§ 76 ARHG

Alte FassungIn Kraft seit 01.7.1980

Erwirkung der Vollstreckung

§ 76.

(1) Besteht Anlaß, einen anderen Staat um die Übernahme der Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Strafe oder vorbeugenden Maßnahme zu ersuchen, so hat der Vorsitzende (Einzelrichter) des Gerichtes, das in erster Instanz die Strafe verhängt, die vorbeugende Maßnahme angeordnet oder die bedingte Entlassung widerrufen hat, dem Bundesministerium für Justiz die zur Erwirkung der Übernahme der Vollstreckung erforderlichen Unterlagen zu übermitteln. Der Bundesminister für Justiz hat von der Stellung des Ersuchens abzusehen, wenn anzunehmen ist, daß die Übernahme der Vollstreckung aus Gründen der in den §§ 2, 3 Abs. 1 oder in Abs. 3 Z 2 und 3 genannten Art abgelehnt werden wird.

(2) Ein Ersuchen um Übernahme der Vollstreckung ist zulässig, wenn

  1. 1. sich der Verurteilte im ersuchten Staat befindet und seine Auslieferung nicht erwirkt werden kam oder von der Erwirkung der Auslieferung aus einem anderen Grund abgesehen wird, oder
  2. 2. die Vollzugszwecke durch die Vollstreckung oder weitere Vollstreckung im ersuchten Staat besser erreicht werden könnten.

(3) Um eine Übernahme der Vollstreckung darf nicht ersucht werden, wenn

  1. 1. der Verurteilte österreichischer Staatsbürger ist, es sei denn, daß er seinen Wohnsitz oder Aufenthalt im ersuchten Staat hat und sich dort befindet,
  2. 2. zu besorgen ist, daß die Strafe oder vorbeugende Maßnahme in einer den Erfordernissen des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, nicht entsprechenden Weise vollstreckt würde,
  3. 3. zu besorgen ist, daß der Verurteilte im Fall seiner Überstellung in den ersuchten Staat dort eine Verfolgung oder Nachteile der im § 19 Z 3 bezeichneten Art zu erwarten hätte, oder
  4. 4. zu besorgen ist, daß der Verurteilte im anderen Staat in der Gesamtauswirkung erheblich schlechter gestellt wäre als durch die Vollstreckung oder weitere Vollstreckung im Inland.

(4) Teilt der ersuchte Staat mit, daß er die Vollstreckung übernimmt, so hat diese im Inland vorläufig auf sich zu beruhen. Kehrt der Verurteilte in das Gebiet der Republik Österreich zurück, ohne daß die im ersuchten Staat auf Grund des Ersuchens um Übernahme der Vollstreckung angeordnete Strafe oder vorbeugende Maßnahme zur Gänze vollstreckt oder für den nicht vollstreckten Teil nachgesehen worden ist, so hat das Gericht den Rest der Strafe oder vorbeugenden Maßnahme vollstrecken zu lassen. Das Gericht hat jedoch von der nachträglichen Vollstreckung abzusehen und dem Verurteilten den Rest der Strafe bedingt oder unbedingt nachzusehen oder ihn aus der vorbeugenden Maßnahme bedingt oder unbedingt zu entlassen, soweit der Verurteilte durch die Vollstreckung in der Gesamtauswirkung ungünstiger gestellt wäre, als wenn die im Ausland stattgefundene Vollstreckung in Österreich stattgefunden hätte.

(5) Wurde die Vollstreckung einer wegen mehrerer zusammentreffender strafbarer Handlungen verhängten Strafe nur wegen des auf einzelne dieser strafbaren Handlungen entfallenden Teiles erwirkt und wird die Strafe nicht im ersuchten Staat geteilt, so ist § 70 Abs. 3 sinngemäß anzuwenden.

(6) Auf die im ersuchten Staat zu vollstreckende Strafe bleiben die Bestimmungen des österreichischen Gnadenrechtes weiterhin anwendbar.

(7) Die Übergabe des Verurteilten an die Behörden des ersuchten Staates hat der Vorsitzende (Abs. 1) in sinngemäßer Anwendung des § 36 Abs. 1 zu veranlassen.

(8) Vor einem Ersuchen um Übernahme der Vollstreckung ist eine Äußerung des Staatsanwaltes einzuholen und der Verurteilte zu hören, wenn er sich im Inland befindet.

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