Artikel 1 Erb-, Vermögens- und Testierfähigkeit der Exreligiosen

Alte FassungIn Kraft seit 28.12.1835

Artikel 1

Um allfälligen Zweifeln über die Anwendbarkeit der §§. 573 und 538 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches auf die Testirungs- und Veräußerungsbefugnis der Mitglieder aufgehobener Klöster zu begegnen, ist für nothwendig befunden worden, zu erklären, daß von dem Augenblicke der Bekanntmachung dieser Erklärung an, die Gesetze, welche die Befugnis der Exreligiosen, welche die Auflösung ihrer Gelübde erhalten haben, oder durch Aufhebung ihres Ordens, Stiftes oder Klosters aus ihrem Stande getreten sind, in der Verfügung über ihr wie immer erworbenes Vermögen unter Lebenden oder durch letztwillige Anordnungen auf was immer für eine Art beschränken, namentlich die zwei Patente vom 20. Juni 1774 *1) und vom 30. August 1782 (J. G. S. Nr. 72), aufgehoben werden, und daß daher die Befugnisse derselben in Rücksicht der Verfügungen über ihr Vermögen unter Lebenden, oder durch letztwillige Anordnungen lediglich nach den allgemeinen Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches zu beurtheilen sind.

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*1) Patent vom 20. Juni 1774

Wir Maria Theresia, von Gottes Gnaden römische Kaiserin etc. etc.

Entbieten allen Unseren getreuen, sowohl geistlichen als weltlichen Obrigkeiten und Vasallen, was Standes oder Wesens die sind, Unsere kaiserliche königliche Gnade, und geben euch hiemit gnädigst zu vernehmen:

Wasmaßen Wir in Ansehung der künftigen Aequisitionen der ehemaligen Societätsmitglieder gesetzmäßig zu statuiren befunden haben: daß die Exjesuiten, welche die anderte Profession abgelegt haben, jenes, was von solcher Zeit bis zur Aufhebung der Societät, den übrigen weltlichen Intestat-Erben wirklich angefallen seye, und in der Abdicatione bonorum nicht begriffen seyn können, zurück zu verlangen keine Befugnis haben sollen, sondern vielmehr die Eigenthümer bei ihren erlangten Rechten zu schützen wären.

Für das Künftige hingegen wollen Wir gnädigst festgesetzt haben, daß zwar die dermaligen Exjesuiten von Zeit des aufgehobenen Jesuiten-Ordens, und des diesfalls in loco publicirten päbstlichen Auflösungs-Breve, der Erbschaften überhaupt, folglich auch der Aequisitionen per donationes allerdings fähig seyn sollen, jedoch sei ihnen keine Veräußerung, oder anderweitige freie Disposition inter vivos hiemit zu gestatten, sondern nur der Fruchtgenuß des Aequirirten einzugestehen, wie denn auch ein derlei aequirirtes Capital in fundo publico zu versichern, oder, wenn es ein Immobile wäre, im gehörigen Wege, damit keine Veräußerung geschehen möge, die Vorsorge zu treffen, auch überhaupt die verläßliche Vorsicht fürzukehren seyn werde, und daß in keiner Zeit derlei Bona oneriret werden mögen, wobei aber die Fahrnisse von minderem Werthe, welche etwa den gewesenen Jesuiten legirt, oder geschenkt werden, zu derselben freien Disposition verbleiben.

Gleichwohl aber stehe den Exjesuiten frei, mit dem obgedachtermaßen per Actum inter vivos unveräußerlichen Vermögen mortis Causa, nämlich per ultimam voluntatem, frei zu disponiren; jedoch daß diese Disposition niemals zu Handen eines fremden, aus Unseren kaiserlich-königlichen Erbländern befindlichen Unterthans, und zwar sub Paena nullitatis, geschehen könne.

1. Zur Erbfähigkeit von Ordenspersonen siehe die §§ 538 und 539 ABGB, JGS Nr. 946/1811, zu deren Testierfähigkeit siehe § 573 ABGB, JGS Nr. 946/1811, zur Vermögensfähigkeit § 356 ABGB, JGS Nr. 946/1811.

2. Die Erb-, Vermögens- und Testierunfähigkeit von Ordenspersonen, die die feierlichen Gelübde abgelegt haben, ist seit dem Reskript der Heiligen Kongregation für Ordensleute und Säkularinstitute vom 8.7.1974, kundgemacht in BGBl. Nr. 50/1976, nach ganz überwiegender Ansicht beseitigt, sodaß das vorliegende Hofdekret über Ausnahmen von der Erb-, Vermögens- und Testierunfähigkeit für Exreligiose derzeit gegenstandslos ist.

3. Bezüglich Exreligiose siehe auch das Patent vom 9.11.1781, JGS Nr. 30/1781, das Hodekret vom 6.11.1786, JGS Nr. 593/1786, die Verordnung vom 28.12.1786, JGS Nr. 607/1786, und das Hofdekret vom 17.8.1835, JGS Nr. 76/1835.

Schlagworte

Ordensperson, Nonne, Mönch, Aufhebung des Ordens, Kloster, Testierfähigkeit, Erbfähigkeit, ewige Gelübde, Vermögensfähigkeit, Armutsgelübde, Religiosenkongregation, ABGB, JGS Nr. 946/1811, Testierungsbefugnis, Testierfreiheit, Veräußerungsbefugnis, Exreligioser, Jesuiten, Sozietät, Eigentümer, Kapital, Werte, Untertan, Akquisition

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2025

Gesetzesnummer

10001638

Dokumentnummer

NOR12019297

alte Dokumentnummer

N2183523098S

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