§ 36b.
(1) Bei Vorliegen eines der in § 36a Abs. 1 angeführten Geschäfte ist der Notar verpflichtet, die Identität seiner Partei und jene des wirtschaftlichen Eigentümers (§ 36d) festzustellen und zu prüfen:
- 1. bei Anknüpfung eines auf gewisse Dauer angelegten Auftragsverhältnisses (Geschäftsbeziehung) vor Annahme des Auftrags,
- 2. bei allen sonstigen Geschäften, bei denen die Auftragssumme (die Bemessungsgrundlage nach dem NTG) mindestens 15 000 Euro beträgt, und zwar unabhängig davon, ob das Geschäft in einem einzigen Vorgang oder in mehreren Vorgängen, zwischen denen eine Verbindung zu bestehen scheint, getätigt wird, vor Durchführung des Geschäfts; ist die Auftragssumme (die Höhe der Bemessungsgrundlage) zunächst nicht bekannt, so ist die Identität festzustellen, sobald absehbar ist oder fest steht, dass die Auftragssumme (die Höhe der Bemessungsgrundlage) voraussichtlich mindestens 15 000 Euro beträgt,
- 3. wenn er weiß, den Verdacht oder berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das Geschäft der Geldwäscherei (§ 165 StGB) oder der Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) dient oder
- 4. wenn er Zweifel an der Echtheit oder Angemessenheit der erhaltenen Identitätsnachweise hat.
(2) Die Identität der Partei ist durch persönliche Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises oder, wo dies nicht möglich und die Vornahme einer Transaktion zur Sicherung der Verteidigungsrechte oder des Rechts auf effektive Rechtsdurchsetzung im Sinn des Art. 6 EMRK geboten ist, einen amtlich dokumentierten, in gleicher Weise beweiskräftigen Vorgang festzustellen. Als amtlicher Lichtbildausweis in diesem Sinne gelten von einer staatlichen Behörde ausgestellte Dokumente, die mit einem nicht austauschbaren, erkennbaren Kopfbild der betreffenden Person versehen sind und den Namen, die Unterschrift und, soweit dies nach dem Recht des ausstellenden Staates vorgesehen ist, auch das Geburtsdatum der Person sowie die ausstellende Behörde enthalten. Schreitet für die Partei ein Vertreter ein, so ist dessen Identität in gleicher Weise festzustellen. Die Vertretungsbefugnis ist anhand geeigneter Bescheinigungen zu überprüfen.
(3) Ist die Partei bei Anknüpfung der Geschäftsbeziehung oder Durchführung des Geschäfts nicht physisch anwesend (Ferngeschäft), so hat der Notar zusätzlich geeignete und beweiskräftige Maßnahmen zu ergreifen, um die Identität der Partei verlässlich festzustellen und zu prüfen und dafür zu sorgen, dass die erste Zahlung der Partei im Rahmen des Geschäfts über ein Konto abgewickelt wird, das im Namen des Kunden bei einem Kreditinstitut eröffnet wurde, das in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2015/849 fällt.
(4) Der Notar hat angemessene Maßnahmen zur Überprüfung der Identität des wirtschaftlichen Eigentümers zu setzen. Im Fall von juristischen Personen, Trusts, Gesellschaften, Stiftungen und vergleichbar vereinbarten Strukturen schließt dies angemessene Maßnahmen ein, um die konkrete Eigentums- und Kontrollstruktur zu verstehen. Werden die Begünstigten von Trusts oder von vergleichbar vereinbarten Strukturen (§ 36d Z 2 lit. d und Z 3) nach besonderen Merkmalen oder nach Kategorie bestimmt, so hat der Notar ausreichende Informationen einzuholen, um zu gewährleisten, dass ihm zum Zeitpunkt der Auszahlung oder zu dem Zeitpunkt, zu dem der Begünstigte seine erworbenen Rechte wahrnimmt, die Feststellung der Identität des Begünstigten möglich sein wird. Der Nachweis der Identität des jeweiligen Auftraggebers hat bei natürlichen Personen durch Vorlage des Originals oder einer Kopie des amtlichen Lichtbildausweises des jeweiligen Auftraggebers zu erfolgen, bei juristischen Personen durch beweiskräftige Urkunden. Über die von ihm getroffenen Maßnahmen zur Ermittlung des wirtschaftlichen Eigentümers nach § 36d Z 1 lit. a und b hat der Notar Aufzeichnungen zu führen und aufzubewahren.
