Normen
BFA-VG 2014 §22a Abs4
EURallg
FrÄG 2017
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2
FrPolG 2005 §76 Abs5
FrPolG 2005 §80 Abs2 Z2
FrPolG 2005 §80 Abs4
FrPolG 2005 §80 Abs5
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
32013L0032 IntSchutz-RL Art41
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020210015.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Dem Revisionswerber, einem aus Tschetschenien stammenden Staatsangehörigen der Russischen Föderation, wurde nach seiner im Jahr 2006 erfolgten Einreise in das österreichische Bundesgebiet mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 5. September 2008 antragsgemäß der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
2 Nachdem der Revisionswerber am 22. September 2015 insbesondere wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden war, wurde ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 22. Februar 2016 der Status des Asylberechtigten wieder aberkannt und der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Unter einem erließ das BFA gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung samt einem unbefristeten Einreiseverbot und es stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei.
3 Während des Verfahrens über die dagegen erhobene Beschwerde wurde der Revisionswerber neuerlich strafgerichtlich verurteilt, und zwar mit Urteil vom 27. Februar 2017 wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB und der Ausbildung für terroristische Zwecke gemäß § 278e Abs. 2 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren.
4 Mit Erkenntnis vom 9. April 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) sodann die genannte Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid vom 22. Februar 2016 in Bezug auf die in Rn. 2 dargestellten Spruchteile als unbegründet ab. Die in der Folge eingebrachte Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof blieb ebenso erfolglos (VfGH 27.6.2018, E 2048/2018) wie die nach Abtretung der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Revision (VwGH 4.9.2018, Ra 2018/01/0388).
5 Das BFA beabsichtigte, den Revisionswerber nach seiner für Dezember 2018 in Aussicht genommenen Entlassung aus der Strafhaft in sein Heimatland abzuschieben. Davor, nämlich am 8. November 2018, hatte der Revisionswerber jedoch einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Diesbezüglich hob das BFA mit mündlich verkündetem Bescheid vom 3. Dezember 2018 den faktischen Abschiebeschutz des Revisionswerbers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf, wozu das BVwG mit Beschluss vom 11. Dezember 2018 feststellte, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig (gewesen) sei. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (VfGH 12.3.2019, E 254/2019). Die in der Folge erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof zurück (VwGH 9.5.2019, Ra 2019/14/0195).
6 Der vom Revisionswerber im November 2018 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 9. Mai 2019, der dem Revisionswerber am nächsten Tag zugestellt wurde, wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen und es wurde neuerlich eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers in die Russische Föderation festgestellt. Diese Entscheidung erwuchs unbekämpft mit Ablauf der Rechtsmittelfrist am 7. Juni 2019 in Rechtskraft.
7 Trotzdem sah sich das BFA veranlasst, gegen den Revisionswerber ein Verfahren zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nach dem FPG einzuleiten, und es gab ihm dazu mit Schreiben vom 17. Juni 2019 Gelegenheit zur Stellungnahme, die der Revisionswerber mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 24. Juni 2019 erstattete. In der Folge erging der Bescheid des BFA vom 30. Juli 2019, mit dem neuerlich eine Rückkehrentscheidung samt einem unbefristeten Einreiseverbot erlassen und wiederum die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers in die Russische Föderation festgestellt wurde; überdies wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 9. September 2019 als unbegründet ab.
8 Mittlerweile war der Revisionswerber im Anschluss an die Anhaltung in Strafhaft am 7. Dezember 2018 in Schubhaft genommen worden. Grundlage dafür war der Bescheid des BFA vom 6. Dezember 2018, mit dem gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gegen den Revisionswerber die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über den am 8. November 2018 gestellten Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet worden war.
