zum gestaffelten Inkrafttreten vgl. § 3
Anlage 5
LEHRPLANZUSATZ FÖRDERBEREICH HÖREN/KOMMUNIKATION
ERSTER TEIL
ALLGEMEINES BILDUNGSZIEL
1. Funktion und Gliederung des Lehrplanzusatzes
Der Lehrplanzusatz Förderbereich Hören/Kommunikation stellt die spezifische Förderung von Schülerinnen und Schülern mit einer Behinderung aufgrund einer Sinnesbeeinträchtigung im Bereich Hören (gemäß Gutachten/Diagnose einer fachlich geeigneten Stelle) im Rahmen ihrer Schulpflicht sicher. Zu den Menschen mit Behinderung zählen gemäß Artikel 1 der UN-Behindertenrechtskonvention Menschen, die langfristige körperliche, psychische, intellektuelle Beeinträchtigungen oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe, gleichberechtigt mit anderen, an der Gesellschaft hindern können (bio-psycho-soziales Behinderungsmodell). Aufgrund bestehender Barrieren in der räumlichen und sozialen Umwelt wird Schülerinnen und Schülern mit Hörbeeinträchtigungen die gleichberechtigte Teilhabe am schulischen, sozialen und gesellschaftlichen Leben erschwert. Der Lehrplanzusatz Förderbereich Hören/Kommunikation beschreibt einerseits ergänzende Bildungsziele und ‑inhalte für Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigungen und stellt dadurch die spezifische Förderung der Schülerinnen und Schüler in den Bereichen Hören, Wahrnehmung, Sprache und Kommunikation sowie Identitätsbildung sicher. Zum anderen formuliert er Maßnahmen und Lernbedingungen, die – in Abstimmung mit den individuellen Bedarfen der Schülerinnen und Schüler – zu einer barrierefreien Gestaltung von Lern- und Entwicklungsprozessen beitragen können, um größtmögliche Aktivität und Teilhabe im Bildungssystem sicherzustellen. Der Lehrplanzusatz Förderbereich Hören/Kommunikation versteht sich als Rahmen- und Ergänzungslehrplan, der je nach Bedarf der Schülerin bzw. des Schülers zur Gänze oder in Teilen zum Lehrplan der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe, des Förderschwerpunkts Lernen, der einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der Polytechnischen Schule oder des Berufsvorbereitungsjahres in additiver oder integrativer Form Anwendung findet. Der Lehrplanzusatz dient als Grundlage für
- – die Konkretisierung des Bildungsauftrags der Schule,
- – die Ausführung des gesetzlichen Auftrags für alle Schülerinnen und Schüler,
- – die Etablierung inklusiver Unterrichtssettings,
- – die Planung und Steuerung des Unterrichts in inhaltlicher und in methodischer Hinsicht,
- – das standortbezogene Bildungsangebot,
- – die Berücksichtigung der persönlichen Interessen und Lebensrealitäten sowie der individuellen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler
- und gliedert sich in folgende acht Teile: allgemeines Bildungsziel, Kompetenzorientierung, allgemeine didaktische Grundsätze, übergreifende Themen, organisatorischer Rahmen, Stundentafeln, Fachlehrplan der verbindlichen Übung im Förderbereich Hören/Kommunikation und ergänzende Ausführungen zu den Unterrichtsgegenständen der Vorschulstufe, Primarstufe und Sekundarstufe I.
Der gesamte Lehrplanzusatz schließt jene Überlegungen und Ausführungen der gemäß BGBl. II Nr. 1/2023 verordneten Lehrpläne für die Primarstufe und Sekundarstufe I zur Kompetenzorientierung, zu den allgemeinen didaktischen Grundsätzen, zum organisatorischen Rahmen, zu den übergreifenden Themen sowie zur Stundentafel mit ein und konkretisiert bzw. ergänzt diese für die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit. Der Förderbereich Hören/Kommunikation wird modular an einen der Lehrpläne der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe, des Förderschwerpunkts Lernen, der einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der Polytechnischen Schule sowie des Berufsvorbereitungsjahres angeschlossen (Baukastenprinzip). Die konkreten Maßnahmen und Inhalte werden entsprechend den Lern- und Entwicklungsbedürfnissen der einzelnen Schülerinnen und Schüler ausgewählt.
Die Lehrpläne für die verbindlichen Übungen des Förderbereichs Hören/Kommunikation sind gleich aufgebaut wie die Fachlehrpläne der gemäß BGBl. II Nr. 1/2023 verordneten Lehrpläne für die Primarstufe und Sekundarstufe I. Sie beinhalten jeweils eine Bildungs- und Lehraufgabe, didaktische Grundsätze, fachspezifische Kompetenzmodelle und die dazugehörenden Kompetenzbereiche, zentrale fachliche Konzepte sowie Kompetenzbeschreibungen. Es wird von spezifischen Kompetenzbeschreibungen pro Schulstufe zugunsten einer Orientierung am individuellen Lern- und Entwicklungsstand abgesehen. Die Kompetenzziele und konkreten Unterrichtsinhalte variieren in Abhängigkeit von den individuellen Voraussetzungen und Möglichkeiten der Schülerinnen und Schüler. Bildungs- und Förderinhalte der verbindlichen Übungen sind flexibel im gesamten Unterrichtsgeschehen einzubringen und verpflichtend im Individuellen Bildungs- und Entwicklungsplan (IBEP) spezifisch für die einzelne Schülerin/den einzelnen Schüler zu planen, zu dokumentieren, zu evaluieren und gegebenenfalls zu adaptieren.
Im achten Teil wird auf die Fachlehrpläne der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe, des Förderschwerpunkts Lernen, der einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der Polytechnischen Schule und des Berufsvorbereitungsjahres verwiesen und es werden didaktisch-methodische sowie pädagogische Hinweise für diese Unterrichtsgegenstände ergänzt, die für Schülerinnen und Schüler mit Sinnesbeeinträchtigung im Bereich Hören zu berücksichtigen sind. Zur Beschreibung eines Gesundheitsproblems werden in diesem Lehrplanzusatz Ausdrücke und Begriffe verwendet, die der medizinischen Diagnostik entstammen. Sie sollen einen Anhaltspunkt zur Einordnung von Gutachten und Diagnosen von fachlich geeigneten Stellen geben. Gutachten bzw. Diagnosen werden als Teilbereich einer umfassenden pädagogischen Diagnostik gesehen und im Zusammenspiel mit personen- und umweltbezogenen Faktoren betrachtet.
2. Zielgruppe
Der Förderbereich Hören/Kommunikation ist auf Schülerinnen und Schüler anzuwenden, deren Aktivitäts- und Teilhabemöglichkeiten im Unterricht und an sozialen Prozessen innerhalb der Schule aufgrund der Wechselwirkung zwischen einer angeborenen oder im Laufe des Lebens gesundheitlich entstandenen, nicht nur vorübergehenden peripheren (einseitig, beidseitig) oder zentralen Hörbeeinträchtigung und personen- und umweltbezogenen Faktoren behindert werden. Dazu zählen Schülerinnen und Schüler mit
- – Schallleitungsschwerhörigkeit,
- – Schallempfindungsschwerhörigkeit,
- – kombinierter Schwerhörigkeit,
- – Gehörlosigkeit
- – Auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS).
Es ist zwischen der peripheren und der zentralen Hörbeeinträchtigung zu unterscheiden. Während bei einer peripheren Hörbeeinträchtigung eine Schädigung des Hörorgans bzw. der hörverarbeitenden Organe vorliegt, sind bei einer zentralen Hörbeeinträchtigung die auditive Wahrnehmung, die Geräuschselektion und das auditive Gedächtnis betroffen. Eine Beeinträchtigung des Hörvermögens kann die Entwicklung der Wahrnehmung, der Identität, der Sprache und der Kommunikation beeinflussen. Auch bei einer optimalen Versorgung mit einem Hörgerät bzw. Cochlea-Implantat kann die Lautsprache nur bedingt auditiv wahrgenommen werden. Daher ist die spezifische Förderung im Bereich Hören/Kommunikation für alle Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit essenziell.
3. Leitvorstellungen
Damit Schülerinnen und Schüler Kompetenzen entwickeln können, die sie dazu befähigen, gegenwärtige und zukünftige soziale, gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Herausforderungen zu bewältigen, muss Schule ein Ort sein, an dem ko-konstruktives, individualisiertes, handlungsorientiertes und reflektiertes Lernen stattfinden kann. Ausgehend vom 4K-Modell (Kommunikation, Kollaboration, Kooperation und kritisches Denken) sollen entsprechende Fähigkeiten und Fertigkeiten gefördert, der Erwerb von Kompetenzen für nachhaltige Entwicklung angestrebt, die Auseinandersetzung mit ethischen, moralischen und religiösen Werten angeregt und soziales und gesellschaftliches Handeln ermöglicht werden. Leitvorstellungen dieserart sind in den Lehrplänen der Volksschule, Mittelschule, AHS-Unterstufe, des Förderschwerpunkts Lernen, der einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der Polytechnischen Schule sowie des Berufsvorbereitungsjahres definiert und näher ausgeführt. Sie sind für alle Lehr- und Lernprozesse relevant und müssen an die jeweiligen Lern- und Entwicklungsbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler angepasst werden, damit der Kompetenzerwerb für alle sichergestellt wird. Dies gilt selbstverständlich auch für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen. Eine Behinderung wird demnach verstanden als das Ergebnis der Wechselwirkung zwischen einer langfristigen körperlichen, psychischen, intellektuellen Beeinträchtigung oder Sinnesbeeinträchtigung und verschiedenster Barrieren, die den Menschen daran hindern, voll und wirksam sowie gleichberechtigt mit anderen an der Gesellschaft teilhaben zu können (bio-psycho-soziales Behinderungsmodell).
Damit Menschen mit Beeinträchtigung gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können, sind vorhandene Barrieren abzubauen oder spezifische Unterstützungsmaßnahmen bereitzustellen. Diese sind auf den individuellen Unterstützungsbedarf abzustimmen. Voraussetzung ist es daher, dass Schülerinnen und Schüler lernen, ihren Unterstützungsbedarf klar, verständlich und bei Bedarf detailliert zu kommunizieren. Lehrerinnen und Lehrer motivieren Schülerinnen und Schüler dazu, ihre individuellen Unterstützungsbedarfe zu formulieren und fördern sie darin, Anleitungskompetenz zu erwerben und diese verantwortungsbewusst einzusetzen.
Eine möglichst interdisziplinäre Diagnostik der individuellen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen, die personenbezogenen Faktoren und Umweltfaktoren berücksichtigt, schärft das Bewusstsein sowohl für vorhandene Barrieren als auch für Ressourcen. Dafür eignen sich insbesondere Beobachtungs- und Planungsverfahren, denen das bio-psycho-soziale Modell von Behinderung und damit das Verständnis der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF, WHO 2001) zugrunde liegen. Dabei wird nicht nur die medizinische Diagnose betrachtet, sondern wie sich die Beeinträchtigung in Wechselwirkung mit spezifischen umwelt- und personenbezogenen Faktoren auf die Teilhabe- und Aktivitätsmöglichkeiten der Schülerin bzw. des Schülers auswirkt.
Eine Sinnesbeeinträchtigung im Bereich Hören zieht eine andere Art der Umweltwahrnehmung nach sich. Daher ist die Organisation entsprechender Rahmenbedingungen als Voraussetzung für einen adäquaten Erwerb der Bildungsinhalte zu gewährleisten. Informationen und Inhalte sind beispielsweise grafisch aufzubereiten, visuell abzubilden und schriftlich festzuhalten, um einen aktiven und ungehinderten Zugang zum Wissenserwerb sicherzustellen. Dadurch werden nicht nur gegenwärtig im Schulsetting die Aktivitäts- und Teilhabemöglichkeiten erweitert, sondern auch zukünftig die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe gewährleistet.
Der Lehrplanzusatz wird von folgenden Leitprinzipien getragen:
- – Schulung der Sinne und der sensorischen Integration verschiedener Sinnesreize
- – Anwendung von Hörhilfen und technischen Hilfsmitteln in Abstimmung mit der Schülerin bzw. dem Schüler und deren bzw. dessen individuellen Bedarfe
- – Unterstützung der (mehrsprachigen) Identitätsentwicklung durch Förderung der Gebärdensprache und Auseinandersetzung mit der Schwerhörigen-/Gehörlosencommunity
- – Förderung von Kommunikation und Interaktion
- – Förderung von emotional-sozialen Kompetenzen, insbesondere der Fähigkeiten zur Theory of Mind
- – Vermittlung von kompensatorischen (Arbeits-)Techniken
- – Zusammenarbeit und Austausch mit fachspezifisch ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen
- – Abbau von schulischen und systemischen Barrieren entsprechend den individuellen Voraussetzungen
Übergeordnetes Ziel dieses Lehrplanzusatzes ist eine geeignete Vorbereitung auf künftige Lebenssituationen. Dieses Bildungsziel wird insbesondere durch die Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten sowie anderen relevanten schulischen und außerschulischen Einrichtungen angestrebt.
