BFG RV/7103936/2020

BFGRV/7103936/202013.10.2020

Fruchtgenuss gegen AfA-Miete bei Grundstücksschenkung nach § 15 Abs. 3 GebG von Dienstbarkeitsgebühr befreit

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103936.2020

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.DDr. Hedwig Bavenek-Weber in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Deloitte Audit Wirtschafts- prüfungs GmbH, Renngasse 1 Tür Freyung, 1010 Wien,

gegen

1. den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom 22. März 2019, ErfNr. ***1***

2. den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom 25. März 2019, ErfNr. ***2***,

beide Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Rechtsgebühren (Fruchtgenussrecht gegen AfA-Abschreibung) zu Recht erkannt:

Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

 

Strittige Punkte

Bei einer Grundstücksschenkung mit gleichzeitiger Vereinbarung Vorbehaltsfruchtgenussrecht gegen "AfA-Miete"/Substanzabgeltung liegt ein einheitliches Rechtsgeschäft Schenkung eines Grundstücks gegen Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes, dieses wiederum gegen laufende Zahlungen von Beträgen in Höhe der AfA vor, für das das Grunderwerbsteuergesetz maßgebend ist, weshalb die Fruchtgenussrechtseinräumung gegen Zahlung der AfA-Miete gemäß § 15 Abs. 3 GebG von der Dienstbarkeitsgebühr gemäß § 33 TP 9 GebG befreit ist. (fortgesetztes Verfahren zu BFG 14.5.2020, RV/7103576/2019 - VwGH 3.9.2020, Ra 2020/16/0109).

1. Verfahrensgang

Mit Schenkungsvertrag vom 26. Juni 2015 schenkte und übergab der Bf. 40/100 seines Grundstücks ***3*** und mit Schenkungsvertrag vom 18. Dezember 2015 schenkte und übergab der Bf. 60/100 seines Grundstücks ***3*** seinem Sohn, dem Geschenknehmer. In beiden Schenkungsverträgen Punkt VII. ("Fruchtgenussrecht, AfA"/ "Fruchtgenussvorbehalt") räumte der Sohn dem Bf. je auf dem geschenkten Grundstücksanteil (40/100 und 60/100) ein lebenslanges Fruchtgenussrecht ein. Demzufolge war der Bf. als Fruchtgenussberechtigter berechtigt, je den Grundstücksanteil (40/100 und 60/100) zu vermieten und die Mieterträge zu vereinnahmen. Die Mieterträge stehen dem Bf. zur Gänze zu. Andererseits übernahm der Bf. die Verpflichtung, für die Dauer des Fruchtgenusses sämtliche Kosten der Instandhaltung des Gebäudes zu Tragen. Weiters verpflichtete sich der Bf., der Fruchtgenussberechtigte, die auf die schenkungsgegenständlichen Anteile entfallende jährliche steuerliche Abschreibung (AfA) an den Sohn zu bezahlen.

Für die Schenkung von 40/100 des Grundstücks (Schenkungsvertrag vom 26. Juni 2015) wurde die Grunderwerbsteuer durch den Parteienvertreter selbstberechnet. Für die Schenkung von 60/100 des Grundstücks (Schenkungsvertrag vom 18. Dezember 2015) wurde die Grunderwerbsteuer durch den Parteienvertreter selbstberechnet.

In der Folge richtete das Finanzamt hinsichtlich beider Schenkungsverträge mehrere Anfragen an den Bf. und ersuchte ihn, die Instandhaltungskosten und die jährliche Substanzabgeltung bekannt zu geben.

Hinsichtlich der Schenkung von 40/100 des Grundstücks (Schenkungsvertrag vom 26. Juni 2015) gab der Bf. mit Schreiben vom 18. Oktober 2017 bekannt, dass im Übertragungsjahr 2015 am 11.12.2015 nur eine Zahlung für Substanzabgeltung in Höhe von EUR 19.316,20 zu leisten war, da ihm für diesen Anteil ohnehin die steuerliche Halbjahres-AfA zugestanden sei. Im Jahr 2016 sei am 23.11.2016 eine Zahlung für Substanzabgeltung in Höhe von EUR 57.276,21 geleistet worden. Im Jahr 2015 seien keine Instandhaltungskosten angefallen, der Betrag für 2016 und die Folgejahre sei nicht bekannt und werde naturgemäß jährlich unterschiedlich ausfallen. Mit Schreiben vom 12. März 2019 teilte der Bf. über Vorhalt des Finanzamtes mit, dass in den Jahren 2017 und 2018 je eine Zahlung für Substanzabgeltung in Höhe von EUR 58,443 geleistet worden sei.

