Auftraggeber
Sektorenauftraggeber
Die Regelungen des Sektorenbereichs sehen gegenüber dem klassischen Bereich einige Besonderheiten vor (siehe dazu ausführlich Punkt 3.12.). Insgesamt stellt sich das
Sektorenvergaberecht, das im 3. Teil des BVergG (§§ 163 ff) geregelt ist, im Vergleich zum klassischen Bereich als
weniger strenges Regime dar, das dem jeweiligen Auftraggeber größere Freiheiten, etwa bei der Wahl des Vergabeverfahrens, lässt (siehe dazu Punkt 3.12.5.). Der Grund für die Schaffung eines solchen eigenen Bereichs des Vergaberechts mit „gelockertem“ Regime kann darin gesehen werden, dass jene Gründe, die die Einführung eines Vergaberechts im sog klassischen Bereich erfordern bzw rechtfertigen, im Grundsatz auch auf den Sektorenbereich übertragbar sind; auch hier besteht die „Gefahr“, dass aufgrund von staatlichem Einfluss und fehlendem Wettbewerb Vergabeentscheidungen von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen geprägt sind und so Wettbewerbsverzerrungen entstehen können. Die
Privilegierung des Sektorenbereichs gegenüber dem klassischen Bereich, der den Auftraggebern mehr Spielraum zugesteht, erklärt sich dadurch, dass sich jene Tätigkeits
<i>Stempkowski/Holzinger</i> in <i>Heid Schiefer Rechtsanwälte/Preslmayr Rechtsanwälte</i> (Hrsg), Handbuch Vergaberecht<sup>Aufl. 4</sup> (2015) Allgemeines, Seite 102 Seite 102
felder, die dem Sektorenbereich zuzurechnen sind, durch eine gewisse „
Marktnähe“ auszeichnen, die die eben erwähnte Gefahr geringer scheinen lässt als dies im klassischen Bereich der Fall ist. Fortschreitende Liberalisierungsprozesse haben in den sog Sektoren den Beginn einer Marktöffnung eingeleitet und ersten Wettbewerbsdruck entstehen lassen. Verdeutlichen lässt sich das Gesagte etwa am Beispiel des Postsektors: Vergaben der in diesem Bereich tätigen (damaligen) Monopolunternehmen waren bis zum Erlass der Sektorenrichtlinie 2004/17 bzw deren Umsetzung in die nationalen Regelungen dem strengen, klassischen Vergaberegime unterworfen. Die einsetzende Öffnung des Postsektors auch für private Unternehmen hat jedoch – zumindest in einem gewissen Ausmaß – zur Etablierung von Wettbewerb geführt, weshalb der Postsektor in den Sektorenbereich aufgenommen wurde. Dass auch eine Entwicklung aus dem Vergaberecht hinaus möglich ist, hat der Telekommunikationssektor gezeigt. Dieser wurde aus dem Sektorenvergaberecht „entlassen“, als festgestellt wurde, dass in diesem Bereich mittlerweile „
de facto und de jure“ echter Wettbewerb herrscht und eine Regelung der Beschaffungstätigkeiten von Auftraggebern dieses Sektors nicht länger notwendig ist. Auch beim Postsektor lässt sich heute eine gewisse Entwicklung aus dem Vergaberecht hinaus beobachten; so „entlässt“ die Kommission im Wege von Freistellungsentscheidungen nach und nach einzelne Bereiche des Postsektors aus dem Anwendungsbereich auch des Sektorenvergaberechts.