ZWEITER TEIL
KOMPETENZORIENTIERUNG
Im Zentrum der pädagogischen Überlegungen dieses Lehrplanzusatzes steht die Kompetenzorientierung, welche im § 8 lit. r des Schulorganisationsgesetzes verankert und in den Lehrplänen 2023 sowie in den Lehrplänen des Förderschwerpunkts Lernen konkretisiert wird. Für die Zielgruppe des Förderbereichs Hören/Kommunikation soll weiters die Bedeutung der Entwicklungsadäquatheit von Bildungsprozessen für den individuellen Kompetenzerwerb betont werden. Vor allem beim kumulativen Lernen erfolgt der Wissenszuwachs systematisch aufeinander aufbauend. Bei Schülerinnen und Schülern mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit ist daher neben dem individuellen Lernstand insbesondere der Sprachstand, auch in Gebärdensprache, zu berücksichtigen.
Kompetenzorientierter Unterricht und kompetenzorientierte Förderung werden unter anderem durch eine förderliche Klassenführung, die von Achtsamkeit und Präsenz geprägt ist, ermöglicht. Im Förderbereich Hören/Kommunikation zeichnet sich entsprechendes pädagogisches Handeln durch folgende Aspekte aus:
- – Aktives Einbeziehen: Es ist erforderlich, dass Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit aktiv in Kommunikations- und Interaktionsprozesse einbezogen werden. Lehrerinnen und Lehrer tragen die Verantwortung dafür, dass dies nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Unterrichts (Pausen, Schulveranstaltungen) geschieht. Dies trägt wesentlich zur Förderung der Kompetenzen in den Bereichen Kommunikation, Interaktion und Theory of Mind bei, unterstützt das Klassenklima und stellt sicher, dass sich alle Schülerinnen und Schüler als gleichberechtigte Kommunikations- und Interaktionspartnerinnen und -partner wahrnehmen.
- – Keine Aufmerksamkeitsteilung voraussetzen: Schülerinnen und Schülern mit einer Sinnesbeeinträchtigung im Bereich Hören ist es nicht möglich, einem laut- oder gebärdensprachlichen Inhalt zu folgen und gleichzeitig einer anderen Tätigkeit nachzugehen. Lehrerinnen und Lehrer achten darauf, während dem Sprechen keine weitere Tätigkeit auszuführen und sich mit dem Gesicht den Schülerinnen und Schülern mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit zuzuwenden (zB während Übungszettel ausgegeben werden erfolgt keine Erklärung).
- – Ressourcenorientierte Sichtweise: Ausgangspunkt aller (sonder-)pädagogischen Überlegungen sollte nicht das „Nicht-(Gut)-Hören-Können“ an sich sein, sondern die Frage danach, wie Unterrichts- und Förderprozesse gestaltet werden können, damit alle Schülerinnen und Schüler gleichberechtigt daran teilhaben und davon profitieren können. Es soll nicht vordergründig sein, Defizite einfach auszugleichen, sondern Situationen zu schaffen, in denen alle Schülerinnen und Schüler ihre individuellen Interessen, Stärken und Fähigkeiten erfahren und einsetzen können.
DRITTER TEIL
ALLGEMEINE DIDAKTISCHE GRUNDSÄTZE
Ein gelungener, kompetenzorientierter Unterricht berücksichtigt die acht Grundsätze der gemäß BGBl. II Nr. 1/2023 verordneten Lehrpläne (Volksschule, Mittelschule, AHS-Unterstufe) sowie des Lehrplans Förderschwerpunkt Lernen. Im Förderbereich Hören/Kommunikation sind darüber hinaus folgende Aspekte mit besonderer Rücksichtnahme zu beachten:
Grundsatz 1: Lehrerinnen und Lehrer nehmen Schülerinnen und Schüler individuell wahr und ermöglichen individuelle Lernprozesse.
Die individuelle Ausprägung der Sinnesbeeinträchtigung im Bereich Hören sowie der aktuelle Stand der Sprachentwicklung, aber auch umwelt- und personenbezogene Faktoren der Schülerinnen und Schüler sind zu analysieren, um Barrieren und Ressourcen erkennen und entsprechend damit umgehen zu können. Lehrerinnen und Lehrer setzen spezifische Fördermaßnahmen, die auf die individuellen Lern- und Entwicklungsbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler abgestimmt sind und im Individuellen Bildungs- und Entwicklungsplan (IBEP) dokumentiert und evaluiert werden. Individuelle Bildungs- und Entwicklungspläne sind für Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigungen/Gehörlosigkeit verpflichtend zu erstellen. Lehrerinnen und Lehrer wissen zudem um die Auswirkungen einer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit auf Lern- und Bildungsprozesse Bescheid und sorgen durch entsprechende methodisch-didaktische sowie organisatorische Maßnahmen für einen barrierefreien und gleichberechtigten Zugang zu allen Lern- und Bildungsinhalten. In der Auswahl von Lernmaterialien berücksichtigen Lehrpersonen die verstärkte visuelle Orientierung von Schülerinnen und Schülern mit einer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit und sorgen für Barrierefreiheit. Konkrete Maßnahmen zur Gewährleistung von Barrierefreiheit im Lernprozess sind dabei stets auf die individuellen Bedarfe der Schülerinnen und Schüler abzustimmen. Beispielhaft sind der Einsatz assistiver Technologien (zB Schülerinnen- und Schülermikrofon, Speech-to-Text-Programme) sowie die adäquate Aufbereitung von Unterrichtsmaterialien (zB Untertitel bei Filmen, ergänzende und korrekte bildliche Darstellungen).
Grundsatz 2: Lehrerinnen und Lehrer bieten einen digital unterstützten Unterricht und nutzen innovative Lern- und Lehrformate.
Digitale Medien bieten vielseitige didaktische und methodische Möglichkeiten, Barrieren in gesellschaftlichen wie auch in Unterrichtsprozessen zu überwinden und damit die Teilhabemöglichkeiten und Bildungschancen für Schülerinnen und Schüler zu erhöhen. Für Schülerinnen und Schüler mit einer Sinnesbeeinträchtigung im Bereich Hören können digitale Medien oder assistive Technologien beispielsweise als barrierefreies Kommunikationsmittel oder zur Visualisierung von Unterrichtsinhalten und -abläufen unterstützend eingesetzt werden. Ebenso können innovative Lern- und Lehrformate wie zB Buddy-Programme oder Peer-Teaching konkrete Interaktions- und Kommunikationsräume schaffen.
Grundsatz 3: Alle an der Unterrichtsorganisation beteiligten Personen kooperieren und ermöglichen einen inklusiven Unterricht an der Schule.
Um individuelle und diskriminierungsfreie Lern-, Entwicklungs- und Beteiligungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit bestmöglich unterstützen zu können, sollten Lehrerinnen und Lehrer entsprechende assistive Technologien (zB Gebärdensprachvideos, ÖGS- und Schriftsprach-Dolmetsch) handhaben und vielfältig anwenden können. Sie achten auf einen konsequenten Einsatz von Hörhilfen, die auf die individuellen Bedarfe der Schülerinnen und Schüler abgestimmt sind, und sind für Herausforderungen im schulischen Alltag und im Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit sensibilisiert. Grundlegende Kenntnisse in ÖGS aller Lehrpersonen und gegebenenfalls der Mitschülerinnen und Mitschüler vermitteln Wertschätzung und erleichtern Kommunikationsprozesse.
Grundsatz 4: Lehrerinnen und Lehrer planen den Unterricht sorgfältig und sorgen für eine kompetenzfördernde Lernumgebung.
Lehrerinnen und Lehrer berücksichtigen die Herausforderungen und Auswirkungen von Hörbeeinträchtigungen/Gehörlosigkeit auf Lern- und Bildungsprozesse und setzen spezifische ausgleichende Maßnahmen, die für betroffene Schülerinnen und Schüler eine gleichberechtigte Teilhabe am Unterricht sowie barrierefreie Zugänge zu Bildungsinhalten ermöglichen und damit den individuellen Kompetenzerwerb sicherstellen. Die entsprechenden Regelungen dazu finden sich im fünften Teil, Kapitel 12 „Ausgleichende Maßnahmen“.
In der Auswahl von didaktischen Methoden und Lernmaterialien berücksichtigen Lehrerinnen und Lehrer die verstärkte visuelle Orientierung von Schülerinnen und Schülern mit einer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit. Es werden differenzierte Lernzugänge ermöglicht und Barrieren beseitigt (zB Untertitel, korrekte bildliche Darstellungen, Begleitung bei Gruppenarbeiten). Nichtauditive Wahrnehmungen bilden die Grundlage für die Entwicklung kompensatorischer Fertigkeiten. Die Synthese aller Wahrnehmungen ermöglicht den sachrichtigen Aufbau von Vorstellungen. Bei der Planung und methodischen Aufbereitung des Unterrichts ist die gezielte Schulung aller vorhandenen Sinneskanäle zu berücksichtigen, um die aktive Teilnahme der Schülerinnen und Schüler zu unterstützen.
Grundsatz 5: Lehrerinnen und Lehrer begleiten die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler.
Um den Bildungserfolg sicherzustellen, rückversichern sich die Lehrerinnen und Lehrer konsequent mit offenen Fragen, ob die Schülerin/der Schüler Inhalte, Instruktionen, Aufgabenstellungen und Beurteilungskriterien verstanden hat und sorgen für eine entsprechend differenzierte methodisch-didaktische Aufbereitung der Inhalte. Individuelle Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen sowie damit einhergehende spezifische Unterstützungsbedarfe werden konsequent berücksichtigt. Schülerinnen und Schüler werden darin unterstützt, herauszufinden und zu kommunizieren, welche Art der Hilfestellung und Unterstützung sie benötigen, um Lernprozesse erfolgreich gestalten zu können (Anleitungskompetenz).
Lehrerinnen und Lehrer sind sich ihrer Verantwortung bewusst, Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigungen/Gehörlosigkeit aktiv in diverse Kommunikations- und Interaktionsprozesse innerhalb und außerhalb des Unterrichts (zB in Pause, bei Schulveranstaltung) einzubeziehen. Sie ermutigen und motivieren die Schülerinnen und Schüler zu eigenständigen (gebärden-)sprachlichen Fragestellungen und Wortäußerungen, indem sie dafür bewusst Raum schaffen. Dadurch wird der individuelle, selbstgesteuerte Bildungserwerb angeregt.
Grundsatz 6: Alle am Schulleben Beteiligten pflegen einen respektvollen Umgang miteinander.
Neben weiteren Sprachen ist auch die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) als eigenständige Sprache offiziell anerkannt. Insbesondere in inklusiven Settings mit gehörlosen Schülerinnen und Schülern soll die Notwendigkeit der Gebärdensprache als gemeinsames Kommunikationsmittel für den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen berücksichtigt werden. Lehrerinnen und Lehrer greifen ÖGS sowie die mit Hörbeeinträchtigungen/Gehörlosigkeit verbundenen Herausforderungen im Unterricht thematisch auf und sensibilisieren somit alle Schülerinnen und Schüler dafür.
Die Auseinandersetzung mit der Gebärdensprache sowie der Schwerhörigen- bzw. Gehörlosencommunity und der dazugehörigen Kultur ist darüber hinaus essenziell für die Identitätsentwicklung der Schülerinnen und Schüler.
Grundsatz 7: Sprachsensibler Fachunterricht findet in allen Unterrichtsgegenständen statt.
Eine Beeinträchtigung des Hörvermögens kann auch bei optimaler Versorgung mit einem Hörgerät bzw. Cochlea-Implantat die Entwicklung der Sprachkompetenz beeinflussen. Für Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit sind daher spezifische didaktische Rahmenbedingungen zu schaffen (zB optimaler Sitzplatz und Raumakustik, Visualisierung, Überprüfung/Sicherstellung von Hilfsmitteln). Lehrerinnen und Lehrer sind sich dieser Verantwortung sowie ihrer sprachlichen Vorbildwirkung bewusst. Sie verfügen über fachspezifische Kenntnisse in Bezug auf die Art der Beeinträchtigung sowie deren Auswirkungen, passen ihr Lehrverhalten an die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler an (zB deutliche Artikulation, freies Mundbild), besitzen Grundkenntnisse in Österreichischer Gebärdensprache und identifizieren und beseitigen sprachliche Hürden und bieten entsprechende Hilfestellungen an (zB Visualisierung, Scaffolds, Übersetzung in ÖGS, gezielte Einführung neuer Gebärden). Der Einsatz von lautsprachunterstützenden (LUG) und lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG) sowie von Manualsystemen und dem Fingeralphabet unterstützen die Wahrnehmung der Lautsprache und somit die Erweiterung des alltäglichen und fachlichen Wortschatzes. Zudem erleichtert deren Einsatz das Verstehen gesprochener Sprache im kommunikativen Prozess und trägt damit wesentlich zum Gelingen eines sprachsensiblen Fachunterrichts bei.
