Artikel 1
Nach § 1 des Gesetzes vom 10. Juni 1903, RGBl. Nr. 133, sind die Einrichtungen und die Geschäftsführung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in allen Zweigen ihrer Verwaltung mindestens in jedem zweiten Jahre durch einen sachverständigen Revisor zu prüfen.
Die zur Durchführung des genannten Gesetzes erlassene Ministerialverordnung vom 24. Juni 1903, RGBl. Nr. 134, bestimmt in § 10, daß in die Revisorenlisten, die bei den Oberlandesgerichten geführt werden, die Revisoren der im Oberlandesgerichtssprengel tätigen Revisionsverbände und mit Zustimmung des Landesausschusses auch die Revisionsorgane der in Betracht kommenden Landesausschüsse aufzunehmen sind. Nach Bedarf können daneben auch andere fachkundige Personen in die Liste aufgenommen werden. Durchwegs ist auf die Sachkenntnis das größte Gewicht gelegt. Es ergibt sich dies aus dem Satze, daß die gründliche fachliche Befähigung des Revisors außer Zweifel stehen muß (§ 10, Abs. 3), aus dem Hinweise auf das Erfordernis besonderer Kenntnissse in einem bestimmten Zweige des Genossenschaftswesens (§ 10, Abs. 2) und aus der Bestimmung über die Einholung von Vorschlägen der Genossenschaftsverbände (§ 12, Abs. 1).
Im § 16 der Verordnung wird betont, daß Gegenstand der Prüfung durch den Revisor nicht bloß die rechnerische Gebarung, die ordnungsmäßige Führung der Geschäftsbücher, die rechtzeitige und den Tatsachen entsprechenden Aufstellung der Jahresrechnung u. dgl. bilden, sondern daß der Revisor sich auch zu überzeugen hat, ob die Genossenschaft in ihrer Anlage und gesamten Tätigkeit den Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes und den Zwecken und Zielen des Genossenschaftswesens entspricht. Sache des Revisors ist es auch, festzustellen, ob die gesetzlichen und statutarischen Bestimmungen eingehalten werden und ob die Geschäftsgebarung Bürgschaft für ein gedeihliches Wirken der Genossenschaft gibt. Der Revisor hat nicht bloß die vorgefundenen Mängel festzustellen, sondern es ist auch seine Aufgabe, auf die Funktionäre der Genossenschaft belehrend einzuwirken, sie auf ihre Obliegenheiten sowie auf Mängel und Verstöße aufmerksam zu machen, Ratschläge zur Erzielung eines zweckmäßigen Vorgehens zu erteilen und nötigenfalls darüber aufzuklären, in welcher Weise drohenden Gefahren begegnet werden könnte.
Aus den angeführten Bestimmungen ergibt sich, daß Personen, die nur über eine genaue Kenntnis des Buchhaltungswesens und der rechnerischen Vorschriften verfügen, damit noch keineswegs die Eignung für das Amt eines Genossenschaftsrevisors dargetan haben. Eine unumgängliche Voraussetzung für die Durchführung einer Revision nach dem Gesetze vom 10. Juni 1903 und für die Erreichung der Ziele, die damit verfolgt werden, bildet neben entsprechender Kenntnis des Genossenschaftsrechtes die volle Vertrautheit des Revisors mit den Besonderheiten des Genossenschaftswesens und seinen Aufgaben, namentlich auch mit den Beschränkungen, die sich hieraus und aus der Genossenschaftsform für die Geschäftsgebarung der Genossenschaft ergeben. Diese Sachkunde wird sich kaum je anders als durch längere praktische Betätigung auf dem Gebiete des Genossenschaftswesens erwerben lassen.
Nach Mitteilungen, die dem Justizministerium zugekommen sind, wird anscheinend bei der Auswahl der Revisoren nicht immer mit dem erforderlichen Nachdrucke auf die genossenschaftliche Vorbildung des Revisors gesehen. Es wurden mitunter Personen mit der Revision betraut, von denen nach der Art, wie sie diese vornahmen (z. B. Beschränkung auf die bloß rechnerische Prüfung) und wie sie über die Revision Bericht erstatteten, mit Grund angenommen werden kann, daß sie offenbar den nötigen Einblick in das Genossenschaftswesen und die Aufgaben des Revisors nicht besitzen.
Da im Falle der Bestellung nicht vollkommen geeigneter Revisoren der vom Gesetze beabsichtigte Erfolg der Revison nicht erreicht werden kann, sind die bei den Oberlandesgerichten geführten Revisionslisten auf ihre zweckmäßige Zusammensetzung zu prüfen und ist ferner bei jeder Bestellung eines Revisors für eine Genossenschaft darauf zu achten, daß er die nötige Eignung für dieses Geschäft, und zwar gerade für die Prüfung von Genossenschaften der betreffenden Art besitzt.
Zuletzt aktualisiert am
02.10.2025
Gesetzesnummer
10001728
Dokumentnummer
NOR12023169
alte Dokumentnummer
N2191110053S
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