Artikel 8
Grenzüberschreitende Nacheile
(1) Organe der Sicherheitsbehörden einer Vertragspartei, die in ihrem Land eine Person verfolgen, die
- a) bei der Begehung von oder der Teilnahme an einer im anderen Vertragsstaat auslieferungsfähigen Straftat betreten oder deswegen verfolgt wird,
- b) aus Untersuchungs- oder Strafhaft oder einer vorbeugenden Maßnahme, die wegen einer im anderen Staat auslieferungsfähigen Straftat verhängt worden ist, geflohen ist,
sind befugt, die Verfolgung auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei ohne deren vorherige Zustimmung fortzusetzen, wenn die zuständigen Behörden dieser Vertragspartei wegen der besonderen Dringlichkeit der Angelegenheit nicht zuvor unterrichtet werden konnten oder nicht rechtzeitig zur Stelle sind, um die Verfolgung zu übernehmen. Die nacheilenden Beamten nehmen unverzüglich, im Regelfall bereits vor dem Grenzübertritt, Kontakt mit der zuständigen Behörde der anderen Vertragspartei auf. Die Verfolgung ist einzustellen, sobald die Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet die Verfolgung stattfinden soll oder bereits stattfindet, dies verlangt. Auf Ersuchen der nacheilenden Beamten ergreifen die örtlich zuständigen Behörden die betroffene Person nach Maßgabe des nationalen Rechts, um ihre Identität festzustellen oder die Festnahme vorzunehmen.
(2) Wird die Einstellung der Verfolgung nicht verlangt und können die örtlichen Behörden nicht rechtzeitig herangezogen werden, dürfen die nacheilenden Beamten die Person nach Maßgabe des nationalen Rechts der anderen Vertragspartei festhalten, bis die Beamten der anderen Vertragspartei, die unverzüglich zu unterrichten sind, die Identitätsfeststellung oder die Festnahme vornehmen.
(3) Die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehene Nacheile wird ohne räumliche oder zeitliche Begrenzung ausgeübt. Das Überschreiten der Grenze darf auch außerhalb von Grenzübergängen und festgesetzten Verkehrsstunden erfolgen.
(4) Die Nacheile darf nur unter folgenden Voraussetzungen ausgeübt werden:
- a) Die nacheilenden Beamten sind an die Bestimmungen dieses Artikels und das Recht der Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet sie auftreten, gebunden; sie haben die Anordnungen der örtlich zuständigen Behörden zu befolgen.
- b) Die eingesetzten Fahrzeuge sind hinsichtlich der Befreiung von Verkehrsverboten und Verkehrsbeschränkungen den Fahrzeugen der Sicherheitsbehörden der Vertragspartei gleichgestellt, auf deren Hoheitsgebiet sie im Einsatz sind. Es können Signale gesetzt werden, soweit dies zur Durchführung der Nacheile geboten ist.
- c) Die nacheilenden Beamten müssen in der Lage sein, jederzeit ihre amtliche Funktion nachzuweisen.
- d) Das Betreten von Wohnungen und öffentlich nicht zugänglichen Grundstücken ist nicht zulässig. Öffentlich zugängliche Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume dürfen während der Arbeits-, Betriebs- und Geschäftszeit betreten werden.
- e) Zur Durchführung der Nacheile notwendige technische Mittel dürfen im erforderlichen Umfang eingesetzt werden, soweit dies nach dem Recht der Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet die Nacheile fortgesetzt wird, zulässig ist. Die zum Einsatz gelangenden technischen Mittel sind den zuständigen Behörden der anderen Vertragspartei bekannt zu geben.
- f) Die nacheilenden Beamten müssen als solche eindeutig erkennbar sein, wie zum Beispiel durch eine Dienstuniform, besondere Kennzeichen oder durch an dem Fahrzeug angebrachte Zusatzeinrichtungen; das Tragen von Zivilkleidung unter Benutzung eines nicht als solches erkennbaren Polizeifahrzeuges ist nicht zulässig.
- g) Die nach Absatz 2 ergriffene Person darf im Hinblick auf ihre Vorführung vor die örtlichen Behörden lediglich einer Sicherheitsdurchsuchung unterzogen werden. Es dürfen ihr sofern erforderlich Handschellen angelegt werden. Die von der verfolgten Person mitgeführten Gegenstände dürfen bis zum Eintreffen der örtlich zuständigen Behörde vorläufig sichergestellt werden. Zusammen mit der Person werden auch jene Gegenstände, die vorläufig sichergestellt worden sind, an die örtlich zuständige Behörde übergeben.
- h) Die nacheilenden Beamten melden sich nach jedem Einschreiten gemäß den Absätzen 1 und 2 unverzüglich bei den örtlich zuständigen Behörden der anderen Vertragspartei und erstatten Bericht. Auf Ersuchen dieser Behörden sind sie verpflichtet, sich bis zur Klärung des Sachverhalts an Ort und Stelle für die unbedingt erforderliche Zeit bereitzuhalten. Gleiches gilt, wenn die verfolgte Person nicht festgenommen werden konnte.
(5) Die Person, die nach Absatz 2 durch Organe der zuständigen Behörden festgenommen wurde, kann nach Maßgabe des Rechts der Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet sie aufgegriffen wurde, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit zum Zwecke der Vernehmung festgehalten werden. Hat die Person nicht die Staatsangehörigkeit der Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet sie aufgegriffen wurde, ist sie spätestens sechs Stunden nach ihrer Ergreifung freizulassen, wobei die Stunden zwischen Mitternacht und neun Uhr nicht mitzählen, es sei denn, die örtlich zuständigen Behörden erhalten vor Ablauf dieser Frist ein Ersuchen um vorläufige Festnahme zum Zwecke der Auslieferung. Nationale Regelungen, die aus anderen Gründen die Anordnung von Haft oder eine vorläufige Festnahme ermöglichen, bleiben unberührt.
(6) In Fällen von übergeordneter Bedeutung oder wenn die Nacheile über das Grenzgebiet gemäß Artikel 3 Absatz 7 hinausgegangen ist, sind die nationalen Zentralstellen über die erfolgte Nacheile zu unterrichten.
(7) Im Falle einer grenzüberschreitenden Nacheile sind zu benachrichtigen:
in der Republik Österreich die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland oder die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich entsprechend der örtlichen Zuständigkeit,
in der Slowakischen Republik die Kreispolizeidirektion des Polizeikorps in Bratislava oder die Kreispolizeidirektion des Polizeikorps in Trnava entsprechend der örtlichen Zuständigkeit.
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