Der Aufbau der Bildungssprache in ÖGS erfordert unter anderem, dass Lehrerinnen und Lehrer mit spezifisch ausgebildeten und gebärdensprachkompetenten Pädagoginnen und Pädagogen zusammenarbeiten. Neue Gebärden sind didaktisch überlegt einzuführen und zu erarbeiten. Für neue Begriffe sowie Fachbegriffe sind konsequent die entsprechenden Fachgebärden zu verwenden (Fachgebärdenentwicklung).
Grundsatz 8: Lehrerinnen und Lehrer geben im Lernprozess Rückmeldung und sorgen für eine transparente und kompetenzorientierte Leistungsbeurteilung.
Für Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit sind Feedbackmethoden entsprechend anzupassen (zB Visualisierung, Verschriftlichung). Lehrerinnen und Lehrer rückversichern sich regelmäßig, ob Inhalte von Gesprächen, Arbeitsaufträge und Informationen auch vollumfänglich verstanden wurden. Zudem ist darauf zu achten, dass Instrumente der Kompetenzüberprüfung zB iKMPLUS für alle Schülerinnen und Schüler barrierefrei zugänglich sind. Beurteilungskriterien sind zu adaptieren, sofern eine Leistung aufgrund der Beeinträchtigung nicht erbracht werden kann. Die entsprechenden Regelungen dazu finden sich im fünften Teil, Kapitel 12 „Ausgleichende Maßnahmen“.
VIERTER TEIL
ÜBERGREIFENDE THEMEN
Mit der Verankerung der übergreifenden Themen in den Fachlehrplänen der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe und des Förderschwerpunkts Lernen werden die fächerübergreifende Kompetenzentwicklung sowie das vernetzte Lernen der Schülerinnen und Schüler über die fachspezifischen Grenzen hinaus unterstützt und mit gesellschaftlich relevanten aktuellen Themen verbunden. Eine detaillierte Beschreibung der übergreifenden Themen (gesellschaftliche Bedeutung, Kompetenzziele und Bezug zu spezifischen Fachlehrplänen) erfolgt in den gemäß BGBl. II Nr. 1/2023 verordneten Lehrplänen für die Primarstufe und Sekundarstufe I. Alle Bezüge zu übergreifenden Themen in den Fachlehrplänen werden durch Hochzahlen (1 bis 13) hervorgehoben, die auf das jeweilige übergreifende Thema hinweisen. Die Bezüge zu den spezifischen Fachlehrplänen dieses Lehrplanzusatzes werden tabellarisch abgebildet. Von einem Verweis in Fachlehrplänen wurde dort abgesehen, wo sich das Fachgebiet mit dem Kompetenzerwerb im selben Thema beschäftigt. So erfolgt zB im Fachlehrplan Österreichische Gebärdensprache kein Verweis auf das übergreifende Thema Sprachliche Bildung und Lesen.
| Bildungs-, Berufs- und Lebensorientierung | Entrepreneurship Education | Gesundheitsförderung | Informatische Bildung | Interkulturelle Bildung | Medienbildung | Politische Bildung | Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung | Sexualpädagogik | Sprachliche Bildung und Lesen | Umweltbildung für nachhaltige Entwicklung | Verkehrs- und Mobilitätsbildung | Wirtschafts-, Finanz- und Verbraucher/innenbildung |
Verbindliche Übungen | 1. | 2. | 3. | 4. | 5. | 6. | 7. | 8. | 9. | 10. | 11. | 12. | 13. |
Österreichische Gebärdensprache | x |
|
|
| x | x |
|
|
| x |
|
|
|
Spezifische Übungen im Förderbereich Hören/Kommunikation | x | x | x | x | x | x | x |
|
| x |
|
|
|
Die Vorbereitung und Durchführung von Unterricht zu den übergreifenden Themen erfordert eine zielgerichtete Abstimmung der Lehrerinnen und Lehrer einer Klasse, einer Schule und (im Idealfall) eine vorausschauende Planung in Bezug auf sinnvolle Schwerpunktsetzungen in den vier Schulstufen. Nachfolgend werden Ergänzungen zu einzelnen übergreifenden Themen angeführt, die für Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit als bedeutsam erachtet werden.
1. Bildungs-, Berufs- und Lebensorientierung
Um die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten realistisch einschätzen zu können, bedarf es einer Auseinandersetzung mit den eigenen Interessen, Begabungen, Voraussetzungen und Ressourcen. Dazu zählen auch die Ursachen und Auswirkungen der eigenen Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit bzw. möglicher Hörbeeinträchtigungen von Mitschülerinnen und Mitschülern, Familienangehörigen, Freundinnen und Freunden. Zur Bewältigung alltäglicher Herausforderungen in (Aus-)Bildung, Beruf und im privaten Leben sind Informationen und Kenntnisse über mögliche Hilfsangebote und zustehende Rechte ebenso bedeutsam, wie die Handhabung assistiver Technologien und kompensatorischer (Arbeits-)Techniken. Die Kompetenz der ÖGS eröffnet zudem weitere (Aus-)Bildungs- und Berufswege.
2. Entrepreneurship Education
Es wird auf die Ausführungen in den Lehrplänen der Volksschulen, Mittelschulen, AHS-Unterstufe sowie des Lehrplans Förderschwerpunkt Lernen verwiesen.
3. Gesundheitsförderung
Für Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit sind Maßnahmen zur Erhaltung des vorhandenen Hörvermögens besonders essenziell. Ebenso ist bei der Verwendung von Hörhilfen auf einen hygienischen Umgang damit zu achten und insbesondere junge/unerfahrene Schülerinnen und Schüler sind entsprechend darin zu unterstützen.
4. Informatische Bildung
Assistive Technologien schaffen erweiterte Möglichkeiten der Kommunikation, Aktivität und Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigungen. Der Einsatz adäquater Hilfsmittel im Unterricht erleichtert Kommunikations- und Lernprozesse zwischen allen Beteiligten. Schülerinnen und Schüler lernen diverse Hilfsmittel eigenständig und situationsadäquat anzuwenden und diese auch in außerschulischen Situationen und zukünftigen Herausforderungen in Beruf und Alltag einzusetzen. Mediales Gebärden und die Kommunikation via Videokonferenz setzen darüber hinaus voraus, dass Schülerinnen und Schüler Video- und Präsentationstechniken beherrschen.
5. Interkulturelle Bildung
Die Identität einer Gemeinschaft erwächst stets aus dem Spannungsfeld von Verschiedenheit und Gleichheit. Interkulturelle Bildung verlangt daher auch die Berücksichtigung der kulturellen Besonderheiten sowie Gemeinsamkeiten der hörenden und der Gehörlosengemeinschaft. Dabei sind unterschiedliche Ausgangsbedingungen zu berücksichtigen. Zwei- oder Mehrsprachigkeit sowie ÖGS-Kompetenzen sollen positiv besetzt und die Schülerinnen und Schüler ermutigt werden, diese im Unterricht und in der Pause einzubringen.
6. Medienbildung
Es wird auf die Ausführungen in den Lehrplänen der Volksschulen, Mittelschulen, AHS-Unterstufe sowie des Lehrplans Förderschwerpunkt Lernen verwiesen.
7. Politische Bildung
Politische Partizipation bedeutet nicht nur, die Rechte und Pflichten als Staatsbürgerin und Staatsbürger wahrzunehmen, sondern sich auch für deren Umsetzung und Weiterentwicklung einzusetzen. Sich zB in Vereinen und Organisationen zu engagieren, die sich spezifisch mit den Interessen von gehörlosen bzw. hörbeeinträchtigten Menschen beschäftigen, trägt wesentlich dazu bei.
8. Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung
Es wird auf die Ausführungen in den Lehrplänen der Volksschulen, Mittelschulen, AHS-Unterstufe sowie des Lehrplans Förderschwerpunkt Lernen verwiesen.
9. Sexualpädagogik
Es wird auf die Ausführungen in den Lehrplänen der Volksschulen, Mittelschulen, AHS-Unterstufe sowie des Lehrplans Förderschwerpunkt Lernen verwiesen.
10. Sprachliche Bildung und Lesen
Die Berücksichtigung des individuellen Sprachstands in Laut- und Gebärdensprache ist essentiell, um die Sprach- und Lesekompetenzen von Schülerinnen und Schülern mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit bestmöglich zu fördern. Sprach-, Artikulations-, Wortschatz-, aber auch Hör- und Wahrnehmungsübungen bauen auf den vorhandenen Kompetenzen auf und unterstützen die sprachliche Bildung der Schülerinnen und Schüler. Dabei ist unter anderem auf die verschiedenen Grammatiksysteme von Laut- und Gebärdensprache zu achten (kontrastiver Sprachunterricht und Reduktion des fehleranalytischen Zugangs). Der Sprach- und Leseunterricht erfordert zudem spezifische pädagogische Maßnahmen und didaktisch-methodische Überlegungen, die auf die individuelle Situation der Schülerinnen und Schüler abgestimmt sind.
11. Umweltbildung für nachhaltige Entwicklung
Es wird auf die Ausführungen in den Lehrplänen der Volksschulen, Mittelschulen, AHS-Unterstufe sowie des Lehrplans Förderschwerpunkt Lernen verwiesen.
12. Verkehrs- und Mobilitätsbildung
Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit sind im Rahmen der Verkehrs- und Mobilitätsbildung auf das erhöhte Gefahrenpotenzial aufgrund der Sinnesbeeinträchtigung vorzubereiten. Große Bedeutung haben zudem Informationen und Kenntnisse über allgemeine und spezifische Orientierungssysteme.
13. Wirtschafts-, Finanz- und Verbraucher/innenbildung
Es wird auf die Ausführungen in den Lehrplänen der Volksschulen, Mittelschulen, AHS-Unterstufe sowie des Lehrplans Förderschwerpunkt Lernen verwiesen.
FÜNFTER TEIL
ORGANISATORISCHER RAHMEN
Ein wesentlicher Anspruch aller verordneten Lehrpläne ist, dass Lehrerinnen und Lehrer die fächerübergreifende Kompetenzentwicklung sowie das vernetzte Lernen der Schülerinnen und Schüler über die fachspezifischen Grenzen hinaus unterstützen. Um dazu am Schulstandort die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen, sind die Ausführungen zum organisatorischen Rahmen des Lehrplans der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe, des Förderschwerpunkts Lernen, der einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der Polytechnischen Schule bzw. des Berufsvorbereitungsjahres zu berücksichtigen. Nachfolgend finden sich dazu Ergänzungen bzw. Konkretisierungen, die für Schülerinnen und Schüler im Förderbereich Hören/Kommunikation als bedeutsam erachtet werden.
1. Umsetzung des Lehrplans am Schulstandort
Es ist die Aufgabe der Schul(cluster)leitung und der Lehrerinnen und Lehrer, die Vorgaben und Zielsetzungen der Lehrpläne nutzbar zu machen, um die Schul- und Unterrichtsentwicklung gezielt voranzutreiben. Die Berücksichtigung der individuellen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler fließen dabei in die Entwicklung konkreter Zielvorgaben mit ein. Entsprechend sind auch Beeinträchtigungen, sonderpädagogische Förderbedarfe und Lehrplanzusätze in diese Überlegungen einzubeziehen. Der Fachbereich für Inklusion, Diversität und Sonderpädagogik an den Bildungsdirektionen berät Schulen in diesen Belangen und unterstützt die regionale Umsetzung.
2. Schulische Gestaltungsfreiräume
Die inhaltlich-thematischen Angebote und die angestrebten Kompetenzen sind auf die Bildungsaufgabe des jeweiligen Lehrplans bzw. Lehrplanzusatzes abzustimmen. Im Rahmen der schulischen Gestaltungsfreiräume können die verbindlichen Übungen dieses Lehrplanzusatzes in Pflichtgegenstände umgewandelt werden, um vorhandene Schwerpunkte zu vertiefen und das Bildungsangebot zu erweitern.