(5) Der Notar hat die nach Abs. 2 bis 4 zur Feststellung der Identität vorgelegten Unterlagen soweit als möglich im Original aufzubewahren. Bei amtlichen Lichtbildausweisen und anderen Unterlagen, deren Aufbewahrung im Original nicht möglich oder nicht tunlich ist, sind Kopien anzufertigen und aufzubewahren.
(6) Der Notar hat den Zweck und die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung oder des Geschäfts anhand der ihm zur Verfügung stehenden oder erforderlichenfalls einzuholenden Informationen aufgrund einer risikobasierten Beurteilung zu bewerten und die Geschäftsbeziehung laufend zu überwachen; die Informationen sind von ihm aufzubewahren. Er hat Hintergrund und Zweck aller Geschäftsbeziehungen und Geschäfte, die komplex sind oder der Abwicklung ungewöhnlich großer oder aufgrund ihrer Konstruktion oder ihres Musters ungewöhnlicher Transaktionen ohne offensichtlichen wirtschaftlichen oder rechtmäßigen Zweck dienen sollen, zu untersuchen, soweit dies im angemessenen Rahmen möglich ist; um zu bestimmen, ob solche Geschäftsbeziehungen und Geschäfte verdächtig sind, hat der Notar insbesondere den Umfang und die Art ihrer Überwachung zu verstärken. Eine Verpflichtung zu erhöhter Aufmerksamkeit des Notars besteht ferner jedenfalls dann, wenn die Partei oder der wirtschaftliche Eigentümer den Sitz oder Wohnsitz in einem Staat hat, der in einer von der FMA gemäß § 40b Abs. 1 BWG zu erlassenden Verordnung als Staat, in dem laut glaubwürdiger Quelle ein erhöhtes Risiko der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung besteht, oder der in einem von der Europäischen Kommission gemäß Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2015/849 erlassenen delegierten Rechtsakt als Drittland mit erhöhtem Risiko angeführt ist. Die Überwachung schließt eine Überprüfung der im Verlauf der Geschäftsbeziehung abgewickelten Transaktionen mit ein, um sicherzustellen, dass diese mit den Kenntnissen des Notars über die Partei, deren Geschäftstätigkeit und Risikoprofil einschließlich erforderlichenfalls der Quelle der Mittel zusammenpassen. Der Notar hat dafür zu sorgen, dass die jeweiligen Dokumente, Daten oder Informationen stets aktualisiert werden. Die den Notar nach dieser Bestimmung treffenden Pflichten gelten für alle bestehenden Geschäftsbeziehungen unabhängig davon, wann sie begründet worden sind.
(7) Ist der Notar nicht oder nicht mehr in der Lage, die Identität der Partei und jene des wirtschaftlichen Eigentümers festzustellen und zu prüfen oder Informationen über den Zweck und die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung einzuholen, darf das Auftragsverhältnis nicht begründet und die Transaktion nicht durchgeführt werden; eine bereits bestehende Geschäftsbeziehung ist zu beenden. Überdies ist eine Meldung an den Bundesminister für Inneres (Bundeskriminalamt, Geldwäschemeldestelle gemäß § 4 Abs. 2 Bundeskriminalamt-Gesetz) in Erwägung zu ziehen. Kommt die Partei mutwillig einem berechtigten Auskunftsverlangen des Notars im Rahmen seiner Identifizierungsverpflichtung nicht nach, so ist der Bundesminister für Inneres (Bundeskriminalamt, Geldwäschemeldestelle gemäß § 4 Abs. 2 Bundeskriminalamt-Gesetz) zu verständigen. § 36c Abs. 1 zweiter Satz gilt sinngemäß.