9 Am 3. Juni 2019 wurde der Revisionswerber aus der Schubhaft entlassen, um in der Folge bis 3. Juli 2019 eine einmonatige Freiheitsstrafe in einer Justizanstalt zu verbüßen, die über ihn mit Urteil vom 4. März 2019 wegen Körperverletzung verhängt worden war. Seit 3. Juli 2019 wird der Revisionswerber wieder in Schubhaft angehalten, und zwar (zunächst) aufgrund des Bescheides des BFA vom 1. Juli 2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung. Versuche des BFA, für den (insoweit nicht kooperierenden) Revisionswerber von der russischen Vertretungsbehörde ein Ersatzreisedokument zu erhalten, führten bislang nicht zum Ziel.
10 Die nach § 22a Abs. 4 BFA‑VG periodisch ‑ nach der Überschreitung einer Anhaltedauer von vier Monaten und danach alle vier Wochen ‑ vom BVwG vorgenommenen Überprüfungen der Schubhaft, zuletzt mit Erkenntnis vom 13. Juli 2020, endeten jeweils mit dem Ergebnis der Feststellung der Zulässigkeit der weiteren Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft. Am 3. August 2020 legte das BFA dem BVwG die Verwaltungsakten zur Durchführung einer neuerlichen Schubhaftprüfung nach der genannten Bestimmung vor.
11 Hierauf erging das nunmehr angefochtene Erkenntnis des BVwG vom 7. August 2020, mit dem gemäß § 22a Abs. 4 BFA‑VG wiederum festgestellt wurde, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft gegen den Revisionswerber verhältnismäßig sei. Des Weiteren sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei. Diesen Ausspruch begründete das BVwG damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, „inwieweit“ nach § 80 Abs. 4 FPG von „demselben Sachverhalt“ auszugehen sei, „der in weiterer Folge zu einer Anrechnung von unterbrochenen Schubhaftteilen auf die höchstmögliche Schubhaftdauer [von achtzehn Monaten] führt“.
12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens ‑ eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet ‑ und Vorlage der Akten durch das BVwG (§ 30a Abs. 4 bis 6 VwGG) erwogen hat:
13 Die Revision ist aus dem vom BVwG genannten Grund, auf den auch in der Zulässigkeitsbegründung Bezug genommen wird, zur Klarstellung damit im Zusammenhang stehender Fragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig; sie ist auch berechtigt.
14 Die gegen den Revisionswerber vollzogene Schubhaft gründete sich in den diesbezüglichen Bescheiden des BFA vom 6. Dezember 2018 und vom 1. Juli 2019 einerseits auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG und andererseits auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG. Die genannten Bestimmungen und der Abs. 5 des § 76 FPG lauten:
„§ 76 (1) ...
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. ...
(3) ...
(4) ...
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.“
15 Der vom BVwG in der Zulässigkeitsbegründung angesprochene, mit „Dauer der Schubhaft“ überschriebene § 80 FPG lautet (auszugsweise) wie folgt:
„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin‑Verordnung, grundsätzlich
1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.
(3) ...
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2. eine für die Ein‑ oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin‑Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.“
16 Das BVwG ging ‑ in der Revision unbekämpft ‑ erkennbar von der Verwirklichung des Tatbestandes der Z 4 des § 80 Abs. 4 FPG aus und es vertrat im Ergebnis die Auffassung, die nach der genannten Bestimmung zulässige Höchstdauer der Schubhaft von achtzehn Monaten sei noch nicht erreicht. Bei der mit Bescheid vom 1. Juli 2019 angeordneten Schubhaft handle es sich nämlich dem angeführten Zweck nach um die Sicherung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, das während der Anhaltung des Revisionswerbers in Strafhaft mit „Parteiengehör“ vom 17. Juni 2019 eingeleitet worden sei. Die zeitlich davor liegende Schubhaft, bei deren Beginn der Revisionswerber Asylwerber gewesen sei, habe demgegenüber zum Zweck der Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Rahmen eines Asylverfahrens, das mit Bescheid des BFA vom 9. Mai 2019 rechtskräftig beendet worden sei, gedient. Deshalb gehe das BVwG davon aus, dass die nunmehrige Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft seit 3. Juli 2019 nicht wegen „desselben Sachverhaltes“ erfolge, weswegen er bereits vom 7. Dezember 2018 bis 3. Juni 2019 in Schubhaft angehalten worden sei.
