VfGH V323/2023

VfGHV323/202313.12.2023

Gesetzwidrigkeit einer Verordnung der Stadtgemeinde Ansfelden betreffend die Verlängerung der Erklärung eines Gebietes zum Neuplanungsgebiet zur Erstellung eines Bebauungsplans mangels Genehmigung der Verordnung durch die Landesregierung als Aufsichtsbehörde vor Kundmachung

Normen

B-VG Art119a Abs8
B-VG Art139 Abs1 Z3
Oö RaumOG 1994 §34, 37b
Oö GemeindeO 1990 §59, §101
Verordnung eines Neuplanungsgebietes zur Erstellung des Bebauungsplans Nr 196.00 "Haus an der Krems" 3. Verlängerung der Verordnung vom 27.06.2019, des Gemeinderats der Stadtgemeinde Ansfelden vom 30.03.2023
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2023:V323.2023

 

Spruch:

I. Der Antrag wird, soweit er sich nicht auf das Grundstück Nr 1364/4, KG 45322 Kremsdorf, bezieht, zurückgewiesen.

II. Die Verordnung eines Neuplanungsgebietes zur Erstellung des Bebauungsplans Nr 196.00 "Haus an der Krems" 3. Verlängerung der Verordnung vom 27.06.2019, beschlossen vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Ansfelden am 30. März 2023, kundgemacht an der Amtstafel vom 7. bis 24. April 2023, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

III. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung (Pkt. II.) im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG begehrt die antragstellende Partei, "die Verordnung eines Neuplanungsgebietes zur Erstellung des Bebauungsplans Nr 196.00 'Haus an der Krems' 3. Verlängerung der Verordnung vom 27.06.2019, in der geltenden Fassung der Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel vom 07.04.2023," zur Gänze als gesetz- oder verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgebliche Bestimmung des Oö Raumordnungsgesetzes 1994 (Oö ROG 1994), LGBl 114/1993, idF LGBl 111/2022 lautet:

"§37b

Neuplanungsgebiete

(1) Der Gemeinderat kann durch Verordnung bestimmte Gebiete zu Neuplanungsgebieten erklären, wenn ein Flächenwidmungsplan oder ein Bebauungsplan für dieses Gebiet erlassen oder geändert werden soll und dies im Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung erforderlich ist. Der Gemeinderat hat anlässlich der Verordnung die beabsichtigte Neuplanung, die Anlass für die Erklärung ist, in ihren Grundzügen zu umschreiben.

(2) Die Erklärung zum Neuplanungsgebiet hat die Wirkung, dass Bauplatzbewilligungen, Bewilligungen für die Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken und Baubewilligungen - ausgenommen Baubewilligungen für Bauvorhaben gemäß §24 Abs1 Z4 Oö Bauordnung 1994 - nur ausnahmsweise erteilt werden dürfen, wenn nach der jeweils gegebenen Sachlage anzunehmen ist, dass die beantragte Bewilligung die Durchführung des künftigen Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans nicht erschwert oder verhindert. Dies gilt für anzeigepflichtige Bauvorhaben gemäß §25 Abs1 Oö Bauordnung 1994, ausgenommen Bauvorhaben gemäß §25 Abs1 Z12 Oö Bauordnung 1994, sinngemäß.

(3) Verpflichtungen, die sich bei Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs2 ergeben hätten, wenn der neue oder geänderte Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan schon zur Zeit ihrer Erteilung rechtswirksam gewesen wäre, können nach dem Rechtswirksamwerden des Plans von der Baubehörde nachträglich vorgeschrieben werden, sofern die Bewilligung noch wirksam ist.

(4) Die Verordnung über die Erklärung zum Neuplanungsgebiet tritt entsprechend dem Anlass, aus dem sie erlassen wurde, mit dem Rechtswirksamwerden des neuen Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans oder der Änderung des Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans, spätestens jedoch nach zwei Jahren, außer Kraft.

(5) Der Gemeinderat kann die Erklärung zum Neuplanungsgebiet durch Verordnung höchstens zweimal auf je ein weiteres Jahr verlängern. Eine darüber hinausgehende Verlängerung auf höchstens zwei weitere Jahre kann durch Verordnung des Gemeinderats erfolgen, wenn sich die vorgesehene Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans ausschließlich deswegen verzögert, weil überörtliche Planungen berücksichtigt werden sollen; eine solche Verordnung bedarf der Genehmigung der Landesregierung, die zu erteilen ist, wenn mit einer Fertigstellung und Berücksichtigung der überörtlichen Planung innerhalb der weiteren Verlängerungsfrist gerechnet werden kann. Auch im Fall einer Verlängerung tritt die Verordnung mit dem Rechtswirksamwerden des neuen Plans oder der Änderung des Plans außer Kraft."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Am 27. Juni 2019 erließ der Gemeinderat der Stadtgemeinde Ansfelden die Verordnung eines Neuplanungsgebietes zur Erstellung des Bebauungsplanes Nr 196.00 "Haus an der Krems", die zunächst zwei Jahre in Geltung stand und die Grundstücke Nr 1364 und 1368/2, KG 45322 Kremsdorf, umfasste.

