§ 92.
(1) Zur Abwendung einer Gefahr für die finanziellen Belange der Kunden eines Rechtsträgers gemäß § 91 Abs. 1 Z 1 und 2 im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit, kann die FMA bei solchen Rechtsträgern in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft (§ 3 Abs. 5 Z 1) befristete Maßnahmen durch Bescheid anordnen, die spätestens 18 Monate nach Wirksamkeitsbeginn außer Kraft treten. Die FMA kann durch Bescheid insbesondere
- 1. Kapital- und Gewinnentnahmen sowie Kapital- und Gewinnausschüttungen ganz oder teilweise untersagen;
- 2. eine fachkundige Aufsichtsperson (Regierungskommissär) bestellen, die dem Berufsstand der Rechtsanwälte oder der Wirtschaftsprüfer angehört; die Aufsichtsperson, der alle Rechte gemäß § 91 Abs. 3 zustehen, hat
- a) diesem Rechtsträger alle Geschäfte zu untersagen, die geeignet sind, die obige Gefahr zu vergrößern, bzw.
- b) im Falle, dass dem Rechtsträger die Fortführung der Geschäfte ganz oder teilweise untersagt wurde, einzelne Geschäfte zu erlauben, die die obige Gefahr nicht vergrößern;
- 3. Geschäftsleitern des Rechtsträgers unter gleichzeitiger Verständigung des zur Bestellung der Geschäftsleiter zuständigen Organs die Führung des Unternehmens ganz oder teilweise untersagen; das zuständige Organ hat binnen eines Monats die entsprechende Anzahl von Geschäftsleitern neu zu bestellen; die Bestellung bedarf zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung der FMA, die zu versagen ist, wenn die neu bestellten Geschäftsleiter nicht geeignet scheinen, eine Abwendung der obigen Gefahr herbeiführen zu können;
- 4. die Fortführung des Geschäftsbetriebes ganz oder teilweise untersagen.
(2) Die FMA kann auf Antrag der gemäß Abs. 1 Z 2 oder Abs. 3 bestellten Aufsichtsperson (Regierungskommissär) einen Stellvertreter bestellen, wenn und so lange dies aus wichtigen Gründen, insbesondere wegen vorübergehender Verhinderung der Aufsichtsperson, erforderlich ist. Für die Bestellung des Stellvertreters sowie für dessen Rechte und Pflichten finden die für die Aufsichtsperson geltenden Bestimmungen Anwendung. Die Aufsichtsperson (Regierungskommissär) kann sich mit Genehmigung der FMA zur Erfüllung ihrer Aufgaben fachlich geeigneter Personen bedienen, soweit dies nach Umfang und Schwierigkeit der Aufgaben erforderlich ist. Die Genehmigung der FMA hat diese Personen namentlich zu benennen und ist auch dem Rechtsträger zuzustellen. Diese Personen handeln auf Weisung und im Namen der Aufsichtsperson (Regierungskommissär) oder ihres Stellvertreters.
(3) Die FMA hat vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag und von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder Meldungen über geeignete Regierungskommissäre einzuholen. Ist ein Regierungskommissär nach Abs. 1 Z 2 oder ein Stellvertreter nach Abs. 2 zu bestellen und ist keine Bestellung auf Grund dieser Meldungen möglich, so hat die FMA die nach dem Sitz des Rechtsträgers zuständige Rechtsanwaltskammer oder die Kammer der Wirtschaftstreuhänder zu benachrichtigen, damit diese einen fachlich geeigneten Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer als Regierungskommissär namhaft machen. Bei Gefahr in Verzug kann die FMA
- 1. einen Rechtsanwalt oder
- 2. einen Wirtschaftstreuhänder
vorläufig als Regierungskommissär bestellen. Diese Bestellung tritt mit der Bestellung eines Rechtsanwaltes oder Wirtschaftsprüfers nach dem ersten Satz außer Kraft.
(4) Alle von der FMA gemäß Abs. 1 und 2 angeordneten Maßnahmen ruhen für die Dauer eines Geschäftsaufsichtsverfahrens.
(5) Dem Regierungskommissär ist von der FMA eine Vergütung (Funktionsgebühr) zu leisten, die in einem angemessenen Verhältnis zu der mit der Aufsicht verbundenen Arbeit und den Aufwendungen hiefür steht. Der Regierungskommissär ist zur Rechnungslegung über das jeweils vorangegangene Quartal sowie nach Beendigung seiner Tätigkeit berechtigt. Die FMA hat die Vergütung unverzüglich nach Rechnungsprüfung zu leisten.