Im Förderbereich Hören/Kommunikation kommt der sprachlichen Bildung eine besondere Bedeutung zu. Um den Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler in Laut- und Gebärdensprache bestmöglich zu unterstützen, kann auch im Zusammenhang mit ÖGS Content and Language Integrated Learning – CLIL eingesetzt werden. Darunter ist die Verwendung einer Fremdsprache zur integrativen Vermittlung von Lerninhalten und Sprachkompetenz außerhalb des spezifischen Sprachunterrichts zu verstehen, wobei darauf geachtet wird, dass die Fachsprache des jeweiligen Unterrichtsgegenstandes auch in der jeweiligen Sprache korrekt erworben wird. Neben der integrativen Vermittlung von Lerninhalten und Sprachkompetenz außerhalb des Fremdsprachenunterrichts können auch Möglichkeiten des kontrastiven Sprachunterrichts ebenso wie bilinguale Unterrichtssettings geschaffen werden.
3. Erhöhung bzw. Verringerung des Stundenausmaßes von Pflichtgegenständen
Grundsätzlich kommen die Stundentafeln und entsprechenden Regelungen des Lehrplans der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe, des Förderschwerpunkts Lernen, der einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der Polytechnischen Schule oder des Berufsvorbereitungsjahres zur Anwendung. Für Schülerinnen und Schüler im Förderbereich Hören/Kommunikation ergeben sich zusätzliche Unterrichtsstunden in förderbereichsspezifischen Gegenständen (ÖGS, Spezifische Übungen im Förderbereich Hören/Kommunikation). Die Inhalte der spezifischen Unterrichtsgegenstände und damit deren Ausmaß werden je nach Bedarf der Schülerin/des Schülers zur Gänze oder in Teilen in additiver oder integrativer Form umgesetzt. Die entsprechenden Regelungen dazu finden sich im sechsten Teil „Stundentafeln“.
4. Vorschulstufe
Spezifische unverbindliche Übungen/Lernangebote für Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit wie ÖGS, Spezifische Übungen im Förderbereich Hören/Kommunikation sowie spielerische Sprach-, Hör- und Wahrnehmungsübungen sind bereits in der Vorschulstufe unter Berücksichtigung der besonderen Lernbedürfnisse von Kindern dieser Schulstufe durchzuführen.
5. Inklusiver Unterricht und Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf
Inklusiver Unterricht und sonderpädagogische Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen schließen einander nicht aus, sondern tragen wechselseitig zu einem gelingenden Miteinander und zur Realisierung gleichberechtigter Bildungschancen für alle bei. Die sonderpädagogische Förderung erfolgt in Zusammenarbeit und Kooperation mit spezifisch ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen und stellt einerseits die gezielte Unterstützung der Schülerinnen und Schüler mit einer Hörbeeinträchtigung bzw. Gehörlosigkeit in den Bereichen Hören, Wahrnehmung, Sprache und Kommunikation sowie Identitätsbildung sicher und trägt andererseits zum Abbau von Barrieren im Unterrichts- und Schulalltag wie auch in außerschulischen Settings bei. Ziel ist es, durch den Erwerb von Schlüsselqualifikationen und Kompetenzen die schulische und berufliche Eingliederung sowie gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten und Schülerinnen und Schüler zur möglichst selbständigen und selbstbestimmten Lebensgestaltung zu befähigen.
Maßnahmen des inklusiven Unterrichts und der sonderpädagogischen Förderung sind in Abhängigkeit von den individuellen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen und -bedürfnissen aller Schülerinnen und Schüler einer Klasse auszuwählen. Zu berücksichtigen ist dabei die jeweilige Ausprägung der Beeinträchtigung sowie die individuellen Auswirkungen dieser, die aufgrund diverser personen- und umweltbezogener Bedingungsfaktoren sehr unterschiedlich sein können. Eine umfassende Diagnostik der individuellen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen (zB mittels ICF-basierter Verfahren) schließt auch personen- und umweltbezogene Faktoren mit ein und schärft das Bewusstsein für die individuelle Ausgangslage der Schülerin/des Schülers. Auf Basis dieser Kenntnisse können Barrieren identifiziert und beseitigt sowie Bildungs- und Fördermaßnahmen entsprechend differenziert und adaptiert werden, damit alle Schülerinnen und Schüler gleichberechtigt an den Lernprozessen teilhaben und davon profitieren können.
Im Sinne einer gelingenden Inklusion arbeiten alle am Unterricht beteiligten Personen zusammen und wählen inklusive Settings, die auch im standortbezogenen Förderkonzept der Schule verankert sind. Dies beinhaltet auch die Anregung von Projekten, die dazu beitragen, Barrieren abzubauen und die Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler zu stärken.
6. Schularbeiten
Die Zahl und Dauer von Schularbeiten sind dem Lehrplan der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe, des Förderschwerpunkts Lernen, der einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der Polytechnischen Schule bzw. des Berufsvorbereitungsjahres zu entnehmen. Schularbeiten müssen wie auch andere Leistungsnachweise so gestaltet bzw. adaptiert werden, dass für Schülerinnen und Schüler mit einer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit keine Nachteile aufgrund der Beeinträchtigung entstehen. Die entsprechenden Regelungen dazu finden sich in diesem Abschnitt, im Kapitel 12 „Ausgleichende Maßnahmen“.
7. Förderunterricht
Förderunterricht stellt eine der grundlegenden Maßnahmen im Sinne des § 19 Abs. 3a des Schulunterrichtsgesetzes („Frühwarnsystem“) dar, um Schülerinnen und Schüler, die von einem Leistungsabfall betroffen oder bedroht sind, vor Schulversagen zu bewahren. Darüber hinaus stellt der Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler, die schon früh im Unterrichtsjahr im betreffenden Pflichtgegenstand auf Schwierigkeiten stoßen, ein zusätzliches Lernangebot dar. Die dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen werden von der Förderung im Rahmen des Förderbereichs Hören/Kommunikation nicht berührt. Für Schülerinnen und Schüler mit dem Lehrplanzusatz Hören/Kommunikation ergeben sich zusätzliche Unterrichtsstunden für die spezifische Förderung, die sowohl integrativ als auch additiv geführt werden können. Die entsprechenden Regelungen dazu finden sich im sechsten Teil „Stundentafeln“.
8. Gestaltung von Nahtstellen
Der pädagogischen Gestaltung von Schuleintritts- und Schulaustrittsphasen kommt besondere Bedeutung zu. Neben der Berücksichtigung der allgemeinen Ausführungen und Hinweise zur Gestaltung von Nahtstellen in den Lehrplänen der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe, des Förderschwerpunkts Lernen, der einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der Polytechnischen Schule sowie des Berufsvorbereitungsjahres sind in den Übergangsphasen von Schülerinnen und Schülern mit einer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit einige Aspekte vor dem Eintritt in eine neue Institution zu bedenken (zB kommunikative Voraussetzungen der Schülerin/des Schülers, spezielle Hilfsmittel). Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit Erziehungsberechtigten, dem Diversitätsmanagement sowie schulischen und außerschulischen Einrichtungen anzustreben.
Um optimale Voraussetzungen für einen möglichst erfolgreichen Übergang nach Abschluss der Sekundarstufe I zu schaffen, informieren und beraten Lehrerinnen und Lehrer gemäß § 3 Abs. 1 des Schulorganisationsgesetzes (letzter Satz) die Schülerinnen und Schüler sowie deren Erziehungsberechtigte über mögliche nachfolgende (Aus-)Bildungs- und Berufswege. Die mit der Beeinträchtigung einhergehenden Herausforderungen und Chancen im Bildungs- und Berufssystem wie auch entsprechende unterstützende Möglichkeiten (zB Arbeitsassistenz) sollten in diesem Prozess thematisiert werden.
9. Öffnung der Schule und des Unterrichts
Um Schülerinnen und Schülern aus dem Förderbereich Hören/Kommunikation den Zugang zu spezifischen Communitys zu erleichtern sowie deren Mitschülerinnen und Mitschülern Einblick zu ermöglichen, ist eine Zusammenarbeit mit externen Personen, Expertinnen und Experten sowie Organisationen und Vereinen aus dem Gehörlosen-, Schwerhörigen- und CODA-Bereich (Children of Deaf Adults) anzustreben. Bei der Durchführung von Veranstaltungen, Ausflügen und Exkursionen ist auf Barrierefreiheit zu achten.
10. Begabungs- und Begabtenförderung
(Hoch-) Begabungen treten innerhalb der Gruppe von Menschen mit Sinnes- oder Körperbeeinträchtigung im selben Ausmaß auf wie bei Menschen ohne Beeinträchtigungen. Insofern spielt Begabungs- und Begabtenförderung auch im Förderbereich Hören/Kommunikation eine entscheidende Rolle, um die ganzheitliche Entwicklung der Persönlichkeit und die Umsetzung individueller Potenziale und Interessen sowie spezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu fördern.
11. Betreuungsplan für ganztägige Schulformen (= GTS)
In ganztägigen Schulformen werden Schülerinnen und Schüler je nach Art des Angebots nicht nur unterrichtet, sondern darüber hinaus auch in Lern- und Freizeitphasen gefördert und betreut. Die allgemeinen Bestimmungen dafür sind dem Lehrplan der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe oder des Förderschwerpunkts Lernen zu entnehmen. Wird eine ganztägige Schulform von einem oder mehreren Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen besucht, so sind deren spezifischen Lern- und Entwicklungsbedürfnisse im Betreuungsplan, aber auch in der konkreten methodisch-didaktischen Ausgestaltung der Unterrichts-, Lern- und Freizeitphasen zu berücksichtigen.
12. Ausgleichende Maßnahmen
Unter ausgleichenden Maßnahmen sind Handlungen und Mittel zu verstehen, die dazu dienen, Benachteiligungen, die kausal durch eine Beeinträchtigung entstehen, zu kompensieren bzw. zu minimieren. Ausgleichende Maßnahmen sorgen dafür, dass Unterrichts- und Prüfungsbedingungen geschaffen werden, die von Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen ohne Einschränkungen und Benachteiligungen zu bewältigen sind. Dadurch können alle Schülerinnen und Schüler gleichberechtigt an Lern- und Bildungsprozessen partizipieren und ihre Fähigkeiten im Hinblick auf gestellte Anforderungen zeigen. Dies trägt zur Sicherung der Chancengerechtigkeit bei. Ausgleichende Maßnahmen finden in folgenden zwei Bereichen Anwendung:
- – Bereich 1 – Ausgleichende Maßnahmenim täglichen Unterricht: Dieser Bereich umfasst ausgleichende Maßnahmen hinsichtlich der allgemeinen Organisation und Durchführung von Unterricht mit dem Ziel, für alle Schülerinnen und Schüler einen gleichberechtigten Zugang zu allen Bildungs- und Lerninhalten sicherzustellen.
- – Bereich 2 – Ausgleichende Maßnahmen in Prüfungssituationen: Dieser Bereich umfasst ausgleichende Maßnahmen, die im Rahmen von Leistungsüberprüfungsverfahren und deren Bewertung gesetzt werden, damit Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen dabei keine Nachteile aufgrund der Beeinträchtigung erfahren.
Gemäß § 18 Abs. 6 des Schulunterrichtsgesetzes sind Schülerinnen und Schüler entsprechend den Forderungen des Lehrplanes unter Bedachtnahme auf den wegen der körperlichen Behinderung bzw. gesundheitlichen Gefährdung erreichbaren Stand des Unterrichtserfolges zu beurteilen, soweit die jeweilige Bildungs- und Lehraufgabe grundsätzlich erreicht wird.
Die jeweiligen Bildungsziele bzw. Leistungsanforderungen werden durch ausgleichende Maßnahmen nicht verändert, Leistungssituationen sind prinzipiell inhaltlich bzw. fachlich zielgleich zu gestalten. Die ausgleichenden Maßnahmen sind so zu wählen, dass sie die in der Beeinträchtigung begründeten Nachteile kompensieren und Chancengerechtigkeit gewährleisten. Art und Umfang der Maßnahmen sind auf die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler abzustimmen. Folgende Arten von ausgleichenden Maßnahmen werden unterschieden:
- – Räumliche Maßnahmen (zB Raumakustikdecken, optimaler Sitzplatz)
- – Zeitliche Maßnahmen (zB Hörpausen, Zeitzugaben beim Lesen von Texten)
- – Personelle Maßnahmen (zB Gebärdensprachdolmetsch, fachlich ausgebildete Lehrpersonen)
- – Didaktisch-methodische Maßnahmen (zB Visualisierende Hilfsmittel, Gesprächsregeln)
- – Technisch-mediale Maßnahmen (zB FM-Anlage, Mikrofon für Schülerinnen und Schüler, technische Einrichtung zur Herstellung von ÖGS-Videos, Whiteboard, Projektor)
SECHSTER TEIL
STUNDENTAFELN
Gesamtwochenstundenanzahl und Stundenausmaß der Pflichtgegenstände, der verbindlichen Übungen, des Förderunterrichts, der Freigegenstände und der unverbindlichen Übungen sind dem Lehrplan der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe, des Förderschwerpunkts Lernen, der einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der Polytechnischen Schule oder des Berufsvorbereitungsjahres zu entnehmen. Der Förderbereich Hören/Kommunikation umfasst weitere spezifische Unterrichtsgegenstände, welche die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Hörbeeinträchtigung bzw. Gehörlosigkeit sicherstellen. Diese kommen in Abhängigkeit von den individuellen Entwicklungs- und Förderbedarfen der Schülerinnen und Schüler zur Gänze oder in Teilen in additiver oder integrativer Form zum Einsatz und verfolgen das Ziel, größtmögliche Aktivität und Teilhabe zu gewährleisten.
