Normen
B-VG Art17
B-VG Art20 Abs1
B-VG Art20 Abs2
B-VG Art140 Abs1 Z1 litb
EU-Grundrechte-Charta Art47
EMRK Art13
BBU-ErrichtungsG §1, §2 Abs1 Z2, §3 Abs3 Z2, §7 Abs1, §7 Abs2, §8, §9 Abs1, §10 Abs2, §12 Abs2, §12 Abs4, §12 Abs5, §13, §24 Abs1, §28 Abs2
BFA-VG §49, §52
GmbHG §20
BundesvergabeG 2018 §10
ABGB §879 Abs1
ZPO §146
Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrens-RL) Art19, Art20, Art21, Art22
VfGG §7 Abs1, §35
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2023:G328.2022
Spruch:
I. §2 Abs1 Z2, die Wort- und Zeichenfolge "2 oder" in §3 Abs3 Z2, die Wort- und Zeichenfolge "Z2 litb und" in §7 Abs1, die Wort- und Zeichenfolge "Z2 lita und" in §7 Abs2, die Wort- und Zeichenfolgen "Rechtsberater," und "die Vorgangsweise bei Pflichtverletzungen durch Rechtsberater, die gemäß §13 Abs4 Z2 sicherzustellende Gewährleistung von regelmäßigen Fortbildungen für Rechtsberater" sowie "Z2 litb und" in §8, §9 Abs1 dritter und vierter Satz, die Wort- und Zeichenfolge "Z2 lita und b und" in §10 Abs2, §12 Abs2 dritter Satz, §12 Abs4 zweiter Satz, die Wort- und Zeichenfolge "Z2 lita und b und" in §12 Abs5, §13, die Wort- und Zeichenfolge ", unbeschadet des §13 Abs1," in §24 Abs1 und §28 Abs2 des Bundesgesetzes über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU‑Errichtungsgesetz – BBU‑G), BGBl I Nr 53/2019 sowie §52 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA‑Verfahrensgesetz – BFA‑VG), BGBl I Nr 87/2012, idF BGBl I Nr 53/2019 werden als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2025 in Kraft.
III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1.1. Beim Verfassungsgerichtshof sind einerseits mehrere Verfahren, in denen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gemäß §35 VfGG iVm §146 ZPO beantragt und auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerden erhoben wurden (E3608/2021 und E3958/2021), und andererseits (ausschließlich) auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerden (E175/2022 und E1172/2022) anhängig. Diese Beschwerden wenden sich jeweils gegen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, die Anträge insbesondere auf internationalen Schutz bzw damit zusammenhängende Anträge ab- oder zurückweisen. In allen diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Verfahren sind teils fehlerhafte Handlungen von (Rechtsberatern oder Rechtsvertretern) der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden: BBU GmbH) erheblich.
1.2. Bei der Behandlung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gemäß §35 VfGG iVm §146 ZPO (E3608/2021 und E3958/2021) und der auf Art144 B‑VG gestützten Beschwerden (E175/2022 und E1172/2022) sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §2 Abs1 Z2, der Wort- und Zeichenfolge "2 oder" in §3 Abs3 Z2, der Wort- und Zeichenfolge "Z2 litb und" in §7 Abs1, der Wort- und Zeichenfolge "Z2 lita und" in §7 Abs2, der Wort- und Zeichenfolgen "Rechtsberater," und "die Vorgangsweise bei Pflichtverletzungen durch Rechtsberater, die gemäß §13 Abs4 Z2 sicherzustellende Gewährleistung von regelmäßigen Fortbildungen für Rechtsberater" sowie "Z2 litb und" in §8, des §9 Abs1 dritter und vierter Satz, der Wort- und Zeichenfolge "Z2 lita und b und" in §10 Abs2, des §12 Abs2 dritter Satz, §12 Abs4 zweiter Satz und der Wort- und Zeichenfolge "Z2 lita und b und" in §12 Abs5, des §13, der Wort- und Zeichenfolge ", unbeschadet des §13 Abs1," in §24 Abs1 und des §28 Abs2 des Bundesgesetzes über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU‑Errichtungsgesetz – BBU‑G), BGBl I 53/2019 sowie des §52 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA‑Verfahrensgesetz – BFA‑VG), BGBl I 87/2012, idF BGBl I 53/2019 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 13. Dezember 2022 beschlossen, diese Gesetzesbestimmungen von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
2. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"[…] Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass es sich bei den Aufgaben der Rechtsberatung vor dem BFA gemäß §49 BFA‑VG bzw der Rechtsberatung und ‑vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß §52 BFA‑VG, wie sie gemäß §2 Abs1 Z2 lita bzw litb BBU‑G der BBU übertragen sind, nicht um die Übertragung von hoheitlichen Befugnissen im engeren Sinn, förmliche Hoheitsakte wie insbesondere Verordnungen, Bescheide oder Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu setzen, handelt. Vielmehr dürfte es sich bei der Durchführung der Rechtsberatung und ‑vertretung durch die BBU entweder um sogenannte schlicht hoheitliche Tätigkeit (vgl Schmid, Rechtsberatung und Rechtsvertretung im Asylverfahren, ZfV 2018, 266 [267 f.] allerdings zur Rechtsberatung vor Einführung des BBU‑G) oder um nicht hoheitliche und damit privatwirtschaftliche Tätigkeit handeln, die jedoch auf Grund der Eigentums- oder Ingerenzverhältnisse, wie sie durch das BBU‑G ausgestaltet werden, der staatlichen Verwaltung zuzurechnen sein dürfte.
[…] Sollte das Gesetzesprüfungsverfahren ergeben, dass es sich bei der Aufgabe der Rechtsberatung und ‑vertretung, wie sie der BBU übertragen ist, um schlicht hoheitliche Tätigkeit handelt, hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen aus folgenden Gründen gegen Art20 Abs2 B‑VG verstoßen:
[…] Zunächst wird zu prüfen sein, ob und inwieweit gegebenenfalls diesbezüglich zwischen der Tätigkeit des einzelnen Rechtsberaters und derjenigen der BBU zu trennen ist; dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die konkrete beratende oder vertretende Tätigkeit des Rechtsberaters im Einzelfall für den jeweils im Zuge eines Verfahrens vor dem BFA oder dem Bundesverwaltungsgericht zu Beratenden oder allenfalls vor dem Bundesverwaltungsgericht auch zu Vertretenden von sonstigen für die BBU erfolgenden Tätigkeiten des Rechtsberaters möglicherweise zu unterscheiden wäre.
[…] Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Übertragung von Hoheitsgewalt auf nicht staatliche Rechtsträger nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig ist. Dazu gehört insbesondere, dass eine solche Übertragung von hoheitlichen Befugnissen an selbstständige natürliche oder juristische Personen und damit die Ausgliederung der Wahrnehmung hoheitlicher Verwaltungszuständigkeiten durch den einfachen Gesetzgeber verfassungsrechtlich nur zulässig ist, wenn entweder der von Art20 Abs1 B‑VG vorgesehene Leitungs- und Weisungszusammenhang gesetzlich auf den ausgegliederten Rechtsträger erstreckt und damit insbesondere gesetzlich eine Weisungsbefugnis verantwortlicher oberster Organe der Bundesverfassung angeordnet wird oder die zu übertragende Aufgabe einer der Kategorien des Art20 Abs2 B‑VG unter-fällt und der Gesetzgeber ein den Anforderungen des Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG entsprechendes, den konkreten Aufgaben und der Organisation des Verwaltungsorganes angemessenes Aufsichtsrecht der obersten Organe vorsieht (siehe nur VfGH 16.12.2021, G390/2020 mwN aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). In beiden Fällen – Übertragung nach Art20 Abs1 oder Art20 Abs2 B‑VG – muss der Gesetzgeber weiters jene verfassungsrechtlichen Grenzen wahren, die Art20 Abs1 B‑VG allgemein der Betrauung von nicht staatlichen Rechtsträgern mit Aufgaben der Hoheitsverwaltung setzt ('Beleihungsschranken', siehe auch dazu nur mwN VfGH 16.12.2021, G390/2020).
[…] Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die oben genannten, aus Art20 Abs1 und 2 B‑VG folgenden Anforderungen zur Übertragung von Hoheitsgewalt auf aus der Verwaltungsorganisation ausgegliederte Rechtsträger zumindest grundsätzlich auch auf die dann gegebenenfalls in Rede stehende Übertragung der schlicht hoheitlichen Aufgabenbesorgung der Rechtsberatung und ‑vertretung auf die BBU zur Anwendung kommen dürften.
Im Gesetzesprüfungsverfahren wird insbesondere zu klären sein, ob und inwieweit diese vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes zutrifft und inwieweit allenfalls die aus Art20 Abs1 und 2 B‑VG für die Übertragung von Hoheitsgewalt auf nicht staatliche Rechtsträger abzuleitenden verfassungsrechtlichen Anforderungen zu differenzieren wären, wenn es um – bestimmte – Aufgaben der schlichten Hoheitsverwaltung geht. Dies wird insbesondere für die Frage der gebotenen Leitungs- und Weisungsbefugnis nach Art20 Abs1 B‑VG bzw des angemessenen Aufsichtsrechtes der obersten Organe nach Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG ebenso wie für die konkreten Anforderungen aus den aus Art20 Abs1 B‑VG folgenden und auch für Übertragungen nach Art20 Abs2 B‑VG maßgeblichen 'Beleihungsschranken' zu erörtern sein.
[…] Vor diesem Hintergrund geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig weiters von der – im Gesetzesprüfungsverfahren näher zu erörternden – Annahme aus, dass die Aufgabe der Rechtsberatung und -vertretung aus den […] vorläufig angenommenen Gründen bzw auf Grund unionsrechtlicher Vorgaben nicht in umfassender Weisungsbindung an ein oberstes Verwaltungsorgan des Bundes erfolgen dürfte, weil diese die Fremden in den Verfahren vor dem BFA oder dem Bundesverwaltungsgericht gegenüber dem BFA zu beraten und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (bei entsprechendem Ersuchen) auch gegen das BFA zu vertreten hat.
Sollte diese Annahme zutreffen, geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Übertragung der (schlicht hoheitlichen Tätigkeit der) Durchführung der Rechtsberatung und -vertretung auf die BBU nur zulässig sein dürfte, wenn diese Aufgaben einer der Kategorien des Art20 Abs2 B‑VG zugeordnet werden können. Der Verfassungsgerichtshof hat vorläufig dementsprechend auch das Bedenken, dass eine solche Zuordnung nicht möglich sein und aus diesem Grund die in Prüfung gezogenen Bestimmungen gegen Art20 Abs2 B‑VG verstoßen dürften. Im Gesetzesprüfungsverfahren wird allerdings zu erörtern sein, ob die Durchführung der Rechtsberatung und ‑vertretung dem Art20 Abs2 Z2 B‑VG oder insbesondere mit Blick auf die Vorgaben der VerfahrensRL dem Art20 Abs2 Z8 B‑VG oder einer sonstigen Kategorie des Art20 Abs2 B‑VG unterfällt und demzufolge unter Wahrung der sonstigen Voraussetzungen auf einen weisungsfrei gestellten nicht staatlichen Rechtsträger übertragen werden dürfte. Dabei wird auch zu erörtern sein, inwieweit grundrechtliche Anforderungen (hier des Art47 GRC) bei der Auslegung des Art20 Abs2 B‑VG zu berücksichtigen sind.
Für diesen Fall, dass die Rechtsberatung und ‑vertretung einer der Kategorien des Art20 Abs2 B‑VG zugeordnet werden kann, hegt der Verfassungsgerichtshof das weitere Bedenken, dass die Übertragung dieser Aufgaben auf die BBU deswegen gegen Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG verstoßen dürfte, weil das BBU‑G kein 'der Aufgabe des weisungsfreien Organs angemessenes Aufsichtsrecht' iSd Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG vorsehen dürfte. Denn, so die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, es dürften die im BBU‑G vorgesehenen Ingerenzbefugnisse oberster Verwaltungsorgane, insbesondere des Bundesministers für Inneres, den aus Art20 Abs2 Z2 B‑VG respektive aus – über Art20 Abs2 Z8 B‑VG für die Ausgestaltung der Ingerenzbefugnisse gegebenenfalls maßgeblichen – unions-rechtlichen Vorgaben folgenden Anforderungen im Hinblick auf die erforderliche Unabhängigkeit der Wahrnehmung der übertragenen Aufgabe der Rechtsberatung und ‑vertretung nicht entsprechend Rechnung tragen. In diesem Zusammen-hang wird im Gesetzesprüfungsverfahren insbesondere auch zu erörtern sein, ob es ausreicht, dass bestimmte Absicherungen der Unabhängigkeit der Tätigkeit der Rechtsberater im Einzelnen (nicht im Gesetz selbst sondern) in dem gemäß §8 BBU‑G abgeschlossenen Rahmenvertrag geregelt sind (wie etwa, dass die Fachaufsicht nur intern im Geschäftsbereich Rechtsberatung erfolgt und dem Zugriff der Geschäftsführung entzogen ist, dass generelle Dienstanweisungen an die Mitarbeiter des Geschäftsbereiches Rechtsberatung von der Bereichsleitung schriftlich zu erlassen und transparent innerhalb des Geschäftsbereiches kundzumachen sind oder dass für Rechtsberater ein besonderer Entlassungs- und Kündigungsschutz besteht[…]). Dabei wird in die Betrachtung auch miteinzubeziehen sein, dass der vom Bundesminister für Inneres und dem (vom Bundesminister bestellten und diesem als Eigentümervertreter gesellschaftsrechtlich verpflichteten) Geschäftsführer der BBU (teilweise) unter Zustimmung der Bundesministerin für Justiz geschlossene Rahmenvertrag nach der Absicht des Gesetzgebers jederzeit wieder abgeändert werden kann […].
[…] Sollte das Gesetzesprüfungsverfahren ergeben, dass es sich bei der Durchführung der Rechtsberatung und -vertretung um eine nicht hoheitliche Tätigkeit handelt, so hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass auch in diesem Fall die Übertragung der Besorgung dieser Aufgaben auf die BBU aus folgenden Gründen gegen Art20 Abs2 B‑VG verstoßen dürfte:
[…] Der Verfassungsgerichtshof geht insofern vorläufig davon aus, dass – ungeachtet, dass organisatorisch keine Verwaltungsorgane handeln dürften – die Ausgestaltung der Eigentumsverhältnisse und der Ingerenzbefugnisse oberster Verwaltungsorgane, insbesondere des Bundesministers für Inneres, durch das BBU‑G im Hinblick auf die von der BBU wahrzunehmende Aufgabe der Rechtsberatung und ‑vertretung eine Zurechnung dieser Tätigkeit zu obersten Verwaltungsorganen des Bundes bewirkt, dass es sich dabei um – wenngleich privatrechtsförmig zu vollziehende – staatliche Verwaltung (im funktionellen Sinn) zu handeln scheint.
Im Gesetzesprüfungsverfahren wird insbesondere zu erörtern sein, ob bzw inwieweit diese Annahme zutrifft, oder ob es sich bei den in Rede stehenden Aufgabenwahrnehmungen durch die BBU allesamt um Tätigkeiten handelt, die nicht der Verwaltung iSd Art20 Abs1 und 2 B‑VG zuzurechnen sind.
Dabei wird auch zu erörtern sein, ob und gegebenenfalls inwieweit im vorliegen-den Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des einzelnen Rechtsberaters und derjenigen der BBU zu trennen ist; dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die konkrete beratende oder vertretende Tätigkeit des Rechtsberaters im Einzelfall für den jeweils im Zuge eines Verfahrens vor dem BFA oder dem Bundesverwaltungsgericht zu Beratenden oder allenfalls vor dem Bundesverwaltungsgericht auch zu Vertretenden von sonstigen für die BBU erfolgenden Tätigkeiten des Rechtsberaters möglicherweise zu unterscheiden wäre.
[…] Für den Fall einer (funktionellen) Zurechnung der in Rede stehenden Aufgabenwahrnehmung zur Verwaltung iSd Art20 Abs1 und 2 B‑VG hegt der Verfassungsgerichtshof vorläufig das Bedenken, dass es gegen Art20 Abs2 B‑VG verstoßen könnte, die Aufgabe der Rechtsberatung und -vertretung auf einen solcherart unter staatlicher Ingerenz stehenden, wenn auch nicht staatlichen Rechtsträger zu übertragen. Wenn der Gesetzgeber eine Wahrnehmung der in Rede stehenden Aufgabe der Rechtsberatung und -vertretung in staatlicher Verwaltung nur nach den Vorgaben des Art20 Abs2 B‑VG in angemessener Unabhängigkeit durch die staatliche Verwaltung selbst vorsehen dürfte, dürfte es dem Gesetzgeber auch nur nach Maßgabe des Art20 Abs2 B‑VG möglich sein, diese Aufgabe auf einen der staatlichen Verwaltung zuzurechnenden nicht staatlichen Rechtsträger zu übertragen, wenn also insbesondere eine der Kategorien des Art20 Abs2 B‑VG vorliegt und die gesetzliche Ausgestaltung der angemessenen Aufsicht den genannten Unabhängigkeitsanforderungen angemessen Rechnung trägt. Dabei wird auch zu erörtern sein, inwieweit grundrechtliche Anforderungen (hier des Art47 GRC) bei der Auslegung des Art20 Abs2 B‑VG zu berücksichtigen sind.
[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt darüber hinaus gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen das weitere Bedenken, dass diese gegen das Rechtsstaatsprinzip und gegen den – in Verfahren auf Zuerkennung von internationalem Schutz, in denen die hier in Rede stehende Rechtsberatung und -vertretung erfolgt, anwendbaren – Art47 GRC verstoßen dürften:
[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt diesbezüglich zunächst das Bedenken, dass es mit einem effektiven Rechtsschutz an sich nicht vereinbar sein dürfte, dass die Rechtsberatung und insbesondere Rechtsvertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht durch die BBU erfolgt, die, so die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, unter maßgeblichem Einfluss des Bundesministers für Inneres stehen dürfte, dem das BFA, das dem Rechtsschutzsuchenden vor dem Bundesverwaltungsgericht als belangte Behörde gegenübersteht, unmittelbar nachgeordnet ist. Eine solche Konstruktion dürfte nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungs-gerichtshofes bereits als solche den Anschein erwecken, dass die aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw aus der Garantie eines fairen Verfahrens (Art47 GRC) resultierenden Anforderungen nicht gewahrt werden (vgl zB VfSlg 15.439/1999, 15.507/1999, 15.668/1999, 16.827/2003, 19.902/2014; vgl auch Pöschl, Der Menschenrechtsbeirat, JRP 2001, 47 [54]).
[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt weiters auch das Bedenken, dass die konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit der Rechtsberatung und ‑vertretung durch das BBU‑G nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip und Art47 GRC vereinbar sein dürfte. Auch wenn Rechtsberater bei der Wahrnehmung der in §2 Abs1 Z2 BBU‑G fest-gelegten Aufgabe unabhängig sind, diese weisungsfrei wahrzunehmen haben und in Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die vorliegende Konstruktion auf Grund des maßgeblichen Einflusses, der dem Bundesminister für Inneres, dem gleichzeitig das BFA nachgeordnet ist, wenn auch in Bezug auf die Rechtsberatung in Verbindung mit der Bundesministerin für Justiz eingeräumt ist, nicht das geforderte Mindestmaß an faktischer Effektivität für Rechtsschutzsuchende aufweist (vgl Reyhani/Gahleitner-Gertz, Grundrechtliche Grenzen staatlicher Rechtsberatung und ‑vertretung, JB Asyl- und Fremdenrecht 2021, 219 [233 ff.]; vgl allgemein VfSlg 10.291/1984, 17.102/2004; vgl auch VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032; 14.2.2019, Ra 2018/18/0409; allgemein zum Erfordernis der Unabhängigkeit rechtsanwaltlicher Tätigkeit von Einflüssen des Staates EGMR 22.3.2007, Fall Staroszczyk, Appl 59.519/00 [Z133]; EuGH 19.2.2002, Rs C-309/99 , Wouters ua, Rz 100 ff.; 2.12.2010, Rs C-225/09 , Jakubowska, Rz 61).
Die gesetzlich festgelegte Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit sowie die Verschwiegenheitsverpflichtung der einzelnen Rechtsberater gemäß §13 Abs1 BBU‑G dürften zwar zur gebotenen Distanz beitragen, um Interessenkonflikte hintanzuhalten (so auch Erläut zur RV 594 BlgNR 26. GP , 2). Es wird im Gesetzesprüfungsverfahren aber zu prüfen sein, ob dies hinreichende Mittel sind, um Interessenkonflikte zu vermeiden, oder ob es zusätzlicher Vorkehrungen bedürfte, um die notwendige Unabhängigkeit zu gewährleisten (vgl in anderem Kontext etwa EuGH 16.10.2012, Rs C-614/10 , Kommission/Österreich, Rz 41 ff.) und verpönte Einflussnahmen hintanzuhalten (vgl Pöschl, aaO, 52 ff hinsichtlich des Menschenrechtsbeirates gemäß §15a SPG im Lichte der Kriterien nach Art6 EMRK). Dabei wird auch zu erörtern sein, welche Bedeutung diesbezüglich den in dem gemäß §8 BBU‑G abgeschlossenen Rahmenvertrag enthaltenen Unabhängigkeitssicherungen (wie etwa die Festlegung, dass die Fachaufsicht nur intern im Geschäftsbereich Rechtsberatung erfolgt, generelle Dienstanweisungen an die Mitarbeiter des Geschäftsbereiches Rechtsberatung von der Bereichsleitung schriftlich zu erlassen und transparent innerhalb des Geschäftsbereiches kundzumachen sind sowie ein besonderer Entlassungs- und Kündigungsschutz bestehen soll […]) zukommt. Auch wird zu beurteilen sein, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass diese Unabhängigkeitsgarantien nicht im Einzelnen im Gesetz selbst, sondern in einem vom Bundesminister für Inneres (soweit für die Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht maßgeblich im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz) und der (Geschäftsführung der) BBU abzuschließenden Rahmenvertrag enthalten sind, und welche Bedeutung der Tatsache beizumessen ist, dass der vom Bundesminister für Inneres und dem (vom Bundesminister für Inneres bestellten und diesem als Eigentümervertreter gesellschaftsrechtlich verpflichteten, vgl Erläut zur RV 594 BlgNR 26. GP , 14) Geschäftsführer der BBU (teilweise unter Zustimmung der Bundesministerin für Justiz) geschlossene Vertrag ebenso wieder abgeändert werden kann."