17 Dieser Auffassung tritt der Revisionswerber insbesondere mit dem zutreffenden Hinweis auf die Bestimmung des letzten Satzes des § 80 Abs. 5 FPG entgegen und verweist dazu auf die diesbezüglichen Gesetzesmaterialien zum FrÄG 2017 (ErläutRV 1523 BlgNR 25. GP 36 f), mit dem diese Bestimmung neu gefasst wurde. Dort heißt es auszugsweise:
„Zu Z 61 (§ 80 Abs. 5):
[...]
Es wird daher vorgeschlagen, Abs. 5 in sprachlicher Hinsicht dahingehend zu vereinfachen, dass er nur mehr darauf abstellt, dass gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, während des laufenden Asylverfahrens die Schubhaft angeordnet wird, und die Höchstdauer einer solchen Schubhaft bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit der gemäß § 10 AsylG 2005 zu erlassenden oder gemäß § 59 Abs. 5 bereits bestehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit 10 Monaten festlegt. Dies ist unionsrechtlich zulässig, [...]. In Anlehnung an die geltende Rechtslage behält der vorgeschlagene Abs. 5 Satz 1 die Höchstdauer von 10 Monaten bei; abweichend von der geltenden Rechtslage ist jedoch in allgemeiner Weise vorgesehen, dass die während des laufenden Asylverfahrens angeordnete Schubhaft die Höchstdauer von 10 Monaten bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit der (gemäß § 10 AsylG 2005 zu erlassenden oder gemäß § 59 Abs. 5 bereits bestehenden) aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht überschreiten darf, [...].
Festzuhalten ist, dass die im vorgeschlagenen Abs. 5 normierte Höchstdauer von zehn Monaten sich ausschließlich auf die während des laufenden Asylverfahrens angeordnete Schubhaft und die bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme vollzogene Anhaltung bezieht. Sie sagt daher nichts darüber aus, ob die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet werden darf. Eine Aufrechterhaltung oder neuerliche Anordnung der Schubhaft ist vielmehr nach § 76 Abs. 2 zu beurteilen und setzt daher insbesondere das (weitere oder neuerliche) Vorliegen eines Sicherungsbedarfs und die mangelnde Eignung gelinderer Mittel voraus. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Aufrechterhaltung einer bereits während des laufenden Asylverfahrens angeordneten und vollzogenen Schubhaft über dessen rechtskräftig negativen Abschluss hinaus folgt im Übrigen aus § 76 Abs. 5, wonach eine zur Sicherung des Verfahrens verhängte Schubhaft ab dem Eintritt der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme als zur Sicherung der Abschiebung verhängt gilt. [...]