Hinsichtlich der Schenkung von 60/100 des Grundstücks (Schenkungsvertrag vom 18. Dezember 2015) gab der Bf. mit Schreiben vom 18. Oktober 2017 bekannt, dass im Jahr 2016 am 23.11.2016 eine Zahlung für Substanzabgeltung in Höhe von EUR 85.914,32 geleistet worden sei. Im Jahr 2015 seien keine Instandhaltungskosten angefallen, der Betrag für 2016 und die Folgejahre sei nicht bekannt und werde naturgemäß jährlich unterschiedlich ausfallen. Mit Schreiben vom 12. März 2019 teilte der Bf. über Vorhalt des Finanzamtes mit, dass in den Jahren 2017 und 2018 je eine Zahlung für Substanzabgeltung in Höhe von 87.664,49 Euro geleistet worden sei.

Im Schriftverkehr zwischen Finanzamt und Bf. betonte der Bf. immer wieder, dass in der vorliegenden Vertragsgestaltung keine Einräumung eines Fruchtgenussrechtes gegen Afa Substanzabgeltung vorliege und diese Vereinbarung gemäß § 15 Abs. 3 GebG von der Gebührenpflicht ausgenommen sei.

Das Finanzamt setzte mit Gebührenbescheid vom 22. März 2019 die Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 9 GebG hinsichtlich des Punktes VII des Schenkungsvertrages vom 26. Juni 2015 fest (auf das Leben des Bf. kapitalisierte, aus dem Durchschnitt von drei Jahren errechnete jährliche Substanzabgeltung für 40/100: 413.546,17 x2% = 8.270,92 Euro). In der Begründung führte das Finanzamt unter anderem an: Werde in einem Übergabsvertrag dem Übergeber des Grundstücks ein Fruchtgenussrecht eingeräumt, und hat der Fruchtgenussberechtigte zur Substanzabgeltung ein Entgelt zu leisten, stelle diese Leistung das Entgelt dar. Bemessungsgrundlage sei der kapitalisierte Wert der auf Lebenszeit zu leistenden Substanzabgeltung.

Das Finanzamt setzte mit Gebührenbescheid vom 25. März 2019 die Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 9 GebG hinsichtlich des Punktes VII des Schenkungsvertrages vom 18. Dezember 2015 fest (auf das Leben des Bf. kapitalisierte, aus dem Durchschnitt von drei Jahren errechnete jährliche Substanzabgeltung für 60/100: 559.380,52 x2% = 11.187,61 Euro). In der Begründung führte das Finanzamt unter anderem an: Werde in einem Übergabsvertrag dem Übergeber des Grundstücks ein Fruchtgenussrecht eingeräumt, und hat der Fruchtgenussberechtigte zur Substanzabgeltung ein Entgelt zu leisten, stelle diese Leistung das Entgelt dar. Bemessungsgrundlage sei der kapitalisierte Wert der auf Lebenszeit zu leistenden Substanzabgeltung.

Fristgerecht wurde gegen beide Bescheide Beschwerde erhoben. Der Bf. beantragte die ersatzlose Aufhebung der Gebührenbescheide. Der Bf. habe seinem Sohn das Grundstück zu je 40/100 und 60/100 geschenkt und sich ein Fruchtgenussrecht zurückbehalten, eine Personaldienstbarkeit Fruchtgenussrecht sei jedoch nicht eingeräumt worden. Zusätzlich zum Vorbehalt des Fruchtgenusses sei eine Zahlung für Substanzabgeltung vereinbart worden. Diese stelle kein Entgelt für die Einräumung des Fruchtgenusses dar. Im Zuge der Grundstücksschenkung sei das zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentum am Grundstück vom Bf. an seinen Sohn übergegangen. Der Bf. sei zwar ertragssteuerlich weiterhin Inhaber der Einkunftsquelle des vermieteten Grundstücks (Vorbehaltsfruchtnießer), mangels wirtschaftlichen Eigentums habe er aber kein Recht zur einkommensteuerlichen Geltendmachung der Abschreibung für Abnutzung (AfA) am Gebäude. Diese stehe nur seinem Sohn als zivilrechtlichem Eigentümer zu. Diese Zahlung für Substanzabgeltung solle den Wertverzehr des Gebäudes abbilden und den Bf. wirtschaftlich zur Geltendmachung der Abschreibung berechtigen. Mit einem Entgelt für die Einräumung eines Fruchtgenussrechtes habe diese Zahlung nichts zu tun und es falle keine Gebühr an. Eine Gebühr falle aber auch deshalb nicht an, weil gemäß § 15 Abs. 3 GebG Rechtsgeschäfte, die der Grunderwerbsteuer unterliegen von der Gebührenpflicht ausgenommen sind. Bereits der UFS 12.5.2011, RV/0114-I/11 habe entschieden, dass eine Grundstücksschenkung unter Vorbehalt des Fruchtgenusses unter das Grunderwerbsteuergesetz falle und damit die Befreiungsbestimmung gemäß § 15 Abs. 3 GebG zur Anwendung komme. Genau dieser Fall liege aber auch hier vor.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 20. Mai 2019 wies das Finanzamt je die beiden Beschwerden als unbegründet ab.