3. Der Bundesminister für Inneres hat eine Äußerung erstattet, in der er den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegentritt (teilweise ohne Hervorhebungen im Original):
"[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf Art20 Abs2 B‑VG:
[…] Nach hier vertretener Auffassung handelt es sich bei der der Bundesagentur übertragenen Aufgabe der Rechtsberatung nicht um hoheitliche oder privatrechtsförmige Verwaltung (iSd. Art20 Abs1 und 2 B‑VG), sondern um privates, obersten Organen des Bundes in funktioneller Hinsicht nicht zurechenbares Handeln, auf das die Anforderungen des Art20 Abs1 und 2 B‑VG nicht zur Anwendung gelangen:
[…]
Zur Nichtanwendung der Anforderungen des Art20 Abs1 und 2 B‑VG:
[…]
Die der Bundesagentur übertragene Aufgabe der Rechtsberatung kann nach Ansicht des Bundesministers für Inneres – entgegen der Annahme des Verfassungsgerichtshofs im Prüfungsbeschluss […] – aber auch nicht als so genannte schlicht hoheitliche Verwaltungstätigkeit qualifiziert werden:
Demnach ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass eine 'Beleihung' Privater zur Voraussetzung hat, dass dem Privaten eine Befugnis zur Setzung von förmlichen Hoheitsakten übertragen wird. Die Verpflichtung eines Privaten zu einem Handeln, das, würde es durch Behörden erfolgen, als schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln (und damit dennoch als 'Vollziehung' in einem verfassungsrechtlichen Sinn) zu verstehen wäre, führt demnach nicht zur Qualifikation als 'Beleihung' und zur Einrichtung des Privaten als funktionelles Verwaltungsorgan.
Davon abgesehen finden sich im BBU‑G und im BFA‑VG auch keine Anhaltspunkte, wonach die Gesetzgebung der Bundesagentur bzw den Rechtsberatern im Rahmen der Aufgabe der Rechtsberatung (schlicht) hoheitliche Verwaltungsaufgaben übertragen und sie insofern als Verwaltungsorgane im funktionellen Sinn einrichten würde. Gegen ihre Einordnung als Verwaltungsorgane spricht bereits die Terminologie des Gesetzes: Die Bundesagentur und die Rechtsberater werden weder als '(Verwaltungs‑)Organe' bezeichnet noch werden ihnen 'Befugnisse' eingeräumt (vgl demgegenüber beispielsweise die gesetzliche Einrichtung von Eisenbahnaufsichtsorganen in §30 des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl Nr 60/1957).
Auch materiell ist die Rechtsstellung der bei der Bundesagentur beschäftigten Rechtsberater nicht mit der Rechtsstellung von anderen (privaten) Verwaltungsorganen vergleichbar. Rechtsberater werden nicht vom Bundesminister (oder einer anderen Behörde) bestellt, sondern von der Bundesagentur angestellt. Das BBU‑G legt auch nicht fest, dass die für Verwaltungsorgane geltenden Rechtsvorschriften auf Rechtsberater anwendbar wären. Die – im Hinblick auf die frühere Rechtslage angeführten – Argumente von Schmid, Rechtsberatung und Rechtsvertretung im Asylverfahren, ZfV 2018, 266 (267 f), wonach Rechtsberater der Amtsverschwiegenheit unterliegen und §7 AVG auf sie anwendbar sei, weshalb sie Verwaltungsorganen 'weitgehend' gleichgestellt seien, sind daher auf die vorliegend zu beurteilende Rechtslage von vornherein nicht übertragbar. Auch der Umstand, dass Rechtsberater in §13 Abs1 erster Satz BBU‑G weisungsfrei gestellt werden und im Gesetz bestimmte Ausübungspflichten und Berufsvoraussetzungen festgelegt werden (vgl §13 Abs1 bis 3 BBU‑G), spricht nicht für ihre Einordnung als Verwaltungsorgane, weil solche Regelungen auch in Bezug auf Private und deren privatrechtsförmiges Handeln getroffen werden können (vgl beispielsweise die Regelungen über die Weisungsfreiheit und die Pflichten des Vorstands einer Aktiengesellschaft in §70 Abs1 des Aktiengesetzes – AktG, BGBl Nr 98/1965, oder die berufsrechtlichen Bestimmungen der Rechtsanwaltsordnung – RAO, RGBl. Nr 96/1868).
Die Aufgabe der Rechtsberatung steht auch mit der Vollziehung des Asyl- und Fremdenwesens nicht in einem solchen Zusammenhang, der es rechtfertigen würde, die Rechtsberatung selbst als (schlicht hoheitliche) Vollziehung zu qualifizieren. Die Bundesagentur und die Rechtsberater sind nämlich weder in die Erlassung von Bescheiden durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch in die Erlassung gerichtlicher Entscheidungen durch das Bundesverwaltungsgericht eingebunden. Rechtsberater sollen den typischerweise sprach- und rechtsunkundigen Fremden bei der Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte unterstützen. Nicht jedoch unterstützen Rechtsberater die Behörde bzw das Bundesverwaltungsgericht bei ihrer bzw seiner Entscheidung. Auch sind Asylwerber und Fremde gar nicht verpflichtet, die Rechtsberatung der Bundesagentur in Anspruch zu nehmen. Ob überhaupt und inwiefern sich der Rechtsberater in das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw dem Bundesverwaltungsgericht einbringt und so Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens nimmt, hängt somit maßgeblich vom Willen der beratenen Person ab.
Die Tätigkeit der Rechtsberater ist insofern mit der Tätigkeit von Rechtsanwälten im Rahmen der Verfahrenshilfe vergleichbar, die ebenfalls nicht als Verwaltung iSd. Art20 Abs1 und 2 B‑VG (und auch nicht als Gerichtsbarkeit) zu qualifizieren ist.
In diesem Sinne hat auch der Oberste Gerichtshof – im Hinblick auf die vor Inkrafttreten des BBU‑G geltende Rechtslage – ausgesprochen, dass die Rechtsberatung und Vertretung von Asylwerbern und Fremden durch den Verein für Menschenrechte Österreich keine Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde (iSd. §2 Abs1 RAO) darstellt, auch wenn sie im Auftrag des Bundesministers für Inneres bzw des Bundeskanzlers erfolgt, weil der Verein nicht in behördliche Entscheidungen eingebunden ist (OGH 14.2.2017, 19 Ob 4/16a). Nichts Anderes kann für die von der Bundesagentur wahrgenommene Rechtsberatung gelten.
Für die Einordnung der der Bundesagentur übertragenen Aufgabe der Rechtsberatung als (schlicht) hoheitliche Tätigkeit kann schließlich auch nicht ins Treffen geführt werden, dass es sich bei der Rechtsberatung von Asylwerbern und Fremden um eine Aufgabe handelt, deren Erfüllung der Staat aufgrund seiner unionsrechtlichen Verpflichtungen sicherzustellen hat (vgl ua die Art19 ff der Richtlinie 2013/32/EU ), und die insofern (auch) eine im staatlichen Interesse liegende Aufgabe ist. Auf die Motive und Zwecke der Tätigkeit kommt es bei dieser Einordnung nämlich nicht an (vgl VfSlg 3262/1957, 13.968/1994).
[…] Bei der der Bundesagentur übertragenen Aufgaben der Rechtsberatung handelt es sich auch nicht um privatrechtsförmig zu vollziehende staatliche Verwaltung (im funktionellen Sinn):
Die nicht hoheitliche Tätigkeit eines privatrechtsförmigen Rechtsträgers ist nicht als (funktionelle) staatliche Verwaltung iSd. Art20 Abs1 und 2 B‑VG anzusehen, dies auch dann nicht, wenn der Rechtsträger im 'Eigentum' einer Gebietskörperschaft steht oder der Ingerenz der obersten Organe der Verwaltung unterliegt. In diesem Sinn hat auch die Bundesregierung in […] ihrer Äußerung, die sie im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof G265/2022 erstattet hat, im Hinblick auf die Aufgabenübertragung auf die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) Folgendes ausgeführt:
'Die nicht-hoheitliche Tätigkeit eines privatrechtlich organisierten Rechtsträgers ist nicht als staatliche Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG anzusehen. Wie der Verfassungsgerichtshof jüngst in G390/2020 ua, V226/2021 ausgeführt hat, erfasst Art20 Abs1 und 2 B‑VG 'sowohl jene Konstellationen, in denen Verwaltungsorgane im organisatorischen Sinn die Verwaltung führen, als auch diejenigen, in denen der Gesetzgeber Hoheitsbefugnisse auf nicht staatliche (ausgegliederte) Rechtsträger (des privaten oder des öffentlichen Rechts) überträgt' (vgl weiters VfSlg 19.992/2015, jeweils mit weiteren Nachweisen im Schrifttum: 'Die Übertragung der privatwirtschaftlichen Angelegenheiten einer Gebietskörperschaft auf einen öffentlich-rechtlich Ausgegliederten [bzw in VfSlg 19.993/2015: Rechtsträger privaten Rechts], der seine Aufgaben in den Formen des Privatrechts wahrnimmt, hat aber zur Konsequenz, dass es sich bei dessen Aufgabenerfüllung nicht mehr um staatliche Verwaltung handelt' und weiters lautet es dort unter Hinweis auf AB 439 BlgNR 25. GP 3: 'Privatwirtschaftliche Tätigkeit ausgegliederter Rechtsträger unterliegt hingegen nicht dem Untersuchungsrecht [gemäß Art53 B‑VG], zumal es sich dabei nicht mehr um Verwaltung des Bundes handelt'; dem Umstand, dass die Kärntner Landesholding wesentliche, im öffentlichen Interesse des Landes Kärnten gelegene Aufgaben erfüllt, kam dabei in VfSlg 19.992/2015 keine entscheidende Bedeutung zu; vgl für weitere Nachweise der Literatur auch die zum hier gegenständlichen Verfahren erstattete Stellungnahme des Amtes der Kärntner Landesregierung vom 28. November 2022). Eine Verpflichtung der Gesetzgebung auf Grund des Art20 Abs1 B‑VG, einen Leitungs- und Weisungszusammenhang zwischen einem obersten Organ und einem ausgegliederten Rechtsträger herzustellen, besteht daher nach Ansicht der Bundesregierung nicht.
Die herrschende Ansicht einer primär organisatorischen Abgrenzung des Verwaltungsbegriffs des B‑VG ermöglicht darüber hinaus eine klare Unterscheidung zwischen Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG und 'Nicht‑Verwaltung'. Bei einem funktionalen Verwaltungsbegriff, der auf eine 'besondere Tätigkeit' eines privatrechtlich organisierten Rechtsträgers abstellt, stellte sich nämlich die Frage nach den inhaltlichen Kriterien, aus denen auf die ausnahmsweise Annahme einer staatlichen Verwaltung im funktionalen Sinn geschlossen werden könnte. Nicht nur im gegenständlichen Fall, sondern grundsätzlich bei jeder Tätigkeit privatrechtlich-organisierter Rechtsträger könnte sich die Frage stellen, ob ausnahmsweise staatliche Verwaltung (im funktionellen Sinn) vorliegt, die mit weiteren verfassungsrechtlichen Implikationen, wie dem Erfordernis der Schaffung von Ingerenzbefugnissen eines obersten Organs der Vollziehung, verbunden wäre.
[…]
Eine weite Auslegung des Verwaltungsbegriffs hätte außerdem potentiell erhebliche Auswirkungen auf Bereiche, in denen mit Ausgliederungen von wirtschaftlichen Tätigkeiten eine 'Lockerung' des Weisungszusammenhangs etwa aus unionsrechtlich bedingten Gründen angestrebt wird und daher etwa Gesellschaftsformen (wie zB die Aktiengesellschaft) eingesetzt werden, bei denen die Geschäftsführung gesellschaftsrechtlich nicht an Weisungen der Eigentümer gebunden ist (§70 Abs1 AktG). So war im Hinblick auf die sog Maastricht-Konvergenzkriterien ein wesentliches Motiv für die Ausgliederung der ASFINAG, die Schuldenquote des Sektors 'Staat' niedriger zu halten (vgl ErlRV 698 XX. GP 11). Dies bedingte aber, dass die ASFINAG als selbständige institutionelle Einheit anzusehen ist, was nach EUROSTAT voraussetzt, dass vom Staat 'kein Einfluss auf die laufenden Geschäfte genommen wird' (vgl die Pressemitteilung der Eurostat Nr 15/2002 vom 31. Jänner. 2002 zur Qualifikation der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) als eigenständige institutionelle Einheit). Wäre aus Art20 Abs1 B‑VG das Erfordernis einer strengen Weisungsbindung bei wirtschaftlichen Tätigkeiten ausgegliederter Rechtsträger abzuleiten, könnte dies solche wirtschaftspolitisch zweckmäßigen Gestaltungen erschweren und potentiell zu einer massiven Erhöhung der Schuldenquote führen.'
[…] Selbst wenn – entgegen der hier vertretenen Auffassung – die Ingerenzbefugnisse oberster Organe der Verwaltung gegenüber Privaten bewirken würden, dass das Handeln dieser Privaten den obersten Organen zuzurechnen und insofern als (funktionelle) Verwaltung zu qualifizieren wäre, wäre dies hinsichtlich der bei der Bundesagentur beschäftigten Rechtsberater nicht anzunehmen, weil deren Tätigkeit gerade nicht der Ingerenz der obersten Organe unterliegt:
[…] Die obersten Organe des Bundes haben keine Kompetenz, in die konkrete Beratungstätigkeit der Rechtsberater durch Weisungen einzugreifen, dies auch nicht über den 'Umweg' einer Weisung an die Geschäftsführung der Bundesagentur […]. Eine Zurechnung der Tätigkeit der Rechtsberater an oberste Verwaltungsorgane scheidet daher aus.
Das BBU‑G enthält auch keine Bestimmungen, die eine (funktionelle) Zurechnung des Handelns der Rechtsberater an den Bundesminister für Inneres (oder ein anderes oberstes Verwaltungsorgan) anordnen oder auch nur nahelegen würden (anders zB §4 Abs1 des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005 – GVG‑B 2005, BGBl Nr 405/1991, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 53/2019, wonach sich der Bundesminister für Inneres der Bundesagentur zur Durchführung der Grundversorgung 'bedient', wobei für die Durchführung der Grundversorgung weder im BBU‑G noch im GVG‑B 2005 die Weisungsfreiheit der Organe der Bundesagentur vorgesehen ist).
[…] Dass die Gesetzgebung private Rechtsträger, die im 'Eigentum' einer Gebietskörperschaft stehen oder ihrer Ingerenz unterliegen, zur Wahrnehmung (auch) im öffentlichen Interesse liegender Aufgaben verpflichtet, ohne sie als (funktionelle) Verwaltungsorgane einzurichten, ist nicht ungewöhnlich (vgl beispielsweise die Verpflichtung der Bundesimmobiliengesellschaft mbH zur Verwaltung des Immobilienvermögens des Bundes durch das Bundesimmobiliengesetz, BGBl I Nr 141/2000, oder die Verpflichtung der ÖBB Personenverkehr AG zur Beförderungen von Personen, einschließlich der Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen, durch §6 des Bundesbahngesetzes, BGBl Nr 825/1992).
[…]
Es wird aber nicht [übersehen], dass in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs das Handeln vieler lediglich 'in Pflicht genommener' Privater als Handeln von Organen 'in Vollziehung der Gesetze' iSd. §1 des Amtshaftungsgesetzes – AHG, BGBl Nr 20/1949, qualifiziert und insofern der Vollziehung zugerechnet wird. […]
Aus der amtshaftungsrechtlichen Zurechnung des Handelns von solchen (lediglich 'in Pflicht genommenen') Privaten kann aber bereits aufgrund der unterschiedlichen Regelungszwecke der Amtshaftung und des Art20 B‑VG nicht darauf geschlossen werden, dass sie Verwaltungsorgane iSd. Art20 Abs1 und 2 B‑VG wären. Bezöge man jene Privaten, die nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs als in Vollziehung der Gesetze handelnde Organe iSd. §1 AHG zu qualifizieren sind, in den Organbegriff des Art20 Abs1 und 2 B‑VG mit ein, so wären auch zahlreiche bundes- und landesgesetzliche Regelungen, welche Private zur Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Aufgaben verpflichten (darunter die oben genannten Beispiele), an den Maßstäben des Art20 Abs1 und 2 B‑VG zu messen und daher mangels gesetzlich ausdrücklich vorgesehener Ingerenz der obersten Organe der Verwaltung gegenüber den Privaten mit Verfassungswidrigkeit bedroht.
[…]
Zur Erfüllung der Anforderungen des Art20 Abs2 B‑VG:
[…] Zunächst ist festzuhalten, dass – wie auch der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss erwägt […] – zwischen der Tätigkeit der Rechtsberater einerseits und den übrigen von (anderen Organen) der Bundesagentur wahrzunehmenden Tätigkeiten andererseits zu unterscheiden ist:
[…]
Wie der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss weiters zutreffend darlegt […], darf die Aufgabe der Rechtsberatung auf Grund unionsrechtlicher Vorgaben nicht in umfassender Weisungsbindung an ein oberstes Verwaltungsorgan erfolgen, weshalb diese Aufgabe der Kategorie des Art20 Abs2 Z8 B‑VG unterfällt:
In Art25 Abs1 lita der Richtlinie 2013/32/EU wird festgelegt, dass Organisationen oder Personen, 'deren Interessen mit den Interessen des unbegleiteten Minderjährigen in Konflikt stehen oder stehen könnten', als Vertreter nicht in Frage kommen. In diesem Sinne wird auch in Art9 Abs6 und Art26 Abs2 der Richtlinie 2013/33/EU normiert, dass die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung für in Haft befindliche Antragsteller sowie in Rechtsbehelfsverfahren im Zusammenhang mit der Gewährung, dem Entzug und der Einschränkung von Vorteilen gemäß dieser Richtlinie solchen Personen vorbehalten ist, 'deren Interessen denen der Antragsteller nicht zuwiderlaufen oder nicht zuwiderlaufen könnten' bzw 'deren Interessen nicht mit denen der Antragsteller in Konflikt stehen oder stehen könnten'.
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass bei der Rechtsberatung von Asylwerbern und Fremden aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben im Allgemeinen keine Interessenkonflikte zwischen den Rechtsberatern einerseits und den beratenen Personen andererseits bestehen dürfen. Die Freiheit von Interessenkonflikten setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsberater seine Aufgabe frei von Weisungen staatlicher Organe erfüllen kann.
[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt im Prüfungsbeschluss weiters das Bedenken, dass die im BBU‑G vorgesehenen Ingerenzbefugnisse der obersten Organe nicht angemessen iSd. Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG seien, weil sie den unionsrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf die erforderliche Unabhängigkeit der Wahrnehmung der übertragenen Aufgabe der Rechtsberatung nicht entsprechend Rechnung tragen dürften […].
Der Verfassungsgerichtshof scheint hiebei implizit vorauszusetzen, dass das in Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG festgelegte Gebot, ein der Aufgabe des weisungsfreien Organs angemessenes Aufsichtsrecht der obersten Organe vorzusehen, nicht nur dann verletzt sein kann, wenn die im Gesetz vorgesehenen Aufsichtsrechte der obersten Organe nicht ausreichend sind, sondern auch dann, wenn das Gesetz den obersten Organen zu weitreichende Aufsichtsrechte einräumt und dadurch die Unabhängigkeit des weisungsfreien Organs eingeschränkt wird.
Der Bundesminister für Inneres vermag sich dieser Prämisse nicht anzuschließen. Es wäre vielmehr davon auszugehen, dass das Gebot nach Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG, ein angemessenes Aufsichtsrecht der obersten Organe vorzusehen, nur dann verletzt sein kann, wenn die im Gesetz vorgesehenen Aufsichtsrechte der obersten Organe nicht ausreichend und insofern der Aufgabe des weisungsfreien Organs nicht angemessen sind. Nicht jedoch kann dieses Gebot verletzt sein, wenn die im Gesetz vorgesehenen Aufsichtsrechte zu weitreichend sind und insofern der Unabhängigkeit des weisungsfreien Organs nicht Rechnung tragen. Denn Art20 Abs1 und 2 B‑VG zielt nicht darauf ab, die Unabhängigkeit von Verwaltungsorganen, sondern – geradezu im Gegenteil – die Leitungs- und Weisungsingerenz der obersten Organe gegenüber den untergeordneten Verwaltungsorganen (und damit die demokratische Legitimation der Verwaltungsführung) zu gewährleisten (vgl VfGH 16.12.2021, G390/2020 ua, V226/2021, Rz. 50). Das von Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG verlangte angemessene Aufsichtsrecht soll sicherstellen, dass den demokratischen Legitimationserfordernissen auch dann entsprochen wird, wenn die Gesetzgebung von ihrer Ermächtigung gemäß Art20 Abs2 B‑VG Gebrauch macht, vom Grundsatz des Art20 Abs1 B‑VG abzuweichen und bestimmte Kategorien von Behörden weisungsfrei zu stellen (vgl VfGH 16.12.2021, G390/2020 ua, V226/2021, Rz 55). Vor diesem Hintergrund verbietet Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG – untechnisch gesprochen – nur 'zu wenig', nicht jedoch 'zu viel' an Aufsicht. Die gegenteilige Rechtsauffassung würde verkennen, dass Art20 Abs2 B‑VG die Gesetzgebung zu einer Weisungsfreistellung der Organe ermächtigt, nicht aber verpflichtet. Für diese Auslegung spricht auch, dass in Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG Mindestanforderungen des Aufsichtsrechts festgelegt werden (arg. 'zumindest'), aber keine Höchstanforderungen.