Gesamtwochenstundenanzahl und Stundenausmaß der verbindlichen Übungen im Förderbereich Hören/Kommunikation
| Schulstufen und Wochenstunden | ||||||||||
Verbindliche Übungen | Vorschulstufe | 1. | 2. | 3. | 4. | 5. | 6. | 7. | 8. | 9.PTS, BVJ | Gesamt |
Spezifische Übungen im Förderbereich Hören/Kommunikation | 1-2 | 1-4 | 1-4 | 1-4 | 1-4 | 1-2 | 1-2 | 1-2 | 1-2 | 1-2 | 10-28 |
Österreichische Gebärdensprache | 1-2 | 1-2 | 1-2 | 1-2 | 1-2 | 1-2 | 1-2 | 1-2 | 1-2 |
| 9-18 |
Gesamt-wochenstundenzahl | 2-4 | 2-6 | 2-6 | 2-6 | 2-6 | 2-4 | 2-4 | 2-4 | 2-4 | 1-2 | 17-46 |
Ergänzende Anmerkungen:
- 1) Die Rahmenbedingungen für schulautonome Lehrplanbestimmungen sind bei vorliegender Ermächtigung dem Lehrplan der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe, des Förderschwerpunkts Lernen, der einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der Polytechnischen Schule bzw. des Berufsvorbereitungsjahres zu entnehmen. Im Rahmen der schulischen Gestaltungsfreiräume können die verbindlichen Übungen dieses Lehrplanzusatzes in Pflichtgegenstände umgewandelt werden, um vorhandene Schwerpunkte zu vertiefen und das Bildungsangebot zu erweitern.
- 2) Die angeführten Wochenstunden sind als Richtmaß aufzufassen, ebenso wie die Inhalte der verbindlichen Übungen. In Abhängigkeit von der Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit (ua. Art, Grad, Verlauf) sowie der Versorgung mit technischen Hilfen (ua. Art, Zeitpunkt der Versorgung) sind die verbindlichen Übungen, deren zeitliches Ausmaß und deren Inhalte so auszuwählen, dass eine individuell optimale Entwicklungsförderung in den Bereichen Hören, Wahrnehmung, Sprache, Kommunikation und Identitätsbildung sichergestellt wird. Im Individuellen Bildungs- und Entwicklungsplan ist festzuhalten, welche Inhalte in welchem Ausmaß und mit welchem Ziel unterrichtet werden. Die Aufteilung in kürzere Lernsequenzen sowie der integrative Unterricht einzelner Inhalte in anderen Unterrichtsfächern ist zulässig.
SIEBENTER TEIL
FACHLEHRPLÄNE DER VERBINDLICHEN ÜBUNGEN IM FÖRDERBEREICH HÖREN/KOMMUNIKATION
SPEZIFISCHE ÜBUNGEN IM FÖRDERBEREICH HÖREN/KOMMUNIKATION
Bildungs- und Lehraufgabe (Vorschulstufe, 1. bis 9. Schulstufe):
Die verbindliche Übung hat die Aufgabe, Schülerinnen und Schüler mit einer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit spezifisch und bedarfsorientiert in den Bereichen Hören, Sprechen und Ausdruck, Kommunikation10, Identitätsbildung1 und Partizipation1,6,7 zu fördern sowie kompensatorische (Arbeits-)Techniken1 zu vermitteln. Dies trägt dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler im Förderbereich Hören/Kommunikation Kompetenzen erwerben, die sie in der selbständigen und selbstbestimmten Lebensbewältigung unterstützen. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit ihrer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit und den daraus resultierenden individuellen Voraussetzungen und Chancen bewusst auseinander und werden dazu befähigt und darin bestärkt, allfällige Herausforderungen eigenverantwortlich und selbstbewusst zu bewältigen.1,2
Didaktische Grundsätze (Vorschulstufe, 1. bis 9. Schulstufe):
Die Entwicklung der sprachlichen und kommunikativen Kompetenzen10 sowie die Identitätsentwicklung1 verlaufen bei Schülerinnen und Schülern mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit stets individuell und werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst (ua. Art, Grad und Eintritt der Hörbeeinträchtigung, hörtechnische Versorgung, Zeitpunkt der Erstförderung). Die individuellen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler sind daher Ausgangspunkt aller didaktisch-methodischer Überlegungen. Insbesondere sind die individuellen Kommunikationsbedürfnisse zu berücksichtigen. Es wird zwischen gebärdensprachlicher, hörgerichteter, hörsehgerichteter, sehgerichteter, manuell unterstützter und bilingualer Kommunikation5,10 unterschieden, wobei die einzelnen Kommunikationsarten einander nicht ausschließen. Individualisierte und differenzierte Bildungsmaßnahmen, die verschiedene Sinneskanäle ansprechen, an die Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler anknüpfen und ihre Eigenaktivität anregen, stellen sicher, dass die jeweiligen Bildungs- und Lernbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler abgedeckt werden. Der Einsatz moderner Kommunikations- und Informationstechnologien4,6 trägt dazu bei, einerseits Bildungsprozesse anregend zu gestalten und andererseits neue und erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten zwischen allen Schülerinnen und Schülern zu schaffen6,10. Dennoch sollten die Grenzen dieser Technologien allen am Lernprozess Beteiligten bewusst sein und auf entsprechende Einführungen und einen adäquaten Umgang geachtet werden (zB gleichzeitig einem laut- oder gebärdensprachlichen Inhalt/Dialog zu folgen und einer anderen Tätigkeit nachzugehen ist für Schülerinnen und Schüler mit einer Hörbeeinträchtigung nicht möglich, technische Geräte erzeugen störende Nebengeräusche).
Für die verbindliche Übung wird von spezifischen Kompetenzbeschreibungen pro Schulstufe abgesehen, da Schülerinnen und Schüler in Abhängigkeit vom Eintritt der Hörbeeinträchtigung, der technischen Versorgung und der bisherigen Förderung mitunter sehr unterschiedliche Entwicklungsvoraussetzungen mitbringen. Eine Orientierung an Schulstufen entfällt daher zugunsten einer Orientierung am individuellen Lern- und Entwicklungsstand. Weiters wird dadurch die Möglichkeit geschaffen, Bildungs- und Förderinhalte der unverbindlichen Übung flexibel im gesamten Unterrichtsgeschehen einzubringen. Der kontinuierliche kumulative Kompetenzzuwachs wird durch konsequente Adaptierung der Aufgabenstellungen sichergestellt.
Dieser Lehrplan greift folgende übergreifende Themen auf: Bildungs-, Berufs- und Lebensorientierung1, Entrepreneurship Education2, Gesundheitsförderung3, Informatische Bildung4, Interkulturelle Bildung5, Medienbildung6, Politische Bildung7, Sprachliche Bildung und Lesen10
Zentrale fachliche Konzepte (Vorschulstufe, 1. bis 9. Schulstufe):
Dem Unterrichtsgegenstand Spezifische Übungen liegen vier zentrale fachliche Konzepte zugrunde, die miteinander vernetzt sind. Sie integrieren, strukturieren und aktivieren vorhandenes Wissen und entwickeln dieses weiter.
Kommunikation und Wirkung
Dieses Konzept betrachtet das Interagieren in unterschiedlichen Kommunikationssituationen1,10. Laut‑, Gebärden‑ und Schriftsprache dienen als Mittel der Kommunikation. Schülerinnen und Schüler erfahren, wie Interaktionen verlaufen, wie Informationen und Wissen gespeichert, vermittelt und verarbeitet und angeeignet werden, welche Faktoren Kommunikation beeinflussen und welche Wirkungen durch Kommunikation erzielt werden. Sprachlich angemessenes Handeln in verschiedenen Kontexten wird angestrebt.10
Identität und Diversität
Die persönliche, aber auch kulturelle Identität erwachsen stets aus dem Spannungsfeld von Verschiedenheit und Gleichheit. Dadurch sind ähnliche Lebensumstände, Interessen und Kompetenzen mit den zentralen Aspekten individuums- und gruppenbezogener Identität verbunden. Zugleich sind sie auch Ausdruck interindividueller und gesellschaftlicher Diversität, da sie nur in Variationen existieren.1,5
Aktivität und Partizipation
Eigenständig aktiv und partizipativ agieren zu können, beeinflusst die Lebensqualität eines Menschen maßgeblich. Auditive und visuelle Strategien, sprachliche und kommunikative Kompetenzen, Fähigkeiten zur Theory of Mind, eine sensibilisierte Wahrnehmung äußerer Faktoren sowie der gezielte Einsatz kompensatorischer Techniken und Hilfsmitteln1,4,6,10 erhöhen die Aktivität und Partizipation von Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit und ermöglichen eine aktive Teilhabe an diversen Lebenssituationen.1
Mehrsprachigkeit, Kultur und Gesellschaft
Dieses Konzept betrachtet Sprache als beziehungsgestaltendes Element und ermöglicht, die eigene Lebenssituation in einer bestimmten Kultur bzw. Gesellschaft darzustellen und in Beziehung zu anderen Kulturen zu setzen. Schülerinnen und Schüler erkennen den Wert der Fremdsprache als Brückensprache und gehen offen und respektvoll mit anderen Kulturen um. Sie erfahren eine umfassende sprachliche Bildung, die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht und das gesamte sprachliche Repertoire eines Menschen als identitätsbildend anerkennt sowie dessen Entwicklung unterstützt.5
Kompetenzmodell und Kompetenzbereiche (Vorschulstufe, 1. bis 9. Schulstufe):
Hören
Hören ist für die Sprachentwicklung10, aber auch für die kognitive, emotionale und psychosoziale1 Entwicklung sowie die räumliche und zeitliche Orientierung von großer Bedeutung. Je nach Möglichkeit lernen Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit ihr individuelles Hörvermögen bestmöglich zu nutzen und Hörstrategien anzuwenden, um Reize wahrzunehmen, zu unterscheiden und zu identifizieren.1
Kommunikation
Die Fähigkeit zur Kommunikation (verbal-auditiv, manuell-visuell oder schriftlich) ist grundlegende Voraussetzung, sich aktiv an schulischen und außerschulischen Prozessen zu beteiligen sowie alltägliche Herausforderungen eigenständig zu bewältigen. Kommunikative Kompetenzen gründen auf Sprachkompetenzen, umfassen jedoch weiters auch Dialog- und Empathiefähigkeit sowie Rollenverständnis. In vielfältigen lautsprachlichen, gebärdeten und/oder schriftlichen Kommunikationssituationen des alltäglichen Miteinanders, aber auch in inszenierten Rollenspielen oder szenischen Darstellungen erwerben die Schülerinnen und Schüler entsprechende Fähigkeiten und Fertigkeiten und erweitern zugleich ihren Wortschatz und ihr Verständnis für grammatikalische und dialogische Strukturen. Für bilingual aufwachsende bzw. lernende Schülerinnen und Schüler spielt auch das Dolmetschen innerhalb von Kommunikationsprozessen eine wesentliche Rolle.5,10
Sensibilisierung und Wahrnehmung
Die Grundlage einer positiven Sprachentwicklung ist die sensorische Integration und damit Verarbeitung aller Sinnesmodalitäten. Die Förderung dieses Prozesses setzt am individuellen funktionalen Hörvermögen der Schülerinnen und Schüler an und schließt alle Sinne, insbesondere die Basissinne (taktil-kinästhetisches, vestibuläres und propriozeptives System) mit ein. Dies trägt in weiterer Folge zur Verbesserung der auditiven Aufmerksamkeit, Konzentration und Merkfähigkeit bei und schult zugleich die gezielte visuelle Wahrnehmung sprachbegleitender Kommunikationsaspekte (zB Körpersprache, Mimik und Gestik).1,10
Identitätsbildung und Partizipation
Der Austausch mit anderen Personen (mit und ohne Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit) ist ebenso essenziell für die Identitäts- und Persönlichkeitsbildung wie die Auseinandersetzung mit der eigenen Person1,5. Ebenso bedarf es der Thematisierung historischer Entwicklungen, Herausforderungen und Chancen einer Beeinträchtigung sowie damit einhergehender Rechten und Pflichten. Das Erfahren der eigenen Handlungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit trägt einerseits zur Identitätsentwicklung bei und bildet andererseits die Voraussetzung dafür, an gesellschaftlichen und politischen Prozessen teilzuhaben. Partizipation bedeutet dabei auch, die eigenen Rechte und Möglichkeiten nicht nur wahrzunehmen, sondern sich auch aktiv für deren Umsetzung und Weiterentwicklung einzusetzen.7
Kompensatorische (Arbeits-)Techniken
Der Erwerb kompensatorischer (Arbeits-)Techniken soll dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler mit einer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit ihren (schulischen) Alltag unter Nutzung ihrer individuellen Hör- und Kommunikationskompetenzen eigenständig bewältigen können. Technische und mediale Hilfsmittel4,6, eine verstärkte visuelle Orientierung, aber auch die Anwendung von Hörstrategien und die realistische Einschätzung der eigenen Kompetenzen tragen dazu bei. Der gezielte Einsatz von technischen und medialen Hilfen, visuelle Orientierungsstrategien sowie die Anwendung von Hörtaktiken können fehlende auditive Wahrnehmungskompetenzen kompensieren.1
Lautsprache und Ausdruck
Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigungen/Gehörlosigkeit erwerben je nach Art und Grad der Hörbeeinträchtigung und je nach Versorgung mit Hörhilfen lautsprachliche Kompetenzen. Dabei können Aussprache und Intonation sowie Sprachrhythmus, -melodie und -tempo von einem natürlichen Sprechton abweichen. Aufgabe der individuellen Förderung im Kompetenzbereich Sprechen und Ausdruck ist, eine verbal verständliche Ausdrucksfähigkeit anzubahnen. Kontrastiver Sprachunterricht ist insbesondere bei bilingual-bimodal aufwachsenden bzw. lernenden Schülerinnen und Schülern zu berücksichtigen10. In bilingual-bimodalen Settings kann in diesem Zusammenhang die ÖGS-Kompetenz von CODA einen wertvollen Beitrag leisten.
