Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
EMRK Art8
StGG Art2
Genfer Flüchtlingskonvention Art1
BVG-Rassendiskriminierung Art1
PersonenstandsG 2013 §1, §11, §35
AsylG 2005 §3, §8
NAG §19
VfGG §7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2023:G170.2023
Spruch:
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien,
"im Personenstandsgesetz 2013, BGBl I 2013/16 (in seiner Stammfassung) (PStG 2013), §35 Abs2 mit Ausnahme des ersten Halbsatzes und des diesen Absatz abschließenden Punktes […] (sodass als Abs2 'Ein im Ausland eingetretener Personenstandsfall ist einzutragen.' verbleibt)"
als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Regelung des Personenstandswesens (Personenstandsgesetz 2013 – PStG 2013), BGBl I 16/2013, idF BGBl I 104/2018 lauten auszugsweise wie folgt (§35 Abs2 PStG 2013 steht idF BGBl I 16/2013 in Kraft; die angefochtene Wort- und Zeichenfolge ist hervorgehoben):
"Personenstand und Personenstandsfall
§1. (1) Personenstand im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die sich aus den Merkmalen des Familienrechts ergebende Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung einschließlich ihres Namens.
(2) Personenstandsfälle sind Geburt, Eheschließung, Begründung einer eingetragenen Partnerschaft und Tod.
[…]
3. HAUPTSTÜCK
EINTRAGUNG DES PERSONENSTANDSFALLES UND
PERSONENSTANDSREGISTER
1. Abschnitt
Eintragung des Personenstandsfalles
Pflicht zur Eintragung
§35. (1) Jeder im Inland eingetretene Personenstandsfall sowie Änderungen, Ergänzungen und Berichtigungen des Personenstandes sind einzutragen.
(2) Ein im Ausland eingetretener Personenstandsfall ist einzutragen, wenn der Personenstandsfall betrifft:
1. einen österreichischen Staatsbürger;
2. einen Staatenlosen oder eine Person ungeklärter Staatsangehörigkeit, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben;
3. einen Flüchtling im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974, wenn er seinen Wohnsitz, mangels eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
(3) Tritt im Ausland ein Personenstandsfall oder eine Änderung nach diesem Bundesgesetz verarbeiteter allgemeiner Personenstandsdaten ein, haben hinsichtlich Minderjähriger der gesetzliche Vertreter oder ein Elternteil, ansonsten der Betroffene die Personenstandsbehörde zu informieren.
(4) […]
(5) Die in Abs2, 3 und 4 angeführten Personenstandsfälle sind von jener Personenstandsbehörde einzutragen, bei der diese bekannt gegeben werden. Besteht bei dem Betroffenen oder bei einem Elternteil des Betroffenen ein Anknüpfungspunkt im Inland (Hauptwohnsitz, Personenstandsfall), ist der Personenstandsfall bei dieser Personenstandsbehörde einzutragen. Besteht ein derartiger Anknüpfungspunkt nicht, hat die Gemeinde Wien einzutragen.
(6) […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Bei der vor dem Verwaltungsgericht Wien beschwerdeführenden Partei handelt es sich um eine intergeschlechtlich geborene Person, die im Irak als Mann großgezogen wurde und im Erwachsenenalter geschlechtsanpassende Maßnahmen vornehmen ließ.
Im Jahr 2017 wurde der beschwerdeführenden Partei (als Person männlichen Geschlechtes) in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Im Jahr 2019 wurde ihr die Verlängerung dieses Status (als Person weiblichen Geschlechtes) vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bewilligt, eine weitere Verlängerung erfolgte im Jahr 2021. Die beschwerdeführende Partei hat ihren Wohnsitz in Österreich.
1.2. Am 24. Juni 2020 stellte die beschwerdeführende Partei gemäß §§9 ff PStG 2013 Anträge auf Eintragung ihrer Geburt im Zentralen Personenstandsregister sowie auf Ausstellung einer Geburtsurkunde gemäß §53 Abs3 Z1 und §54 PStG 2013, die mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 11. Dezember 2020 gemäß §35 Abs2 Z3 PStG 2013 mangels Rechtsgrundlage abgewiesen wurden. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien statt, weil §35 Abs2 Z3 PStG 2013 nicht nur auf Asylberechtigte, sondern analog auch auf subsidiär Schutzberechtigte anzuwenden sei. Auf Grund einer Amtsrevision änderte der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien dahingehend ab, dass der Bescheid der belangten Behörde vom 11. Dezember 2020 mangels Zuständigkeit des Magistrates der Stadt Wien ersatzlos behoben wurde.
