Änderung von ABGB und AVRAG

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrJuli 2025

Überarbeitung der Kündigungsbestimmungen für Arbeiter (Entfall der Ausnahmebestimmungen des § 1159 Abs 2 und 4 ABGB unter Klarstellung, für welche Arbeitnehmer abweichende Regelungen zulässig sind); Schaffung einer Regelung für die Zahlung der vom Arbeitgeber nach Kollektivvertrag für das Bewachungs- und Reinigungspersonal zu leistenden Beiträge

Inkrafttreten

1.1.2026

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Vorschlag

Letzte Änderung

9.7.2025

Betroffene Normen

ABGB, AVRAG, LAG

Betroffene Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Quelle

RV 187 BlgNR 28. GP

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden sollen; Regierungsvorlage 9. 7. 2024, 187 BlgNR 28. GP

-> Gesetzwerdung bleibt abzuwarten

1. Überblick

Mit BGBl I 2017/153 erfolgte eine Angleichung der nach § 1159 ABGB geltenden Kündigungsfristen der Arbeiter an die für Angestellte geltenden Kündigungsbestimmungen des § 20 AngG. Im Zuge dessen wurden die Kollektivvertragspartner nach § 1159 Abs 2 und Abs 4 ABGB ermächtigt, für Branchen, in den Saisonbetriebe iSd § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen, die Kündigungsfristen abweichend zu regeln. Diese Ausnahmeregelung trat – nach mehrmaligen Verschiebungen – letztlich mit 1. 10. 2021 in Kraft (BGBl I 2021/21). In der Praxis kam es im Zusammenhang mit dieser gesetzlichen Ausnahmeregelung vermehrt zu Auslegungsproblemen. Unklar war bzw ist insbesondere, wie das Wort „überwiegen“ und der Verweis auf § 53 Abs 6 ArbVG („erheblich verstärkt“) zu verstehen ist. Aus diesem Grund wird nun der Entfall der Ausnahmebestimmungen des § 1159 Abs 2 und 4 ABGB vorgeschlagen unter gleichzeitiger Klarstellung, für welche Arbeitnehmer abweichende Regelungen zulässig sind. Damit sollen die Kündigungsbestimmungen für Arbeitnehmer in Saisonbranchen dauerhaft an die für Angestellte geltenden Kündigungsbestimmungen angeglichen werden. Zugleich sollen dadurch die in der Praxis bestehenden Auslegungsschwierigkeiten iZm der Ausnahmebestimmung gelöst werden.

Die Änderungen im Bereich des § 1159 ABGB sollen – mit einigen kleineren Abweichungen – auch für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft im LAG nachvollzogen werden.

Weiters bedarf es einer gesetzlichen Regelung für Arbeitnehmer im Bewachungs- sowie im Reinigungsgewerbe zur Entrichtung der vom Arbeitgeber nach dem jeweiligen Kollektivvertrag zu leistenden Beiträge an einen Sozialfonds. Die Einhebung und Weiterleitung dieser Beiträge an den Sozialfonds soll durch den zuständigen Krankenversicherungsträger erfolgen.

2. Änderung des § 1159 ABGB

2.1. Grundregelung bleibt unverändert

Die grundsätzlichen Kündigungsbestimmungen für Arbeitgeber bzw Arbeiter bleiben unverändert. § 1159 Abs 2 bis 4 ABGB sollen lauten:

(2) Mangels einer für den Dienstnehmer günstigeren Vereinbarung kann der Dienstgeber das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei, nach dem vollendeten fünfzehnten Dienstjahr auf vier und nach dem vollendeten fünfundzwanzigsten Dienstjahr auf fünf Monate.

(3) Die Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung nicht unter die im Absatz 2 bestimmte Dauer herabgesetzt werden; jedoch kann vereinbart werden, dass die Kündigungsfrist am Fünfzehnten oder am Letzten des Kalendermonats endigt.

(4) Mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung kann der Dienstnehmer das Dienstverhältnis mit dem letzten Tage eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist lösen. Diese Kündigungsfrist kann durch Vereinbarung bis zu einem halben Jahr ausgedehnt werden; doch darf die vom Dienstgeber einzuhaltende Frist nicht kürzer sein als die mit dem Dienstnehmer vereinbarte Kündigungsfrist.

