werden: Dies würde dem Pächter einen doppelten wirtschaftlichen Vorteil verschaffen indem dieser sowohl durch wirtschaftlich ertragreiche Jahre (vorgelagerte, als auch nachgelagerte Wirtschaftsjahre) als auch die zugestandenen Förderungen profitieren könnte.

 

Der Gesetzgeber darf einfach handhabbare Regelungen treffen

 

7. Im oben erwähnten Erkenntnis G279/2021 wird zudem durch den VfGH ausdrücklich festgehalten, dass der Gesetzgeber innerhalb der Schranken des Gleichheitssatzes von Verfassungs wegen die Möglichkeit hat, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (Punkt 2.1.4.1). Dazu der VfGH: 'Er [Anm: der Gesetzgeber] kann im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes einfache und leicht handhabbare Regelungen treffen (zB VfSlg 10.455/1985, 11.616/1988, 15.674/1999, 20.224/2017; siehe dazu auch G202/2020).' Dass der Gesetzgeber in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist und einen entsprechenden Gestaltungsspielraum hat, wird auch im Urteil des Handelsgerichts Wien zu 41 Cg 78/21k festgehalten, mögen diese auch in Einzelfällen Härten mit sich bringen.

 

Die im §§3b Abs5 bis 8 ABBAG-Gesetz sowie folglich in der VO Verlustersatz vorgenommene Regelung zu Bestandzinsen entspricht und entspringt eben diesem Grundsatz: für die Abwicklung der Förderung Verlustersatz (sowie auch für weitere durch die COFAG gewährte Zuschüsse) wurde eine einfache und leicht handhabbare Regelung geschaffen, die es der COFAG ermöglicht, ausschließlich anhand der tatsächlichen Nutzbarkeit eines Bestandobjekts zu beurteilen, ob eine anteilige Förderung zu gewähren ist oder nicht. Es liegt auf der Hand, dass es operativ unmöglich wäre, bei tausenden Antragstellerinnen jeden einzelnen Bestandvertrag für jedes Bestandobjekt dahingehend zu prüfen, ob Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht vorliegt. Dies widerspräche klar dem Grundsatz der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit und damit einem tragenden Prinzip im öffentlichen Recht. Die angefochtene Regelung wurde im Sinne der Erhöhung der Verwaltungsökonomie getroffen und ermöglicht eine wirtschaftliche Bearbeitung der Anträge. Diesbezüglich wird auch im genannten VfGH‑Erkenntnis unter Punkt 2.1.4.2 eine für den vorliegenden Fall maßgebliche Feststellung getroffen: der VfGH hält fest, dass das antragstellende Gericht [Anm: Bezirksgericht Meidling] zutreffend drauf hinweist, dass (Geschäftsraum‑)Miete und Unternehmenspacht teilweise schwierig voneinander abzugrenzen sein können. Somit erkennt auch der VfGH an, dass eine Unterscheidung zwischen Miete und Pacht schwierig ist (gleichlautend mit entsprechender OGH Judikatur zu dieser Thematik). Eine solche Beurteilung für tausende Bestandverträge vorzunehmen, wäre nur mit enormem und unverhältnismäßigem Ressourceneinsatz möglich.

 

Zusätzlich wird durch den VfGH Folgendes klargestellt (Punkt 2.1.4.1): 'Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000, 16.814/2003 und 20.343/2019). Geht der Gesetzgeber bei einer Regelung von einer in verfassungsrechtlich zulässiger Weise nachvollziehbaren Durchschnittsbetrachtung aus, ist diese Regelung aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht zu beanstanden, mögen dadurch in manchen Fällen auch Ergebnisse erzielt werden, die als unbefriedigend empfunden werden. Sollte folglich eine Regelung als 'nicht zweckmäßig' oder im Einzelfall 'unbefriedigend' empfunden werden, bedeutet dies nicht, dass sie gleichheitswidrig bzw verfassungswidrig ist. Die Regelungen des ABBAG-Gesetzes wie auch in der VO Verlustersatz zu Bestandzinsen stellen darauf ab, dass Zahlungen von Bestandnehmern nur insoweit bezuschusst werden, als das Bestandobjekt für die vertraglichen bedungenen betrieblichen Zwecke genutzt werden konnte. Diese Betrachtung ermöglicht eine nachvollziehbare und zielgerichtete Bezuschussung von Bestandzinsen. Beide – Mieter als auch Pächter – verfügen über die gleiche Ausgangsbasis. Darüber hinaus sind Mieter und Pächter auf die Regelungen des ABGB verwiesen.