(6) Die FMA ist zur Information der Öffentlichkeit berechtigt, von ihr getroffene Maßnahmen nach Abs. 1, 3 und 8 durch Abdruck im „Amtsblatt zur Wiener Zeitung“ oder in einer Zeitung mit Verbreitung im gesamten Bundesgebiet oder im Internet oder durch Aushang an geeigneter Stelle in den Geschäftsräumlichkeiten des Rechtsträgers gemäß § 91 Abs. 1 Z 1 und 2 bekannt zu machen. Veröffentlichungen von Maßnahmen nach Abs. 8 in Verbindung mit § 70 Abs. 4 Z 1 BWG sind jedoch nur vorzunehmen, wenn dies nach Art und Schwere des Verstoßes zur Information der Öffentlichkeit erforderlich ist. Diese Veröffentlichungsmaßnahmen können alternativ oder kumulativ getroffen werden.
(7) Bescheide, mit denen Geschäftsleitern die Führung eines Rechtsträgers gemäß § 91 Abs. 1 Z 1 und 2 ganz oder teilweise untersagt wird (Abs. 1 Z 3 und Abs. 8), sind wie auch eine allfällige Aufhebung dieser Maßnahme von der FMA dem Firmenbuchgericht zur Eintragung in das Firmenbuch zu übermitteln.
(8) Liegt eine Konzessionsvoraussetzung gemäß § 3 Abs. 5 nach Erteilung der Konzession nicht mehr vor oder verletzt ein Rechtsträger gemäß § 91 Abs. 1 Z 1 und 2 Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung oder eines Bescheides, so hat die FMA die in § 70 Abs. 4 Z 1 bis 3 BWG genannten Maßnahmen in Bezug auf diesen Rechtsträger zu ergreifen. Verletzt ein in § 91 Abs. 1 Z 3 bis 6 genannter Rechtsträger, ein Versicherungsunternehmen im Rahmen des § 2 Abs. 2 oder eine Kapitalanlagegesellschaft im Rahmen des § 2 Abs. 3 Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung oder eines Bescheides, so hat die FMA die in § 70 Abs. 4 Z 1 BWG genannten Maßnahmen in Bezug auf diesen Rechtsträger zu ergreifen.
(9) Bei einer Prüfung gemäß § 91 Abs. 3 sind die Prüfungsorgane mit einem schriftlichen Prüfungsauftrag zu versehen und haben sich vor Beginn der Prüfung unaufgefordert auszuweisen sowie den Prüfungsauftrag vorzuweisen. Im übrigen ist § 71 Abs. 1 bis 6 BWG anzuwenden.
(10) Zur Prüfung von Zweigstellen und Repräsentanzen in Mitgliedstaaten kann die FMA auch die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaates um die Vornahme der Prüfung ersuchen, wenn dies das Verfahren vereinfacht oder beschleunigt oder wenn dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Einfachheit, Raschheit oder Kostenersparnis gelegen ist; unter diesen Voraussetzungen ist auch die Teilnahme eigener Prüfer an einer von den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaates durchgeführten Prüfung möglich.
(11) Die FMA ist berechtigt, im Einzelfall durch Kundmachung im Internet, im „Amtsblatt zur Wiener Zeitung“ oder in einem anderen bundesweit verbreiteten Bekanntmachungsblatt die Öffentlichkeit zu informieren, dass ein namentlich genanntes Unternehmen zur Vornahme bestimmter Wertpapierdienstleistungsgeschäfte (§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 4) nicht berechtigt ist. Die FMA hat auf individuelle Anfrage in angemessener Frist Auskünfte über den Konzessionsumfang von Rechtsträgern gemäß § 91 Abs. 1 Z 1 und 2 zu erteilen. Die FMA hat eine Datenbank zu führen, die Informationen über den aktuellen Umfang der bestehenden Konzessionen dieser Rechtsträger enthält, und hat über Internet eine Abfrage dieser Daten zu ermöglichen. Die FMA hat weiters in dieser Datenbank ein Verzeichnis der Wertpapierfirmen aus Mitgliedstaaten zu führen, die im Inland zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen im Wege der Dienstleistungsfreiheit oder über eine Zweigstelle berechtigt sind, soweit diese Tätigkeit im Inland gemäß Art. 31 oder 32 der Richtlinie 2004/39/EG notifiziert wurde.
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