2.2. Neue eingeschränkte Ausnahmebestimmung

Die neue – gegenüber der bisherigen Regelung eingeschränkte – Ausnahmeregelung soll in einem neuen § 1159 Abs 3a ABGB normiert werden.Demnach sind von § 1159 Abs 2 und 3 ABGB abweichende Regelungen für Kündigungsfristen und -termine von Arbeiterdienstverhältnissen nur dann zulässig, wenn diese im Zeitraum 1. 1. 2018 bis 1. 2. 2025 mit Verweis auf die Regelung des § 1159 Abs 2 ABGB neu in den Kollektivvertrag aufgenommen wurden und in diesem  Zeitraum nach § 14 Abs 3 ArbVG kundgemacht wurden. Es muss sich dabei um eine aktiv gesetzte neue Regelung handeln, das bloße unveränderte Aufrechterhalten einer vor dem 1. 1. 2018 bestehenden Regelung soll nach der vorgeschlagenen Bestimmung nicht ausreichend sein. Damit unterscheidet sich diese Regelung klar von der bisherigen Rechtsprechung zu § 1159 Abs 2 ABGB idF BGBl I 2017/153, die keine Notwendigkeit für ein aktives Tun festgestellt hat (vgl etwa OGH 24. 3. 2022, 9 ObA 116/21f, ARD 6801/6/2022). Jene kollektivvertraglichen Kündigungsfristen, die aufgrund der bisherigen Rechtsprechung ohne aktives Tun unverändert auch nach dem 1. 1. 2018 weiter galten, verlieren ab dem Inkrafttreten der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung ihre Gültigkeit.

Dass es sich um Branchen handelt, in denen Saisonbetriebe iSd § 53 Abs 6 ArbVG überwiegen, ist nach der nun vorgeschlagenen Fassung nicht mehr entscheidend.

Das Zeitfenster 1. 1. 2018 bis 1. 2. 2025 stellt sicher, dass kein Kollektivvertrag, der nach dem 1. 2. 2025 abgeschlossen wurde, von den Kündigungsfristen und -terminen des § 1159 Abs 2 und 3 ABGB abweichen kann, auch nicht durch rückwirkendes Inkrafttreten. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Kundmachung des Kollektivvertrages innerhalb dieses Zeitfensters. Wird ein Kollektivvertrag, der innerhalb dieses Zeitfensters von den Kündigungsbestimmungen des § 1159 Abs 2 und 3 ABGB abweichende Regelungen rechtswirksam neu aufgenommen hat, inhaltlich unverändert zur Gänze neu kundgemacht, ändert dies jedoch nichts an der Wirksamkeit der abweichenden Regelungen.

Folgende Kollektivverträge erfüllen laut den Erläuterungen der Regierungsvorlage die Voraussetzung für abweichende Regelungen:

  • KV für ArbeiterInnen im Gewerbe Agrarservice
  • KV für Bauindustrie und Baugewerbe
  • KV für Bauhilfsgewerbe
  • KV für Wachorgane im Bewachungsgewerbe
  • KV für das Bodenlegergewerbe
  • KV für Brunnenmeister, Grundbau- und Tiefbohrunternehmer
  • KV für das Dachdeckergewerbe
  • Rahmenkollektivvertrag für Arbeiterinnen/Arbeiter in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung, im sonstigen Reinigungsgewerbe und in Hausbetreuungstätigkeiten
  • KV für Arbeiter im Eisen- und Metallverarbeitenden Gewerbe für die Berufszweige der Spengler (Spengler und Kupferschmiede)
  • KV für die Arbeiter/innen und gewerblichen Lehrlinge in den gewerblichen Forstunternehmen Österreichs
  • KV für das Glasergewerbe
  • KV für die Arbeitnehmer/innen in den gewerblichen Friedhofsgärtnereibetrieben Österreichs
  • Rahmenkollektivvertrag für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den gewerblichen Gärtner- und Landschaftsgärtnerbetrieben Österreichs
  • KV für das Hafner-, Platten- und Fliesenlegergewerbe und Keramikergewerbe
  • KV für das Holzbau-Meistergewerbe
  • KV für das Maler, Lackierer und Schilderherstellergewerbe
  • KV für das Pflasterergewerbe
  • Zusatzkollektivvertrag zum KV für das Rauchfangkehrergewerbe vom 1. 1. 1988
  • Rahmenkollektivvertrag Arbeiterinnen und Arbeiter sowie für gewerbliche Lehrlinge in der Schädlingsbekämpfung
  • KV für das Steinarbeitergewerbe
  • KV für das Tapezierergewerbe
  • KV für das holz- und kunststoffverarbeitende Gewerbe Österreichs in der für die Tischler und Holzgestalter geltenden Fassung vom 1. 5. 2021
  • KV für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben
  • KV für die Arbeiter in der Binnenschifffahrt
  • KV für die Bediensteten der österreichischen Seilbahnen
  • KV für Arbeiter im Güterbeförderungsgewerbe
  • KV für Arbeiter im Kleintransportgewerbe
  • KV für die Arbeiter in der Stein- und Keramischen Industrie
  • KV Glasbe- und Verarbeitung, Flachglasschleiferei, Arbeiter/innen

§ 1159 Abs 3a vorletzter und letzter Satz ABGB stellen klar, dass abweichende Regelungen der Kündigungsfristen und -termine, die in diesen Kollektivverträgen vorgesehen sind, ab dem 1. 2. 2025 nur zugunsten der Arbeitnehmer geändert werden können.