2. Aus dem Grundstück Nr 1364 wurden später zwei neue Grundstücke (1364/1 und 1364/2) gebildet. Diese Grundstücke wurden danach wiederum in die Grundstücke Nr 1364/1, 1364/2, 1364/3, 1364/4 und 1364/5 aufgeteilt.

3. In der Folge wurde die Neuplanungsgebietsverordnung gemäß §37b Abs5 Oö ROG 1994 zweimal jeweils für die Dauer eines Jahres verlängert.

4. Die antragstellende Partei ist Eigentümerin des Grundstückes Nr 1364/4 und beabsichtigt auf dem dort bereits seit 2022 bewilligten Bauplatz die Errichtung eines Mehrparteienhauses.

5. Sie wendet sich gegen die mittlerweile dritte Verlängerung der Neuplanungsgebietsverordnung, die vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Ansfelden am 30. März 2023 beschlossen, am 7. April 2023 an der Amtstafel kundgemacht und mit Bescheid vom 24. Juli 2023 – also erst nach der Kundmachung – von der Oberösterreichischen Landesregierung aufsichtsbehördlich genehmigt wurde.

6. Die antragstellende Partei legt ihre Bedenken im Wesentlichen wie folgt dar:

6.1. Gemäß §37b Abs5 zweiter Satz Oö ROG 1994 sei bei einer weiteren Verlängerung der Erklärung zum Neuplanungsgebiet, die über die im ersten Satz leg cit vorgesehenen zwei Male hinausgehe, die Genehmigung der Landesregierung erforderlich. Diese Genehmigung sei bei Erlassung der nunmehr angefochtenen dritten Verlängerung der Verordnung aber noch nicht vorgelegen, sondern erst danach erteilt worden. Ferner sei die angefochtene Verordnung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art7 Abs1 B‑VG) sowie das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) verfassungswidrig: In der angefochtenen Verordnung sei unter anderem eine maximale Anzahl an Wohneinheiten je Bauplatz festgelegt worden. Weil auf dem Grundstück Nr 1364/1 bzw dem dort situierten Bauplatz bereits 36 Wohneinheiten errichtet worden seien, bestehe für die Antragstellerin nunmehr eine bloß eingeschränkte Möglichkeit, auf ihrer eigenen Liegenschaft selbst Gebäude mit Wohneinheiten zu errichten.

6.2. Zur Antragslegitimation bringt die antragstellende Partei vor, es sei ihr auf Grund der angefochtenen Verordnung nicht möglich, das von ihr beabsichtigte Bauvorhaben zu realisieren. Die Verordnung greife unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein und es stehe ihr kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung.

7. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den Bedenken der antragstellenden Partei wie folgt entgegengetreten wird:

7.1. §§33 und 34 Oö ROG 1994, die das Verfahren zur Erlassung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen regelten, sähen vor, dass die diesen Raumplänen zugrunde liegenden Beschlüsse des Gemeinderates der Landesregierung zur Genehmigung vorzulegen seien. Hingegen bestimme §37b Abs5 zweiter Satz leg cit zu Neuplanungsgebietsverordnungen, dass die Verordnung – die erst mit ihrer Kundmachung rechtlich existent werde – der Landesregierung zur Genehmigung vorzulegen sei. Es sei daher gesetzeskonform, dass die angefochtene Verordnung erst nach ihrer Kundmachung aufsichtsbehördlich genehmigt worden sei.

8. Die Oberösterreichische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der dem Antrag Folgendes entgegengehalten wird:

8.1. Gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 2017, V107/2017, erfordere die Gesetzmäßigkeit einer verlängerten Neuplanungsgebietsverordnung die Einheit der ursprünglichen Neuplanungsgebietsverordnung und deren Verlängerung in Form eines lückenlosen zeitlichen Geltungsbereiches. Müsste aber die Genehmigung der Verlängerung einer Neuplanungsgebietsverordnung durch die Landesregierung bereits vor ihrer Kundmachung erfolgen, wäre der Gemeinde die Ingerenz hinsichtlich der Einhaltung des lückenlosen zeitlichen Geltungsbereiches der Neuplanungsgebietsverordnungen entzogen, weil sie auf die Dauer des Genehmigungsverfahrens bei der Landesregierung keinen Einfluss habe.