1.3. Die Anträge der beschwerdeführenden Partei vom 24. Juni 2020 wurden in der Folge mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wien vom 12. Dezember 2022 mangels Rechtsgrundlage abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei wiederum Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien. Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Verwaltungsgericht Wien den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag an den Verfassungsgerichtshof, "im Personenstandsgesetz 2013, BGBl I 2013/16 (in seiner Stammfassung) (PStG 2013), §35 Abs2 mit Ausnahme des ersten Halbsatzes und des diesen Absatz abschließenden Punktes" als verfassungswidrig aufzuheben, sodass "als Abs2 'Ein im Ausland eingetretener Personenstandsfall ist einzutragen.' verbleibt".
2. Die Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Wort- und Zeichenfolge begründet das Verwaltungsgericht Wien damit, dass es durch die fehlende Möglichkeit für subsidiär Schutzberechtigte, eine Eintragung im Zentralen Personenstandsregister erwirken zu können, zu einer Verletzung ihres durch Art8 EMRK garantierten Rechtes auf Schutz des Privat- und Familienlebens komme. Personalstatut der – in Österreich subsidiär schutzberechtigten – beschwerdeführenden Partei vor dem Verwaltungsgericht Wien sei gemäß §9 Abs3
IPR‑Gesetz (IPRG)
österreichisches Recht, weshalb sie hinsichtlich personenstandsrechtlicher Fragen bzw Eintragungen auf das PStG 2013 verwiesen werde. Dadurch, dass der die Eintragung im Ausland eingetretener Personenstandsfälle regelnde §35 Abs2 PStG 2013 keine Möglichkeit vorsehe, Eintragungen betreffend subsidiär Schutzberechtigte vorzunehmen, sei es der beschwerdeführenden Partei verwehrt, ihre – durch Art8 EMRK gewährleistete – (weibliche) Geschlechtsidentität in österreichischen Personenstandsurkunden wie der Geburtsurkunde zum Ausdruck zu bringen.
Das Verwaltungsgericht Wien hegt des Weiteren das Bedenken, dass es durch den eingeschränkten Anwendungsbereich des §35 Abs2 PStG 2013 zu einer ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 widersprechenden Ungleichbehandlung Fremder untereinander komme. Die Beziehung subsidiär Schutzberechtigter zu ihrem Herkunftsstaat sei aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen wie jene von Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Für eine Differenzierung hinsichtlich der Möglichkeit, eine personenstandsrechtliche Eintragung zu erwirken, sei kein sachlicher Grund ersichtlich. Der Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter von der Möglichkeit, sie betreffende Personenstandsfälle im Zentralen Personenstandsregister eintragen zu lassen, erweise sich zudem auch als "(allgemein) unsachlich". Subsidiär Schutzberechtigte würden zwar gemäß §9 Abs3 IPRG auf die österreichische Rechtsordnung – und somit das PStG 2013 – verwiesen, könnten mangels einschlägigen Tatbestandes in §35 Abs2 PStG 2013 allerdings keine Eintragungen erwirken. Die in §9 Abs3 IPRG festgelegte Bestimmung des Personalstatutes würde wegen §35 Abs2 PStG 2013 ins Leere gehen, weshalb diese Bestimmung unsachlich sei.
3. Die Bundesregierung hat von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand genommen und für den Fall einer Aufhebung eine Frist von einem Jahr für das Außerkrafttreten beantragt.
IV. Erwägungen
A. Zur Zulässigkeit des Antrages
Der Antrag ist zulässig:
1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Das Verwaltungsgericht Wien hat im Anlassverfahren die Frage zu prüfen, ob die Anträge der beschwerdeführenden Partei auf Eintragung ihrer Geburt im Zentralen Personenstandsregister sowie auf Ausstellung einer Geburtsurkunde gemäß §53 Abs3 Z1 und §54 PStG 2013 – in Ermangelung der Nennung subsidiär Schutzberechtigter in §35 Abs2 PStG 2013 – zu Recht mangels Rechtsgrundlage zurückgewiesen wurden. Dem Verwaltungsgericht Wien ist daher nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgeht, dass es §35 Abs2 PStG 2013 im Anlassverfahren anzuwenden hat.
2. Gemäß §62 Abs1 erster Satz VfGG muss ein Gesetzesprüfungsantrag das Begehren enthalten, das – nach Auffassung des Antragstellers verfassungswidrige – Gesetz seinem gesamten Inhalt nach oder bestimmte Stellen des Gesetzes aufzuheben. Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §62 Abs1 VfGG zu erfüllen, müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990, 14.040/1995, 14.634/1996) die bekämpften Gesetzesstellen genau und eindeutig bezeichnet werden.
