§ 168.
(1) Bei der Österreichischen Notariatskammer ist ein aus sechs Mitgliedern bestehender Berufungssenat in Ordnungsstrafsachen einzurichten, der über Berufungen gegen Beschlüsse der Notariatskammern entscheidet, die einen Schuldspruch enthalten. Die Mitglieder und Ersatzmitglieder werden jeweils auf eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt (§ 141b Abs. 3). § 132 ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, dass über die Wichtigkeit der geltend gemachten Gründe der Delegiertentag zu entscheiden hat. Ein Mitglied oder Ersatzmitglied des Berufungssenats in Ordnungsstrafsachen darf nicht zugleich Mitglied einer Notariatskammer oder des Delegiertentags oder des Ständigen Ausschusses der Österreichischen Notariatskammer, Kammeranwalt oder Stellvertreter des Kammeranwalts oder Notarenrichter sein oder eine dieser Funktionen in den letzten fünf Jahren vor der Wahl ausgeübt haben. Scheidet ein Mitglied oder Ersatzmitglied während der laufenden Amtsperiode aus, ist für den Rest der Amtsperiode ein neues Mitglied im Rahmen der nächsten Sitzung des Delegiertentags zu wählen.
(2) Den Vorsitz des Senats führt das an Lebensjahren älteste Mitglied. Im Fall der Verhinderung eines Mitglieds hat eines der Ersatzmitglieder in den Senat einzutreten, dies in alphabetischer Reihenfolge ihrer Namen. Die Mitglieder des Berufungssenats in Ordnungsstrafsachen sind in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden. Sie haben ihr Amt unparteiisch auszuüben. Dem Bundesminister für Justiz kommt ein Aufsichtsrecht zu, in dessen Rahmen er befugt ist, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung des Berufungssenats zu unterrichten. Damit im Zusammenhang sind ihm die zur Wahrnehmung der Aufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Stellt sich heraus, dass eines der Mitglieder des Berufungssenats seine Aufgaben dauerhaft gröblich vernachlässigt oder seine Pflichten schwerwiegend verletzt, hat der Bundesminister für Justiz das Recht, das Mitglied seines Amtes zu entheben.
(3) Die Interessen der Notariatskammer, gegen deren Beschluss sich die Berufung richtet, sind im Berufungsverfahren in Ordnungsstrafsachen durch den von der jeweiligen Notariatskammer gewählten Kammeranwalt wahrzunehmen. Dieser kann sich durch seinen Stellvertreter vertreten lassen. Der Kammeranwalt und sein Stellvertreter werden von der Notariatskammer aus dem Notariatskollegium aus der Gruppe der Notare für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Die Funktion des Kammeranwalts (seines Stellvertreters) ist mit der Mitgliedschaft in der Notariatskammer unvereinbar. Im Übrigen ist § 132 sinngemäß anzuwenden. Dem Kammeranwalt kommt Parteistellung im Berufungsverfahren zu. Er hat das Recht, zur Berufung schriftlich Stellung zu nehmen und an der mündlichen Berufungsverhandlung teilzunehmen, in deren Rahmen ihm auch die Möglichkeit einzuräumen ist, Fragen an den Beschuldigten und jede vernommene Person zu stellen.
(4) Die Berufung ist vom Vorsitzenden des Berufungssenats in Ordnungsstrafsachen nach Maßgabe einer jährlich im Vorhinein festzulegenden Reihenfolge einem Mitglied des Senats als Berichterstatter zuzuteilen. Der Berufungssenat in Ordnungsstrafsachen entscheidet über die Berufung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung durch einen mit Stimmenmehrheit zu fassenden Beschluss. Die mündliche Verhandlung ist auf Antrag des Beschuldigten öffentlich. Die Öffentlichkeit kann jedoch aus den Gründen des § 229 Abs. 1 StPO ausgeschlossen werden.
(5) Der Berufungssenat in Ordnungsstrafsachen hat mit seinem Beschluss grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden, wobei er in diesem Fall bei seiner Entscheidung von den dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen auszugehen hat. Er kann dabei die Berufung als unbegründet abweisen oder den angefochtenen Beschluss, jedoch nicht zum Nachteil des Beschuldigten, abändern. Findet der Berufungssenat, dass das Verfahren der Notariatskammer mangelhaft war, besonders weil die Notariatskammer nicht ordnungsgemäß besetzt war (§§ 136, 164), weil der Sachverhalt nicht erschöpfend aufgeklärt oder dem Beschuldigten nicht ausreichend Gehör gegeben wurde oder weil der angefochtene Beschluss nicht hinreichend begründet ist, oder ergeben sich Bedenken gegen die dem angefochtenen Beschluss zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen, so hat der Berufungssenat den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Notariatskammer zurückzuverweisen. Die Notariatskammer ist bei der weiteren Behandlung der Sache an die im Aufhebungsbeschluss enthaltene rechtliche Beurteilung gebunden. Statt der Zurückverweisung kann der Berufungssenat in der Sache selbst entscheiden, wenn dies nach seinem Ermessen geeignet erscheint, die Erledigung zu beschleunigen oder einen erheblichen Kostenaufwand zu vermeiden. Zu diesem Zweck kann der Berufungssenat erforderlichenfalls das Verfahren ergänzen oder der Notariatskammer eine solche Ergänzung auftragen.
(6) Beschlüsse des Berufungssenats in Ordnungsstrafsachen unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg.
ÜR: Art. 11 §§ 8 und 15, BGBl. I Nr. 141/2009
Zuletzt aktualisiert am
15.04.2020
Gesetzesnummer
10001677
Dokumentnummer
NOR40114743
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