Kompetenzbeschreibungen (Vorschulstufe, 1. bis 9. Schulstufe):
Kompetenzbereich Hören10
Die Schülerinnen und Schüler können in Abhängigkeit von ihren individuellen Voraussetzungen
- – akustische Signale, Geräusche und Klänge wahrnehmen, lokalisieren (Richtungshören) und wiedergeben.
- – Ähnlichkeiten und Unterschiede von Höreindrücken erkennen und differenzieren.
- – Sprache und ihre Strukturen auditiv erfassen.
- – rhythmische, dynamische, prosodische und melodische Merkmale von Sprache wahrnehmen und anwenden.
- – auditive Eindrücke speichern und wiedergeben.
- – antizipierende Schemata für das Erfassen sprachlicher Inhalte erarbeiten und übertragen.
- – Sprache aus Umgebungsgeräuschen filtern (selektives Hören).
- – zeitgleich auftretende Sprachinformationen voneinander trennen und verstehen (dichotisches Hören).
- – selbstbewusst und gezielt intervenieren, wenn etwas nicht verstanden wurde.1,2
Kompetenzbereich Sprechen und Ausdruck10
Die Schülerinnen und Schüler können in Abhängigkeit von ihren individuellen Voraussetzungen
- – ihre Stimme hinsichtlich Lautstärke und Intonation richtig einsetzen und kontrolliert anwenden.
- – Sprechen und Atmen im geeigneten Rhythmus einsetzen.
- – erarbeitete Laute sowie Lautgruppen, Silbenhäufungen und Konsonantenverbindungen artikulieren.
- – Inhalte unter Anwendung ihrer Sprechfähigkeiten mitteilen.
- – Sprache auf morphologischer, syntaktischer und semantisch lexikaler Sprachebene weitgehend richtig anwenden.
- – Unterschiede zwischen verschiedenen Grammatiksystemen benennen und berücksichtigen.
- – phonembestimmte Manualsysteme verstehen und anwenden, um die Lautbildung nachvollziehen zu können.
- – für sie geeignete technische Hilfsmittel entsprechend einsetzen.4,6
Kompetenzbereich Kommunikation10
Die Schülerinnen und Schüler können
- – gemäß ihrem Lernstand in verschiedenen Gesprächssituationen entsprechend kommunizieren.
- – neue Kommunikationssituationen erkennen, unterscheiden und angemessen darauf reagieren.
- – Mitteilungen und Anweisungen verstehen und umsetzen.
- – verschiedene Satzarten im Gespräch erkennen und adäquat darauf reagieren.
- – in verschiedenen Gesprächssituationen grundsätzliche Kommunikationsregeln einhalten und einfordern.
- – Strategin für das Hör- und/oder Sehverstehen in vielfältigen Kommunikationssituationen anwenden.
- – die Bedeutung nonverbaler Kommunikation sowie des Blickkontakts im Gespräch erkennen und berücksichtigen.
- – alltägliche Kommunikation im Unterricht verstehen und Diskussionen, die unter Einhaltung kommunikativer Regelungen stattfinden, folgen.10
- – die Unterstützungsmöglichkeiten durch Dolmetscherinnen und Dolmetscher erkennen und nutzen.5
- – Schrift- und Gebärden- bzw. Lautsprache in Verbindung setzen.
- – Fingeralphabet, phonembestimmte Manualsysteme, lautsprachunterstützende und/oder lautsprachbegleitende Gebärden als Hilfestellung zur Überwindung von Kommunikationsbarrieren anwenden.
- – ihre laut- und/oder gebärdensprachlichen Kompetenzen in Kommunikationsprozessen sowie in Rollenspielen und szenischen Darstellungen flexibel einsetzen.
Kompetenzbereich Sensibilisierung und Wahrnehmung
Die Schülerinnen und Schüler können
- – ihre Aufmerksamkeit beim Kommunizieren für die Dauer des Gespräches halten (Hörgerichtetheit).
- – Sinnesreize wahrnehmen, differenzieren, definieren, sich merken und wiedergeben.
- – diverse Sinnesreize integrieren und unmittelbar und angepasst darauf reagieren.
- – sich auf einzelne und bestimmte Sinneseindrücke fokussieren.
- – ihr individuelles Hörvermögen sowie andere Wahrnehmungskanäle gezielt einsetzen.
- – den eigenen Körper und dessen Position im Raum wahrnehmen und beschreiben.
Kompetenzbereich Identitätsbildung und Partizipation1,5,7
Die Schülerinnen und Schüler können
- – sich alters-/entwicklungsangemessen mit den Ursachen und Auswirkungen ihrer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit auseinanderzusetzen und selbstbewusst damit umgehen.1,5
- – Möglichkeiten der Teilhabe und Aktivität am Unterricht/in der Gesellschaft benennen und einfordern.
- – individuell passende technische Hörhilfen handhaben und diese situationsadäquat einsetzen.
- – die eigenen kommunikativen Fähigkeiten und Fertigkeiten realistisch einschätzen und entsprechende Bedingungen für gelingende Kommunikationsprozesse schaffen.
- – sich selbstbewusst schulischen und gesellschaftlichen Herausforderungen stellen.
- – Erfahrungen und Kenntnisse aus der Begegnung mit unterschiedlichen Gemeinschaften von Menschen mit und ohne Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit ziehen.
- – sich mit historischen und gesellschaftlichen Entwicklungen von Menschen mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit auseinandersetzen, diese einordnen und Erkenntnisse für das eigene Leben daraus ziehen.
- – sich über Unterstützungssysteme informieren, diese gegebenenfalls aufsuchen und Rechte einfordern, die ihnen zustehen.
Kompetenzbereich Kompensatorische (Arbeits-)Techniken1,10
Die Schülerinnen und Schüler können
- – ihre Bedürfnisse in der Kommunikation mit anderen erkennen und klar zum Ausdruck bringen.10
- – die Funktionstüchtigkeit ihrer Hörhilfen überprüfen und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen setzen.3,4,6
- – für sie geeignete Hilfsmittel richtig einsetzen und anwenden.4,6
- – selbstbewusst und gezielt intervenieren, wenn etwas nicht verstanden wurde.2
- – Hörstrategien zur besseren Orientierung/Wahrnehmung bewusst einsetzen.
- – Informations- und Kommunikationstechnologien sowie spezifische Hard- und Software gezielt einsetzen, um die eigenen Aktivitäts- und Partizipationsmöglichkeiten zu erhöhen.4,6
- – visuelle Orientierungssysteme verstehen, nutzen und einfordern.
- – Absehen als Strategie gezielt nutzen, um Zusammenhänge zu erschließen.1
- – Gespräche mit Dolmetscherinnen und Dolmetschern führen.
- – Unterstützungsbedarfe klar, verständlich und bei Bedarf detailliert kommunizieren und Hilfestellungen in angemessener Form erfragen, annehmen oder ablehnen.
1Bildungs-, Berufs- und Lebensorientierung | 2Entrepreneurship Education | 3Gesundheitsförderung |
4Informatische Bildung | 5Interkulturelle Bildung | 6Medienbildung |
7Politische Bildung | 8Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung | 9Sexualpädagogik |
10Sprachliche Bildung und Lesen | 11Umweltbildung für nachhaltige Entwicklung | 12Verkehrs- und Mobilitätsbildung |
13Wirtschafts-, Finanz- und Verbraucher/innenbildung |
|
|
ÖSTERREICHISCHE GEBÄRDENSPRACHE
(1. BIS 4. SCHULSTUFE BZW. 1. BIS 8. LERNJAHR)
Bildungs- und Lehraufgabe (Vorschulstufe und 1. bis 8. Schulstufe bzw. 1. bis 8. Lernjahr):
Der ÖGS-Unterricht hat die Aufgabe, die individuellen Sprachkompetenzen der Schülerinnen und Schüler anzubahnen und in Folge zu erweitern und deren Erwerb sowie eine damit verbundene mehrsprachige Identitätsentwicklung1, 5 und die Chancen zur gesellschaftlichen Partizipation (weiter) zu unterstützen. Dabei sind unterschiedliche Sprachausgangslagen und Lernvoraussetzungen zu berücksichtigen.
Der Unterricht kann klassen-, schulstufen- und schulstandortübergreifend in additiver oder integrativer Form stattfinden. Der Lehrplan bietet die Grundlage für den Unterricht auf allen Schulstufen und erlaubt, je nach Alter, Entwicklungs- und Lernstand der Schülerinnen und Schüler sowie Dauer der Teilnahme am ÖGS-Unterricht individuelle Lernziele zu definieren.
Neben dem Ausbau der grundlegenden zwei- bzw. mehrsprachigen Kommunikationsfähigkeit5 und der Weiterentwicklung der interkulturellen Handlungskompetenz5 werden Zugänge zum fachlichen Lernen in der Zielsprache ermöglicht. Die Schülerinnen und Schüler werden dabei auf dem Weg vom Aufbau alltagssprachlicher Grundkompetenzen hin zur altersgerechten (Weiter-)Entwicklung bildungssprachlicher Kompetenzen begleitet.
Der ÖGS-Unterricht unterstützt die Schülerinnen und Schüler in der Entwicklung ihrer individuellen Mehrsprachigkeit5 und soll zur Ausbildung von Sprachbewusstheit10 beitragen. Ihre Lernmotivation, ihr Selbstwertgefühl und die Freude an der Sprachverwendung sollen gefördert werden.
Didaktische Grundsätze (Vorschulstufe und 1. bis 8. Schulstufe bzw. 1. bis 8. Lernjahr):
Der ÖGS-Unterricht ermöglicht Schülerinnen und Schülern die Weiterentwicklung ihrer sprachlichen Handlungsfähigkeit10. Die systematische Beobachtung der Kompetenzentwicklung und eine daraus abgeleitete individuelle Förderplanung stellen eine angemessene Progression sicher. Zur Einschätzung individueller sprachlicher Kompetenzen können standardisierte Niveaubeschreibungen (siehe zB GER für Gebärdensprachen) herangezogen werden. Die Lehrperson vermittelt die kommunikativen Kompetenzbereiche Sehverstehen, Gebärden, Mediales Sehverstehen und Mediales Gebärden vernetzt und durch kontextbezogene Arbeit am Wortschatz und an sprachlichen Mitteln auf Gebärden-, Satz- und Textebene in vielfältigen Situationen und Interaktionen (Linguistische Kompetenz). Die Lehrperson bietet anregende Lerngelegenheiten für die Festigung und Weiterentwicklung rezeptiver und produktiver Dialogkompetenz. Sie motiviert die Schülerinnen und Schüler dazu, ihr gesamtes sprachliches Repertoire für die Kommunikation heranzuziehen und regt Sprachreflexion, Sprachenvergleiche sowie den Transfer zwischen Sprachen5,10 an und vermittelt Sprachlernstrategien und -techniken für die selbständige sprachliche Weiterentwicklung. Kontrastiver Sprachunterricht erleichtert das Verständnis für grammatikalische Strukturen verschiedener Sprachen. Weiters kann der Einsatz von Glossentranskription als Notation von Gebärden dazu beitragen, die Unterschiede zwischen der deutschen Schriftsprache und der ÖGS zu verdeutlichen.