8.2. Auch spreche der Wortlaut des §37b Abs5 zweiter Satz Oö ROG 1994 gegen die Rechtsansicht der antragstellenden Partei, wonach die Genehmigung der Verordnung bereits vor ihrer Kundmachung zu erfolgen habe: Denn Gegenstand der Genehmigung sei nach dem Wortlaut des Gesetzes die Verordnung als solche, die, um in rechtliche Existenz treten zu können, zunächst kundgemacht werden müsse. Diese Deutung werde durch §101 Oö GemO 1990 unterstützt, der eine nachträgliche Verordnungsprüfung durch die Aufsichtsbehörde vorsehe.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

1.2. In ständiger Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, es könne zwar vom Antragsteller nicht erwartet werden, dass er allein zum Zweck der Anfechtung eines Raumplanes (zB eines Flächenwidmungsplanes) die für ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung erforderlichen Planunterlagen anfertigen lässt. Der Verfassungsgerichtshof erachtet jedoch in ebenso ständiger Rechtsprechung dann, wenn das maßgebliche Gesetz das Institut der Bauplatzerklärung vorsieht, die Einbringung eines auf die Erklärung des Grundstückes zum Bauplatz gerichteten, keiner aufwändigen Planunterlagen bedürftigen Ansuchens als einen zumutbaren Weg, der die Unzulässigkeit der unmittelbaren Anfechtung eines Flächenwidmungsplanes beim Verfassungsgerichtshof bewirkt (VfSlg 16.397/2001; VfGH 13.6.2022, V269/2021).

1.3. Im vorliegenden Fall liegt jedoch bereits seit 2022

eine Bauplatzerklärung vor. Ein Bauplatzbewilligungsverfahren als zumutbarer anderer Weg im Sinne des zuvor Gesagten steht der antragstellenden Partei daher nicht mehr zur Verfügung

(VfSlg 19.629/2012).

1.4. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag daher als zulässig; dies allerdings nur insoweit, als er sich auf das Grundstück Nr 1364/4, KG 45322 Kremsdorf, bezieht, weil die Bestimmungen der Verordnung vor dem Hintergrund der vorgebrachten Bedenken offenkundig trennbar sind (vgl VfGH 27.11.2018, V50/2018; 28.11.2019, V43/2019; 22.9.2020, V67/2019; VfSlg 20.507/2021). Im Übrigen ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

2. In der Sache:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist begründet:

2.2.1. Raumordnung im Sinne des Oö ROG 1994 bedeutet, den Gesamtraum und seine Teilräume vorausschauend planmäßig zu gestalten (§1 Abs2 leg cit). Aufgabe der örtlichen Raumordnung ist unter anderem die Gemeindeplanung, das sind alle Maßnahmen zur Ordnung des Gemeindegebietes, insbesondere die Erstellung und Änderung des Flächenwidmungsplanes (§§18 ff leg cit) und der Bebauungspläne (§§31 f. leg cit) unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Raumforschung (§15 Abs1 Z2 leg cit).

2.2.2. Der Gemeinderat kann nun durch Verordnung bestimmte Gebiete zu Neuplanungsgebieten erklären, wenn ein Flächenwidmungsplan oder ein Bebauungsplan für dieses Gebiet erlassen oder geändert werden soll und dies im Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung erforderlich ist (§37b Abs1 Oö ROG 1994). Das Instrument der Neuplanungsgebietsverordnung ("Bausperre"; vgl VwGH 10.12.2013, 2010/05/0138) ergänzt also die Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung.

2.2.3. Bestimmte Raumplanungsakte der Gemeinde bedürfen einer Genehmigung durch die Landesregierung als Aufsichtsbehörde. Diesbezüglich ordnet §34 Abs1 Oö ROG 1994 an, dass Flächenwidmungspläne oder Bebauungspläne – letztere nur unter gewissen Voraussetzungen – vor Kundmachung des Beschlusses der Landesregierung als Aufsichtsbehörde zur Genehmigung vorzulegen sind. Die Kundmachung der Verordnung darf in diesen Fällen daher erst dann erfolgen, wenn die aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilt wurde. Für spezifische Fälle der Verlängerung von Neuplanungsgebietsverordnungen bestimmt §37b Abs5 zweiter Satz leg cit, dass "eine solche Verordnung […] der Genehmigung der Landesregierung" bedarf.

2.2.4. Aus den unterschiedlichen Formulierungen in §34 Abs1 Oö ROG 1994 einerseits und §37b Abs5 zweiter Satz leg cit andererseits darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass im Anwendungsbereich des §37b Abs5 zweiter Satz leg cit die Verordnung – abweichend von §34 Abs1 leg cit – erst nach ihrer Kundmachung von der Landesregierung zu genehmigen wäre.