[…] Selbst wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – davon ausginge, dass das in Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG festgelegte Gebot, ein angemessenes Aufsichtsrecht der obersten Organe vorzusehen, auch verlangt, dass den unionsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die erforderliche Unabhängigkeit der Rechtsberater entsprechend Rechnung getragen wird, wären diese Anforderungen als erfüllt anzusehen. Denn das BBU‑G (iVm. dem GmbHG) gewährleistet zum einen die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater und stellt zum anderen eine angemessene Aufsicht der obersten Organe der Verwaltung über die Bundesagentur sicher. […]
Zu den Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und Art47 der Grundrechte-Charta:
[…] Vor dem Hintergrund der vom Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang zitierten Erkenntnisse (VfSlg 15.439/1999, 15.507/1999, 15.668/1999, 16.827/2003 und 19.902/2014) dürfte der Verfassungsgerichtshof annehmen, dass die (insbesondere im Hinblick auf Art6 EMRK entwickelte) Rechtsprechung, wonach bereits der äußere Anschein der Parteilichkeit genügt, um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Tribunals in Zweifel zu ziehen, auch auf die bei der Bundesagentur beschäftigten Rechtsberater zur Anwendung gelange.
Diese Annahme wird nicht geteilt:
In den vom Verfassungsgerichtshof zitierten Erkenntnissen VfSlg 15.439/1999, 15.507/1999, 15.668/1999 und 16.827/2003 hat der Verfassungsgerichtshof geprüft, ob verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verletzt wurden, weil aufgrund des äußeren Anscheins Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der belangten Behörde vorlagen. Im Erkenntnis VfSlg 19.902/2014 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein Verwaltungsgericht bei der Heranziehung eines Amtssachverständigen das Vorliegen etwaiger Befangenheitsgründe bzw Gründe für den Anschein der Befangenheit des Amtssachverständigen zu prüfen hat.
Auf die vorliegend zu beurteilenden Rechtsberater kann diese (im Hinblick auf das in Art6 Abs1 EMRK für Gerichte normierte Erfordernis der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit entwickelte) Rechtsprechung nach Ansicht des Bundesministers von vornherein nicht übertragen werden. Denn die Rechtsberater sind in die Entscheidung der Behörde oder des Bundesverwaltungsgerichts weder eingebunden noch wirken sie wie Amtssachverständige an der Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts mit. Rechtsberater sollen den typischerweise sprach- und rechtsunkundigen Fremden bei der Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte (ähnlich einem Rechtsanwalt), nicht jedoch die Behörde bzw das Bundesverwaltungsgericht bei ihrer bzw seiner Entscheidung unterstützen […].
In diesem Sinne führt auch Pöschl, Der Menschenrechtsbeirat, JRP 2005, 47 (54), aus, dass der Befund, dass Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Menschenrechtsbeirats bestehen, keine Verfassungswidrigkeit begründe, weil der Menschenrechtsbeirat keinerlei Entscheidungsbefugnisse habe und seine Organisation daher nicht dem Maßstab des Art6 EMRK entsprechen müsse.
[…]
Art47 der Grundrechte-Charta legt nicht ausdrücklich fest, dass die Beratung, Verteidigung und Vertretung iSd. Art47 Abs2 zweiter Satz und die Prozesskostenhilfe (Verfahrenshilfe) iSd. Art47 Abs3 der Grundrechte‑Charta durch unabhängige Personen erfolgen müsste. Ausdrücklich normiert wird das Erfordernis der Unabhängigkeit nur in Art47 Abs2 erster Satz der Grundrechte‑Charta für das Gericht.
Es wird allerdings davon ausgegangen, dass aus Art47 der Grundrechte-Charta (wie auch aus Art6 EMRK) gewisse Anforderungen hinsichtlich der Unabhängigkeit von Rechtsberatern abzuleiten sind (vgl ErlRV 594 BlgNR XXVI. GP , 15). In diesem Sinne hat der Europäische Gerichtshof ausgesprochen, dass ein Rechtsanwalt, der im Rahmen eines Gerichtsverfahrens oder im Rahmen von dessen Vorbereitung verpflichtet wäre, mit den öffentlichen Stellen zusammenzuarbeiten und ihnen Informationen zu übermitteln, die er anlässlich einer Rechtsberatung erlangt hat, die im Rahmen eines solchen Verfahrens stattfand, seinen Aufgaben bei der Beratung, der Verteidigung und der Vertretung seines Mandanten nicht in angemessener Weise gerecht werden könnte, sodass dem Mandanten die ihm durch Art6 EMRK gewährten Rechte genommen wären (EuGH 26.6.2007, C‑305/05 , Ordre des barreaux francophones et germanophone ua, Rz 32). In anderem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof ausgesprochen, dass es für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unerlässlich ist, dass es nicht zu Interessenkonflikten kommt, was insbesondere bedeutet, dass Rechtsanwälte sich in einer Position der Unabhängigkeit gegenüber staatlichen Stellen, anderen Wirtschaftsteilnehmern und Dritten befinden, von denen sie sich nicht beeinflussen lassen dürfen (EuGH 2.12.2010, C‑225/09 , Jakubowska, Rz 61 mwN […]).
Nach Ansicht des Bundesministers für Inneres entsprechen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen diesen aus Art47 der Grundrechte‑Charta abzuleitenden Anforderungen an die Unabhängigkeit von Rechtsberatern:
[…] Die Republik Österreich ist unionsrechtlich verpflichtet, unentgeltliche Rechtsberatung für Asylwerber und Fremde zu gewährleisten (vgl insbesondere die Art19 ff der Richtlinie 2013/32/EU ). Die Rechtsberatung ist insofern (auch) eine im staatlichen Interesse liegende Aufgabe.
[…]
Um einerseits die Erfüllung der Pflicht zur Gewährleistung einer effektiven Rechtsberatung und andererseits die auf Grund (ua) von Art47 der Grundrechte‑Charta erforderliche Unabhängigkeit der Rechtsberater zu garantieren, sieht das BBU‑G eine organisatorische und funktionelle Trennung zwischen der Tätigkeit der Rechtsberater und den übrigen von (anderen Organen) der Bundesagentur wahrzunehmenden Tätigkeiten vor ([…]): Die Erbringung konkreter Beratungs- und Unterstützungsleistungen sowie die Setzung von Vertretungshandlungen hat ausschließlich durch die einzelnen unabhängigen und weisungsfreien Rechtsberater zu erfolgen, also die im Fachbereich Rechtsberatung (vgl §9 Abs1 zweiter Satz BBU‑G) beschäftigten natürlichen Personen, während es den anderen Organen der Bundesagentur obliegt, jene organisatorischen, institutionellen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen, die den einzelnen Rechtsberater in die Lage versetzen sollen, seine Tätigkeiten zu erbringen.
[…] Vor diesem Hintergrund räumt das BBU‑G (iVm. dem GmbHG) dem Bundesminister für Inneres (bzw anderen obersten Organen der Verwaltung) eine gewisse Ingerenz gegenüber der Bundesagentur ein:
Die Geschäftsführung der Bundesagentur wird durch den Bundesminister für Inneres bestellt (vgl §9 Abs2 BBU‑G). Der Bund als Alleingesellschafter der Bundesagentur ist – vertreten durch den Bundesminister für Inneres (vgl §1 Abs5 letzter Satz BBU‑G) – gegenüber der Geschäftsführung weisungsbefugt (vgl §20 Abs1 GmbHG). Konkretisiert wird diese Weisungsbefugnis durch §12 Abs2 und 4 BBU‑G, wonach der Bundesminister für Inneres – im Hinblick auf Belange der Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz – die allgemeinen Grundsätze der Geschäftspolitik und der Unternehmensführung festzulegen hat. Diese Grundsätze haben jedenfalls Vorgaben hinsichtlich der von der Bundesagentur verfolgten Strategien und Unternehmensziele zu enthalten (vgl §12 Abs2 zweiter Satz BBU‑G). Dem Bundesminister für Inneres obliegt auch die Genehmigung des von der Geschäftsführung zu erstellenden Unternehmenskonzepts sowie (nach der Genehmigung durch den Aufsichtsrat) des Vorhabensberichts (vgl §12 Abs3 und 5 BBU‑G).
[…]
Dazu kommen die Aufsichtsrechte des Aufsichtsrats, dessen Mitglieder mehrheitlich von obersten Bundesorganen bestellt werden (vgl §10 Abs1 BBU‑G). Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen und kann von der Geschäftsführung jederzeit einen Bericht über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen (vgl §30j Abs1 und 2 GmbHG).
Vermittels dieser Weisungs- und Aufsichtsrechte kann der Bund gewährleisten, dass die Aufgaben der Bundesagentur erfüllt werden und die Gebarung der Bundesagentur den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entspricht (vgl §12 Abs1 BBU‑G).
[…]
Die Weisungsbefugnis des Gesellschafters besteht gegenüber der Geschäftsführung (vgl §20 Abs1 GmbHG), nicht jedoch gegenüber den Mitarbeitern einer GmbH. In §13 Abs1 BBU‑G wird ausdrücklich normiert, dass Rechtsberater bei der Wahrnehmung der Aufgabe der Rechtsberatung unabhängig sind und diese weisungsfrei wahrzunehmen haben.
Weder der Bundesminister für Inneres noch andere Bundesminister haben daher eine Kompetenz, in die konkrete Tätigkeit der Rechtsberater bei der Wahrnehmung der Aufgabe der Rechtsberatung durch Weisungen einzugreifen. Auch wäre jede andere – wenn auch nur faktische – Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Rechtsberater gemäß §13 Abs1 BBU‑G rechtswidrig.
Auch eine Einflussnahme auf Rechtsberater über den 'Umweg' der Geschäftsführung – etwa in Form einer Weisung des Bundesministers für Inneres an die Geschäftsführung, einem Rechtsberater eine Weisung hinsichtlich seiner Aufgabenerfüllung zu erteilen – wäre nicht zulässig. Da die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater bei Wahrnehmung der Aufgabe der Rechtsberatung umfassend formuliert ist, sind Weisungen im Einzelfall auch seitens der Geschäftsführung, der Bereichsleitung Rechtsberatung und anderen Stellen innerhalb der Bundesagentur unzulässig.
Auch die Informationsrechte des Bundes gegenüber der Bundesagentur lassen die Unabhängigkeit der Rechtsberater bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe unangetastet: Gemäß §13 Abs1 zweiter Satz BBU‑G sind Rechtsberater in Wahrnehmung ihrer Aufgabe zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie dürfen durch den Bundesminister für Inneres ihrer Verschwiegenheit nicht entbunden werden (vgl §24 Abs1 iVm. §13 Abs1 BBU‑G). Der Bund darf somit durch die Ausübung seiner Informationsrechte die Verschwiegenheitspflicht der Rechtsberater nicht beeinträchtigen.
Sollte der Bund (bzw dessen Organe) dennoch in gesetzwidriger – und allenfalls strafrechtlich relevanter (vgl §302 des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl Nr 60/1974) – Weise auf die Tätigkeit der Rechtsberater Einfluss nehmen, stünden mehrere Mittel zur Verfügung, diesen rechtswidrigen Einfluss hintanzuhalten: Rechtsberater wären aufgrund §13 Abs1 BBU‑G verpflichtet, rechtswidrigen Weisungen oder Informationsersuchen keine Folge zu leisten. Gesellschafterbeschlüsse, welche in die Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und Verschwiegenheit der Rechtsberater eingreifen, wären gesetzwidrig, und die Geschäftsführung könnte die Nichtigerklärung solcher Beschlüsse mittels Klage verlangen, weil zwingende Vorschriften des BBU‑G verletzt wären (vgl §41 Abs1 Z2 und Abs3 GmbHG iVm. §13 Abs1 BBU‑G). Da eine Pflicht des Geschäftsführers zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen anzunehmen ist, wenn Interessen Dritter (hier: der einzelnen Rechtsberater, aber auch der beratenen Fremden) tangiert sind (vgl Enzinger in Straube, WK GmbHG §41 [Stand 1.8.2013, rdb.at] Rz. 63), wäre der Geschäftsführer der Bundesagentur auch zur Anfechtung solcher Gesellschafterbeschlüsse verpflichtet. Auch wären Vereinbarungen (Rahmenverträge iSd. §8 BBU‑G) zwischen dem Bund und der Bundesagentur, welche in die Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und Verschwiegenheit der Rechtsberater eingreifen, gesetzwidrig (vgl §13 Abs1 BBU‑G) und daher nichtig (vgl §879 Abs1 ABGB).
Als weitere Sicherung der Unabhängigkeit der Rechtsberater und zur Hintanhaltung von Interessenskonflikten ist im BBU‑G vorgesehen, dass der Einfluss des Bundesministers für Inneres auf die Bundesagentur, insoweit die Aufgabe der Rechtsberatung (vor dem Bundesverwaltungsgericht) betroffen ist, maßgeblich zugunsten der Bundesministerin für Justiz beschränkt wird:
Der Abschluss des Rahmenvertrags gemäß §8 BBU‑G sowie die Festlegung der Grundsätze der Unternehmensführung gemäß §12 BBU‑G darf im Hinblick auf die Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht nur im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz erfolgen. Auch hat gemäß §9 Abs1 zweiter Satz BBU‑G allein die Bundesministerin für Justiz die Bereichsleitung Rechtsberatung zu bestellen; es ist somit auch zwingend ein eigener Bereich Rechtsberatung einzurichten. Der Bundesminister für Inneres kann somit auf die Person des Bereichsleiters Rechtsberatung keinen Einfluss nehmen. Soweit es Leistungen der Rechtsberatung an das Bundesverwaltungsgericht betrifft, unterliegt die Überprüfung der internen Kostenrechnung der Bundesministerin für Justiz (vgl §7 Abs1 zweiter Satz BBU‑G). Die Genehmigung des Vorhabensberichts durch den Aufsichtsrat bedarf, soweit es Leistungen der Rechtsberatung an das Bundesverwaltungsgericht betrifft, auch der Zustimmung des von der Bundesministerin für Justiz bestellten Mitglieds (vgl §10 Abs2 dritter Satz BBU‑G).
[…]
Zudem steht die Bundesagentur im Verfahren zwar dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenüber (wobei sich aus den obigen Ausführungen ergibt, dass dadurch eine Unvereinbarkeit mit Art47 der Grundrechte-Charta bzw dem Rechtsstaatprinzip nicht begründet wird), beiden steht jedoch das Bundesverwaltungsgericht als unabhängiges Gericht gegenüber. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs hingewiesen, wonach es auf Grund der aus dem rechtsstaatlichen Prinzip einerseits und den einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften andererseits resultierenden Verfahrensgarantien Sache des Verwaltungsgerichts sei, dafür Sorge zu tragen, dass das einem Asylwerber zustehende Recht auf einen Rechtsberater tatsächlich in Anspruch genommen werden könne (vgl etwa VfGH 28.02.2022, E2810/2021).
[…]
Im Übrigen erwecken auch die Sachverhalte der Anlassverfahren nicht den Anschein und wird auch von den Antragstellern bzw Beschwerdeführern anscheinend nicht behauptet, dass die Unabhängigkeit der Rechtsberater in diesen Fällen beeinträchtigt gewesen wäre. Vielmehr scheint in den Anlassverfahren jeweils lediglich ein Organisationsverschulden im Einzelfall vorzuliegen, wie dies auch anderen Rechtsvertretern und Rechtsberatungsorganisationen unterlaufen kann.
[…]
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 18.809/2009 keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip dagegen gehegt hat, dass Flüchtlingsberater unmittelbar vom Bundesminister für Inneres bestellt werden:
[…]
Ergänzend verweist der Bundesminister für Inneres auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 28.02.2022, E2810/2021, in dem der Verfassungsgerichtshof auch zur Rechtslage nach Schaffung der Bundesagentur augenscheinlich keine Bedenken im Hinblick auf die Durchführung der Rechtsberatung und ‑vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht durch die Bundesagentur hegte, obwohl er sich in diesem Zusammenhang auch mit dem rechtsstaatlichen Prinzip auseinandersetzte.
Auch der Verwaltungsgerichtshof erkannte für den Bereich der Schubhaft – also einen die Freiheitsentziehung betreffenden und damit besonders sensiblen Bereich, bei dem das Rechtsschutzbedürfnis besonders hoch ist –, dass §52 BFA‑VG dahin auszulegen sei, dass der (schon bei der Schubhaftanordnung beigegebene) Rechtsberater (bzw die Bundesagentur) den Schubhäftling auch in dem nach §22a Abs4 BFA‑VG (durchgehende Anhaltung in Schubhaft länger als vier Monate) geführten Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur periodischen Überprüfung der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu unterstützen und zu beraten bzw zu vertreten habe (VwGH 24.02.2022, Ra 2020/21/0492, siehe insbesondere die Rz 23 und 25). Der Verwaltungsgerichtshof hegte dabei nicht nur keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Zusammenhang mit der Durchführung der Rechtsberatung durch die Bundesagentur (die ihn allenfalls zu einem Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG veranlasst hätten). Er hielt auch ausdrücklich fest, dass es vor dem Hintergrund des Art47 Abs3 der Grundrechte‑Charta rechtskundiger Unterstützung bedürfe, um 'in diesem Verfahren, in dem es nach einer bereits längeren Dauer des Freiheitsentzugs um die Frage von dessen weiterer Zulässigkeit geht, dem Standpunkt des BFA wirksam entgegen treten zu können', wobei es zweckmäßiger erscheine, dass diese gebotene Unterstützung gerade durch den von der Bundesagentur zur Verfügung gestellten Rechtsberater erfolge, als dass dafür im Weg der Verfahrenshilfe ein Rechtsanwalt bestellt werde (Rz 25 des zitierten Erkenntnisses). Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte damit aus Sicht des Bundesministers für Inneres zumindest implizit, dass mit der konkreten Ausgestaltung der Rechtsberatung in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 53/2019 – sogar für den besonders sensiblen Rechtsbereich der Schubhaft – den Anforderungen des Art47 der Grundrechte‑Charta entsprochen wird.
[…] Zum Rahmenvertrag gemäß §8 BBU‑G:
[…] Nach hier vertretener Ansicht könnte die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss […] aufgeworfene Frage, ob und inwiefern diese privatrechtlichen Regelungen des Rahmenvertrags für die Beurteilung der Verfassungskonformität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen von Relevanz sind, dahingestellt bleiben, weil die verfassungsrechtlich gebotene Unabhängigkeit der Rechtsberater bereits durch das BBU‑G (iVm. dem GmbHG) ausreichend gewährleistet ist […].
Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof der Auffassung sein sollte, dass die verfassungsrechtlich gebotene Unabhängigkeit der Rechtsberater durch das Gesetz nicht ausreichend gewährleistet ist, wird ergänzend Folgendes ausgeführt:
[…]
Dem Bundesverfassungsrecht kann keine Verpflichtung entnommen werden, wonach die Unabhängigkeit der Rechtsberatung von Asylwerbern und Fremden ausschließlich durch Gesetz (im formellen oder materiellen Sinne) zu gewährleisten ist (anderes mag etwa für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts gelten, für dessen Einrichtung Art47 Abs2 erster Satz der Grundrechte-Charta [und Art6 Abs1 EMRK] ausdrücklich ein Gesetz verlangt). Der Bund kann daher seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, die Unabhängigkeit der Rechtsberatung sicherzustellen, auch nachkommen, indem er Regelungen auf untergesetzlicher Ebene erlässt oder privatrechtliche Vereinbarungen trifft. Insoweit daher die Unabhängigkeit der Rechtsberater durch nichtgesetzliche Maßnahmen gewährleistet wird, ist dieser Umstand auch bei der Beurteilung der Verfassungskonformität der in Prüfung gezogenen gesetzlichen Bestimmungen zu beachten (zur Beachtlichkeit auch nichtgesetzlicher Maßnahmen bei der Prüfung der Verfassungskonformität eines Gesetzes vgl mutatis mutandis VfSlg 20.397/2020; VfGH 13.12.2022, G174/2022).
Es kann auch nicht erkannt werden, aus welchen Gründen der Umstand, dass der Rahmenvertrag abgeändert werden kann, seiner Relevanz im vorliegenden Prüfungsverfahren entgegenstehen sollte. Zudem setzt eine solche Änderung – ebenso wie der erstmalige Abschluss eines Rahmenvertrags – im Hinblick auf Leistungen gemäß §2 Abs1 Z2 litb und Z5 BBU‑G (Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht und Zurverfügungstellung von Dolmetschern und Übersetzern) an das Bundesverwaltungsgericht gemäß §8 BBU‑G das Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz voraus und kann nicht eigenmächtig durch den Bundesminister für Inneres vorgenommen werden (zu den dementsprechend im Rahmenvertrag festgelegten Änderungs- und Kündigungsmöglichkeiten siehe unten).
[…] Vor diesem Hintergrund ist zum Rahmenvertrag und den darin normierten Sicherungen der Unabhängigkeit der Rechtsberater Folgendes auszuführen:
Im Rahmen der gemeinsamen Abstimmung des Inhalts des Rahmenvertrags fand ein enger Austausch der Vertragspartner zwecks Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben statt. Die Bundesagentur war bei den Verhandlungen themenbezogen durch die jeweilige Geschäftsbereichsleitung und die Geschäftsführung vertreten; seitens des Bundesministeriums für Inneres wurden die Verhandlungen durch die mit dem Beteiligungsmanagement betraute Fachabteilung sowie die jeweils in inhaltlicher Hinsicht zuständige Organisationseinheit geführt. Im Bereich der Rechtsberatung wurden die Verhandlungen in Entsprechung der gesetzlichen Vorgaben (vgl §8 BBU‑G) vorrangig durch das Bundesministerium für Justiz geführt und kam dem Bundesministerium für Inneres insoweit nur eine koordinierende Rolle zu, um die gesetzlichen Vorgaben betreffend die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberatung (§13 Abs1 BBU‑G) im Rahmenvertrag bestmöglich abzubilden. Zudem wurden die Verhandlungen durch die Finanzprokuratur begleitet.