Durch Ausweitung des fachlichen Geltungsbereichs eines Kollektivvertrages kann es dazu kommen, dass Arbeitnehmer vom Kollektivvertrag erfasst sind, die bisher nicht erfasst waren. Galten für die neu aufgenommenen Arbeitnehmer (in ihrem bisherigen Kollektivvertrag) bisher keine vom Gesetz abweichenden Regelungen, ändert sich daran nichts. Auch dann nicht, wenn im neuen Kollektivvertrag vom Gesetz abweichende Kündigungsregelungen (für die bereits erfassten Arbeitnehmer) gelten. Der Geltungsbereich einer zulässigen abweichenden Regelung der Kündigungsfristen und -termine kann nach dem Zeitpunkt der Kundmachung des Kollektivvertrags nicht mehr ausgedehnt werden.

Kommt es durch Zusammenfassung oder Trennung von Branchen zu einem neuen Kollektivvertrag (Neuabschluss), so sollen abweichende Regelungen (verkürzte Kündigungsfristen, andere Kündigungstermine) durch den neuen Kollektivvertrag nur für jene Arbeitsverhältnisse möglich sein, für die der Kollektivvertrag bereits bisher abweichende Regelungen zugelassen hat. Eine Änderung zu Lasten der Arbeitnehmer soll jedoch in keinem Fall möglich sein.

Befristete abweichende Regelungen von § 1159 Abs 2 und 3 ABGB durch Kollektivvertrag können aber rechtswirksam auch nach dem 1. 2. 2025 verlängert werden.

Die Möglichkeit abweichender Regelungen für Arbeitnehmer sieht die Bundesregierung mit dem vorgeschlagenen Text des § 1159 Abs 4 ABGB (siehe oben unter Pkt 2.1.) ausreichend gewährleistet, da kürzere Fristen bei Kündigung durch den Arbeitnehmer für diesen günstiger sind.

Werden durch Kollektivvertrag lediglich zusätzliche Kündigungstermine nach § 1159 Abs 3 zweiter Satz ABGB rechtswirksam festgelegt (15. und/oder Monatsletzter als weitere Kündigungstermine zu den vier Kalendervierteln nach § 1159 Abs 2 erster Satz ABGB), so sind diese Sonderterminvereinbarungen nach § 1159 Abs 3 ABGB weiterhin zeitlich unbefristet möglich.

2.3. Rückwirkendes Inkrafttreten geplant

Die vorgeschlagenen Änderungen in § 1159 ABGB sollen rückwirkend in Kraft treten, wobei das genaue Datum noch offen gelassen wurde („1. Jänner 20xx“). Nach den Erläuterungen erklärt sich „dieses Datum“ daraus, dass die mit BGBl I 2017/153 geschaffenen Regelungen des § 1159 Abs 2 und Abs 4 ABGB ursprünglich mit 1. 1.2018 in Kraft treten sollten. Zwar traten diese Bestimmungen letztendlich durch BGBl I 2021/121 erst mit 1. 10. 2021 in Kraft, doch bezieht sich die dazu ergangene OGH-Rechtsprechung (vgl OGH 24. 3. 2022, 9 ObA 116/21f, ARD 6801/6/2022, und OGH 27. 4. 2022, 9 ObA 137/21v, ARD 6816/11/2022) auf den inhaltlich unveränderten Text des § 1159 Abs 2 und Abs 4 ABGB idF BGBl I 2017/153.

3. Sozialfonds für das Bewachungs- und Reinigungspersonal

Im Kollektivvertrag für Wachorgane im Bewachungsgewerbe sowie im Kollektivvertrag für Arbeiterinnen/Arbeiter in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung sind Sozial- und Weiterbildungsfonds eingerichtet, die den Beschäftigten dieser Branchen nach dem Vorbild des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes Weiterbildung ermöglichen und zur sozialen Absicherung beitragen sollen. In der Praxis hat sich die Betragseinhebung als schwierig und bürokratisch aufwändig erwiesen. Aus diesem Grund ist nun vorgesehen, dass die Einhebung der Beiträge an den Sozialfonds ab 1. 1. 2026 durch den zuständigen Sozialversicherungsträger erfolgen soll. Dies sei nach den Erläuterungen zuverlässiger und effizienter. Die Beiträge sind zusammen mit den Beiträgen zur Sozialversicherung vom SV-Träger einzuheben und an den Sozialfonds weiterzuleiten. Dafür darf der SV-Träger als Abgeltung für seine Aufwendungen eine Vergütung von den eingehobenen (überwiesenen) Beiträgen iHv 0,5 % einbehalten.

Für die Abwicklung der Leistungen hat der Dachverband der Sozialversicherungsträger an die Sozial- und Weiterbildungsfonds der genannten Branchen bestimmte Daten zu übermitteln. Diese Datenweitergabe ermöglicht zum einen die Anspruchsprüfung und zum anderen die Information der Anspruchsberechtigten im aufrechten Dienstverhältnis und nach dessen Beendigung.



Stichworte