(8) Der Notar hat den Umfang der ihn nach den voranstehenden Absätzen treffenden Pflichten anhand einer von ihm vorzunehmenden risikoorientierten Beurteilung zu bestimmen, wobei bei dieser Beurteilung und Bewertung der Risiken von Geldwäscherei (§ 165 StGB) und Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) zumindest der Zweck des Geschäfts oder der Geschäftsbeziehung, die Höhe der von einem Kunden aufgewendeten Vermögenswerte oder der Umfang der ausgeführten Transaktionen sowie die Regelmäßigkeit oder die Dauer der Geschäftsbeziehung zu berücksichtigen sind; jedenfalls Bedacht zu nehmen hat der Notar dabei ferner auf die in den Anlagen II und III zum Bundesgesetz zur Verhinderung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung im Finanzmarkt (FM-GwG) dargelegten Faktoren für ein potenziell geringeres oder höheres Risiko. Die Angemessenheit dieser Maßnahmen hat der Notar der Notariatskammer über deren Aufforderung entsprechend darzulegen. Tatsachen, die der Notar unter den in § 36c Abs. 1 zweiter Satz genannten Voraussetzungen erfahren hat, sind davon nicht umfasst.
(9) Soweit der Notar weiß, den Verdacht oder berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das Geschäft der Geldwäscherei (§ 165 StGB) oder der Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) dient oder damit im Zusammenhang steht, und er gleichzeitig Grund zu der Annahme hat, dass die Partei durch die Durchführung der von ihm nach dieser Bestimmung zu setzenden Schritte Kenntnis von dem gegen sie bestehenden Verdacht erhalten würde, ist der Notar nicht verpflichtet, die in Entsprechung seiner Identifizierungs- und sonstigen Sorgfaltspflichten getroffenen Maßnahmen fortzusetzen und zu beenden. Er hat aber unverzüglich eine Meldung an den Bundesminister für Inneres (Bundeskriminalamt, Geldwäschemeldestelle gemäß § 4 Abs. 2 Bundeskriminalamt-Gesetz) zu erstatten, soweit nicht die Voraussetzungen nach § 36c Abs. 1 zweiter Satz erfüllt sind; § 36c Abs. 2 ist anzuwenden.
(10) Mit Ausnahme der Verpflichtung zur laufenden Überwachung der Geschäftsbeziehung kann der Notar zur Erfüllung der ihn nach den voranstehenden Absätzen treffenden Pflichten auf Dritte zurückzugreifen, soweit ihm nicht Hinweise vorliegen, die eine gleichwertige Pflichtenerfüllung bezweifeln lassen. Die endgültige Verantwortung für die Erfüllung dieser Anforderungen verbleibt jedoch beim Notar, der auf den Dritten zurückgreift. Als Dritte können dabei nur
- 1. Kredit- und Finanzinstitute mit Sitz im Inland, sofern sie nicht ausschließlich über eine Berechtigung für die Durchführung des Wechselstubengeschäfts (§ 1 Abs. 1 Z 22 BWG) verfügen, und Notare, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit Sitz im Inland, sowie
- 2. Kredit- und Finanzinstitute gemäß Art. 3 Z 1 und 2 der Richtlinie (EU) 2015/849 , sofern sie nicht ausschließlich über eine Berechtigung für die Durchführung des Wechselstubengeschäfts verfügen, und Notare, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater jeweils mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat sowie diesen entsprechende Verpflichtete mit Sitz in einem Drittland,
- a) deren Sorgfalts- und Aufbewahrungspflichten den in der Richtlinie (EU) 2015/849 festgelegten entsprechen und
- b) die einer Aufsicht in Bezug auf die Einhaltung dieser Pflichten unterliegen, die Art. 47 und 48 der Richtlinie (EU) 2015/849 entspricht,
herangezogen werden. Auf Dritte, die in Drittländern mit erhöhtem Risiko (Abs. 6 dritter Satz) niedergelassen sind, darf der Notar nicht zurückgreifen.
(11) Der Notar hat bei dem Dritten die notwendigen Informationen zu den in Abs. 10 erster Satz genannten Sorgfaltspflichten unverzüglich einzuholen. Er hat weiters angemessene Schritte zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass der Dritte ihm unverzüglich auf sein Ersuchen Kopien der bei der Erfüllung dieser Sorgfaltspflichten verwendeten Unterlagen sowie anderer maßgeblicher Unterlagen über die Identität des Kunden oder des wirtschaftlichen Eigentümers weiterleiten kann.
EG/EU: Art. VI, BGBl. I Nr. 93/2003; Art. XVI, BGBl. I Nr. 111/2007; Art. 9 BGBl. I Nr. 10/2017
Zuletzt aktualisiert am
15.04.2020
Gesetzesnummer
10001677
Dokumentnummer
NOR40190366
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