[…]
In der Detailvereinbarung Rechtsberatung wurden im Sinne der gesetzlichen Vorgaben (vgl ErlRV 594 BlgNr XXVI. GP , 11) institutionelle und organisatorische Maßnahmen festgelegt, die die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberatung konkretisieren. So sind beispielsweise weder zwischen dem Geschäftsführer und dem Bereichsleiter des Geschäftsbereichs Rechtsberatung weitere organisatorische Ebenen zulässig ([…]), noch sind die Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Rechtsberatung berechtigt, Auskünfte an die Geschäftsführung der Bundesagentur, den Aufsichtsrat der Bundesagentur oder weitere Vertreter des Bundes zu erteilen, soweit von diesem Auskunftsersuchen der Inhalt der Rechtsberatung und ‑vertretung betroffen ist ([…]). Die gesetzlichen und rahmenvertraglichen Vorgaben bedingen eine ausschließliche Zuordnung der Rechtsberater zum Geschäftsbereich Rechtsberatung, und die Rechtsberater sind insbesondere nicht im Bereich der allgemeinen Verwaltung, der Grundversorgung oder der Rückkehrberatung tätig.
Der Rahmenvertrag enthält auch noch weitere die Unabhängigkeit der Rechtsberater konkretisierende Regelungen. So hat etwa die Bereichsleitung des Geschäftsbereichs Rechtsberatung eine Geschäftsverteilung für den Geschäftsbereich Rechtsberatung zu erlassen, durch welche die Zuständigkeit der Rechtsberater nach sachlichen Kriterien vorab festgelegt ist ([…]). Für Rechtsberater besteht weiters ein besonderer Entlassungs- und Kündigungsschutz ([…]) und eine Regelung, wonach Rechtsberater sich der Ausübung ihrer Tätigkeit bei Vorliegen bestimmter Gründe (etwa solcher, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen) zu enthalten haben ([…]).
In Entsprechung der gesetzlichen Vorgaben zur Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit ist in […] der Detailvereinbarung Rechtsberatung außerdem vorgesehen, dass die Geschäftsführung der Bundesagentur zwar die Dienstaufsicht über den Bereichsleiter des Geschäftsbereichs Rechtsberatung ausübt. Ihr kommt allerdings keine Fachaufsicht für diesen Geschäftsbereich zu. Wenn der Bereichsleiter der Ansicht ist, eine Weisung der Geschäftsführung betreffe die Fach- und nicht die Dienstaufsicht, kann er den Aufsichtsrat der Bundesagentur befassen; die Weisung ist vom Bereichsleiter nur dann zu befolgen, wenn das von der Bundesministerin für Justiz bestellte Mitglied des Aufsichtsrats zusammen mit den anderen Mitgliedern des Aufsichtsrats dies mit Mehrheit entscheidet.
Weiters ist in Bezug auf die Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Rechtsberatung im Rahmenvertrag vorgesehen, dass diese (zB in Bezug auf Vorgaben zum Dienstort und der Dienstzeit) der Dienstaufsicht unmittelbar durch die Bereichsleitung Rechtsberatung sowie mittelbar (über die Bereichsleitung Rechtsberatung) der Geschäftsführung der Bundesagentur unterliegen ([…]). Vorgesehen ist außerdem, dass die Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Rechtsberatung der Fachaufsicht nur durch die Bereichsleitung Rechtsberatung unterliegen; generelle fachliche Weisungen sind dabei schriftlich zu erlassen und transparent im Geschäftsbereich Rechtsberatung kundzumachen; Weisungen im Einzelfall sind jedenfalls unzulässig ([…]).
Schließlich ist im Rahmenvertrag gemäß §8 BBU‑G vorgesehen, dass eine Änderung des Rahmenvertrags bzw der Detailvereinbarung Rechtsberatung im Hinblick auf die in §2 Abs1 Z2 litb und Z5 BBU‑G von der Bundesagentur zu erbringenden Aufgaben und Leistungen nur im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz zulässig ist. Die Wirksamkeit einer Kündigung des Rahmenvertrags tritt erst mit dem Zeitpunkt ein, zu dem ein neuer zwischen den Vertragsparteien vereinbarter Rahmenvertrag rechtswirksam ist ([…]).
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmenvertrag auch vorgesehen ist, dass die Bundesagentur einen Qualitätsbeirat einzurichten hat ([…]). Der Qualitätsbeirat ist zur Beratung der Geschäftsführung und der Bereichsleitung der Bundesagentur sowie der Bundesministerin für Justiz und des Bundesministers für Inneres eingerichtet und dient der zusätzlichen Absicherung der Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberatung. Er besteht aus acht Mitgliedern, wobei der UNHCR, der Österreichische Rechtsanwaltskammertag, die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte in Wien, das Österreichische Institut für Menschenrechte an der Universität Salzburg, der Bundesminister für Inneres und die Bundesministerin für Justiz nominierungsberechtigt sind. Dem Qualitätsbeirat kommt beratende und empfehlende Funktion zu. […]
Abschließend zu bedenken zu geben [ist], dass nach der früheren, seit dem Asylgesetz 1991 und bis zum Inkrafttreten des BBU‑G geltenden Rechtslage ([…]) im Gesetz vorgesehen war, dass die Rechtsberater vom Bundesminister für Inneres bzw vom Bundeskanzler auszuwählen waren, wobei die Rechtsberater auch Bedienstete des Bundes sein konnten. Seit der AsylG‑Novelle 2003 war auch nicht mehr vorgesehen, dass hiebei aus einer vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag erstellten Liste auszuwählen war. Der Bundesminister für Inneres und der Bundeskanzler konnten zwar seit dem FrÄG 2011 auch juristische Personen mit der Rechtsberatung beauftragen, sie waren dazu aber nicht verpflichtet.
Insofern die obersten Verwaltungsorgane des Bundes somit über die Auswahl der Rechtsberater entscheiden und diese auch Bundesbedienstete sein konnten, war den obersten Verwaltungsorganen nach der früheren Rechtslage sogar eine noch größere Ingerenz gegenüber den Rechtsberatern eingeräumt als nach der nunmehr geltenden Rechtslage (nach der die Einstellung der Rechtsberater und die Fach und Dienstaufsicht der Bundesagentur obliegt). Insofern ist es im Übrigen auch unzutreffend, die durch das BBU‑G geschaffene Rechtslage als 'Systembruch' in der Geschichte des österreichischen Asylwesens zu qualifizieren (so aber Gahleitner-Gertz/Reyhani, Grundrechtliche Grenzen staatlicher Rechtsberatung und ‑vertretung, Jahrbuch Asylrecht und Fremdenrecht 2021, 219 [219 f])."
4. Die Bundesministerin für Justiz hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegentritt (teilweise ohne Hervorhebungen im Original):
"BBU-Rechtsberater:innen sind gemäß §13 Abs1 BBU‑G bei der Wahrnehmung der in §2 Abs1 Z2 BBU‑G festgelegten Aufgabe unabhängig und haben diese weisungsfrei wahrzunehmen. Sie haben die Beratungstätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen und sind in Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Verschwiegenheit verpflichtet. Um diese Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit abzusichern sowie eine hohe Qualität der BBU‑Rechtsberatung zu gewährleisten, wurden im am 30.11.2020 abgeschlossenen Rahmenvertrag gemäß §8 BBU‑G zahlreiche konkrete Regelungen vorgesehen.
Da in diesem Rahmenvertrag, Maßnahmen zur Absicherung der Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und Qualität der Rechtsberatung und ‑vertretung determiniert werden, die im BBU‑Gesetz nicht näher bestimmt und nicht explizit als im Rahmenvertrag zu regelnde Bereiche angeführt werden, sind die im Rahmenvertrag vorgesehenen Bestimmungen von hoher operativer Relevanz.
Der Rahmenvertrag ist im Hinblick auf die in §2 Abs1 Z2 litb und Z5 BBU‑G genannten, von der BBU GmbH an das BVwG zu erbringenden Leistungen nicht ohne Weiteres abänderbar, da dazu das Einvernehmen zwischen dem BMI und dem BMJ herzustellen wäre […].
[…]
Die Bereichsleitung Rechtsberatung ist laut Rahmenvertrag berechtigt, [das] Bundesministerium für Justiz unverzüglich von Handlungen Dritter, die geeignet sind, die Weisungsfreiheit der Bereichsleitung Rechtsberatung oder der Rechtsberater:innen erheblich zu beeinträchtigen oder zu gefährden, zu informieren. Gleichzeitig ist davon die Geschäftsführung der BBU GmbH zu informieren, welche unverzüglich den Aufsichtsrat sowie den Bund (BMI) darüber zu verständigen hat. Für die Beurteilung der Erheblichkeit ist die Einschätzung der Bereichsleitung des Geschäftsbereichs Rechtsberatung maßgeblich ([…]).
Dazu ist anzumerken, dass die Bereichsleitung des Geschäftsbereichs Rechtsberatung dem BMJ bisher nicht von solchen Handlungen berichtet hat, weshalb davon auszugehen ist, dass keine solchen Handlungen stattgefunden haben. Grundsätzlich wird festgehalten, dass die BBU Rechtsberatung seit Aufnahme der operativen Tätigkeit durch fundierte und sorgfältige Rechtsberatung und -vertretung aufgefallen ist.
Während das Verfassen und Einbringen von ordentlichen und außerordentlichen Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof, von Fristsetzungsanträgen und von Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof nicht von der Rechtsberatung umfasst ist ([…]), hat das Bundesministerium für Justiz auch gegenüber der BBU GmbH klargestellt, dass es für einen effektiv gewährleisteten Zugang zum Gericht notwendig sein kann, auch praktische Hilfe beim Stellen eines Verfahrenshilfeantrags anzubieten (je nach den Umständen des Einzelfalls zB Hilfe beim Ausfüllen des entsprechenden Formulars oder gegebenenfalls der Formulierung der Begründung), wenn die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels als realistisch eingeschätzt werden. Diese Leistungen sollen einen effektiven Rechtschutz gewährleisten und sind daher aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz bei einer unionsrechtskonformen Interpretation von §52 BFA‑VG vom Leistungsumfang umfasst, um das notwendige Mindestmaß an erforderlicher Rechtsberatung zu erfüllen. Diese Leistungen werden daher im Rahmen des Kostenersatzes nach §7 Abs1 BBU‑G abgegolten.
[…]
Schließlich wurde ein regelmäßiger, mindestens jährlicher Evaluierungsmechanismus durch externe Leistungserbringer und ein Qualitätsbeirat mit beratender und empfehlender Funktion etabliert, um die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberatung und [‑]vertretung zusätzlich abzusichern ([…]).
Im Wege der Justizverwaltung wurde auch das Bundesverwaltungsgericht um Einschätzung der Rechtsberatung durch die BBU GmbH ersucht. Dazu langte folgende Stellungnahme ein:
'Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes waren seit der Übertragung der Aufgaben der Rechtsberatung und -vertretung an die BBU im Jänner 2021 im Allgemeinen keine Änderungen in der praktischen Ausgestaltung dieser Aufgaben im Rechtsmittelverfahren zu beobachten.
Insbesondere fielen keine Hinweise auf wiederkehrende Qualitätsmängel, organisatorische Unzulänglichkeiten oder sonstige Umstände auf, die allenfalls darauf hindeuten könnten, dass die BBU (bzw deren einzelne Mitarbeiter) die ihr übertragene Rechtsberatung und -vertretung tatsächlich nicht mit der gebotenen Objektivität und Unabhängigkeit wahrnimmt oder dass sonst die aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw aus der Garantie auf ein faires Verfahren resultierenden Anforderungen nicht gewahrt werden.
Aus der Beobachtung des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen im Speziellen keine Anhaltspunkte, dass mit Blick auf den Inhalt von Beschwerdeschriftsätzen und Stellungnahmen, die Vertretung in mündlichen Verhandlungen sowie organisatorische Belange (etwa was die Einhaltung von Fristen, die Wahrnehmung von Verhandlungsterminen, die Kommunikation mit Rechtsschutzsuchenden, die Vorlage von verfahrensrelevanten Unterlagen u.Ä. betrifft) seit der Übertragung der Rechtsberatung und -vertretung an die BBU eine qualitative Verschlechterung in diesen Bereichen eingetreten ist bzw dass hier allgemeine Unzulänglichkeiten vorliegen. Die zwischen verschiedenen Verfahren teils unterschiedliche Qualität von Vertretungshandlungen ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes – wie es auch bei anderen Vertretungsformen beobachtet werden kann – vom persönlichen Engagement des jeweils mit dem Verfahren befassten Mitarbeiters abhängig. Derartige Schwankungen in der Qualität scheinen aber seit Übertragung der Aufgaben an die BBU tendenziell (auch hier ist natürlich wiederum keine generelle Aussage, sondern nur eine allgemeine Beobachtung möglich) abgenommen zu haben; zu beobachten ist, dass der Inhalt von Beschwerden seither tendenziell im höheren Maß auf den Einzelfall ausgerichtet ist.
[…]
Im Allgemeinen ist (ungeachtet der Frage der organisatorischen Einbettung) davon auszugehen, dass die Wahrnehmung der Rechtsberatung und ‑vertretung im asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren durch eine in diesem Bereich spezialisierte Organisation Vorteile für den Rechtsschutzsuchenden mit sich bringt. […]'
Das Bundesministerium für Justiz teilt dabei die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, dass eine spezialisierte Einrichtung für Schutzsuchende deren Interessen tendenziell besser gewährleisten kann, als dies bei einem bloß über allgemeine Verfahrenshilfe ausgerichteten Modell der Fall wäre."
5. Die BBU GmbH hat eine Äußerung erstattet, in der sie Folgendes vorbringt (teilweise ohne Hervorhebungen im Original):
"Im Vorfeld der Übernahme der operativen Tätigkeit wurden im Rahmenvertrag gem. §8 BBU‑G zur Absicherung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung Regelungen festgelegt. Diese Absicherung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung ergibt sich nicht unmittelbar aus dem BBU‑G. Allerdings ist die Rahmenvereinbarung gem. §8 BBU‑G von erhöhter Bestandskraft im Vergleich zu anderen bilateralen Verträgen. So ist in der Rahmenvereinbarung festgehalten, dass hinsichtlich etwaiger Änderungen dieses Rahmenvertrages im Hinblick auf die in §2 Abs1 Z2 litb und Z5 BBU‑G von der BBU GmbH zu erbringenden Aufgaben das Einvernehmen zwischen dem Bundesministerium für Inneres (BMI) und dem Bundesministerium für Justiz (BMJ) herzustellen ist.
Eine weitere Absicherung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung kann darin gesehen werden, dass die Wirksamkeit einer Kündigung des Vertrages erst mit dem Zeitpunkt eintritt, zu dem ein neuer zwischen den Vertragsparteien vereinbarter Rahmenvertrag rechtswirksam ist ([…]). Außerdem muss eine Kündigungsfrist von einem Jahr eingehalten werden.
[…]
Als Absicherungsmechanismus zum gesellschaftsrechtlichen Informationsrecht durch den Geschäftsführer oder des Gesellschafters ist in […] der Detailvereinbarung Rechtsberatung ausdrücklich festgehalten, dass die Mitarbeiter*innen des Geschäftsbereichs Rechtsberatung nicht berechtigt sind, Auskünfte an die Geschäftsführung, den Aufsichtsrat oder weiteren Vertretern des Bundes zu erteilen, soweit von diesen Auskunftsersuchen der Inhalt der Rechtsberatung und ‑vertretung betroffen ist. […]
[Im Hinblick auf die strikte Trennung von Rechts- und Rückkehrberatung] gilt es zu erwähnen, dass neben den allgemeinen organisatorischen Absicherungen der Rechtsberatung darüber hinaus in der Detailvereinbarung Rechtsberatung der Rahmenvereinbarung vorgesehen ist, dass Asylwerber*innen oder Fremden nicht von denselben Mitarbeiter*innen der BBU GmbH Rechtsberatung und Rückkehrberatung erteilt werden darf ([…]); wie auch bereits explizit in §13 Abs5 BBU‑G geregelt). […] Von dieser grundsätzlichen strikten Trennung gibt es nur eine Ausnahme; diese betrifft die Tätigkeit der Menschenrechtsbeobachtung. […]
Um die faktische Einflussnahme auf die Rechtsberater*innen durch wirtschaftlichen Druck (im Sinne der Bedrohung einer leichtfertigen Beendigung des Dienstverhältnisses) hintanzuhalten, wurden der BBU GmbH im Rahmenvertrag Verpflichtungen auferlegt:
So besteht gem. […] der Detailvereinbarung Rechtsberatung ein über das Angestelltengesetz (AngG) und die kollektivvertraglichen Regelungen hinausgehender, erhöhter Bestandsschutz für Rechtsberater*innen. Dieser ist verpflichtend in die Dienstverträge mitaufzunehmen. […]
Neben dem dargelegten erhöhten Bestandsschutz ist die Unabhängigkeit der Rechtsberater*innen dadurch abgesichert, dass nach den Vorgaben im Rahmenvertrag keine (fachlichen) Anweisungen im Einzelfall erteilt werden dürfen. Generelle Dienstanweisungen und generelle fachliche Anweisungen dürfen nur schriftlich ergehen und müssen ordentlich kundgemacht werden. Generell fachliche Anweisungen dürfen nur von Seiten der Geschäftsbereichsleitung erlassen werden, nicht von Seiten der Geschäftsführung. Von der Ermächtigung zur Erlassung generell fachlicher Anweisungen hat die Geschäftsbereichsleitung in Form von 28 Leitfäden Gebrauch gemacht. […]
Ein Aspekt der Unabhängigkeit der Rechtsberatung liegt überdies in der finanziellen Verantwortung des Bundes im Sinne des 'Verursacherprinzips': So hat die Geschäftsführung der BBU GmbH gem. §12 Abs5 BBU‑G jährlich für das folgende Jahr und darüber hinaus für mindestens drei darauffolgende Kalenderjahre einen Vorhabensbericht inklusive eines Finanz-, Kosten- und Personalplans unter Beachtung der Grundsätze der Wirkungsorientierung zu erstellen. Der Vorhabensbericht ist vom Aufsichtsrat der BBU GmbH zu genehmigen. Eine Genehmigung des Vorhabensberichts durch den Aufsichtsrat in jenen Punkten, welche die Rechtsberatung in zweiter Instanz betreffen, erfordert die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsrates unter Einschluss des vom Bund (BMJ) entsandten Mitglieds. Darüber hinaus bedarf die Genehmigung des Vorhabensberichts durch den Bund dem Einvernehmen zwischen BMJ und BMI, soweit es Leistungen gemäß §2 Abs1 Z2 und Z5 BBU‑G an das Bundesverwaltungsgericht betrifft […].
[…]
Der Qualitätsbeirat ist zur Beratung der Geschäftsführung und der Bereichsleitung der Bundesagentur, sowie der Bundesministerin für Justiz und des Bundesministers für Inneres eingerichtet, und dient der zusätzlichen Absicherung der Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberatung. Dem Qualitätsbeirat kommt eine beratende und empfehlende Rolle zu, Mitwirkungspflichten in Form von Zustimmungs- oder Ablehnungsrechten sind nicht vorgesehen. Er ist in allen Fragen der fachlichen Durchführung der Rechtsberatung und ‑vertretung zu befassen und ihm ist Gelegenheit zu geben, Vorschläge zu erstatten, soweit diesen ein Beschluss zu Grunde liegt. […]
Der Qualitätsbeirat besteht aus acht Mitgliedern, wobei der UNHCR, der Österreichische Rechtsanwaltskammertag, die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte in Wien, das Österreichische Institut für Menschenrechte an der Universität Salzburg, der Bundesminister für Inneres und die Bundesministerin für Justiz nominierungsberechtigt sind. […]
Der Beitrat hat seine Kompetenz in den Gesprächen mit dem BMI und BMJ dahingehend erweitert, dass Ergebnisse nicht nur intern, sondern auch öffentlich kommuniziert werden, um die Transparenz der Arbeit des Beirats zu sichern und einen Beitrag zur öffentlichen Debatte zur Frage der Unabhängigkeit und Qualität der Rechtsberatung im Rahmen der BBU GmbH zu liefern. Der Jahresbericht aus 2021 ist auf der Homepage der BBU abrufbar (www.bbu.gv.at ).
[…]
Die Rahmenvereinbarung schafft Vorkehrungen um die Unabhängigkeit der Rechtsberatung abzusichern. Diese Maßnahmen wurden ausnahmslos umgesetzt. Seit Beginn der Tätigkeit der Rechtsberatung in der BBU wurde weder auf die Beratungs- und Vertretungstätigkeit selbst noch auf die Aus- und Fortbildung der Rechtsberater*innen von Personen außerhalb der Rechtsberatung Einfluss genommen. Durch die Arbeit des Geschäftsführers und die Tätigkeit des Aufsichtsrates wurden die Rechtsberater*innen bisher in der Ausübung ihrer unabhängigen Rechtsberatungstätigkeiten nicht beeinträchtigt. Im Laufe der zwei Jahre des operativen Betriebs in der Rechtsberatung haben die Rechtsberater*innen äußerst qualitätsvolle Arbeit geleistet und dadurch den Klient*innen ermöglicht, Vertrauen in die Tätigkeit der BBU Rechtsberatung aufzubauen, was sich insbesondere durch die hohe Zahl an Beratungs- und Vertretungswünschen zeigt."
6. Der Verfassungsgerichtshof führte am 19. Juni 2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der insbesondere Fragen zur Organisation der BBU GmbH und der Rechtsberatung mit Blick auf die Vorgaben des Art20 Abs1 und 2 B‑VG sowie zur Tätigkeit der Rechtsberatung bzw -vertretung erörtert wurden.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU‑Errichtungsgesetz – BBU‑G), BGBl I 53/2019 lauten auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"Errichtung der Bundesagentur
§1. (1) Zur Wahrnehmung der in §2 Abs1 festgelegten Aufgaben wird eine Gesellschaft unter der Firma 'Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung' (im Folgenden: 'Bundesagentur') errichtet. Die Firma kann mit 'BBU GmbH' abgekürzt werden.
(2) Soweit dieses Bundesgesetz keine abweichenden Vorschriften enthält, ist das Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH‑Gesetz), RGBl. Nr 58/1906, anzuwenden.
