Anlage 2
ANLAGE 2
GRUNDSÄTZE UND KRITERIEN FÜR DIE SICHERHEITSBEWERTUNG GEMÄSS § 37 ABS. 2 Z 2 GTG (GRUNDPRINZIPIEN FÜR DIE UMWELTVERTRÄGLICHKEITSPRÜFUNG GEMÄSS ANHANG II DER RICHTLINIE 2001/18/EG )
In dieser Anlage werden allgemein das zu erreichende Ziel, die zu bedenkenden Faktoren sowie die zu befolgenden Grundprinzipien und die Methodik zur Durchführung einer Sicherheitsbewertung beschrieben.
Damit die Ausdrücke „direkte, indirekte, sofortige und spätere Folgen“ bei der Durchführung dieser Anlage – unbeschadet der Leitlinien gemäß der Entscheidung 2002/623/EG und insbesondere hinsichtlich des Umfangs, in dem indirekte Folgen berücksichtigt werden können und sollten – generell gleich verstanden werden, werden diese Ausdrücke wie folgt beschrieben:
- – „Direkte Auswirkungen“ sind die primären Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, die sich durch die GVO selbst und nicht durch eine Kausalkette von Ereignissen ergeben.
- – „Indirekte Auswirkungen“ sind die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, die durch eine Kausalkette von Ereignissen, z. B. durch Wechselwirkungen mit anderen Organismen, Übertragung von genetischem Material oder Änderungen der Verwendung oder der Handhabung, ausgelöst werden.
- Indirekte Auswirkungen können möglicherweise erst später festgestellt werden.
- – „Sofortige Auswirkungen“ sind die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, die während des Zeitraums der Freisetzung der GVO beobachtet werden. Sofortige Auswirkungen können direkt oder indirekt sein.
- – „Spätere Auswirkungen“ sind die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, die nicht während des Zeitraums der Freisetzung beobachtet werden, sondern als direkte oder indirekte Auswirkungen entweder in einer späteren Phase oder nach Abschluss der Freisetzung auftreten.
- Ein allgemeiner Grundsatz für die Sicherheitsbewertung besteht außerdem darin, dass eine Analyse der mit der Freisetzung und dem Inverkehrbringen zusammenhängenden „kumulativen langfristigen Auswirkungen“ durchzuführen ist. „Kumulative langfristige Auswirkungen“ bezieht sich auf die akkumulierten Auswirkungen von mehreren zugelassenen GVO auf die Gesundheit des Menschen und die Umwelt, und zwar unter anderem auf die Flora und Fauna, die Bodenfruchtbarkeit, den Abbau von organischen Stoffen im Boden, die Nahrungsmittel-/Nahrungskette, die biologische Vielfalt, die Gesundheit von Tieren und auf Resistenzprobleme in Verbindung mit Antibiotika.
A. ZIEL
Das Ziel einer Sicherheitsbewertung besteht darin, von Fall zu Fall etwaige direkte, indirekte, sofortige oder spätere schädliche Auswirkungen von GVO auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die bei der absichtlichen Freisetzung oder dem Inverkehrbringen von GVO auftreten können, zu ermitteln und zu evaluieren. Die Sicherheitsbewertung ist durchzuführen, damit festgestellt werden kann, ob ein Risikomanagement notwendig ist und, wenn ja, welches die geeignetsten Methoden sind.
B. ALLGEMEINE PRINZIPIEN
Entsprechend dem Vorsorgeprinzip sind bei der Sicherheitsbewertung die folgenden allgemeinen Prinzipien zu befolgen:
- – die etwaigen schädlichen Auswirkungen erkannter Merkmale von GVO und deren Verwendung sind mit den etwaigen schädlichen Auswirkungen der ihnen zugrunde liegenden, unveränderten Organismen und deren Verwendung in einer entsprechenden Situation zu vergleichen;
- – die Sicherheitsbewertung ist in wissenschaftlich fundierter und transparenter Weise auf der Grundlage wissenschaftlicher und technischer Daten durchzuführen;
- – die Sicherheitsbewertung ist Fall für Fall durchzuführen, d. h. dass die benötigten Informationen je nach Art der GVO, deren vorgesehene Verwendung und dem etwaigen Aufnahmemilieu variieren können, wobei unter anderem den sich bereits in diesem Milieu befindlichen GVO Rechnung zu tragen ist;
- – wenn neue Informationen über den GVO und dessen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt vorliegen, muss die Sicherheitsbewertung gegebenenfalls wiederholt werden, damit
- – festgestellt werden kann, ob sich das Risiko geändert hat;
- – festgestellt werden kann, ob das Risikomanagement entsprechend geändert werden muss.