Mit seinem Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle "im Personenstandsgesetz 2013, BGBl I 2013/16 (in seiner Stammfassung) (PStG 2013), §35 Abs2 mit Ausnahme des ersten Halbsatzes und des diesen Absatz abschließenden Punktes als verfassungswidrig aufheben", grenzt das antragstellende Verwaltungsgericht die angefochtene Bestimmung – §35 Abs2 PStG 2013 mit Ausnahme des ersten Halbsatzes und des diesen Absatz abschließenden Punktes – entsprechend den Anforderungen des §62 Abs1 erster Satz VfGG ab (im Unterschied dazu vgl VfSlg 12.487/1990, 12.859/1991, 15.775/2000; VfGH 16.6.2014, G82/2013). Dass das Verwaltungsgericht Wien nach Bezeichnung der aufzuhebenden Wort- und Zeichenfolge den nach einer allfälligen, dem Antrag vollumfänglich Rechnung tragenden Aufhebung verbleibenden Gesetzestext des §35 Abs2 PStG 2013 unter Verwendung eines Konsekutivsatzes umschreibt, schadet nicht.
3. Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103‑104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies – wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen – im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).
Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.
In Bezug auf die vom Verwaltungsgericht Wien vorgetragenen Bedenken gegen die angefochtene Wort- und Zeichenfolge in §35 Abs2 PStG 2013, die wesentlich darauf fußen, dass in §35 Abs2 PStG 2013 eine tatbestandliche Aufzählung subsidiär Schutzberechtigter fehlt, steht die angefochtene Wort- und Zeichen-folge in §35 Abs2 PStG 2013 jedenfalls in einem so konkreten Regelungs-zusammenhang, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte. Ob gegebenenfalls zur Beseitigung der vom Verwaltungsgericht Wien vorgebrachten Verfassungswidrigkeit mit einer Aufhebung auch nur eines Teiles der angefochtenen Wort- und Zeichenfolge, etwa (nur) des §35 Abs2 Z3 PStG 2013, das Auslangen gefunden werden könnte, hat der Verfassungsgerichtshof gegebenenfalls im Zuge seiner Entscheidung in der Sache zu beurteilen.
4. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.
B. In der Sache
Der Antrag ist aber nicht begründet:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2. Ein im Ausland eingetretener Personenstandsfall – worunter gemäß §1 Abs2 PStG 2013 Geburt, Eheschließung, Begründung einer eingetragenen Partnerschaft und Tod fallen – ist gemäß §35 Abs2 PStG 2013 im Zentralen Personenstandsregister einzutragen, wenn dieser einen österreichischen Staatsbürger (Z1), einen Staatenlosen oder eine Person ungeklärter Staatsangehörigkeit, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (Z2), oder einen Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl 55/1955, und des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 78/1974, wenn er seinen Wohnsitz, mangels eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Z3), betrifft.
Den Materialien zur Vorgängerbestimmung in §2 Abs2 Personenstandsgesetz, BGBl 60/1983 (Erläut zur RV 656 BlgNR 15. GP , 17 f.), der §35 Abs2 PStG 2013 entspricht (siehe Erläut zur RV 1907 BlgNR 24. GP , 10), ist zu entnehmen, dass die Beurkundung von Auslandspersonenstandsfällen nur ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen soll. Ein Bedürfnis danach bestehe – so die Materialien – "vor allem dann, wenn der Personenstandsfall in dem Staat, in dem er sich ereignet hat, überhaupt nicht beurkundet wurde oder wenn bei der Beurkundung Angaben fehlen, die in Österreich als wesentlich angesehen werden". Des Weiteren sollen Fälle erfasst werden, "in denen die Eintragung zwar vollständig aber unrichtig (beides aus österreichischer Sicht) erfolgt ist und eine Berichtigung nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten erwirkt werden kann". Nach §2 Abs2 Personenstandsgesetz, BGBl 60/1983, bestand ein Anspruch auf Beurkundung darüber hinaus unter der Voraussetzung, dass ein rechtliches Interesse daran glaubhaft gemacht wurde. Von einer amtswegigen Eintragung von im Ausland eingetretenen Personenstandsfällen ist – den Materialien zufolge – allerdings Abstand genommen worden, da es "vor allem im Interesse der betroffenen Person [liege], durch die Beantragung der Eintragung des Personenstandsfalles im Inland zu einer ordnungsgemäßen Personenstandsurkunde zu gelangen" (Erläut zur RV 656 BlgNR 15. GP , 18).