(3) Die Bundesagentur ist nicht auf Gewinn ausgerichtet. Sie ist abgabenrechtlich als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu behandeln und verfolgt ausschließlich und unmittelbar mildtätige und gemeinnützige Zwecke im Sinne der §§34 ff der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr 194/1961. Bei Auflösung der Bundesagentur oder bei Wegfall der mildtätigen und gemeinnützigen Zwecke fällt das verbleibende Vermögen an den Bund, der es für die Wahrnehmung von Aufgaben nach §2 Abs1 zu verwenden hat.
(4) Die Bundesagentur entsteht mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes. Sie ist von der Geschäftsführung unverzüglich zur Eintragung in das Firmenbuch zu bringen. §3 des Firmenbuchgesetzes (FBG), BGBl Nr 10/1991, gilt mit der Maßgabe, dass auch der Stichtag des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes im Firmenbuch einzutragen ist.
(5) Das Stammkapital der Bundesagentur beträgt Nominale eine Million Euro und ist zur Gänze in bar einzuzahlen. Die Geschäftsanteile an der Bundesagentur stehen zu 100% im Eigentum des Bundes. Die Veräußerung von Geschäftsanteilen des Bundes ist nicht zulässig. Die Ausübung der Gesellschafterrechte für den Bund obliegt dem Bundesminister für Inneres.
(6) Der Sitz der Bundesagentur ist Wien. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Die Bundesagentur ist berechtigt, ihrer Firma das Bundeswappen beizusetzen.
Aufgaben der Bundesagentur
§2. (1) Die Aufgaben der Bundesagentur sind
1. die Durchführung der Versorgung gemäß Art6 und 7 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art15a B‑VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung – Art15a B‑VG), BGBl I Nr 80/2004, soweit diese dem Bund obliegt,
2. die Durchführung der Rechtsberatung
a) vor dem Bundesamt gemäß §49 BFA-Verfahrensgesetz (BFA‑VG), BGBl I Nr 87/2012, sowie
b) vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß §52 BFA‑VG,
3. die Durchführung der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe gemäß §52a BFA‑VG,
4. die Zurverfügungstellung von Menschenrechtsbeobachtern zum Zweck der systematischen Überwachung von Abschiebungen gemäß §46 Abs6 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl I Nr 100/2005, sowie
5. die Zurverfügungstellung von Dolmetschern und Übersetzern im Rahmen von Verfahren nach §3 Abs2 Z1 bis 4 und 7 BFA‑VG vor den Behörden und dem Bundesverwaltungsgericht
jeweils in Erfüllung eines mildtätigen und gemeinnützigen Zwecks.
(2) Für die Aufgaben gemäß Abs1 besteht Betriebspflicht. Die Bundesagentur darf sich zur Erfüllung der Aufgabe gemäß Abs1 Z1 Dritter bedienen, soweit sie diese Aufgabe aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht aus Eigenem im erforderlichen Umfang erfüllen kann. Durch die Bundesagentur beauftragte Dritte haben der Bundesagentur über Aufforderung oder bei sonstiger Notwendigkeit zu berichten und sind an deren Weisungen gebunden.
(3) […]
Finanzierung
§3. (1) Zur Deckung der Kosten der Bundesagentur und ihrer Aufgaben gemäß §2 Abs1, einschließlich der notwendigen Personal- und Sachkosten sowie aller Aufwendungen, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach §2 Abs1 nötig sind, leistet der Bundesminister für Inneres jährliche Zuwendungen an die Bundesagentur auf Basis des Vorhabensberichts gemäß §12 Abs5 und nach Maßgabe des jährlichen Bundesfinanzgesetzes. Die jährlich anzupassenden finanziellen Zuwendungen haben im jeweiligen Kalenderjahr quartalsweise in vier Teilbeträgen vorschüssig bis zum ersten Werktag des jeweiligen Quartals zu erfolgen.
(2) Überschreitet der Betrag der in einem Kalenderjahr für die Wahrnehmung der Aufgaben nach §2 Abs1 geleisteten Zuwendungen (Abs1) die in diesem Kalenderjahr tatsächlich angefallenen Kosten, so ist der Differenzbetrag auf die für das darauffolgende Kalenderjahr vorgesehenen Zuwendungen anzurechnen. Bei der Beurteilung, ob zum Ende eines Kalenderjahres eine solche betragliche Überschreitung vorliegt, ist dem Gesamtbetrag der in diesem Kalenderjahr tatsächlich geleisteten Zuwendungen (Abs1) ein allenfalls angerechneter Differenzbetrag aus dem vorherigen Kalenderjahr hinzuzurechnen.
(3) Sonstige Einnahmen zur Wahrnehmung der Aufgaben gemäß §2 Abs1 können insbesondere sein:
1. Zuwendungen des Bundesministers für Inneres aus Förderbeiträgen der Europäischen Union, die dem Aufgabenbereich der Bundesagentur zuzuordnen sind,
2. Ersatz der Kosten für Leistungen der Bundesagentur gemäß §7, insbesondere Einnahmen aus Tätigkeiten gemäß §2 Abs1 Z2 oder 5, sowie
3. Pacht- oder Mieteinnahmen.
(4) Weist die Bundesagentur nach, dass sie überplanmäßige Mittel benötigt, die aus den in den vorstehenden Absätzen genannten Mitteln nicht bedeckt werden können, so kann der Bund einen zusätzlichen Beitrag leisten, soweit die Bundesagentur die ihr zu Gebote stehenden Optimierungspotentiale nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit genützt hat.
[…]
Kostenersatz der Leistungen
§7. (1) Die Bundesagentur erbringt ihre Leistungen an den Bund gegen Ersatz der Kosten, deren Höhe auf Grundlage einer transparenten internen Kostenrechnung unter Zugrundelegung der Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit nach dem Grundsatz der Kostendeckung festzulegen ist. Diese interne Kostenrechnung unterliegt der Überprüfung durch den Bundesminister für Inneres und, soweit es Leistungen gemäß §2 Abs1 Z2 litb und Z5 an das Bundesverwaltungsgericht betrifft, den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz.
(2) Die Kostenersatzpflicht gemäß Abs1 besteht für den Bundesminister für Inneres nur für Leistungen gemäß §2 Abs1 Z2 lita und Z5. Leistungen gegenüber dem Bundesminister für Inneres gemäß §2 Abs1 Z1, 3 und 4 werden durch die jährlichen Zuwendungen gemäß §3 abgegolten.
Rahmenvertrag
§8. Der Bundesminister für Inneres hat mit der Bundesagentur insbesondere über die Auftragsbedingungen, die zu erbringenden Leistungen und den dafür zu leistenden Kostenersatz, die Modalitäten der Abrechnung, die Auswahl der Rechtsberater, Dolmetscher und Menschenrechtsbeobachter, die Vorgangsweise bei Pflichtverletzungen durch Rechtsberater, die gemäß §13 Abs4 Z2 sicherzustellende Gewährleistung von regelmäßigen Fortbildungen für Rechtsberater sowie die Fortbildung von Dolmetschern und Menschenrechtsbeobachtern einen Rahmenvertrag abzuschließen. Im Hinblick auf Leistungen gemäß §2 Abs1 Z2 litb und Z5 an das Bundesverwaltungsgericht ist vor Abschluss des Rahmenvertrags das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz herzustellen.
[…]
Vertretung der Bundesagentur
§9. (1) Die Bundesagentur hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Die Bestellung von Prokuristen ist zulässig. Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hat die Bereichsleitung Rechtsberatung, die von der Geschäftsführung mit Handlungsvollmacht (§54 UGB) in diesem Bereich auszustatten ist, zu bestellen. Auf die Bestellung der Geschäftsführung und der Bereichsleitung Rechtsberatung findet das Stellenbesetzungsgesetz, BGBl I Nr 26/1998, Anwendung.
(2) Die Geschäftsführung ist durch den Bundesminister für Inneres für die Dauer von bis zu fünf Jahren zu bestellen. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, für die Dauer von bis zu 24 Monaten nach Entstehung der Bundesagentur eine interimistische Geschäftsführung zu bestellen. Das Stellenbesetzungsgesetz ist auf diese interimistische Bestellung nicht anzuwenden.
Aufsichtsrat
§10. (1) Der Aufsichtsrat der Bundesagentur besteht aus zwölf Mitgliedern und setzt sich wie folgt zusammen:
1. sechs Mitglieder, einschließlich des Vorsitzenden und dessen Stellvertreter, die vom Bundesminister für Inneres bestellt werden,
2. ein Mitglied, das vom Bundesminister für Finanzen bestellt wird,
3. ein Mitglied, das vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz bestellt wird,
4. vier von der innerbetrieblichen Interessenvertretung der Bundesagentur entsandte Mitglieder.
(2) Die Mitglieder des Aufsichtsrates sind zur Eintragung im Firmenbuch anzumelden. Der Aufsichtsrat beschließt mit einfacher Mehrheit der bei der Sitzung abgegebenen Stimmen. Der Vorhabensbericht gemäß §12 Abs5 bedarf jedenfalls der Zustimmung der vom Bundesminister für Inneres und vom Bundesminister für Finanzen und, soweit es Leistungen gemäß §2 Abs1 Z2 lita und b und Z5 an das Bundesverwaltungsgericht betrifft, vom Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz bestellten Mitglieder. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden, bei dessen Verhinderung die Stimme des Stellvertreters den Ausschlag.
(3) […]
Grundsätze der Unternehmensführung
§12. (1) Die Bundesagentur ist nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu führen.
(2) Der Bundesminister für Inneres als Gesellschaftervertreter hat mit Beschluss für die Geschäftsführung verbindliche allgemeine Grundsätze der Geschäftspolitik und der Unternehmensführung festzulegen. Diese haben jedenfalls Vorgaben hinsichtlich der von der Bundesagentur verfolgten Strategien und Unternehmensziele zu enthalten. Soweit bei Festlegung dieser Grundsätze Belange der Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht (§2 Abs1 Z2 litb) betroffen sind, ist vor Beschlussfassung das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz herzustellen.
(3) Die Geschäftsführung hat spätestens innerhalb von sechs Monaten ab dem Tag der Beschlussfassung gemäß Abs2 ein Unternehmenskonzept zu erstellen und dem Bundesminister für Inneres als Gesellschaftervertreter zur Genehmigung vorzulegen. Dieses Konzept hat den in Abs2 genannten Grundsätzen Rechnung zu tragen; insbesondere hat es die von der Bundesagentur angestrebten Unternehmensziele, die von ihr verfolgten Strategien, die der Bundesagentur zugrundeliegende Organisation sowie die Pläne für den Personal- und Sachmitteleinsatz und die Finanzierung zu enthalten.
(4) Fasst der Bundesminister für Inneres als Gesellschaftervertreter einen Beschluss über die Änderung der in Abs2 genannten Grundsätze, so ist die Geschäftsführung verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten ab dem Tag dieser Beschlussfassung das Unternehmenskonzept (Abs3) entsprechend anzupassen und diesem zur neuerlichen Genehmigung vorzulegen. Soweit durch Änderung der in Abs2 genannten Grundsätze Belange der Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht (§2 Abs1 Z2 litb) betroffen sind, ist vor einer Beschlussfassung gemäß Satz 1 das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz herzustellen.
(5) Die Geschäftsführung hat jährlich für das folgende Jahr und darüber hinaus für mindestens drei darauffolgende Kalenderjahre einen Vorhabensbericht inklusive eines Finanz-, Kosten- und Personalplans unter Beachtung der Grundsätze der Wirkungsorientierung zu erstellen. Der Vorhabensbericht ist nach Genehmigung des Aufsichtsrates dem Bundesminister für Inneres bis spätestens sechs Wochen vor Beginn des nächsten Kalenderjahres zur Genehmigung vorzulegen. Sofern der Bundesminister für Inneres die Genehmigung des Vorhabensberichts nicht innerhalb von sechs Wochen ab Vorlage verweigert, gilt dieser als genehmigt. Der Vorhabensbericht kann auch in zwei Teilberichten erstellt und zur Genehmigung vorgelegt werden, wobei sich diesfalls einer der Teilberichte ausschließlich auf Leistungen gemäß §2 Abs1 Z2 lita und b und Z5 an das Bundesverwaltungsgericht zu beziehen hat.
(6) Die Tätigkeiten der Bundesagentur unterliegen nicht den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl Nr 194/1994.
[…]
Rechtsberatung
§13. (1) Rechtsberater sind bei der Wahrnehmung der in §2 Abs1 Z2 festgelegten Aufgabe unabhängig und haben diese weisungsfrei wahrzunehmen. Sie haben die Beratungstätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen und sind in Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Verschwiegenheit verpflichtet.
(2) Rechtsberater haben nachzuweisen:
1. den erfolgreichen Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums,
2. den erfolgreichen Abschluss eines Studiums mit vierjähriger Mindestdauer, einschließlich einer dreijährigen durchgehenden Tätigkeit im Bereich des Fremdenrechtes oder
3. eine mindestens fünfjährige durchgehende Tätigkeit im Bereich des Fremdenrechtes.
(3) Rechtsberater haben Gewähr für ihre Verlässlichkeit zu bieten und sich jeglichen Verhaltens zu enthalten, das geeignet ist
1. die gewissenhafte Wahrnehmung ihrer Aufgaben hintanzuhalten,
2. den Eindruck einer ihrer Aufgaben widersprechenden Wahrnehmung ihrer Pflichten zu erwecken oder
3. die Verschwiegenheit zu gefährden.
(4) Die Bundesagentur hat insbesondere sicherzustellen, dass sie
1. über eine ausreichende Anzahl an Rechtsberatern zur flächendeckenden Rechtsberatung im Bundesgebiet verfügt,
2. regelmäßige Fortbildungsmaßnahmen für die von ihr beschäftigten Rechtsberater gewährleistet,
3. über die organisatorischen Möglichkeiten verfügt, die notwendig sind, ein Rechtsberatungssystem zu administrieren.
(5) Einem Asylwerber oder Fremden darf nicht von demselben Beschäftigten der Bundesagentur Rechtsberatung (§§49 bis 52 BFA‑VG) und Rückkehrberatung oder Rückkehrhilfe (§52a BFA‑VG) gewährt werden.
[…]
Verschwiegenheit
§24. (1) Die von der Bundesagentur zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß §2 Abs1 Beschäftigen sind über alle ihnen aus ihrer Tätigkeit für die Bundesagentur bekannt gewordenen Tatsachen, einschließlich personenbezogener Daten im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr L 119 vom 4.5.2016 S. 1 (DSGVO), und des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl I Nr 165/1999, gegenüber jedermann zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist oder sie, unbeschadet des §13 Abs1, nicht durch den Bundesminister für Inneres von der Verschwiegenheit entbunden werden.
(2) Die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht auch nach Beendigung der Tätigkeit für die Bundesagentur.
[…]
Vorbereitende Maßnahmen und Übergangsbestimmungen
§28. (1) […]
(2) Mit Beginn der Wahrnehmung der Aufgabe gemäß §2 Abs1 Z2 hat jeder, der bis dahin mit der Rechtsberatung gemäß §§49 bis 52 BFA‑VG betraut war, der Bundesagentur jene Daten zur Verfügung zu stellen, die diese für die Wahrnehmung der Aufgabe benötigt.
(3) […]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA‑Verfahrensgesetz – BFA‑VG), BGBl I 87/2012, idF BGBl I 110/2021 (in den zu E3608/2021, E3958/2021 und E175/2022 protokollierten Verfahren) bzw idF BGBl I 234/2021 (in dem zu E1172/2022 protokollierten Verfahren) lauten auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogene Bestimmung des §52 BFA‑VG steht idF BGBl I 53/2019 in Geltung und ist hervorgehoben):
"Rechtsberatung vor dem Bundesamt
§49. (1) Fremden kann in offenen Verfahren im Zuständigkeitsbereich des Bundesamtes (§3 Abs2) eine kostenlose Rechtsberatung nach Maßgabe der faktischen Möglichkeiten gewährt werden. Die Rechtsberatung von Asylwerbern umfasst die Unterstützung bei der Beischaffung eines Dolmetschers und die Beratung über ihr Asylverfahren und ihre Aussichten auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten. Auf eine Rechtsberatung besteht, ausgenommen in den Fällen des §10 Abs3, 5 und 6 sowie des §29 Abs4 AsylG 2005, kein Rechtsanspruch. Erfolgt keine Rechtsberatung, so sind dem Fremden auf sein Verlangen rechts- und verfahrenstechnische Auskünfte kostenlos zu erteilen.
(2) Die Rechtsberatung und, soweit eine solche nicht gewährt wird, die Erteilung rechts- und verfahrenstechnischer Auskünfte, haben nur in den Amtsstunden des Bundesamtes zu erfolgen.
(3) Bei unbegleiteten minderjährigen Asylwerbern hat der Rechtsberater als gesetzlicher Vertreter im Zulassungsverfahren bei jeder Befragung und jeder Einvernahme teilzunehmen.
Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht
§52. (1) Das Bundesamt hat den Fremden oder Asylwerber bei Erlassung einer Entscheidung, ausgenommen Entscheidungen nach §53 BFA‑VG, §§19, 76 bis 78 AVG, §§46 Abs2 bis 2b, 60 Abs1 und 2, 69 Abs2, 88 bis 94 FPG und nach dem VVG, oder einer Aktenvorlage gemäß §16 Abs2 VwGVG, schriftlich darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt den bestellten Rechtsberater oder die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung davon in Kenntnis zu setzen.
(2) Rechtsberater unterstützen und beraten Fremde oder Asylwerber jedenfalls beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Abs1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben ihre Beratungstätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen und den Beratenen die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen. Auf deren Ersuchen haben sie die betreffenden Fremden oder Asylwerber auch im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten. Im Fall der Erlassung eines Schubhaftbescheides bezieht sich die Beratung und Vertretung durch den Rechtsberater auch auf die unmittelbar vorangegangene Festnahme und Anhaltung nach diesem Bundesgesetz."
3. Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2013/32/EU zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, ABl. 2013 L 180, 60, lauten auszugsweise wie folgt:
"Artikel 19
Unentgeltliche Erteilung von Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften in erstinstanzlichen Verfahren
(1) In den erstinstanzlichen Verfahren nach Kapitel III gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass den Antragstellern auf Antrag unentgeltlich rechts und verfahrenstechnische Auskünfte erteilt werden; dazu gehören mindestens Auskünften zum Verfahren unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Antragstellers. Im Fall einer ablehnenden Entscheidung zu einem Antrag im erstinstanzlichen Verfahren erteilen die Mitgliedstaaten dem Antragsteller auf Antrag zusätzlich zu den Auskünften nach Artikel 11 Absatz 2 und Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe f Auskünfte über die Gründe einer solchen Entscheidung und erläutern, wie die Entscheidung angefochten werden kann.
(2) Die unentgeltliche Erteilung von Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften erfolgt nach Maßgabe des Artikels 21.
Artikel 20
Unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Rechtsbehelfsverfahren
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Rechtsbehelfsverfahren nach Kapitel V auf Antrag unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gewährt wird. Diese umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung vor einem erstinstanzlichen Gericht im Namen des Antragstellers.
(2) Die Mitgliedstaaten können auch in den erstinstanzlichen Verfahren nach Kapitel III unentgeltliche Rechtsberatung und/oder ‑vertretung gewähren. In diesem Fall findet Artikel 19 keine Anwendung.
(3) […]
(4) Die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung erfolgt nach Maßgabe des Artikels 21.
Artikel 21
Voraussetzungen für die unentgeltliche Erteilung von Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften sowie für die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung
(1) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass Nichtregierungsorganisationen, Fachkräfte von Behörden oder spezialisierte staatliche Stellen die unentgeltlichen Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünfte gemäß Artikel 19 erteilen.
Die unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung nach Artikel 20 erfolgt durch nach nationalem Recht zugelassene oder zulässige Personen.
(2) […]
Artikel 22
Anspruch auf Rechtsberatung und -vertretung in allen Phasen des Verfahrens
(1) Antragsteller erhalten in allen Phasen des Verfahrens, auch nach einer ablehnenden Entscheidung, effektiv Gelegenheit, auf eigene Kosten einen Rechtsanwalt oder sonstigen nach nationalem Recht zugelassenen oder zulässigen Rechtsberater in Fragen ihres Antrags auf internationalen Schutz zu konsultieren.
(2) Die Mitgliedstaaten können Nichtregierungsorganisationen erlauben, Antragstellern in den Verfahren nach den Kapiteln III und V Rechtsberatung und/oder ‑vertretung im Einklang mit nationalem Recht zu gewähren."
III. Erwägungen
A. Zur Zulässigkeit des Verfahrens
1. Der Bundesminister für Inneres, die Bundesministerin für Justiz und die BBU GmbH ziehen die Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens nicht in Zweifel.
2. Auch sonst hat sich nichts ergeben, was an der Zulässigkeit der Anlassverfahren oder der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe.
Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren als zulässig.
B. In der Sache
1. Die Richtlinie 2013/32/EU zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, ABl. 2013 L 180, 60 (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie) enthält unionsrechtliche Vorgaben für das Verfahren für die Zu- und Aberkennung von internationalem Schutz, das heißt sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Im hier vorliegenden Zusammenhang regelt Art19 Verfahrensrichtlinie die unentgeltliche Erteilung von Rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften in erstinstanzlichen Verfahren und Art20 Verfahrensrichtlinie die unentgeltliche Rechtsberatung und ‑vertretung in Rechtsbehelfsverfahren. Nach Art20 Abs1 Verfahrensrichtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass in Rechtsbehelfsverfahren auf Antrag unentgeltliche Rechtsberatung und ‑vertretung gewährt wird. Diese umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung vor einem erstinstanzlichen Gericht im Namen des Antragstellers. Nach Art21 Abs1 und Abs2 Verfahrensrichtlinie hat die unentgeltliche Rechtsberatung und ‑vertretung gemäß Art20 Verfahrensrichtlinie durch nach nationalem Recht zugelassene oder zulässige Personen zu erfolgen, also durch Personen, die nach nationalem Recht eigens zur rechtlichen Unterstützung und Vertretung von Antragstellern qualifiziert sind (Vedsted-Hansen, Art20 Asylum Procedures Directive 2013/32/EU , in: Thym/Hailbronner [Hrsg.], EU Immigration and Asylum Law, 2022, Rz 2 "competent to assist and represent clients in legal matters, in several national systems meaning a qualified lawyer"; siehe bei diesem auch näher dazu, dass die Art20 ff Verfahrensrichtlinie den Mitgliedstaaten einen weiten Spielraum einräumen, auf welche Weise sie die Rechtsberatung und ‑vertretung in Rechtsbehelfsverfahren vorsehen: "Article 21 (1) gives Member States a wide discretion as to the manner in which they comply with the obligations to offer applicants information, assistance and representation under Articles 19 and 20.", Vedsted-Hansen, Art21 Asylum Procedures Directive 2013/32/EU , in Thym/Hailbronner, Rz 2).