Fristgerecht beantragte der Bf. die Vorlage der beiden Beschwerden an das Bundesfinanzgericht. (Vorlageanträge).

Mit E-Mailschreiben vom 17. Oktober 2019 ersuchte der Bf., mit einer Entscheidung zuzuwarten, da noch eine ergänzende Eingabe zum Nichtvorliegen der Gebührenpflicht bis spätestens Ende Oktober/Anfang November 2019 übermittelt werde.

Eine ergänzende Eingabe langte beim Bundesfinanzgericht nicht ein.

Das Bundesfinanzgericht wies mit Erkenntnis vom 14. Mai 2020, RV/7103576/2019 die Beschwerden als unbegründet ab.

Dagegen erhob der Bf. Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

2. Der Verwaltungsgerichtshof VwGH 3.9.2020, Ra 2020/16/0109 hob das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf

In den Entscheidungsgründen legte der Verwaltungsgerichtshof dar, dass es Zweck des § 15 Abs. 3 GebG ist, zu vermeiden, dass ein Rechtsgeschäft, das nach einem der erschöpfend angeführten Abgabengesetze steuerbar ist, nicht noch überdies mit einer Rechtsgebühr belegt wird. (VwGH 3.9.2020, Ra 2020/16/0109 Rn 8). Die Frage, ob ein einheitlicher Vertrag oder zwei oder mehr selbständige Rechtsgeschäfte mit mehreren verschiedenen Leistungspflichten vorliegen, ist gemäß § 914 ABGB nach dem Willen der Vertragsparteien zu beurteilen, wobei für das Vorliegen eines einheitlichen Vertrages die Zusammenfassung und gleichzeitige Annahme mehrerer Leistungen in einem Schriftstück spricht. (VwGH 3.9.2020, Ra 2020/16/0109 Rn 9). Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so ist allein anhand der Inhalte der nach § 17 Abs. 1 GebG maßgeblichen "Schenkungsverträge" von einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der Begründung aller darin vorgesehenen Berechtigungen und Verpflichtungen und damit von einheitlichen Rechtsgeschäften auszugehen. Damit ist von einheitlichen Rechtsgeschäften, nämlich von Schenkungen gegen Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes an der Liegenschaft - dieses wiederum gegen laufende Zahlung von Beträgen in Höhe der AfA auszugehen. (VwGH 3.9.2020, Ra 2020/16/0109 Rn 10).

Mit Ablauf des 31. Juli 2008 ist die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG, soweit sich diese auf das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz bezieht, für Rechtsvorgänge, für die die Steuerschuld nach dem 31.Juli 2008 entsteht, inhaltsleer geworden. Für die gegenständlichen Schenkungsverträge ist das Grunderwerbsteuergesetz maßgebend, weshalb der Tatbestand der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG "Rechtsgeschäfte, die unter das …. Grunderwerbsteuergesetz …. fallen eingreift. (VwGH 3.9.2020, Ra 2020/16/0109 Rn 13).

Durch die Aufhebung des Erkenntnisses des BFG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes waren die Beschwerden wieder unerledigt.

Aus allen diesen Gründen war den Beschwerden stattzugeben und die Bescheide ersatzlos aufzuheben.

3. Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist dem Erkenntnis VwGH 3.9.2020, Ra 2020/16/0109 gefolgt.

 

 

Wien, am 13. Oktober 2020

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 15 Abs. 3 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 33 TP 9 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957

Verweise:

VwGH 03.09.2020, Ra 2020/16/0109
BFG 14.05.2020, RV/7103576/2019
UFS 12.05.2011, RV/0114-I/11

Stichworte