Denn insbesondere im Lichte des Art119a Abs8 B‑VG, wonach einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die überörtliche Interessen in besonderem Maße berührt werden, an die Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden können, kann §37b Abs5 zweiter Satz Oö ROG 1994 – der gerade die Berücksichtigung überörtlicher Planungen zum Gegenstand hat – nur als Anordnung eines solchen Genehmigungsvorbehaltes verstanden werden (vgl VfSlg 12.169/1989; 12.918/1991; 13.633/1993). Die in §37b Abs5 zweiter Satz Oö ROG 1994 vorgesehene Genehmigung der Verordnung durch die Landesregierung hat daher bereits vor deren Kundmachung zu erfolgen.

2.2.5. Zudem ist in systematischer Hinsicht zu beachten, dass §59 Abs1 Oö GemO 1990 den Bürgermeister dazu bestimmt, die von Kollegialorganen gesetzmäßig gefassten Beschlüsse durchzuführen, also etwa Verordnungen kundzumachen, er jedoch zuvor die Genehmigung der Aufsichtsbehörde einholen muss, wenn eine solche erforderlich ist. Der von der verordnungserlassenden Behörde und der Oberösterreichischen Landesregierung für ihre Ansicht ins Treffen geführte §101 Abs2 Oö GemO 1990 sieht zwar eine Ermächtigung der Aufsichtsbehörde vor, gesetzwidrige Verordnungen der Gemeinde aufzuheben. Diese – in Zusammenhang mit Art119a Abs6 B‑VG stehende – Bestimmung bezieht sich aber nicht auf die – hier alleine interessierende – aufsichtsbehördliche Genehmigung von Verordnungen und deren Wirkungen.

2.2.6. Wenn die Oberösterreichische Landesregierung die Notwendigkeit der Gewährleistung eines lückenlosen zeitlichen Geltungsbereiches zwischen einer Neuplanungsgebietsverordnung und deren Verlängerungen anspricht sowie die damit verbundenen Herausforderungen für die verordnungserlassende Behörde, so ist ihr entgegenzuhalten, dass es in deren Verantwortung liegt, den für die Erteilung der Genehmigung erforderlichen Zeitraum abzuschätzen und das Verordnungserlassungsverfahren rechtzeitig vor dem Außerkrafttreten der Neuplanungsgebietsverordnung einzuleiten.

2.2.7. §37b Abs5 zweiter Satz Oö ROG 1994 ist daher wie §34 Abs1 leg cit so zu verstehen, dass die Verordnung nur erlassen (kundgemacht) werden darf, wenn die Genehmigung der Landesregierung als Aufsichtsbehörde vorliegt.

2.2.8. Das hier erzielte Auslegungsergebnis entspricht auch der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach es den von der Verordnung Betroffenen möglich sein muss, anhand der Kundmachung der Verordnung zu erkennen, ob das erforderliche Einvernehmen mit anderen Verwaltungsbehörden hergestellt oder die erforderliche Zustimmung bzw Genehmigung anderer Verwaltungsbehörden eingeholt wurde (vgl dazu mwN VfSlg 20.211/2017; zum Ganzen auch Neuhofer, Gemeinderecht2, 2012, 520, sowie Putschögl/Neuhofer, Oberösterreichische Gemeindeordnung6, 2021, 605 f.).

2.3. Folglich ist in der Kundmachung der Verordnung nach §37b Abs5 zweiter Satz Oö ROG 1994 auf die Genehmigung der Landesregierung hinzuweisen.

2.4. Die Kundmachung der angefochtenen, vor Genehmigung durch die Landesregierung erlassenen und keinen Hinweis auf die Genehmigung der Landesregierung enthaltenden Verordnung erweist sich daher als gesetzwidrig (vgl VfSlg 10.719/1985).

2.5. Gemäß Art139 Abs3 Z3 B‑VG hat der Verfassungsgerichtshof nicht nur die den Antragsteller unmittelbar und aktuell betreffenden Teile einer Verordnung, sondern die ganze Verordnung aufzuheben, wenn er zur Auffassung gelangt, dass die ganze Verordnung gesetzwidrig kundgemacht wurde, weshalb die angefochtene Verordnung zur Gänze aufzuheben ist.

V. Ergebnis

1. Die Verordnung eines Neuplanungsgebietes zur Erstellung des Bebauungsplans Nr 196.00 "Haus an der Krems" 3. Verlängerung der Verordnung vom 27.06.2019, beschlossen vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Ansfelden am 30. März 2023, kundgemacht an der Amtstafel vom 7. bis 24. April 2023, ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B‑VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z2 litb Oberösterreichisches Verlautbarungsgesetz, LGBl 91/2014, idF LGBl 70/2021.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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