Im Hinblick auf die doppelte Bedingtheit des Gesetzgebers bei der Durchführung und Umsetzung von Unionsrecht, soweit diese nicht vollständig unionsrechtlich determiniert ist (vgl VfSlg 18.642/2008, 20.070/2016, 20.209/2017), ist dem Verfassungsgerichtshof eine verfassungsrechtliche Prüfung der in Rede stehenden Bestimmungen des BBU‑G und des BFA‑VG daher nicht verwehrt.
2.1. Vor der Errichtung und Betrauung der BBU GmbH durch Novellierung der entsprechenden Bestimmungen im BFA‑VG und der Erlassung des BBU‑G mit BGBl I 53/2019 war die Rechtsberatung in §§48 bis 52a BFA‑VG vor BGBl I 53/2019 (im Folgenden: BFA‑VG aF) geregelt. Dabei oblag die Auswahl der Rechtsberater gemäß §§49 bis 51 BFA‑VG aF (Rechtsberatung im Zulassungsverfahren und beratende Unterstützung für Asylwerber im zugelassenen Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie sonstige Rechtsberatung) dem Bundesminister für Inneres und die Auswahl der Rechtsberater gemäß §52 BFA‑VG aF (Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht) dem Bundeskanzler (§48 Abs4 BFA‑VG aF). Die Dauer der Tätigkeit eines Rechtsberaters richtete sich nach dem mit dem Bundesminister für Inneres oder dem Bundeskanzler abzuschließenden Vertrag, wobei eine Wiederbestellung möglich war (§48 Abs5 BFA‑VG aF). Nach §48 Abs6 BFA‑VG aF konnten der Bundesminister für Inneres und der Bundeskanzler auch jeweils juristische Personen mit der Besorgung der Rechtsberatung gemäß §§49 bis 52 BFA‑VG aF betrauen. Gemäß §48 Abs9 BFA‑VG aF konnten der Bundesminister für Inneres und der Bundeskanzler die Betrauung einzelner juristischer Personen mit sofortiger Wirkung aufheben und die damit erteilten Befugnisse widerrufen, wenn die juristische Person die notwendigen Voraussetzungen nicht mehr erfüllte oder ein von ihr mit der Durchführung der Rechtsberatung oder beratenden Unterstützung Beauftragter wiederholte und beharrliche Pflichtverletzungen beging. In diesen Fällen standen der juristischen Person keinerlei Ansprüche gegen den Bund zu, die über die Entschädigung für abgeschlossene Beratungen hinausgingen. Das BFA‑VG aF beschränkte dabei die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Tätigkeit der mit der Rechtsberatung betrauten juristischen Person – auch zur Stärkung ihrer Unabhängigkeit – auf diese nach §48 Abs9 BFA‑VG aF vorgesehenen Maßnahmen (VwGH 14.2.2019, Ra 2018/18/0409).
2.2. Nunmehr ist die Rechtsberatung gemäß §2 Abs1 Z2 BBU‑G Aufgabe der BBU GmbH, einer nicht auf Gewinn gerichteten (§1 Abs3 BBU‑G) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§1 Abs1 BBU‑G), die zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes steht. Die Gesellschafterrechte für den Bund übt der Bundesminister für Inneres aus (§1 Abs5 BBU‑G). Diesem ist gemäß §1 BFA-G das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unmittelbar nachgeordnet, dem nach §3 BFA-G unter anderem die Vollziehung des BFA‑VG, des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) sowie des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) obliegt und das damit über Anträge des Fremden insbesondere auf internationalen Schutz entscheidet und in der Folge gegebenenfalls nach §18 VwGVG im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dem Fremden als belangte Behörde gegenübersteht.
Die BBU GmbH hat gemäß §9 Abs1 BBU‑G einen oder mehrere Geschäftsführer, der bzw die durch den Bundesminister für Inneres für die Dauer von bis zu fünf Jahren bestellt wird bzw werden (§9 Abs2 BBU‑G). Die Bereichsleitung Rechtsberatung ist gemäß §9 Abs1 BBU‑G von der Bundesministerin für Justiz zu bestellen und von der Geschäftsführung mit Handlungsvollmacht (§54 UGB) in diesem Bereich auszustatten. Das Nähere regelt der gemäß §8 BBU‑G abzuschließende Rahmenvertrag.
Der Aufsichtsrat der BBU GmbH besteht aus zwölf Mitgliedern. Sechs Mitglieder, einschließlich des Vorsitzenden und seines Stellvertreters, werden vom Bundesminister für Inneres, ein Mitglied vom Bundesminister für Finanzen und ein Mitglied von der Bundesministerin für Justiz bestellt. Weitere vier Mitglieder werden von der innerbetrieblichen Interessenvertretung entsandt (§10 Abs1 BBU‑G). Der Aufsichtsrat beschließt grundsätzlich mit einfacher Mehrheit, bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden bzw bei dessen Verhinderung die Stimme des Stellvertreters den Ausschlag (§10 Abs2 BBU‑G).
Der Bundesminister für Inneres hat der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat jeweils eine Geschäftsordnung zu geben (§10 Abs3 BBU‑G). Die Geschäftsordnung soll unter anderem sicherstellen, dass der Bundesminister für Inneres der ihm zukommenden Verantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung der von der BBU GmbH wahrgenommenen Aufgaben durch Ausübung der Gesellschafterrechte im Sinne des §1 Abs5 letzter Satz BBU‑G nachkommen kann. In diesem Sinne können durch eine Geschäftsordnung etwa Informations- oder Berichtspflichten der Geschäftsführung gegenüber dem Gesellschafter sichergestellt oder (weitere) Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten des Gesellschafters oder des Aufsichtsrates festgelegt werden (Erläut zur RV 594 BlgNR 26. GP , 12).
Die BBU GmbH erbringt ihre Leistungen an den Bund gegen Ersatz der Kosten, deren Höhe auf Grundlage einer internen Kostenrechnung unter Zugrundelegung der Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit nach dem Grundsatz der Kostendeckung festzulegen ist. Diese interne Kostenrechnung unterliegt der Überprüfung durch den Bundesminister für Inneres und, soweit es Leistungen gemäß §2 Abs1 Z2 litb und Z5 an das Bundesverwaltungsgericht betrifft, durch die Bundesministerin für Justiz (§7 Abs1 BBU‑G).
Die BBU GmbH ist nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu führen (§12 Abs1 BBU‑G). Der Bundesminister für Inneres hat als Gesellschaftervertreter mit Beschluss für die Geschäftsführung verbindliche allgemeine Grundsätze der Geschäftspolitik und der Unternehmensführung festzulegen, wobei diese jedenfalls Vorgaben hinsichtlich der von der BBU GmbH verfolgten Strategien und Unternehmensziele zu enthalten haben. Soweit dabei Belange der Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht betroffen sind, ist das Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz herzustellen (§12 Abs2 BBU‑G). Die Geschäftsführung hat ein Unternehmenskonzept, das diesen Grundsätzen Rechnung trägt, zu erstellen und dem Bundesminister für Inneres als Gesellschaftervertreter zur Genehmigung vorzulegen. Dieses Konzept hat insbesondere die von der BBU GmbH angestrebten Unternehmensziele, die von ihr verfolgten Strategien, die der BBU GmbH zugrunde liegende Organisation sowie die Pläne für den Personal- und Sachmitteleinsatz und die Finanzierung zu enthalten (§12 Abs3 BBU‑G). Die Geschäftsführung hat zudem jährlich für das folgende Jahr und darüber hinaus für mindestens drei darauffolgende Kalenderjahre einen Vorhabensbericht inklusive eines Finanz-, Kosten- und Personalplanes unter Beachtung der Grundsätze der Wirkungsorientierung zu erstellen (§12 Abs5 BBU‑G). Der Vorhabensbericht ist vom Aufsichtsrat zu genehmigen, wobei er jedenfalls die Zustimmung der vom Bundesminister für Inneres und vom Bundesminister für Finanzen und, soweit es Leistungen nach §2 Abs1 Z2 lita und b und Z5 BBU‑G an das Bundesverwaltungsgericht betrifft, von der Bundesministerin für Justiz bestellten Mitglieder benötigt (§10 Abs2 BBU‑G). Der vom Aufsichtsrat genehmigte Vorhabensbericht ist dem Bundesminister für Inneres zur Genehmigung vorzulegen. Der Vorhabensbericht kann auch in zwei Teilberichten erstellt und zur Genehmigung vorgelegt werden, wobei sich diesfalls einer der Teilberichte ausschließlich auf Leistungen gemäß §2 Abs1 Z2 lita und b und Z5 an das Bundesverwaltungsgericht zu beziehen hat (§12 Abs5 BBU‑G).
Die Aufgaben der BBU GmbH bestehen in der (verpflichtenden, §2 Abs2 BBU‑G) Durchführung der Versorgung gemäß Art6 und 7 der Grundversorgungsvereinbarung – Art15a B‑VG, soweit diese dem Bund obliegt (§2 Abs1 Z1 BBU‑G), in der Durchführung der Rechtsberatung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §49 BFA‑VG (§2 Abs1 Z2 lita BBU‑G) und in der Rechtsberatung und -vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß §52 BFA‑VG (§2 Abs1 Z2 litb BBU‑G) sowie in der Durchführung der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe gemäß §52a BFA‑VG (§2 Abs1 Z3 BBU‑G). Zudem hat die BBU GmbH Menschenrechtsbeobachter zum Zweck der systematischen Überwachung von Abschiebungen gemäß §46 Abs6 FPG (§2 Abs1 Z4 BBU‑G) sowie Dolmetscher und Übersetzer im Rahmen von Verfahren nach §3 Abs2 Z1 bis 4 und 7 BFA‑VG vor den Behörden und dem Bundesverwaltungsgericht (§2 Abs1 Z5 BBU‑G) zur Verfügung zu stellen.
3.1. Die Durchführung der Rechtsberatung obliegt also gemäß §2 Abs1 Z2 BBU‑G der BBU GmbH sowohl vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §49 BFA‑VG (§2 Abs1 Z2 lita BBU‑G) als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht in Verfahren gemäß §52 BFA‑VG (§2 Abs1 Z2 litb BBU‑G).
Gemäß §49 Abs1 BFA‑VG kann Fremden in offenen Verfahren im Zuständigkeitsbereich des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach §3 Abs2 BFA‑VG (das heißt gemäß §3 Abs1 AsylG 2005 insbesondere in Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz) eine kostenlose Rechtsberatung nach Maßgabe der faktischen Möglichkeiten gewährt werden. In den in §49 Abs1 BFA‑VG aufgezählten Fällen des §10 Abs3, 5 und 6 BFA‑VG betreffend unmündige und mündige Minderjährige sowie in Verfahren nach §29 Abs4 AsylG 2005, wenn bei Mitteilungen nach §29 Abs3 Z3 bis 6 AsylG 2005 die Einvernahme des Asylwerbers zur Wahrung des Parteiengehöres innerhalb von 24 bis 72 Stunden nach Ausfolgung der Mitteilung erfolgen soll, besteht auch ein Rechtsanspruch auf Rechtsberatung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. In jedem Fall haben Fremde, sofern keine Rechtsberatung erfolgt, Anspruch auf die Erteilung rechts- und verfahrenstechnischer Auskünfte (Erläut zur RV 594 BlgNR 26. GP , 24). Die Rechtsberatung von Asylwerbern umfasst gemäß §49 Abs1 BFA‑VG die Unterstützung bei der Beischaffung eines Dolmetschers und die Beratung über ihr Asylverfahren und ihre Aussichten auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten.
Im Hinblick auf mögliche Rechtsschutzverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §52 Abs1 BFA‑VG den Fremden oder Asylwerber bei Erlassung entsprechender Entscheidungen (siehe näher §52 Abs1 BFA‑VG) schriftlich darüber zu informieren, dass ihm amtswegig ein kostenloser Rechtsberater zur Seite gestellt wird. Zugleich hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den bestellten Rechtsberater oder die BBU GmbH davon in Kenntnis zu setzen. In den einschlägigen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht haben Rechtsberater sodann Fremde oder Asylwerber gemäß §52 Abs2 BFA‑VG jedenfalls beim Einbringen einer Beschwerde und in einschlägigen Beschwerdeverfahren sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers zu unterstützen und zu beraten. Gemäß §52 Abs2 Satz 2 BFA‑VG haben Rechtsberater diese Beratungstätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen und den Beratenen die Erfolgsaussichten ihrer Beschwerde darzulegen.
Auf Ersuchen des Fremden oder Asylwerbers haben Rechtsberater diesen im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, auch zu vertreten (§52 Abs2 Satz 3 BFA‑VG). Es besteht also im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung und auf Wunsch auch auf Vertretung (siehe Erläut zur RV 594 BlgNR 26. GP , 24). Im Fall der Erlassung eines Schubhaftbescheides bezieht sich die Beratung und Vertretung durch den Rechtsberater auch auf die unmittelbar vorangegangene Festnahme und Anhaltung nach dem BFA‑VG (§52 Abs2 Satz 4 BFA‑VG).
3.2.1. Für die Wahrnehmung der genannten, in §2 Abs1 Z2 BBU‑G festgelegten Aufgabe der Rechtsberatung trifft §13 BBU‑G weitergehende Regelungen zu den Rechtsberatern. Nach §13 Abs1 BBU‑G sind Rechtsberater bei der Wahrnehmung der in §2 Abs1 Z2 BBU‑G festgelegten Aufgabe unabhängig und haben diese weisungsfrei wahrzunehmen. Sie haben die Beratungstätigkeit objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen und sind in Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Verschwiegenheit verpflichtet (vgl §24 BBU‑G).
Rechtsberater haben als Voraussetzung für ihre Tätigkeit nach §13 Abs2 BBU‑G den erfolgreichen Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums (Z1), den erfolgreichen Abschluss eines Studiums mit vierjähriger Mindestdauer, einschließlich einer dreijährigen Tätigkeit im Bereich des Fremdenrechtes (Z2) oder eine mindestens fünfjährige durchgehende Tätigkeit im Bereich des Fremdenrechtes (Z3) nachzuweisen. Zudem haben Rechtsberater nach §13 Abs3 BBU‑G Gewähr für ihre Verlässlichkeit zu bieten und sich jeglichen Verhaltens zu enthalten, das geeignet ist, die gewissenhafte Wahrnehmung ihrer Aufgaben hintanzuhalten (Z1), den Eindruck einer ihrer Aufgaben widersprechenden Wahrnehmung ihrer Pflichten zu erwecken (Z2) oder die Verschwiegenheit zu gefährden (Z3).
Die BBU GmbH hat nach §13 Abs4 BBU‑G insbesondere sicherzustellen, dass sie über eine ausreichende Anzahl an Rechtsberatern zur flächendeckenden Rechtsberatung im Bundesgebiet verfügt (Z1), regelmäßige Fortbildungsmaßnahmen für die von ihr beschäftigten Rechtsberater gewährleistet (Z2) und über die organisatorischen Möglichkeiten verfügt, die notwendig sind, ein Rechtsberatungssystem zu administrieren (Z3). §13 Abs5 BBU‑G sieht zudem vor, dass einem Asylwerber oder Fremden nicht von demselben Beschäftigten der Bundesagentur Rechtsberatung (§§49 bis 52 BFA‑VG) und Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe (§52a BFA‑VG) gewährt werden darf.
3.2.2. Weitere für die Rechtsberatung relevante Regelungen ergeben sich aus dem gemäß §8 BBU‑G vom Bundesminister für Inneres mit der BBU GmbH abzuschließenden Rahmenvertrag. In diesem sind neben Regelungen über die Auftragsbedingungen, die zu erbringenden Leistungen und den dafür zu leistenden Kostenersatz und die Modalitäten der Abrechnung auch Regelungen über die Auswahl der Rechtsberater (Dolmetscher und Menschenrechtsbeobachter) sowie die Vorgangsweise bei Pflichtverletzungen durch Rechtsberater und die gemäß §13 Abs4 Z2 BBU‑G sicherzustellende Gewährleistung von regelmäßigen Fortbildungen für Rechtsberater (sowie die Fortbildung von Dolmetschern und Menschenrechtsbeobachtern) zu treffen. Im Hinblick auf Leistungen gemäß §2 Abs1 Z2 litb und Z5 BBU‑G an das Bundesverwaltungsgericht ist vor Abschluss des Rahmenvertrages das Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz herzustellen.
Die Bundesministerin für Justiz und die BBU GmbH haben dem Verfassungsgerichtshof jeweils den Rahmenvertrag samt der Detailvereinbarung Rechtsberatung vorgelegt. Die Detailvereinbarung Rechtsberatung (als Bestandteil des Rahmenvertrages) enthält nähere Regelungen für den Geschäftsbereich Rechtsberatung zur Dienst- und Fachaufsicht sowie Bestimmungen zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen und zur Erteilung von Auskünften.
So erfolgt etwa die Fachaufsicht nur intern im Geschäftsbereich Rechtsberatung. Generelle Dienstanweisungen und generelle fachliche Weisungen an die Mitarbeiter des Geschäftsbereiches Rechtsberatung sind von der Bereichsleitung schriftlich zu erlassen und transparent innerhalb des Geschäftsbereiches kundzumachen. Dienstliche Anweisungen an einzelne Mitarbeiter der Rechtsberatung sind ebenfalls tunlichst schriftlich zu erlassen. Soweit dies nicht sofort erfolgen kann (zB bei Gefahr in Verzug), sind die individuellen Anweisungen umgehend im Nachhinein schriftlich zu dokumentieren. Hingegen sind fachliche Weisungen im Einzelfall jedenfalls unzulässig.
Für Rechtsberater besteht zudem ein besonderer Entlassungs- und Kündigungsschutz. Einseitige Beendigungen von Dienstverträgen durch die BBU GmbH sind nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund in der Person des Rechtsberaters vorliegt oder auf Grund von objektiv nachvollziehbaren, nicht von der BBU GmbH beeinflussbaren Umständen (Anfallsrückgängen) eintritt oder wenn der Rechtsberater die erforderlichen Qualitätskriterien in seiner Tätigkeit nicht erfüllt. Vor und für Kündigungen von Dienstverhältnissen von Rechtsberatern ist zwischen der Geschäftsführung der BBU GmbH und der Bereichsleitung des Geschäftsbereiches Rechtsberatung das Einvernehmen herzustellen und bei bestehendem Einvernehmen jedenfalls der Aufsichtsrat der BBU GmbH zu informieren und die Kündigungen zu begründen. Ebenso sind Entlassungen von Rechtsberatern im Einvernehmen zwischen der Geschäftsführung der BBU GmbH und der Bereichsleitung des Geschäftsbereiches Rechtsberatung zu beschließen und schriftlich zu dokumentieren. Über die einvernehmliche Entlassung ist der Aufsichtsrat unverzüglich zu informieren. Besteht im Hinblick auf eine Kündigung oder eine Entlassung kein Einvernehmen zwischen der Geschäftsführung und der Bereichsleitung, ist für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen. Für eine zulässige Beendigung muss die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder, der auch das von der Bundesministerin für Justiz entsandte Mitglied angehören muss, zustimmen.
Im Hinblick auf die Erteilung von Auskünften sieht die Detailvereinbarung vor, dass Mitarbeiter der BBU GmbH der Geschäftsführung, dem Aufsichtsrat oder weiteren Vertretern des Bundes (dem Bundesminister für Inneres oder der Bundesministerin für Justiz) keine Auskünfte über die Inhalte der Rechtsberatung und -vertretung erteilen dürfen.
Darüber hinaus sieht die Detailvereinbarung Rechtsberatung vor, dass die Verteilung der Fälle auf die einzelnen Rechtsberater nach einer von der Bereichsleitung Rechtsberatung zu erlassenden Geschäftsverteilung zu erfolgen hat. Zudem dürfen zwischen der Geschäftsführung der BBU GmbH sowie der Bereichsleitung Rechtsberatung keine weiteren organisatorischen Ebenen eingerichtet werden.
Ferner enthält die Detailvereinbarung Rechtsberatung gewisse Berichtspflichten an den Aufsichtsrat (etwa bei einer Entziehung eines Falles) sowie Zustimmungsrechte des Aufsichtsrates, etwa im Zusammenhang mit Kündigungen und Entlassungen sowie im Zusammenhang mit Weisungen (etwa zur Frage, ob eine Weisung der Geschäftsführung der BBU GmbH an den Bereichsleiter des Geschäftsbereiches Rechtsberatung der Dienst- oder Fachaufsicht zuzuordnen ist).
4.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte im Prüfungsbeschluss zunächst das Bedenken, dass die Übertragung der Aufgabe der Rechtsberatung nach §2 Abs1 Z2 BBU‑G an die BBU GmbH und die damit zusammenhängende Weisungsfreistellung der Rechtsberater nach §13 Abs1 BBU‑G innerhalb der BBU GmbH gegen Art20 Abs2 B‑VG verstoße:
Der Verfassungsgerichtshof ging im Prüfungsbeschluss vorläufig davon aus, dass die Aufgaben der Rechtsberatung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw der Rechtsberatung und -vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wie sie gemäß §2 Abs1 Z2 lita bzw litb BBU‑G der BBU GmbH übertragen sind, entweder schlicht hoheitlich besorgt werden oder es sich dabei um nicht hoheitliche und damit privatwirtschaftliche Tätigkeiten handelt, die jedoch auf Grund der Eigentums- oder Ingerenzverhältnisse der staatlichen Verwaltung funktionell zuzurechnen sein dürften.