Der Unterricht setzt sich auf Basis entsprechender Lehrmaterialien mit relevanten Themen der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler auseinander. Die Lehrperson begegnet der Heterogenität der Lerngruppen mit Binnendifferenzierung durch Methodenvielfalt, unterschiedliche Arbeitsformen und Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler in die Zielsetzung und Wahl der Inhalte. Sie fördert ganzheitliches Sprachenlernen und weckt die Freude am Umgang mit Sprache durch ein abwechslungsreiches Angebot (zB handlungsorientierte Aktivitäten, spielerische Lernformen, Poesie und Rhythmik, digitale Medien, literarische gebärdensprachliche Texte).
Im ÖGS-Unterricht werden Schülerinnen und Schüler dazu angeregt, sich mit ihrer eigenen Lebenssituation innerhalb verschiedener Kulturen sowie der Gesamtgesellschaft auseinanderzusetzen.5 Dadurch erfahren sie die Gehörlosen- bzw. Gebärdensprachkultur und deren Geschichte als Teil ihrer Identität.1,5 Die Lehrperson agiert als authentisches Sprachvorbild und schafft Möglichkeiten für Sprach- und Kulturbegegnungen, um die interkulturellen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu stärken.
Dieser Lehrplan greift folgende übergreifende Themen auf: Bildungs-, Berufs- und Lebensorientierung1, Interkulturelle Bildung5, Medienbildung6, Sprachliche Bildung und Lesen10.
Zentrale fachliche Konzepte (Vorschulstufe und 1. bis 8. Schulstufe bzw. 1. bis 8. Lernjahr):
Die Unterrichtsplanung und -gestaltung des ÖGS-Unterrichts orientiert sich an den vier zentralen fachlichen Konzepten „Kommunikation und Wirkung“, „Funktion und System“, „Mehrsprachigkeit und Gesellschaft“ sowie „Sprachreflexion und Transfer“. Diese Konzepte sind vernetzt zu denken und repräsentieren immer wiederkehrende Einsichten, die den Kern des Sprachfaches bilden und bei der Auswahl und Vermittlung der Inhalte zu berücksichtigen sind.
Kommunikation und Wirkung
Dieses Konzept bezieht sich auf Kommunikationsprozesse, die auf Kompetenzen im Dialog und im medialen Gebärden aufbauen. Schülerinnen und Schüler erfahren, wie sprachliche Interaktion verläuft, wie Informationen und Wissen gespeichert, vermittelt, verarbeitet und angeeignet werden und welche Faktoren Kommunikation beeinflussen.10
Funktion und System
Dieses Konzept betrachtet Sprache als regelhaftes System, das einem steten Wandel unterliegt und von gesellschaftlichen Veränderungen beeinflusst wird. Schülerinnen und Schüler gewinnen Einsicht in die Funktion der rezeptiven und produktiven Fertigkeiten sowie der sprachlichen Mittel, die für situationsgerechtes und zielgerichtetes Sprachhandeln notwendig sind.10
Mehrsprachigkeit und Gesellschaft
Dieses Konzept bezieht sich auf individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit sowie kulturell geprägte Handlungsmuster. Schülerinnen und Schüler erfahren eine umfassende sprachliche Bildung, die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht und das gesamte sprachliche Repertoire eines Menschen als identitätsbildend anerkennt sowie dessen Entwicklung unterstützt.5
Sprachreflexion und Transfer
Dieses Konzept bezieht sich auf die metasprachliche Reflexion über Sprache(n)5 sowie die Sprachmittlung im Kontext individueller und gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit.5 Schülerinnen und Schüler erfahren, wie sprachenvergleichende Reflexion das Verstehen vertieft und wie Transfer- und Vermittlungsprozesse zwischen verschiedenen Sprachen und Registern reflexiv bearbeitet und gelingend gestaltet werden können.
Kompetenzmodell und Kompetenzbereiche (Vorschulstufe und 1. bis 8. Schulstufe bzw. 1. bis 8. Lernjahr):
Der ÖGS-Unterricht orientiert sich am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen des Europarats (GER 2001 und GER-Companion Volume 2018) sowie an den Lehrplänen der Sprachenfächer. Die Kompetenzstufen A1 bis C2 des GER bilden die Grundlage für das Kompetenzmodell des Lehrplans für ÖGS. Der Lehrplan der Primarstufe orientiert sich an den Kompetenzstufen A1 und A2 (elementare Sprachverwendung). Die Kompetenzbeschreibungen für die Primarstufe dienen als Bezugspunkt für die Sekundarstufe. Das Kompetenzmodell umfasst die fünf zentralen Kompetenzbereiche Sehverstehen, Gebärden, Mediales Sehverstehen, Mediales Gebärden und Linguistische Kompetenzen. Sie sind nicht hierarchisch, sondern miteinander vernetzt zu vermitteln:
Sehverstehen
Sehverstehen ist für das Gelingen von Kommunikation – im direkten Dialog oder medial vermittelt – zentral. Es reicht vom globalen Verständnis bis zum Erfassen von Details.
Gebärden
Sprachhandeln umfasst dialogisches (teilnehmen an Dialogen) und monologisches (zusammenhängendes) Gebärden. Es entwickelt sich von formelhaften hin zu selbständigen, zusammenhängenden Äußerungen.
Mediales Sehverstehen
Mediales Sehverstehen bildet die Grundlage für lebenslanges Lernen im Sinne einer reflexiven Grundbildung und für mediale gebärdensprachliche Kommunikation wie bei Mobiltelefonie, Telekommunikation, Videotelefonie. Mediales Sehverstehen reicht von einem globalen Verständnis bis zum Erfassen von Details und basiert auf einer gut entwickelten medialen Sehkompetenz.
Mediales Gebärden
Mediales Sprachhandeln ermöglicht Selbstausdruck sowie die Fähigkeit zur Partizipation in medial-gebärdensprachlichen Kontexten und bildet eine weitere Grundlage für lebenslanges Lernen im Sinne einer reflexiven Grundbildung und für mediale gebärdensprachliche Kommunikation wie bei Mobiltelefonie, Telekommunikation, Videotelefonie. Es entwickelt sich von formelhafter hin zu selbständiger, zusammenhängender Produktion.
Linguistische Kompetenzen
Sie bilden die Grundlage für die Umsetzung der vier angeführten kommunikativen Kompetenzbereiche. Neben Wortschatz, Strukturen, Kompetenz im medialen Gebärden, Artikulation (phonologische Ebene von Gebärden) und manueller und nonmanueller Überlagerung umfassen sie auch die Sprachreflexion. Ziele sind eine erfolgreiche Kommunikation und das Setzen von bewussten Sprachhandlungen in Alltags- und Unterrichtssituationen. Die soziolinguistische Kompetenz nimmt in diesem Zusammenhang eine besondere Stellung ein. Sie umfasst Wissen und Fertigkeiten, die erforderlich sind, um soziale Aspekte von Sprache zu erfassen und kommunikatives Handeln in sozialen Situationen adäquat zu gestalten. Hierzu zählen sowohl Registerunterschiede (formal, informell, vertraut etc.) als auch Sprachvarietäten (soziale Schicht, ethnische Zugehörigkeit etc.).
Kompetenzbeschreibungen (Vorschulstufe und 1. bis 8. Schulstufe bzw. 1. bis 8. Lernjahr):
Die folgenden Kompetenzbeschreibungen benennen Zielkompetenzen, die Schülerinnen und Schüler im Erstsprachenunterricht schrittweise erwerben, ausgehend von ihrem individuellen Sprach- und Lernstand.
Vorschulstufe, 1. bis 4. Schulstufe bzw. 1. bis 4. Lernjahr
Kompetenzbereich Sehverstehen
Die Schülerinnen und Schüler können
- – Informationen, Erklärungen und Erzählungen in Dialogen und gebärdensprachlichen Texten zu konkreten Themen in vertrauten Alltags- und Unterrichtssituationen verstehen, wenn klar und deutlich in ÖGS gebärdet wird.10
- – die Hauptaussagen aus gebärdeten Beiträgen zu vertrauten Alltags- und Sachthemen verstehen, wenn klar und deutlich in ÖGS gebärdet wird.10
Kompetenzbereich Gebärden
Die Schülerinnen und Schüler können
- – sich über konkrete Themen ihrer Lebens- und Bildungswelt und über Sachverhalte mit einem begrenzten, gesicherten Repertoire an Gebärden und Strukturen in zusammenhängenden Sätzen verständigen und bei Bedarf bereitgestellte sprachliche Scaffolds nutzen.10
- – manuelle und nonmanuelle Komponenten der ÖGS situationsadäquat anwenden.10
- – Informationen einholen und in einfachen, zusammenhängenden Sätzen weitergeben.10
- – Erfahrungen, Sachverhalte und Ereignisse in einfachen, zusammenhängenden Sätzen und bei Bedarf chronologisch beschreiben.10
- – einfache Geschichten zu vertrauten Themen erzählen.10
- – ihre Meinungen zu vertrauten Themen äußern und einfache Erklärungen formulieren.10
Kompetenzbereich Mediales Sehverstehen
Die Schülerinnen und Schüler können
- – kurze, altersadäquate medial gebärdete Texte unterschiedlicher Textsorten zu konkreten Themen sehen und verstehen.6,10
- – kurzen, altersadäquaten medial gebärdeten Texten wesentliche Informationen entnehmen und mit adäquater Hilfestellung Hauptaussagen erschließen.6,10
- – kurzen, altersadäquaten medial gebärdeten Texten zu vertrauten Alltags- und Sachthemen Informationen entnehmen.6,10
Kompetenzbereich Mediales Gebärden
Die Schülerinnen und Schüler können
- – mit adäquater Hilfestellung kurze gebärdensprachliche Texte unterschiedlicher Textsorten verfassen.6,10
- – mit adäquater Hilfestellung kurze gebärdensprachliche Texte zu Vorlagen auf Video verfassen.6,10
- – mit adäquater Hilfestellung kurze gebärdensprachliche Sachtexte zu konkreten Themen ihrer Lebenswelt verfassen.6,10
Kompetenzbereich Linguistische Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler können
- – ein gesichertes Repertoire an Gebärden (vgl. GER-Begleitband, 2020) sowie grammatische Strukturen auf Gebärden-, Satz- und Textebene erkennen und anwenden.10
- – diagrammatische Korrektheit von Gebärden altersangemessen erkennen und produzieren.
- – elementare Regeln des analogen und medialen Gebärdens erkennen und einfache und kurze, zusammenhängende Sätze gebärden.6,10
- – einfache Kommunikationssituationen zu vertrauten Themen unter Nutzung von Erstsprache und weiterer Sprachen bewältigen (Übersetzung, Code-Switching, Code-Mixing und Transfer).5,6,10
- – elementare Sprachfunktionen ausführen und auf sie reagieren (zB Informationen weitergeben, einfache Bitten vorbringen, Meinungen ausdrücken).
- – alltägliche Höflichkeitsformeln (zB Begrüßung/Verabschiedung, sich entschuldigen, nachfragen etc.) anwenden.
- – Kontakt zu anderen aufnehmen.
- – an gebärdensprachlichen Kontaktgesprächen teilnehmen.
- – einfache Strategien zum Sprachenvergleich (ÖGS-deutsche Schriftsprache) auf Parameter-, Gebärden-, Satz- und Textebene anwenden.
- – Nachschlagewerke für ÖGS benennen und sich darin basal orientieren.
5. bis 8. Schulstufe bzw. 5. bis 8. Lernjahr
Kompetenzbereich Sehverstehen
Die Schülerinnen und Schüler können
- – Dialoge und gebärdete Texte im direkten Kontakt und in Medien zu verschiedenen Themen in Gebärdensprache oder einer vertrauten Varietät verstehen und situationsbezogen reagieren.
- – Strategien zur Erschließung von gebärdensprachlichen Texten im direkten Kontakt und in Medien aller Art weitgehend selbständig anwenden.
Kompetenzbereich Gebärden
Die Schülerinnen und Schüler können
- – sich spontan und zusammenhängend mit einem gesicherten Repertoire an Gebärden und Strukturen in einem individuell angemessenen Produktionstempo verständigen.