Hinsichtlich des Personenkreises, für den die Beurkundung eines im Ausland eingetretenen Personenstandsfalles möglich sein soll, verweisen die Materialien zu §2 Abs2 Personenstandsgesetz, BGBl 60/1983, darauf, dass dieser "zwar mit dem des §9 des IPR-Gesetzes, BGBl Nr 304/1978, völlig überein[stimme], doch […] nicht einfach auf diese Bestimmung verwiesen [wurde], da vermieden werden sollte, auch Personen einzubeziehen, deren Personalstatut nur durch Rückverweisung oder Weiterverweisung (§5 IPR-Gesetz) das österreichische Recht ist" (Erläut zur RV 656 BlgNR 15. GP , 18).
3. Dem Wortlaut des §35 Abs2 PStG 2013 zufolge kann die Eintragung eines im Ausland eingetretenen Personenstandsfalles – in Ermangelung der tatbestandlichen Erwähnung subsidiär Schutzberechtigter – im hier maßgeblichen asyl- und fremdenrechtlichen Kontext nur von Personen, denen der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, begehrt werden.
Dem Verwaltungsgericht Wien ist zunächst nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgeht, dass mit der rechtskräftigen Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten festgestellt wird, dass im Entscheidungszeitpunkt "eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 EMRK, Art3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde" (§8 Abs1 letzter Satz AsylG 2005).
Der Status als subsidiär Schutzberechtigter und damit auch deren Aufenthaltsrecht ist – auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass dieser nicht unbefristet, sondern bloß vorübergehend zuerkannt wird, nämlich gemäß §8 Abs4 AsylG 2005 für die Dauer eines Jahres (mit der Möglichkeit der Verlängerung für die Dauer von jeweils zwei Jahren) – grundsätzlich provisorischer Natur. Dabei wird davon ausgegangen, dass jene Umstände, die typischerweise subsidiären Schutz begründen, wie beispielsweise eine schlechte Sicherheitslage oder bürgerkriegsähnliche Zustände, eher vorübergehenden Charakter haben und rascher beendet sein können, als dies im Allgemeinen bei systematischen Verfolgungen aus den in Art1 Abschnitt A Z2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen angenommen werden kann (vgl VfSlg 20.177/2017, 20.286/2018).
4. Im Hinblick auf den "eher vorübergehenden Charakter" des subsidiären Schutzes bzw dessen "provisorisch[e] Natur" hat der Verfassungsgerichtshof in einer Ungleichbehandlung von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten mehrfach keine unsachliche Ungleichbehandlung erblickt. So hatte der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 20.177/2017 keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter von Leistungen nach dem Mindestsicherungsgesetz und erachtete deren Ungleichbehandlung im Vergleich zu Asylberechtigten als sachlich gerechtfertigt. Dabei stützte sich die Begründung des Verfassungsgerichtshofes auch auf den Umstand, dass subsidiär Schutzberechtigte nach der damaligen Rechtslage für Leistungen aus der Grundversorgung anspruchsberechtigt waren (VfSlg 20.177/2017 mwN). In VfSlg 20.286/2018 hegte der Verfassungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die dreijährige Wartefrist beim Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter. Der zumindest anfänglich vorübergehende Charakter des subsidiären Schutzes und die Möglichkeit eines zeitnahen Verlustes dieses Aufenthaltsrechtes rechtfertigten es, den Nachzug von Familienangehörigen subsidiär Schutzberechtigter anders zu behandeln als jenen von Asylberechtigten.
Während gemäß §35 Abs1 PStG 2013 jeder im Inland eingetretene Personenstandsfall sowie Änderungen, Ergänzungen und Berichtigungen des Personenstandes im Zentralen Personenstandsregister einzutragen sind, beschränkt §35 Abs2 PStG 2013 die Eintragung eines im Ausland eingetretenen Personenstandsfalles auf österreichische Staatsbürger, Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, und Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention, wenn sie ihren Wohnsitz, mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Dass der Gesetzgeber damit die Eintragung im Ausland eingetretener Personenstandsfälle auf Personen beschränkt, bei denen er von einem grundsätzlich unbefristeten Aufenthaltsrecht in Österreich ausgeht, hat seinen Grund offensichtlich insbesondere darin, dass in Ermangelung ausländischer Personenstandsurkunden eine Eintragung eines Personenstandsfalles, etwa wie im Anlassverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien der Geburt, ausschließlich auf Grund der Angaben der Antragstellerin über den Personenstandsfall bzw von Beweismitteln wie etwa Zeugen vorgenommen werden kann (vgl Pkt. 1.1.8.1 Durchführungsanleitung für die standesamtliche Arbeit, Zl 2022‑0.786.324). Dass §35 Abs2 PStG 2013 daher nicht generell eine Nachbeurkundung von im Ausland eingetretenen Personenstandsfällen subsidiär Schutzberechtigter vorsieht, ist insofern sachlich gerechtfertigt.