Da es sich um Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 und 2 B‑VG handeln dürfte, liege ein Verstoß der in Prüfung gezogenen Bestimmungen gegen Art20 Abs2 B‑VG vor. Denn eine Übertragung der Aufgabe der Rechtsberatung auf die BBU GmbH dürfe auf Grund unionsrechtlicher Vorgaben zur Unabhängigkeit der Rechtsberatung und ‑vertretung, einschließlich grundrechtlicher Anforderungen des Art47 GRC, nur nach den Vorgaben des Art20 Abs2 B‑VG und dementsprechend nicht in umfassender Weisungsbindung an ein oberstes Verwaltungsorgan erfolgen. Die im BBU‑G vorgesehenen Ingerenzbefugnisse der obersten Verwaltungsorgane, insbesondere des Bundesministers für Inneres, dürften nämlich den aus Art20 Abs2 B‑VG abzuleitenden Anforderungen an ein angemessenes Aufsichtsrecht mit Blick auf die geforderte Unabhängigkeit der Rechtsberatung bzw ‑vertretung nicht entsprechend Rechnung tragen.
4.2. Mit Blick auf die Konstruktion der BBU GmbH hegte der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss zudem das Bedenken, dass der maßgebliche Einfluss des Bundesministers für Inneres, dem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unmittelbar nachgeordnet ist, bereits den Anschein erwecke, dass die aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw aus der Garantie eines fairen Verfahrens (Art47 GRC) resultierenden Anforderungen nicht gewahrt würden und die organisationsrechtliche Regelung der Rechtsberatung auch nicht den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz genüge. Die gesetzlich festgelegte Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit sowie die Verschwiegenheitsverpflichtung der einzelnen Rechtsberater gemäß §13 Abs1 BBU‑G dürfte zwar zur gebotenen Distanz beitragen. Ob diese hinreichende Mittel seien, um Interessenkonflikte zu vermeiden, und welche Bedeutung den in dem nach §8 BBU‑G abgeschlossenen Rahmenvertrag enthaltenen Unabhängigkeitssicherungen (wie etwa dem besonderen Entlassungs- und Kündigungsschutz) zukomme, bedürfe allerdings einer näheren Prüfung.
5.1. Der Bundesminister für Inneres hält diesen Bedenken zunächst entgegen, dass es sich bei der Aufgabe der Rechtsberatung und ‑vertretung um eine private, den obersten Verwaltungsorganen des Bundes nicht zurechenbare Tätigkeit handle. Rechtsberater würden sprach- und rechtsunkundige Fremde bei der Wahrnehmung ihrer prozessualen Rechte unterstützen und seien daher auf Grund ihrer Tätigkeit mit Rechtsanwälten vergleichbar, die ebenfalls nicht als Verwaltung zu qualifizieren seien. Auch sei eine nicht hoheitliche Tätigkeit eines privatrechtlich organisierten Rechtsträgers nicht als staatliche Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG anzusehen. Eine andere Sichtweise hätte potentiell erhebliche Auswirkungen auf Bereiche, in denen mit Ausgliederungen von wirtschaftlichen Tätigkeiten eine "Lockerung" des Weisungszusammenhanges etwa aus unionsrechtlich bedingten Gründen angestrebt werde, zur Folge.
Nehme man allerdings an, dass Ingerenzbefugnisse oberster Verwaltungsorgane gegenüber Privaten grundsätzlich eine Zurechnung zur (funktionellen) Verwaltung bewirken würden, wäre eine solche Zurechnung hier nicht möglich, weil die Tätigkeit der Rechtsberatung und ‑vertretung gerade nicht der Ingerenz oberster Organe unterliege. Denn die Aufgabe der Rechtsberatung sei auf Grund unionsrechtlicher Vorgaben nicht in umfassender Weisungsbindung zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund würde diese Aufgabe – im Fall einer Anwendung des Art20 Abs1 und Abs2 B‑VG – der Kategorie des Art20 Abs2 Z8 B‑VG unterfallen. Nach Auffassung des Bundesministers für Inneres sei Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG nicht dahingehend auszulegen, dass auch ein zu weitreichendes Aufsichtsrecht eines obersten Verwaltungsorganes nicht mehr angemessen sei. Denn diese Bestimmung diene lediglich dazu, die Verwaltungsführung demokratisch zu legitimieren, und nicht dazu, die Unabhängigkeit der Verwaltungsorgane zu gewährleisten. Selbst unter der Annahme, dass Art20 Abs2 letzter Satz B‑VG einen solchen Inhalt habe, liege mit Blick auf die gesetzlich gewährleistete Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater nach dem BBU‑G eine angemessene Aufsicht vor.
5.2. Die Rechtsberatung und -vertretung genüge weiters den rechtsstaatlichen und aus Art47 GRC abzuleitenden Unabhängigkeitsanforderungen. Die Durchführung der Rechtsberatung und ‑vertretung durch die BBU GmbH sei von anderen Aufgabenbereichen der BBU GmbH getrennt und erfolge gemäß §13 Abs1 BBU‑G durch unabhängige und weisungsfreie Rechtsberater. Zwar räume das BBU‑G dem Bundesminister für Inneres eine gewisse Ingerenz ein. Diese sei allerdings durch näher bezeichnete Bestimmungen im BBU‑G beschränkt, unter anderem dadurch, dass die Festlegung von allgemeinen Grundsätzen der Geschäftspolitik und der Unternehmensführung im Bereich der Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz zu erfolgen habe. Auch könne der Bundesminister für Inneres keinen Einfluss auf die Bereichsleitung Rechtsberatung nehmen, weil die Leitung gemäß §9 Abs1 dritter Satz BBU‑G alleine von der Bundesministerin für Justiz zu bestellen sei. Zur Sicherung der Unabhängigkeit sei in §13 Abs1 BBU‑G ausdrücklich die Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit der Rechtsberater festgelegt. Zudem ergebe sich aus §20 Abs1 GmbH-Gesetz (GmbHG), dass eine Weisungsbefugnis des Gesellschafters lediglich gegenüber der Geschäftsführung bestehe. Auch das allgemeine Informationsrecht eines GmbH-Gesellschafters berühre die Unabhängigkeit nicht, weil §13 Abs1 BBU‑G die Rechtsberater zur Verschwiegenheit verpflichte. Gesellschafterbeschlüsse, welche in die Unabhängigkeit der Rechtsberatung eingreifen würden, seien gesetzwidrig und könnten durch eine Klage der Geschäftsführung für nichtig erklärt werden (vgl §41 Abs1 Z2 und Abs3 GmbHG iVm §13 Abs1 BBU‑G). Selbst in der Annahme, dass die gesetzlichen Bestimmungen im BBU‑G zur Sicherung der Unabhängigkeit nicht ausreichten, enthalte der nach §8 BBU‑G abgeschlossene Rahmenvertrag weitere, die Unabhängigkeit sichernde Aspekte. Eine Verpflichtung, die Unabhängigkeit lediglich im Gesetz abzusichern, sei dem Verfassungsrecht nicht zu entnehmen.
6. Die Bundesministerin für Justiz hält den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes insgesamt entgegen, dass der nach §8 BBU‑G abgeschlossene Rahmenvertrag die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater der BBU GmbH hinreichend absichere. Der Vertrag habe erhöhte Bestandskraft und eine Kündigung durch eine Vertragspartei werde erst dann wirksam, wenn ein neuer Vertrag rechtswirksam geworden sei. Zudem sei die Bereichsleitung Rechtsberatung nach dem Rahmenvertrag berechtigt, das Bundesministerium für Justiz unverzüglich über Handlungen Dritter zu informieren, die geeignet sind, die Weisungsfreiheit der Bereichsleitung selbst oder der Rechtsberater erheblich zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Von diesem Recht habe die Bereichsleitung noch nicht Gebrauch gemacht. Auch nach Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes, das auf Ersuchen der Bundesministerin eine Stellungnahme abgegeben habe, gebe es keine Hinweise dafür, dass die Rechtsberatung und ‑vertretung durch die BBU GmbH nicht den aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw Art47 GRC ableitbaren Unabhängigkeitsanforderungen entspreche. Schließlich diene auch der eingerichtete Qualitätsbeirat dazu, die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater abzusichern.
7. Wie die Bundesministerin für Justiz hält auch die BBU GmbH den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes allgemein entgegen, dass die in dem nach §8 BBU‑G abgeschlossenen Rahmenvertrag enthaltenen Bestimmungen die Unabhängigkeit der Rechtsberatung und ‑vertretung hinreichend absicherten. So würden (unter anderem) die strikte Trennung zwischen Rechts- und Rückkehrberatung (vgl auch §13 Abs5 BBU‑G), der erhöhte Bestandsschutz für Rechtsberater und das Verbot von (fachlichen) Weisungen im Einzelfall die Unabhängigkeit der Rechtsberatung und ‑vertretung sicherstellen. Zusätzlich sichere auch der Qualitätsbeirat die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater ab.
8. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf Art47 GRC konnten im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:
8.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte im Wesentlichen die Bedenken, dass der maßgebliche Einfluss des Bundesministers für Inneres – dem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das dem Rechtsschutzsuchenden als zunächst entscheidende und sodann gegebenenfalls vor dem Bundesverwaltungsgericht als belangte Behörde gegenübersteht, unmittelbar nachgeordnet ist – auf die BBU GmbH (in Bezug auf Angelegenheiten der Rechtsberatung und -vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz) eine effektive Unterstützung der Fremden durch die Rechtsberater der BBU GmbH hindern oder zumindest einen solchen Anschein erwecken könnte. Die gesetzlich festgelegte Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit sowie die Verschwiegenheitspflicht der einzelnen Rechtsberater gemäß §13 Abs1 BBU‑G dürfte zwar zur diese Interessenkonflikte hintanhaltenden und damit gebotenen Distanz beitragen, aber nicht hinreichend sein, um diese Konflikte zu vermeiden.
8.2.1. Der Gesetzgeber hat sich – insbesondere auch vor dem unionsrechtlichen Hintergrund der Verfahrensrichtlinie (vgl insbesondere Art19 Abs1, Art20 Abs2 und Art21 Abs1 Verfahrensrichtlinie) – dafür entschieden, die staatlich zu gewährleistende Durchführung der Rechtsberatung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wie vor dem Bundesverwaltungsgericht ebenso wie diejenige der Rechtsvertretung eines Fremden vor dem Bundesverwaltungsgericht insgesamt der BBU GmbH und ihren Rechtsberatern zu übertragen. Dies ist auch im Hinblick auf gesetzliche Regelungen zu sehen, die – wie insbesondere §20 BFA‑VG – Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz oder vergleichbare Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und allfällige nachfolgende Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht miteinander verknüpfen. Angesichts der spezifischen Anforderungen der einschlägigen Verfahren im Asyl- und Fremdenrecht dient damit die Beratungstätigkeit vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wesentlich auch dem Ziel, Fremden eine effektive Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Rechte in einem allfälligen Rechtsschutzverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu ermöglichen (vgl auch EuGH 9.9.2020, C‑651/19 , JP, Rz 62). Rechtsberatung und Rechtsvertretung sind insgesamt als ein Komplementärmechanismus zur Verfahrenshilfe des §8a VwGVG anzusehen.
In diesem speziellen System der Rechtsberatung und ‑vertretung durch die BBU GmbH und ihre Rechtsberater bedarf die Stellung des Rechtsberaters einer entsprechenden Unabhängigkeit gegenüber der in den den Fremden betreffenden Verwaltungsverfahren entscheidenden Verwaltungsbehörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, und dem dieser Behörde gegenüber weisungs- und leitungsbefugten Bundesminister für Inneres. Dies gilt in diesem Regelungssystem für die Rechtsberatung der Fremden vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und (hier umso mehr) für die Rechtsberatung und die Rechtsvertretung des Fremden im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, in dem der Fremde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Partei gegenübersteht. Denn nur so können hier die Anforderungen des Art47 GRC an eine effektive gerichtliche Durchsetzung ihrer gesetzlichen Rechte durch die Fremden erfüllt werden.
8.2.2. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht im Zusammenhang mit der gemäß Art13 EMRK zur Verhinderung einer willkürlichen Ausweisung gebotenen effektiven Beschwerdemöglichkeit davon aus, dass diese (unter anderem) ein entsprechend effektives Verfahrenshilfesystem verlangt (EGMR 21.1.2011 [GK], 30.696/09, M.S.S., Z 301 und Z 319). Ein solches effektives Verfahrenshilfesystem setzt jedenfalls voraus, dass Asylwerber Informationen über Organisationen erhalten, die eine entsprechende rechtliche Beratung bereitstellen und diese Organisationen auch mit einer hinreichenden Anzahl an qualifizierten Rechtsberatern ausgestattet sind. Vergleichbar hebt auch der Verfassungsgerichtshof mit Blick auf das rechtsstaatliche Prinzip in ständiger Rechtsprechung hervor, dass den besonderen Bedürfnissen von Asylwerbern vor allem hinsichtlich des sprachlichen und rechtlichen Verständnisses der im Asylverfahren zu berücksichtigenden (rechtlichen) Fragestellungen durch eine entsprechende Rechtsberatung und -vertretung – auch in Fällen, in denen keine Anwaltspflicht besteht – Rechnung zu tragen ist (vgl VfSlg 15.529/1999, 18.809/2009, 18.847/2009, 19.188/2010). In diesem Zusammenhang ist wesentlich, dass die Rechtsberatung, wie sie in Art19 ff der Verfahrensrichtlinie geregelt ist, der Vorbereitung und Einreichung eines wirksamen Rechtsbehelfes dient (EuGH, JP, Rz 62). Gerade im Asylverfahren hängt das Verfahrensergebnis entscheidend auch vom Vorbringen des Asylwerbers ab (vgl VfSlg 19.188/2010).
8.2.3. Der gesetzlich vorgesehene Komplementärmechanismus der Rechtsberatung und ‑vertretung (siehe Punkt 8.2.1.) setzt im Hinblick auf die Anforderungen des Art47 GRC an einen effektiven (verwaltungs)gerichtlichen Rechtsschutz voraus, dass die im Interesse der Rechtsdurchsetzung des Fremden stehende Rechtsberatung und ‑vertretung durch entsprechend qualifizierte und – insbesondere gegenüber der das Asyl- und Fremdenrecht vollziehenden staatlichen Verwaltung – bei Wahrnehmung ihrer Aufgabe weisungsfreie und unabhängige Rechtsberater erfolgt.
Die durch die BBU GmbH besorgte Rechtsberatung und ‑vertretung muss also entsprechend unabhängig und weisungsfrei erfolgen. Die gesetzliche Statuierung der Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit (§13 Abs1 BBU‑G) ist dafür notwendige Voraussetzung, bedarf aber – zumal dann, wenn die die einschlägigen Aufgaben besorgenden Rechtsberater in einem Dienstverhältnis zur BBU GmbH stehen, die wesentlich der Ingerenz durch den Bundesminister für Inneres als gesellschaftsrechtlichem Vertreter des Bundes unterliegt – ergänzender Vorkehrungen im Hinblick auf die Dienst- und Fachaufsicht einschließlich der Zuweisung (und allfälligen Abnahme) von Beratungs- und Vertretungsfällen ebenso wie einer die Unabhängigkeit der Rechtsberater sichernden Ausgestaltung ihres Dienstverhältnisses und eines besonderen Entlassungs- und Kündigungsschutzes. Die gesetzlich statuierte Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit muss also in einer der konkreten Rechtsstellung der im Rahmen des Komplementärmechanismus zum Einsatz kommenden Rechtsberater entsprechenden Weise effektiv gesetzlich abgesichert sein.
8.3. Die Rechtsberater der BBU GmbH sind bei der Durchführung der Rechtsberatung gemäß §49 BFA‑VG bzw der Rechtsberatung und ‑vertretung gemäß §52 BFA‑VG unabhängig und haben diese weisungsfrei wahrzunehmen (§13 Abs1 BBU‑G). Weiters hat gemäß §9 Abs1 BBU‑G die Bundesministerin für Justiz eine Bereichsleitung Rechtsberatung zu bestellen, die von der Geschäftsführung mit Handlungsvollmacht in diesem Bereich auszustatten ist.
Näheres zu dieser Bereichsleitung Rechtsberatung enthält in der Folge nicht das BBU‑G, sondern der gemäß §8 BBU‑G vom Bundesminister für Inneres (bezüglich der Rechtsberatung und -vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß §52 BFA‑VG im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz) abzuschließende Rahmenvertrag mit der BBU GmbH. In der – einen Teil dieses Rahmenvertrages bildenden – Detailvereinbarung Rechtsberatung, die die Rechtsberatung gemäß §2 Abs1 Z2 BBU‑G insgesamt, also sowohl gemäß §49 BFA‑VG als auch gemäß §52 BFA‑VG erfasst, ist Organisation und Funktion dieses Geschäftsbereiches Rechtsberatung näher ausgestaltet.
Zur Sicherstellung der Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater sieht Punkt 7 dieser Detailvereinbarung bestimmte institutionelle und organisatorische Maßnahmen vor. Dazu zählt insbesondere, dass die Rechtsberater Mitarbeiter des Geschäftsbereiches Rechtsberatung sind und der Dienstaufsicht unmittelbar nur durch die Bereichsleitung Rechtsberatung und bloß mittelbar – über die Bereichsleitung Rechtsberatung – auch der Geschäftsführung der BBU GmbH unterliegen. Generelle Dienstanweisungen an die Mitarbeiter des Geschäftsbereiches Rechtsberatung sind von der Bereichsleitung des Geschäftsbereiches Rechtsberatung schriftlich zu erlassen und transparent innerhalb des Geschäftsbereiches Rechtsberatung kundzumachen. Dienstliche Anweisungen an einzelne Rechtsberater sind tunlichst schriftlich zu erlassen; soweit dies aus nachvollziehbaren Gründen (zB Gefahr im Verzug) nicht sofort erfolgen kann, sind die erlassenen individuellen Anweisungen umgehend im Nachhinein schriftlich zu dokumentieren.
Die Fachaufsicht über die Rechtsberater als Mitarbeiter des Geschäftsbereiches Rechtsberatung obliegt nach dieser Detailvereinbarung (ausschließlich) der Bereichsleitung Rechtsberatung, wobei wiederum generelle fachliche Weisungen schriftlich zu erlassen und transparent im Geschäftsbereich Rechtsberatung kundzumachen sind; Weisungen im Einzelfall im Rahmen der Fachaufsicht sind jedenfalls unzulässig.
Weiters gestaltet Punkt 7 der Detailvereinbarung das Aufsichtsrecht der Bereichsleitung des Geschäftsbereiches Rechtsberatung näher aus (zB wann einem Rechtsberater oder ‑vertreter die Zuständigkeit für einzelne Fälle wieder entzogen werden kann, wie die Dienstverträge mit Rechtsberatern zu gestalten sind und wann diese einseitig durch die BBU GmbH beendet bzw gekündigt werden können).
Das vertragliche Regelungssystem ist also darauf ausgerichtet, dass die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater sowohl bei ihrer Tätigkeit nach §49 BFA‑VG wie auch bei derjenigen nach §52 BFA‑VG insbesondere dadurch abgesichert werden soll, dass diese ausschließlich der Fachaufsicht durch die Bereichsleitung Rechtsberatung unterliegen und die Dienstaufsicht ebenfalls durch diese erfolgt, dort aber in mittelbarer Verantwortung und Weisungsbindung zur Geschäftsführung der BBU GmbH (die wiederum an Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der BBU GmbH gebunden ist, in der der Bundesminister für Inneres als Gesellschaftervertreter fungiert [§1 Abs5 und §12 Abs2 BBU‑G]). Nur für die in §12 Abs2 BBU‑G vorgesehenen verbindlichen allgemeinen Grundsätze der Geschäftspolitik und der Unternehmensführung, die der Bundesminister für Inneres als Gesellschaftervertreter mit Beschluss festzulegen hat, ist das Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz herzustellen, wenn Belange der Rechtsberatung und ‑vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß §52 BFA‑VG (nicht aber vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §49 BFA‑VG) betroffen sind.
8.4. Die (bloß) vertraglichen Regelungen der genannten Vereinbarung reichen aber nicht aus, um die aus Art47 GRC folgenden Unabhängigkeitsanforderungen an die Rechtsberatung und -vertretung effektiv umzusetzen. Sie sind allein nicht geeignet, die unabhängige und weisungsfreie Stellung der Rechtsberater in der BBU GmbH dauerhaft angemessen zu sichern. Denn bei Abschluss dieses Rahmenvertrages unterliegt die Geschäftsführung der BBU GmbH der gesellschaftsrechtlichen Weisungsbindung gemäß §20 Abs1 GmbHG an die Gesellschafterversammlung und damit an den Bundesminister für Inneres als Gesellschaftervertreter, der diesbezüglich für die Rechtsberatung und ‑vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht das Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz herzustellen hat. Damit sind die obersten staatlichen Verwaltungsorgane gesellschaftsrechtlich gegenüber der Geschäftsführung der BBU GmbH, wenn auch allenfalls gemeinsam, weisungsbefugt (diese Steuerungsbefugnis ist für die BBU GmbH auch wesentlich, sichert sie doch vergaberechtlich deren Stellung als "In‑house"‑Auftragnehmerin [vgl Erläut zur RV 594 BlgNR 26. GP , 14], somit als Rechtsträger, über den der Bund, in dessen Eigentum die BBU GmbH steht, "eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt", §10 Abs1 Z1 lita BVergG 2018). Das schließt es aus, in dieser vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Bund und der BBU GmbH allein eine wirksame rechtliche Absicherung der gesetzlich statuierten Unabhängigkeit der Rechtsberater in der BBU GmbH zu sehen.