- – manuelle und nonmanuelle Komponenten in verschiedenen Sprachhandlungen annähernd korrekt anwenden.
- – komplexe Informationen aus verschiedenen Themen- und Fachbereichen einholen, aufbereiten und gebärdensprachlich weitergeben.
- – Erfahrungen, komplexe Sachverhalte und Ereignisse zusammenhängend beschreiben, zusammenfassen und erklären.
- – eine komplexe Geschichte, ein Ereignis, Gebärdensprachpoesie sowie Handlungen literarischer Werke wiedergeben, interpretieren und diskutieren.
- – ihre Meinungen zu bekannten Themen äußern, unterschiedliche Standpunkte begründen und argumentieren.
- – Sprache unter Verwendung unterschiedlicher sprachlicher Varietäten und Register reflektiert sowie kreativ und spielerisch einsetzen.
Kompetenzbereich Mediales Sehverstehen
Die Schülerinnen und Schüler können
- – längere und komplexere medial gebärdete Texte unterschiedlicher Textsorten verstehen.
- – längere und komplexe medial gebärdete Texte nach gewünschten Informationen durchsuchen und Informationen aus verschiedenen gebärdensprachlichen Texten oder Textteilen zusammentragen.
- – Strategien zur Erschließung gebärdensprachlicher Texte selbständig anwenden.
Kompetenzbereich Mediales Gebärden
Die Schülerinnen und Schüler können
- – längere gebärdensprachliche Texte unterschiedlicher Textsorten planen und mit bewusstem Einsatz sprachlicher Mittel verfassen.
- – mit Hilfe von unterschiedlichen Impulsen und Vorlagen Texte zu verschiedenen Themen gebärden.
- – beim Verfassen längerer, fachbezogener gebärdensprachlicher Texte selbständig sprachliche Mittel einsetzen und bei Bedarf unterschiedliche Informationsquellen nutzen.
- – medial gebärdete (Fach)texte nach bestimmten Aspekten überprüfen und mit lexikalischen und syntaktischen Hilfsmitteln in digitaler Form überarbeiten.
Kompetenzbereich Linguistische Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler können
- – ein ausreichend breites Repertoire an Gebärden sowie grammatischen Strukturen produktiv und erweitert anwenden.
- – Strategien zur Erschließung unbekannter Gebärden anwenden und benötigte Begriffe umschreiben.
- – sprachliche Verknüpfungsmittel und komplexe Satzstrukturen verwenden, um Äußerungen in Alltags- und Bildungssprache zu einer zusammenhängenden Sprache zu produzieren.
- – manuelle und nonmanuelle Komponenten von Gebärden erkennen und Gebärden und Sätze unter Nutzung von Nachschlagewerken korrekt produzieren.
- – Strategien zum Sprachenvergleich anwenden.
- – Strategien anwenden, um bekannte komplexere Kommunikationssituationen unter Nutzung verschiedener Sprachen zu bewältigen.
- – vielfältige Sprachfunktionen in Gesprächssituationen wahrnehmen und entsprechend darauf reagieren.
- – sich aktiv und effektiv an gebärdensprachlichen Gesprächen und Diskussionen beteiligen.
- – sich in informellen und formellen Situationen situationsangemessen und klar ausdrücken.
- – bekannte komplexe Kommunikationssituationen im Bedarfsfall auch in zwei Sprachen (Erstsprache und weiteren Gebärden- oder Lautsprachen) bewältigen (Übersetzung, Code-Switching, Code-Mixing und Transfer).
- – mit dolmetschenden Personen und gedolmetschten Situationen umgehen.
1Bildungs-, Berufs- und Lebensorientierung | 2Entrepreneurship Education | 3Gesundheitsförderung |
4Informatische Bildung | 5Interkulturelle Bildung | 6Medienbildung |
7Politische Bildung | 8Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung | 9Sexualpädagogik |
10Sprachliche Bildung und Lesen | 11Umweltbildung | 12Verkehrs- und Mobilitätsbildung |
13Wirtschafts-, Finanz- und Verbraucher/innenbildung |
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ACHTER TEIL
ERGÄNZENDE AUSFÜHRUNGEN ZU DEN PFLICHTGEGENSTÄNDEN, DEN VERBINDLICHEN UND UNVERBINDLICHEN ÜBUNGEN SOWIE DEN FREIGEGENSTÄNDEN DER VORSCHULSTUFE, PRIMARSTUFE UND SEKUNDARSTUFE I
Die Fachlehrpläne für den Religionsunterricht, jene der einzelnen verbindlichen Übungen der Vorschulstufe sowie der einzelnen Unterrichtsgegenstände (Pflichtgegenstände, verbindliche Übungen, unverbindliche Übungen und Freigegenstände) der Primarstufe und Sekundarstufe sind dem Lehrplan der Volksschule, der Mittelschule, der AHS-Unterstufe, des Förderschwerpunkts Lernen, der einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe, der Polytechnischen Schule oder des Berufsvorbereitungsjahres zu entnehmen. Nachfolgend werden Ergänzungen angeführt, die für Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit allgemein im Unterricht bzw. in einzelnen Unterrichtsgegenständen zu berücksichtigen sind. Sie sind entsprechend den individuellen Entwicklungsvoraussetzungen und -möglichkeiten der Schülerinnen und Schüler zu differenzieren, um die größtmögliche Teilhabe und Aktivität am Schulleben sicherzustellen.
- – Die Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit, damit einhergehende Auswirkungen und Herausforderungen für Betroffene sowie naheliegende Themen wie Barrierefreiheit und Teilhabemöglichkeiten sind fächerübergreifend als Unterrichtsinhalte aufzugreifen.
- – Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit sind einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt. Um die Beeinträchtigung auszugleichen, ist eine hohe Beanspruchung aller Sinne sowie eine höhere Aufmerksamkeitsintensität und eine konsequente Aufmerksamkeitsselektion erforderlich. Weiters ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeitsteilung, gleichzeitig zu handeln und einem laut- oder gebärdensprachlichem Inhalt/Dialog zu folgen, nicht möglich ist. Im Unterricht ist daher darauf zu achten, Hörpausen bewusst einzulegen, Nebengeräusche zu minimieren, Blickkontakt beim Erklären/im Gespräch herzustellen, wichtige Informationen/Inhalte zu visualisieren bzw. zu verschriftlichen sowie Zeitverzögerungen durch das Absehen von Wörtern und Sätzen im Unterrichtsgespräch einzuberechnen.
- – Die individuellen auditiven wie auch sprachlichen und kommunikativen Voraussetzungen (hörgerichtet, hörsehgerichtet, sehgerichtet, manuell unterstützte und/oder bilinguale) der Schülerinnen und Schüler sind Ausgangspunkt aller didaktisch-methodischer Überlegungen. Insbesondere im Sprachunterricht ist darauf Rücksicht zu nehmen. Kontrastiver Sprachunterricht erleichtert das Verständnis für grammatikalische Strukturen verschiedener Sprachen. Herausforderungen ergeben sich für Schülerinnen und Schüler mit einer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit vor allem in den Bereichen Aussprache, Artikulation und phonemische/phonologische Bewusstheit und bedürfen spezifischer Übung.
- – Es wird von einem erweiterten Sprachbegriff ausgegangen. Sprachhandlungen schließen jegliche Kommunikationsmöglichkeiten in Laut-, Schrift- und Gebärdensprache mit ein. Entsprechend ist der Transfer zwischen den Sprachmodalitäten Lautsprache und Schriftsprache bei Bedarf um die ÖGS zu erweitern. Mündliche Leistungsnachweise oder solche, die auf Hörverstehen beruhen, sind durch adäquate Alternativen zu ergänzen oder zu kompensieren.
- – Kann eine Kompetenz aufgrund der Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit nicht voll umfänglich erworben werden, so sind den Schülerinnen und Schülern kompensatorische Strategien anzubieten (ua. barrierefreie Zugänge zu Medien und Lerninhalten, Begleittexte bei hörgerichteten Unterrichtshandlungen).
- – Gemäß § 18 Abs. 6 des Schulunterrichtsgesetzes sind körperliche Beeinträchtigungen und die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Leistungserbringung der Schülerinnen und Schüler in der Leistungsfeststellung und -beurteilung zu berücksichtigen. Weiters gilt es, gemäß § 11 Abs. 9 der Leistungsbeurteilungsverordnung, BGBl. Nr. 371/1974, in den Unterrichtsgegenständen Kunst und Gestaltung, Bewegung und Sport, Musik und Technik und Design, den Leistungswillen der Schülerinnen und Schüler in der Leistungsbeurteilung anzuerkennen.
- – Der Einsatz moderner Kommunikations- und Informationstechnologien sowie assistiver Technologien schaffen neue und erweiterte Kommunikationsmöglichkeiten zwischen allen Schülerinnen und Schülern. Dennoch sollten die Grenzen dieser Technologien allen am Lernprozess Beteiligten bewusst sein und auf eine entsprechende Einführung und einen adäquaten Umgang geachtet werden (zB gleichzeitig einem laut- oder gebärdensprachlichen Inhalt/Dialog zu folgen und einer anderen Tätigkeit nachzugehen, ist für Schülerinnen und Schüler mit einer Hörbeeinträchtigung nicht möglich, technische Geräte erzeugen störende Nebengeräusche).
- – Lesen sollte nicht nur als Unterrichtsziel im Sprachunterricht, sondern auch als Unterrichtsmethode verfolgt werden, da der Aufbau einer Sprache durch das Lesen konkret erarbeitet und erfasst werden kann. Daher ist es von hoher Wichtigkeit, das Leseinteresse der Schülerinnen und Schüler zu wecken und fächerübergreifend zu nutzen.
- – Der Wortschatzarbeit kommt in allen Unterrichtsgegenständen eine besondere Bedeutung zu, da Schülerinnen und Schüler mit einer Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit Begriffe nicht nebenbei oder intuitiv entwickeln. Sowohl der Alltags- als auch der Fachwortschatz sind gezielt zu erweitern und in den verschiedenen Sprachen und Wahrnehmungseindrücken (Mundbild, Schriftbild, Höreindruck und Gebärde) möglichst gleichzeitig zu vermitteln. Das Fingeralphabet, lautsprachunterstützende (LUG) und lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) sowie Bildwörterbücher und andere visuelle Darstellungsformen werden bei Bedarf unterstützend eingesetzt.
- – Die Prinzipien der Rhythmik sind im Musikunterricht, aber auch fächerübergreifend zu berücksichtigen. Rhythmisch-musikalische Elemente in der Unterrichtsgestaltung, insbesondere in Verbindung mit der Wortschatzarbeit und dem Sprachunterricht, unterstützen das Verständnis für prosodische Merkmale von Sprache. Dadurch wird die Unterscheidungsfähigkeit für die Strukturiertheit von Sprache gefördert. Die rhythmische Durchgliederung der Wort- und Schriftsprache fördert das flüssige und verständliche Sprechen. Rhythmus ist zudem ein zentrales Element der Sprachspeicherung.
- – Das Hörverstehen ist in Abhängigkeit von den individuellen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler spezifisch zu fördern und durch den Einsatz von technischen Hilfen, der in Abstimmung mit der Schülerin bzw. dem Schüler erfolgt, zu unterstützen. Bei Bedarf ist es durch das Sehverstehen zu ergänzen oder zu ersetzen. Zudem kommt insbesondere der Förderung des medialen Sehverstehens, als Grundlage für lebenslanges Lernen und mediale visuelle Kommunikation, eine wesentliche Bedeutung zu.
- – Die Wahl der Sozial- und Arbeitsformen ist an die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit anzupassen. Kleingruppen- und Partnerarbeiten unterstützen die Entwicklung der kommunikativen Kompetenzen sowie des Perspektivenwechsels und des Empathievermögens (Theory of Mind).
- – Das Nicht-Wahrnehmen akustischer Signale kann das Gefahrenpotenzial in verschiedenen Situationen erhöhen. Bei der Erarbeitung von Sicherheitsmaßnahmen in diversen Unterrichtsgegenständen (zB Verkehrs- und Mobilitätsbildung, Bewegung und Sport) ist dies speziell zu berücksichtigen. Akustische Signale sind durch visuelle zu ergänzen oder zu ersetzen.
- – Eine Hörbeeinträchtigung/Gehörlosigkeit kann zudem Auswirkungen auf den Gleichgewichtssinn der Schülerinnen und Schüler haben. Dies kann in weiterer Folge zu Beeinträchtigungen der Koordination und/oder Motorik führen und ist in diversen Unterrichtsgegenständen (zB Bewegung und Sport) zu berücksichtigen.
Zuletzt aktualisiert am
21.10.2024
Gesetzesnummer
20012709
Dokumentnummer
NOR40265818
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