C. METHODIK
C.1. Merkmale von GVO und Freisetzungen
Je nach Fall sind bei der Sicherheitsbewertung die folgenden relevanten technischen und wissenschaftlichen Einzelheiten hinsichtlich nachstehender Merkmale zu berücksichtigen:
- – der (die) Empfänger- oder Ausgangsorganismus (-organismen),
- – die genetische(n) Veränderung(en), sei es Einfügung oder Deletion genetischen Materials sowie die relevanten Informationen über den Vektor und den Spenderorganismus,
- – der GVO,
- – die vorgesehene Freisetzung oder die vorgesehene Verwendung einschließlich deren Umfang,
- – das etwaige Aufnahmemilieu, und
- – die Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren.
- Informationen über Freisetzungen von ähnlichen Organismen und Organismen mit ähnlichen Merkmalen und deren Wechselwirkung mit ähnlichen Milieus können bei der Sicherheitsbewertung hilfreich sein.
C.2. Schritte bei der Sicherheitsbewertung
Bei den Schlussfolgerungen aus der Sicherheitsbewertung sollte Folgendem Rechnung getragen werden:
- 1. Ermittlung von Merkmalen, die schädliche Auswirkungen haben könnten
- Alle Merkmale der GVO, die mit der genetischen Veränderung in Verbindung stehen und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben könnten, sind zu ermitteln. Der Vergleich der Merkmale der GVO mit denen des unveränderten Organismus unter gleichen Bedingungen für die Freisetzung oder Nutzung erleichtern die Ermittlung spezifischer schädlicher Auswirkungen, die aufgrund der genetischen Veränderung auftreten können. Wichtig dabei ist, dass keine etwaigen schädlichen Auswirkungen deshalb außer Acht gelassen werden, weil deren Auftreten als unwahrscheinlich angesehen wird.
- Etwaige schädliche Auswirkungen von GVO werden sich von Fall zu Fall unterscheiden; zu ihnen können gehören:
- – Krankheiten beim Menschen, einschließlich allergener und toxischer Wirkung (siehe z. B. Abschnitt II Buchstabe A Nummer 11 und Abschnitt II Buchstabe C Nummer 2 Buchstabe i) in Anlage 1 Teil A und Buchstabe B Nummer 7 in Anlage 1 Teil B);
- – Krankheiten bei Tieren und Pflanzen einschließlich toxischer und in den hierfür in Frage kommenden Fällen allergener Wirkung (siehe z. B. Abschnitt II Buchstabe A Nummer 11 und Abschnitt II Buchstabe C Nummer 2 Buchstabe i) in Anlage 1 Teil A und Buchstabe B Nummer 7 und Buchstabe D Nummer 8 in Anlage 1 Teil B);
- – Auswirkungen auf die Populationsdynamik von Arten im Aufnahmemilieu und die genetische Vielfalt einer jeden dieser Populationen (siehe z. B. Abschnitt IV Buchstabe B Nummern 8, 9 und 12 in Anlage 1 Teil A);
- – veränderte Empfänglichkeit für Pathogene, wodurch die Verbreitung von ansteckenden Krankheiten und/oder die Entstehung neuer Reservoirs oder Vektoren begünstigt wird;
- – Gefährdung der Prophylaxe und Therapie in den Bereichen Medizin, Tiermedizin und Pflanzenschutz, z. B. durch die Übertragung von Genen, die eine Resistenz gegen Antibiotika verleihen, die in der Human- bzw. Tiermedizin verwendet werden (siehe z. B. Abschnitt II Buchstabe A Nummer 11 Buchstabe e) und Abschnitt II Buchstabe C Nummer 2 Buchstabe i) lit. dd) in Anlage 1 Teil A);
- – Auswirkungen auf die Biogeochemie (biogeochemische Zyklen), insbesondere den Abbau von Kohlenstoff und Stickstoff infolge von Änderungen bei der Zersetzung organischer Stoffe im Boden (siehe z. B. Abschnitt II Buchstabe A Nummer 11 Buchstabe f) und Abschnitt IV Buchstabe B Nummer 15 in Anlage 1 Teil A und Buchstabe D Nummer 11 in Anlage 1 Teil B).