Eine effektive Unabhängigkeit verlangt vor diesem Hintergrund vielmehr – über die gesetzliche Statuierung der Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der die Aufgaben der Rechtsberatung und -vertretung für die BBU GmbH wahrnehmenden Rechtsberater hinaus – eine gesetzliche Konkretisierung und Absicherung dieser Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater insbesondere im Hinblick auf ihre Stellung in der Organisation der BBU GmbH (etwa bezüglich Dienst- und Fachaufsicht), ihr Aufgabenfeld (etwa hinsichtlich der Zuweisung und allfälligen Abnahme von Beratungs- und Vertretungsfällen) sowie eine ihre Unabhängigkeit sichernde Ausgestaltung ihres Dienstverhältnisses und einen besonderen Entlassungs- und Kündigungsschutz. Im Übrigen gelten entsprechende Anforderungen, je nach konkreter Aufgabenübertragung, auch, wenn die Durchführung eines solchen Komplementärmechanismus anderen, auch privaten Rechtsträgern übertragen wird.
8.5. Wenn der Bundesminister für Inneres einwendet, dass §13 Abs1 BBU‑G grundsätzlich jeder Einflussnahme der Geschäftsführung der BBU GmbH bzw der in §9 Abs1 BBU‑G vorgesehenen und in der Detailvereinbarung zum Rahmenvertrag näher geregelten Bereichsleitung des Geschäftsbereiches Rechtsberatung auf den einzelnen Rechtsberater entgegensteht, so verkennt er schon die auch im vorliegenden Zusammenhang zu berücksichtigende Unterscheidung zwischen fachlicher und dienstlicher Weisungsfreistellung, von der im Übrigen auch die angesprochene Detailvereinbarung in ihrem Punkt 7 ausgeht. Dass diese, wie der Bundesminister für Inneres erwägt, mit §13 Abs1 BBU‑G gegen ein gesetzliches Verbot verstoße und damit gemäß §879 Abs1 ABGB nichtig sei, weshalb Rechtsberater keiner weiteren Leitung im Hinblick auf ihre Tätigkeit in dienstlicher und fachlicher Hinsicht unterliegen würden, geht am Regelungsziel des §13 Abs1 BBU‑G vorbei.
8.6. Die die Aufgabe der Rechtsberatung und -vertretung der BBU GmbH und ihren Rechtsberatern zuweisenden Bestimmungen des BBU‑G erweisen sich daher als verfassungswidrig, weil sie jene konkretisierenden Regelungen, die zu einer im Lichte des Art47 GRC effektiven Ausgestaltung der gesetzlich statuierten Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater der BBU GmbH, die die Aufgabe der Rechtsberatung und -vertretung gemäß §2 Abs1 Z2 BBU‑G besorgen, erforderlich sind, nicht hinreichend gesetzlich absichern. Für eine effektive Gewährleistung der Unabhängigkeit der Rechtsberater der BBU GmbH ist es nicht ausreichend, wenn diese wesentlich in vertraglichen Regelungen ausgestaltet ist, die zwischen dem (gegenüber dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weisungsberechtigten) obersten Verwaltungsorgan und der BBU GmbH (vertreten durch deren, gesellschaftsrechtlich demselben obersten Verwaltungsorgan weisungsgebundenen Geschäftsführung) abgeschlossen werden.
9. Die Bedenken im Hinblick auf Art20 Abs2 B‑VG haben sich demgegenüber nicht als zutreffend erwiesen:
9.1. Die der BBU GmbH gemäß §2 Abs1 Z2 BBU‑G übertragenen Aufgaben der Durchführung der Rechtsberatung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §49 BFA‑VG und der Rechtsberatung und -vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß §52 BFA‑VG sind zunächst privatwirtschaftlich (und nicht schlicht hoheitlich) zu besorgen:
9.1.1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 20.064/2016 zu §52 Abs2 BFA‑VG idF BGBl I 70/2015 festgehalten hat, ist im vorliegenden Zusammenhang zunächst zwischen der (objektiven) Rechtsberatung in Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und der einem allgemeinen Begriffsverständnis der prozessualen Vertretung folgenden Rechtsvertretung des Fremden vor dem Bundesverwaltungsgericht zu unterscheiden. Die Aufgabe der Durchführung der Rechtsberatung nach §2 Abs1 Z2 BBU‑G stellt einen den spezifischen Anforderungen des Asyl- und Fremdenrechtes Rechnung tragenden – rechtsstaatlich zulässigen (vgl noch zur alten Rechtslage VfSlg 18.809/2009, 19.188/2010) – Komplementärmechanismus (siehe VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032) dar, dessen Zielsetzung darin liegt, dem in Asyl- und Fremdenrechtsverfahren regelmäßig sprach- und rechtsunkundigen Fremden eine wirksame Durchsetzung seiner Rechte zu gewährleisten. In Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht tritt die Rechtsberatung damit an die Stelle der Verfahrenshilfe gemäß §8a VwGVG (vgl zur alten Rechtslage VfSlg 19.188/2010; siehe auch die Erläut zur RV 594 BlgNR 26. GP , 6 mit Verweis auf VwGH 31.8.2017, Ro 2017/21/0004).
9.1.2. Was zunächst die Aufgabe der Vertretung des Fremden auf dessen Ersuchen im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht anlangt, so folgt aus der Zurechnung der Vertretungshandlungen zum vertretenen Fremden und der gesetzlichen, inhaltlich nicht beschränkten und zur Setzung sämtlicher Akte im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im Interesse des Fremden berechtigenden und auch verpflichtenden Ermächtigung (siehe VfSlg 20.064/2016), dass es um nicht hoheitliche, privatrechtsförmige Aufgabenwahrnehmung geht. Als Komplementärmechanismus zur Tätigkeit eines Verfahrenshilfeanwaltes im Sinne des §8a VwGVG überträgt insoweit §2 Abs1 Z2 litb BBU‑G iVm §52 BFA‑VG der BBU GmbH Aufgaben, die auf Grund eines – gesetzlich bzw vertraglich begründeten – Rechtsverhältnisses zwischen dem Fremden und der BBU GmbH (durch ihren Rechtsberater) besorgt werden.
9.1.3. Die Einordnung der Rechtsberatung gemäß §49 BFA‑VG bzw §52 Abs2 BFA‑VG ist zunächst weniger eindeutig. Diese Rechtsberatung umfasst neben der Unterstützung des Fremden bei der Beischaffung eines Dolmetschers insbesondere auch eine objektiv und nach bestem Wissen durchzuführende Beurteilung der Erfolgsaussichten der Anträge des Fremden bzw einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Aufgabe der Rechtsberatung ist insofern – auch vor dem unionsrechtlichen Hintergrund insbesondere des Art47 GRC – durch die Interessen des Fremden an internationalem Schutz bzw damit zusammenhängendem Rechtsschutz, aber auch durch das öffentliche Interesse an einer effizienten Gestaltung der einschlägigen Verfahren am Maßstab der einschlägigen Erfolgsaussichten für den Fremden bestimmt. Die Rechtsberatung ist insoweit auch der BBU GmbH und nicht dem beratenen Fremden zuzurechnen, weil die Rechtsberatung (im Fall des §49 BFA‑VG, sofern kein Anspruch besteht, nach den "faktischen Möglichkeiten") gesetzlich der BBU GmbH verpflichtend zur Aufgabe gemacht ist, und, solange der Fremde nicht über eine gewillkürte Vertretung verfügt, auch in jedem Fall zu erfolgen hat. Diese Rechtsberatung erfolgt durch die gesetzlich beauftragte, in ausschließlich staatlichem Eigentum und unter staatlicher Aufsicht und Leitung stehende BBU GmbH gegenüber dem Fremden und nicht, wie bei der Rechtsvertretung, für diesen.
Die Rechtsberatung in diesem (engeren) Sinne steht damit in einem deutlichen Zusammenhang mit der Führung der Verfahren durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und das Bundesverwaltungsgericht, in denen sie zu erfolgen hat. Auch wenn die Rechtsberatung nicht in einen förmlichen Hoheitsakt der BBU GmbH bzw ihres Rechtsberaters mündet und somit einem solchen nicht zuzuordnen ist, ist der gesetzlich ausgestaltete Konnex der Rechtsberatung zur Führung der einschlägigen Verfahren durch die staatlichen Behörden (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und Bundesverwaltungsgericht) so eng, dass – blickt man auf die Rechtsberatung allein – einiges für eine Zuordnung zur schlichten Hoheitsverwaltung und nicht zur Tätigkeit der BBU GmbH als Trägerin von Privatrechten sprechen würde.
Entscheidend ist aber in der vorliegenden Konstellation der enge Zusammenhang von Rechtsberatung und -vertretung. Denn im Sinne der Funktion von Rechtsberatung und -vertretung als (einheitlicher) Komplementärmechanismus stellt sich die Rechtsberatung, auch wenn sie von einer objektiven Beurteilung der Erfolgsaussichten der Beschwerde des Fremden auszugehen hat bzw unter dem Vorbehalt des faktisch Möglichen steht, als Teil der gesetzlichen Aufgabe der BBU GmbH dar. Sie dient einer effektiven Wahrnehmung der Rechte des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der Folge seines Rechtes auf effektiven (verwaltungs)gerichtlichen Rechtsschutz und bereitet insoweit einer ausschließlich an den Interessen des Fremden orientierten Rechtsvertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht den Boden (vgl schon VfSlg 19.188/2010). Weil damit insgesamt die Gewährleistung effektiver Rechtsdurchsetzung des Fremden einschließlich gerichtlicher Rechtsschutzansprüche deutlich im Vordergrund des durch Rechtsberatung und -vertretung ausgestalteten Komplementärmechanismus steht, ist auch die Rechtsberatung als Teil eines Rechtsverhältnisses zwischen der BBU GmbH und dem Fremden zu sehen, das auf Unterstützung, Beratung und Vertretung des Fremden zur Durchsetzung seiner Rechte in staatlichen Verfahren gerichtet ist.
9.1.4. Mangels Zurechnung der Wahrnehmung der Aufgaben der Rechtsberatung und -vertretung nach §2 Abs1 Z2 BBU‑G durch die BBU GmbH und ihre Rechtsberater zu Angelegenheiten der (schlichten) Hoheitsverwaltung handelt es sich somit um Aufgaben, deren Besorgung durch die BBU GmbH und ihre Rechtsberater mit nicht hoheitlichen, privatrechtsförmigen Mitteln erfolgt (zur in dieser Hinsicht maßgeblichen rechtstechnischen Abgrenzung von hoheitlicher und privatrechtlicher Tätigkeit im Kontext der Unterscheidung von Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung vgl VfSlg 3262/1957).
9.2. Bei der nicht hoheitlichen, privatrechtsförmigen Aufgabenwahrnehmung der BBU GmbH gemäß §2 Abs1 Z2 BBU‑G handelt es sich nicht (funktionell) um Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG:
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 5. Oktober 2023, G265/2022, diesbezüglich folgende Anforderungen festgehalten:
"Gemäß Art20 Abs1 B‑VG führen unter der Leitung der obersten Organe des Bundes und der Länder nach den Bestimmungen der Gesetze auf Zeit gewählte Organe, ernannte berufsmäßige Organe oder vertraglich bestellte Organe die Verwaltung. Sie sind den ihnen vorgesetzten Organen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich und, soweit in Gesetzen gemäß Art20 Abs2 B‑VG nicht anderes bestimmt ist, an deren Weisungen gebunden. Die obersten Organe sind ihrerseits den gesetzgebenden Organen verantwortlich.
Art20 Abs1 B‑VG konstituiert damit die notwendige personelle und inhaltliche demokratische Legitimation der Verwaltung (Grabenwarter, Die demokratische Legitimation weisungsfreier Kollegialbehörden in der staatlichen Verwaltung, in FS Winkler, 1997, 271 [284 f.]) und steht mit Art77 und Art101 B‑VG, die das Verwaltungsorganisationskonzept der Bundesverfassung bestimmen (vgl VfSlg 15.733/2000, 19.728/2012, 20.038/2016), in einem Zusammenhang (VfSlg 20.522/2021).
Innerhalb der Bundes- und Landesverwaltung im organisatorischen Sinn stellt (die unmittelbare Wirkung des) Art20 Abs1 B‑VG den umfassenden Leitungs- und Weisungszusammenhang und damit die demokratischen Legitimationsanforderungen des Organisationskonzeptes der Bundesverfassung sicher (VfSlg 20.522/2021). Dies gilt sowohl für die Hoheits- als auch für die Privatwirtschaftsverwaltung (vgl VfSlg 18.808/2009).
[…] Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Übertragung von Hoheitsaufgaben auf nichtstaatliche Rechtsträger eine funktionelle Zurechnung ihrer hoheitlichen Tätigkeit zur Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 (und gegebenenfalls des Art20 Abs2) B‑VG begründet. Aus diesem Grund muss der Gesetzgeber, sieht er eine derartige Übertragung auf (private wie öffentliche) nichtstaatliche Rechtsträger vor, einen den Anforderungen des Art20 Abs1 (und gegebenenfalls des Art20 Abs2) B‑VG entsprechenden Leitungs- und Verantwortungszusammenhang gewährleisten. Des Weiteren sichern die vom Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Schutz des Organisationskonzeptes der Bundesverfassung entwickelten Schranken (siehe insbesondere VfSlg 14.473/1996), dass die funktionelle (hoheitliche) Verwaltungsführung durch nichtstaatliche Rechtsträger die Ausnahme von der organisatorischen Regel des Art77 und des Art101 B‑VG bleibt (VfSlg 20.522/2021).
[…] Die Privatwirtschaftsverwaltung hat ihren Ausgangspunkt in den einschlägigen Ermächtigungen des Art17 und des Art116 Abs2 B‑VG. Diesen Verfassungsbestimmungen standen ursprünglich Formen staatlicher Erwerbswirtschaftsverwaltung (einschließlich Vermögens- und Bedarfsdeckungsverwaltung) vor Augen: In diesem Bereich soll der Staat (als 'Fiskus') frei von der verfassungsrechtlichen Zuständigkeits- und Organisationsordnung unternehmerisch und damit auch durch ausgegliederte Unternehmen tätig werden können.
[…] Da es für die Abgrenzung der Privatwirtschafts- von der Hoheitsverwaltung auf die inhaltlichen Zwecke der Verwaltungstätigkeit nach der in der Folge entwickelten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht ankommt (siehe VfSlg 3262/1957 und seitdem ständige Rechtsprechung), hat sich die Privatwirtschaftsverwaltung in manchen Konstellationen zu einer der Hoheitsverwaltung gleichwertigen, funktional äquivalenten Form der Besorgung staatlicher Verwaltungsaufgaben entwickelt (vgl dazu nur Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 2017, 133).
[…] Der Verfassungsgerichtshof kann daher der unter Hinweis auf die Erkenntnisse VfSlg 19.992/2015 und 19.993/2015 von der Bundesregierung vertretenen Auffassung, dass mit der Übertragung von Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung auf einen ausgegliederten (privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich organisierten) Rechtsträger keinesfalls (funktionell) staatliche Verwaltung mehr vorliegt, in dieser Allgemeinheit nicht beipflichten:
Nehmen die Gebietskörperschaften Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung nicht selbst wahr, sondern übertragen sie diese auf einen ausgegliederten Rechtsträger, kann nämlich unter besonderen Voraussetzungen diese Tätigkeit ihren Charakter als Privatwirtschaftsverwaltung und damit staatliche Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG behalten.
[…] Eine solche Zurechnung zur staatlichen Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG bei der Übertragung von privatwirtschaftlichen Angelegenheiten setzt eine spezifische organisatorische sowie spezifische funktionelle Nahebeziehung des Rechtsträgers zum Staat voraus:
Von einer spezifischen organisatorischen Nahebeziehung des Staates zu einem (anderen) Rechtsträger kann zB dann gesprochen werden, wenn eine Gebietskörperschaft alleine (oder mehrheitlich) an dem Rechtsträger beteiligt ist (oder auf sonstige, vergleichbare Weise beherrschenden Einfluss auf den Rechtsträger hat). Weiters muss zwischen der staatlichen Verwaltung im organisatorischen Sinn und dem mit der privatwirtschaftlichen Aufgabe betrauten Rechtsträger eine spezifische funktionelle Nahebeziehung im Sinne eines Aufgabenübertragungszusammenhanges bestehen. Die Besorgung einer derart übertragenen Aufgabe ist dementsprechend eine Verwaltungsführung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG (vgl Raschauer in Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht [3. Lfg, 2000] Art20 Abs1 B‑VG Rz 65). Jedenfalls keine in diesem Sinn spezifisch staatliche Aufgabe, sondern erwerbswirtschaftliche Tätigkeit liegt vor, wenn der mit entsprechenden Aufgaben betraute Rechtsträger als ein (weiteres) Wirtschaftssubjekt im Wirtschaftsverkehr der Privaten untereinander, also am Markt unter bestehenden oder staatlich organisierten (und regulierten) Wettbewerbsbedingungen, auftritt.
Überträgt der Gesetzgeber im vorgenannten Sinn zwar mit Mitteln des Privatrechtes wahrzunehmende, aber weiterhin unter besonderen Voraussetzungen der staatlichen Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG zuzurechnende Aufgaben, trifft den Gesetzgeber die Verpflichtung, gegenüber dem betrauten Rechtsträger den Leitungs- und Verantwortungszusammenhang herzustellen, den Art20 Abs1 und Abs2 B‑VG vorgibt.
[…] Bei einer solchen Aufgabenübertragung sind auch jene aus dem Organisationskonzept der Bundesverfassung folgenden verfassungsrechtlichen Schranken zu beachten. In diesem Sinn dürfen die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Effizienzprinzips und des (organisatorischen) Sachlichkeitsgebotes der Aufgabenübertragung nicht entgegenstehen; weiterhin dürfen nur vereinzelte und keine Kernaufgaben staatlicher Verwaltung übertragen werden (siehe dazu grundlegend VfSlg 14.473/1996)."
9.3. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund stellt die nicht hoheitliche, privatrechtsförmige Aufgabenwahrnehmung der Rechtsberatung und -vertretung durch die BBU GmbH keine funktionell staatliche Verwaltungsführung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG dar:
Zwar hat der Gesetzgeber mit der Aufgabe der Rechtsberatung und ‑vertretung einen staatlich beherrschten privatrechtlichen Rechtsträger betraut. Die Tätigkeit der Rechtsberatung und -vertretung durch die einzelnen Rechtsberater der BBU GmbH stellt eine Leistung für die beratenen und vertretenen Fremden im Interesse der Durchsetzung ihrer Rechte in Verfahren gemäß §49 BFA‑VG und insbesondere §52 BFA‑VG dar. Dass der Gesetzgeber mit der entsprechenden Ausgestaltung der BBU GmbH im BBU‑G dem Bund die (insbesondere auch finanzielle) Verantwortung für eine funktionierende Rechtsberatung in jedem Einzelfall zugewiesen und insofern für den Bereich der von §49 und §52 BFA‑VG erfassten Verfahren einen Komplementärmechanismus zur Verfahrenshilfe durch dazu hoheitlich bestellte Rechtsanwälte geschaffen hat, macht weder die Organisation dieser Leistungen durch die BBU GmbH noch die Leistungserbringung durch die Rechtsberater der BBU GmbH zu funktionell staatlicher Verwaltungsführung. Daneben können und werden, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, entsprechende Beratungs- und Vertretungstätigkeiten auch von Privaten (insbesondere gemeinnützigen Einrichtungen) erbracht werden. Die privatrechtsförmige Tätigkeit der BBU GmbH und ihres (Rechts‑)Verhältnisses zu den beratenen und vertretenen Fremden, das insgesamt vor allem auf die Gewährleistung effektiver Rechtsdurchsetzung des Fremden gerichtet ist, ist damit rechtlich nicht in einer Weise gestaltet, die eine (funktionelle) Zuordnung zur staatlichen Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG begründen würde (vgl demgegenüber zu einer solchen Konstellation VfGH 5.10.2023, G265/2022).
9.4. Handelt es sich somit bei der Besorgung der Aufgaben der Rechtsberatung und -vertretung durch die BBU‑GmbH, entgegen der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes, nicht um funktionell staatliche Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG, erübrigen sich von vornherein die weiteren Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf Art20 Abs2 B‑VG. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen verstoßen daher nicht gegen diese Verfassungsbestimmung.
9.5. Der Verfassungsgerichtshof hat im vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren nicht zu beurteilen, ob in einem derartigen Fall privatwirtschaftlicher Aufgabenübertragung auf einen Rechtsträger außerhalb der (organisatorisch wie funktionell) staatlichen Verwaltung im Sinne des Art20 Abs1 B‑VG aus anderen Verfassungsbestimmungen, insbesondere dem dem B‑VG zugrunde liegenden Demokratieprinzip oder dem Verwaltungsorganisationskonzept der Bundesverfassung, Legitimationsanforderungen im Hinblick auf einen angemessenen Verantwortungs- und Informationszusammenhang (der Tätigkeit) des ausgegliederten Rechtsträgers zu obersten Verwaltungsorganen und damit in der Folge zu dem allgemeinen Vertretungskörper, dem sie verantwortlich sind, oder organisatorische Schranken für eine derartige Aufgabenprivatisierung folgen.
IV. Ergebnis
1. §2 Abs1 Z2, die Wort- und Zeichenfolge "2 oder" in §3 Abs3 Z2, die Wort- und Zeichenfolge "Z2 litb und" in §7 Abs1, die Wort- und Zeichenfolge "Z2 lita und" in §7 Abs2, die Wort- und Zeichenfolgen "Rechtsberater," und "die Vorgangsweise bei Pflichtverletzungen durch Rechtsberater, die gemäß §13 Abs4 Z2 sicherzustellende Gewährleistung von regelmäßigen Fortbildungen für Rechtsberater" sowie "Z2 litb und" in §8, §9 Abs1 dritter und vierter Satz, die Wort- und Zeichenfolge "Z2 lita und b und" in §10 Abs2, §12 Abs2 dritter Satz, §12 Abs4 zweiter Satz, die Wort- und Zeichenfolge "Z2 lita und b und" in §12 Abs5, §13, die Wort- und Zeichenfolge ", unbeschadet des §13 Abs1," in §24 Abs1 und §28 Abs2 des Bundesgesetzes über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BBU‑Errichtungsgesetz – BBU‑G), BGBl I 53/2019, sowie §52 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA‑Verfahrensgesetz – BFA‑VG), BGBl I 87/2012, idF BGBl I 53/2019 sind daher wegen Verstoßes gegen Art47 GRC als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B‑VG.
3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B‑VG.
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.
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