 

8. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bestätigte mit seinem Urteil zu GZ 7 Cg 31/23i vom 5. September 2023 die Ansicht der COFAG. Dabei hält das Gericht in seiner rechtlichen Beurteilung fest, dass zu den angefochtenen Punkten keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

 

Darüber hinaus wird angemerkt, dass Punkt 4.2.3 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG‑Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO Verlustersatz II, BGBl II Nr 343/2021, idF BGBl II Nr 114/2022) nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen nicht gesetz- und verfassungswidrig ist.

 

9. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtene Bestimmung nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen nicht gesetz- und verfassungswidrig ist."

IV. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß Art139 Abs1 Z4 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §57a VfGG kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, die Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

Ein auf Art139 Abs1 Z4 B‑VG gestützter Antrag auf Aufhebung einer Verordnung (oder von bestimmten Stellen einer Verordnung) kann gemäß §57 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn die Verordnung vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw die Gesetzmäßigkeit der Verordnung eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art139 Abs1 Z4 B‑VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl VfSlg 20.010/2015, 20.029/2015).

2. Es ist auszuschließen, dass der von der antragstellenden Partei angefochtene Punkt 4.2.3 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG‑Gesetzes betreffend Richtlinien über die Verlängerung der Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Verlängerung der Gewährung eines Verlustersatzes), BGBl II 343/2021, idF BGBl II 114/2022– entgegen den Ausführungen der antragstellenden Partei, aber auch den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichtes im Urteil im Ausgangsverfahren – im gerichtlichen Anlassverfahren anwendbar ist.

Gemäß Punkt 4.4.2 des Anhanges zur – von der antragstellenden Partei angefochtenen – Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Verlängerung der Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Verlängerung der Gewährung eines Verlustersatzes), BGBl II 343/2021, idF BGBl II 114/2022 gilt diese Verordnung nur für näher festgelegte Zeiträume beginnend ab Juli 2021. Da die antragstellende Partei ihren Antrag auf Verlustersatz für den Zeitraum vom 3. November 2020 bis 18. Mai 2021 gestellt hat, kommt die Anwendung der angefochtenen Verordnungsbestimmung wegen des in der Verordnung festgelegten, abweichenden zeitlichen Anwendungsbereiches nicht in Betracht.

Für den Zeitraum vom 3. November 2020 bis 18. Mai 2021, für den die antragstellende Partei Verlustersatz begehrt, gilt vielmehr die Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Gewährung eines Verlustersatzes), BGBl II 568/2020, idF BGBl II 113/2022. Diese Verordnung gilt gemäß Punkt 4.4.2 des Anhanges zur Verordnung des Bundesministers für Finanzen gemäß §3b Abs3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) (VO über die Gewährung eines Verlustersatzes), BGBl II 568/2020, idF BGBl II 113/2022 für den Zeitraum vom 16. September 2020 bis Juni 2021, somit unter anderem für eben jenen Zeitraum, für den die antragstellende Partei den Verlustersatz geltend macht.

Da die antragstellende Partei somit eine Verordnungsbestimmung anficht, bei der auszuschließen ist, dass diese im gerichtlichen Anlassverfahren in dem konkreten Fall anwendbar ist, erweist sich der Antrag mangels Präjudizialität der angefochtenen Verordnungsbestimmung als unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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