- Schädliche Auswirkungen können direkt oder indirekt auftreten infolge
- – der Ausbreitung des/der GVO in die Umwelt,
- – der Übertragung des eingefügten genetischen Materials auf andere Organismen oder denselben Organismus, sei er genetisch verändert oder nicht,
- – der phänotypischen und genetischen Instabilität,
- – Wechselwirkung mit anderen Organismen,
- – Änderungen der Bewirtschaftung, gegebenenfalls auch bei landwirtschaftlichen Praktiken.
- 2. Bewertung der möglichen Folgen der einzelnen schädlichen Auswirkungen, falls diese eintreten
- Es ist das Ausmaß jeder möglichen schädlichen Auswirkung zu bewerten. Bei der Bewertung wird angenommen, dass die betreffende schädliche Auswirkung eintritt. Das Ausmaß der schädlichen Auswirkung wird wahrscheinlich durch die Umwelt, in der/die GVO freigesetzt werden soll(en), und die Art der Freisetzung beeinflusst.
- 3. Bewertung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens der einzelnen möglichen schädlichen Auswirkungen
- Ein Hauptfaktor bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit, dass eine schädliche Auswirkung eintritt, sind die Merkmale des Milieus, in der der/die GVO freigesetzt werden soll(en), sowie die Art der Freisetzung.
- 4. Einschätzung des Risikos, das von jedem ermittelten Merkmal des/der GVO ausgeht
- Das Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt durch jedes ermittelte Merkmal des GVO, das schädliche Auswirkungen haben kann, sollte, soweit es der Stand der Wissenschaft erlaubt, eingeschätzt werden, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass die schädliche Auswirkung eintritt, und das Ausmaß der Folgen im Fall ihres Eintretens zusammen zu berücksichtigen sind.
- 5. Strategien für das Management der Risiken der absichtlichen Freisetzung oder des Inverkehrbringens von GVO
- Bei der Sicherheitsbewertung können Risiken, die ein Risikomanagement erfordern, sowie die besten Methoden dafür festgestellt werden; eine Strategie für das Risikomanagement sollte erstellt werden.
- 6. Bestimmung des Gesamtrisikos des/der GVO
- Unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Strategien für das Risikomanagement sollte eine Bewertung des Gesamtrisikos des/der GVO vorgenommen werden.
D. SCHLUSSFOLGERUNGEN ÜBER DIE MÖGLICHEN AUSWIRKUNGEN DER FREISETZUNG BZW. DES INVERKEHRBRINGENS VON GVO AUF DIE UMWELT
Auf der Grundlage einer Sicherheitsbewertung gemäß der in den Abschnitten B und C genannten Grundprinzipien und Methoden sollten die Anträge in den hierfür in Frage kommenden Fällen Informationen über die in den Abschnitten D1 und D2 genannten Punkte enthalten, damit leichter Schlussfolgerungen über die möglichen Auswirkungen der Freisetzung bzw. des Inverkehrbringens von GVO auf die Umwelt gezogen werden können.
D.1. Bei GVO, die keine höheren Pflanzen sind
- 1. Wahrscheinlichkeit, dass der GVO in natürlichen Lebensräumen unter den Bedingungen der beabsichtigten Freisetzung(en) Persistenz und Invasivität entwickelt.
- 2. Auf den GVO übertragene Selektionsvor- oder -nachteile und die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie unter den Bedingungen der beabsichtigten Freisetzung(en) ihre Wirkung entfalten.
- 3. Möglichkeit eines Transfers von Genen auf andere Arten unter den Bedingungen der beabsichtigten Freisetzung von GVO und Selektionsvor- oder -nachteile, die auf diese Arten übergehen.
- 4. Mögliche sofortige und/oder spätere Auswirkungen der direkten und indirekten Wechselwirkungen zwischen den GVO und den Zielorganismen auf die Umwelt (falls zutreffend).
- 5. Mögliche sofortige und/oder spätere Auswirkungen der direkten und indirekten Wechselwirkungen zwischen den GVO und den Nichtzielorganismen auf die Umwelt einschließlich der Auswirkungen auf die Populationsniveaus der Konkurrenten, Beuteorganismen, Wirtsorganismen, Symbionten, Räuber, Parasiten und Pathogene.