Denn anders als insbesondere bei Asylberechtigten, denen grundsätzlich der Kontakt mit den Behörden ihres Herkunftsstaates unzumutbar sein wird, weil die Definition des Art1 Abschnitt A Z2 der Genfer Flüchtlingskonvention von der Unmöglichkeit oder dem fehlenden Willen des Flüchtlings ausgeht, sich dem Schutz seines Herkunftsstaates auf Grund begründeter Furcht vor Verfolgung zu unterstellen, geht die den Status begründende Gefährdung subsidiär Schutzberechtigter in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen nicht von staatlichen Behörden, sondern von anderen Umständen aus, sodass eine kurzfristige Kontaktaufnahme mit den Behörden des Herkunftsstaates zumutbar sein kann.
5. Nun kann aber ohne Zweifel auch der Fall eintreten, dass ein subsidiär Schutzberechtigter zur Wahrung seiner Rechte darauf angewiesen ist, dass er einen bestimmten Personenstandsfall, etwa die Eintragung der Geburt und die damit verbundene Eintragung bestimmter Personenstandsdaten (vgl §11 PStG 2013), in einer der Eintragung in ein staatliches Personenstandsregister vergleichbaren Art und Weise nachweisen können muss. Dabei können bestimmte Umstände, die gemäß §8 Abs1 letzter Satz AsylG 2005 zur Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, einer auch nur kurzfristigen Kontaktaufnahme mit den Behörden des Herkunftsstaates durchaus – wie bei Asylberechtigten im Regelfall – entgegenstehen. Der Gesetzgeber ist aber insbesondere aus Gründen der Gleichbehandlung von Fremden untereinander nicht gehalten, dem durch eine tatbestandliche Aufnahme subsidiär Schutzberechtigter in die generelle Möglichkeit der (Nachbeurkundung durch) Eintragung von Personenstandsfällen gemäß §35 Abs2 PStG 2013 Rechnung zu tragen. Er kann (und hat) den insoweit berechtigten Anliegen subsidiär Schutzberechtigter auch dadurch Rechnung (zu) tragen, indem er in einzelnen Materiengesetzen für subsidiär Schutzberechtigte, denen die Erlangung einer entsprechenden Personenstandsurkunde ihres Herkunftsstaates aus den ihren Status begründenden Umständen nicht zumutbar ist, vom Erfordernis der Beibringung einer entsprechenden Urkunde absieht (vgl etwa §19 Abs8 iVm Abs3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz).
6. Auch bleibt der für die beschwerdeführende Partei vor dem Verwaltungsgericht Wien wesentliche Schutz ihrer Geschlechtsidentität durch Art8 EMRK gewahrt, weil die jeweils zuständigen Behörden diese Geschlechtsidentität etwa bei Verlängerung des Aufenthaltsrechtes der subsidiär schutzberechtigten Person anzuerkennen haben.
7. Schließlich treffen auch die Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien dahingehend, dass eine solche Auslegung des §35 Abs2 PStG 2013 bewirke, dass §9 Abs3 IPRG für subsidiär Schutzberechtigte grundsätzlich ins Leere gehe und §35 Abs2 PStG 2013 auch deswegen unsachlich sei, nicht zu. Die Eintragung im Inland eingetretener Personenstandsfälle hat gemäß §35 Abs1 PStG 2013 auch für subsidiär Schutzberechtigte wie für alle anderen Personen zu erfolgen. Dass es im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, diesen Verweis auf das österreichische (Personenstands‑)Recht für subsidiär Schutzberechtigte nicht auch auf die Eintragung im Ausland eingetretener Personenstandsfälle zu beziehen, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen.
8. Die Bedenken des Verwaltungsgerichtes Wien treffen daher nicht zu. §35 Abs2 PStG 2013 verstößt nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 oder gegen Art8 EMRK, weil subsidiär Schutzberechtigte – insbesondere anders als Asylberechtigte – dem Tatbestand dieser Bestimmung nicht unterfallen.
V. Ergebnis
1. Der Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien ist daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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