- 6. Mögliche sofortige und/oder spätere Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit infolge potentieller direkter und indirekter Wechselwirkungen zwischen den GVO und Personen, die an der Freisetzung von GVO beteiligt sind, mit ihr in Kontakt oder in ihre Nähe kommen.
- 7. Mögliche sofortige und/oder spätere Auswirkungen auf die Gesundheit von Tieren und Auswirkungen auf die Futter- und Nahrungsmittelkette infolge des Verzehrs von GVO und aus ihnen gewonnenen Erzeugnissen, wenn die Nutzung der GVO als Futter beabsichtigt wird.
- 8. Mögliche sofortige und/oder spätere Auswirkungen auf biogeochemische Prozesse infolge potentieller direkter und indirekter Interaktionen zwischen GVO und Ziel- sowie Nichtzielorganismen in der Nähe von GVO-Freisetzungen.
- 9. Mögliche sofortige und/oder spätere sowie direkte und indirekte Auswirkungen der spezifischen Techniken, die bei der Bewirtschaftung der GVO zum Einsatz kommen, auf die Umwelt, soweit sie sich von den Techniken unterscheiden, die bei genetisch nicht veränderten Organismen zum Einsatz kommen.
D.2. Bei gentechnisch veränderten höheren Pflanzen (GVHP)
- 1. Wahrscheinlichkeit einer gegenüber den Empfänger- oder Elternpflanzen gesteigerten Persistenz der genetisch veränderten höheren Pflanzen in landwirtschaftlich genutzten Lebensräumen oder einer gesteigerten Invasivität in natürlichen Lebensräumen.
- 2. Selektionsvor- oder -nachteile, die auf die genetisch veränderten höheren Pflanzen übertragen wurden.
- 3. Möglichkeit eines Transfers von Genen auf die gleiche Pflanzenart oder auf andere geschlechtlich kompatible Pflanzenarten unter den Bedingungen der Anpflanzung der genetisch veränderten höheren Pflanzen und die dabei übertragenen Selektionsvor- oder -nachteile.
- 4. Mögliche sofortige und/oder spätere Auswirkungen der direkten und indirekten Interaktionen zwischen den genetisch veränderten höheren Pflanzen und den Zielorganismen wie Räuber, Parasiten und Pathogenen (falls zutreffend) auf die Umwelt.
- 5. Mögliche sofortige und/oder spätere Auswirkungen der direkten und indirekten Wechselwirkungen zwischen den genetisch veränderten höheren Pflanzen und den Nichtzielorganismen auf die Umwelt einschließlich der Auswirkungen auf die Populationsniveaus der Konkurrenten, Pflanzenfresser, Symbionten (falls zutreffend), Parasiten und Pathogenen.
- 6. Mögliche sofortige und/oder spätere Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit infolge potentieller direkter und indirekter Wechselwirkungen zwischen den genetisch veränderten höheren Pflanzen und Personen, die an ihrer Freisetzung beteiligt sind, mit ihr in Kontakt oder in ihre Nähe kommen.
- 7. Mögliche sofortige und/oder spätere Auswirkungen auf die Gesundheit von Tieren und Auswirkungen auf die Futter- und die Nahrungsmittelkette infolge des Verzehrs von genetisch veränderten höheren Pflanzen und aus ihnen gewonnenen Erzeugnissen, wenn die Nutzung der GVO als Futter beabsichtigt wird.
- 8. Mögliche sofortige und/oder spätere Auswirkungen auf biogeochemische Prozesse infolge potentieller direkter und indirekter Wechselwirkungen zwischen GVO und Ziel- sowie Nichtzielorganismen in der Nähe von GVO-Freisetzungen.
- 9. Mögliche sofortige und/oder spätere sowie direkte und indirekte Auswirkungen der spezifischen Techniken, die beim Anbau, der Bewirtschaftung und der Ernte der genetisch veränderten höheren Pflanzen zum Einsatz kommen, auf die Umwelt, soweit sie sich von den Techniken unterscheiden, die bei genetisch nicht veränderten höheren Pflanzen zum Einsatz kommen.
Schlagworte
Empfängerorganismus, Selektionsnachteil
Zuletzt aktualisiert am
04.05.2020
Gesetzesnummer
20004253
Dokumentnummer
NOR40068687
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