Zu beachten ist außerdem, dass ab dem Eintritt der Durchsetzbarkeit der entweder bereits bestehenden (§ 59 Abs. 5) oder mit der zurück‑ bzw. abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz zu verbindenden (§ 10 AsylG 2005) aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Schubhaft (nur mehr) der Sicherung der Abschiebung dient. Durch den mit der Durchsetzbarkeit einhergehenden Verlust des Aufenthaltsrechts gemäß § 13 Abs. 1 AsylG 2005 gilt der (bisherige) Asylwerber zudem als unrechtmäßig aufhältig (§ 31 Abs. 1a). Ab dem Eintritt der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme (§ 10 AsylG 2005) hat die Schubhaft daher den Vorgaben des Art. 15 Abs. 5 und 6 Rückführungs‑RL bzw. Abs. 1 und 4 zu entsprechen. Der vorgeschlagene Abs. 5 Satz 2 sieht daher vor, dass die bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme verstrichene Schubhaftdauer (maximal 10 Monate) zur Gänze auf die Höchstdauer gemäß Abs. 1 oder gegebenenfalls Abs. 4 ‑ die bei Aufrechterhaltung der Schubhaft über den Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit hinaus ab diesem Zeitpunkt, bei einer nach diesem Zeitpunkt neuerlich erfolgenden Anordnung der Schubhaft hingegen ab dem Beginn der hierauf beruhenden Anhaltung zu bemessen ist ‑ anzurechnen ist.“
18 Schon nach dem Wortlaut des § 80 Abs. 5 FPG, verdeutlicht durch die wiedergegebenen ErläutRV, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die vorliegende Konstellation von der genannten Bestimmung erfasst wird. Danach wird darauf abgestellt, dass die Schubhaft ‑ wie hier ‑ zunächst gegen einen Asylwerber zur Sicherung des Verfahrens über einen (anhängigen) Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verhängt wurde. In diesem Fall darf die Anhaltung in Schubhaft gemäß dem ersten Satz dieser Bestimmung nicht nur sechs Monate, wie nach § 80 Abs. 2 Z 2 FPG grundsätzlich normiert, sondern ‑ bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme ‑ zehn Monate dauern. Diese Frist wurde durch die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft vom 7. Dezember 2018 bis zum Antritt der Strafhaft am 3. Juni 2019 nicht überschritten. Danach wurde mit Bescheid vom 1. Juli 2019 neuerlich die Schubhaft ‑ beginnend mit dem Ende der Strafhaft am 3. Juli 2019 ‑ angeordnet. Für diesen Fall normiert der letzte Satz des § 80 Abs. 5 FPG, dass die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die gemäß § 80 Abs. 4 FPG höchstzulässige Schubhaftdauer von achtzehn Monaten anzurechnen ist. Der Sache nach wird damit zum Ausdruck gebracht, dass bei den in § 80 Abs. 5 letzter Satz FPG genannten Fällen (Aufrechterhalten der Schubhaft über den Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme hinaus oder neuerliche Anordnung der Schubhaft nach diesem Zeitpunkt) von „Schubhaft wegen desselben Sachverhalts“ im Sinne des letzten Halbsatzes im Abs. 4 auszugehen ist und eine Zusammenrechnung der Schubhaftzeiten zur Ermittlung von deren Höchstdauer stattzufinden hat. Das wurde vom BVwG, das die Bestimmung des § 80 Abs. 5 FPG nicht in seine Überlegungen einbezog, außer Acht gelassen.
19 Für dieses Ergebnis hat es keine Bedeutung, dass die schon vor der neuerlichen Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz am 8. November 2018 und vor dem Beginn der ersten Schubhaft am 7. Dezember 2018 im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des BVwG vom 9. April 2018 (samt einem unbefristeten Einreiseverbot) rechtskräftig erlassene Rückkehrentscheidung ‑ gemessen am innerstaatlichen Recht ‑ mit Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes Anfang Dezember 2018 wieder durchsetzbar wurde. Davon ausgehend hätte die Schubhaft zwar dann nicht mehr der Verfahrenssicherung, sondern der Sicherung der Abschiebung gedient, was aber ‑ wie sich schon aus den wiedergegebenen ErläutRV ergibt ‑ an der gebotenen Berücksichtigung auch dieses Zeitraums der Anhaltung in Schubhaft bei der Ermittlung von deren Höchstdauer nichts geändert hätte. Es bedarf daher für den vorliegenden Fall in Bezug auf die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes keiner weiteren Überlegungen vor dem Hintergrund des Art. 41 der Verfahrens‑RL (Richtlinie 2013/32/EU ) (vgl. dazu VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0198, Rn. 19).
20 Im Übrigen ist zu der mit Bescheid vom 1. Juli 2019 angeordneten Schubhaft noch darauf hinzuweisen, dass sie primär dem ‑ alternativ erwähnten ‑ Zweck der Sicherung der Abschiebung diente, weil die davor gegen den Revisionswerber rechtskräftig erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen jedenfalls durchsetzbar waren. Weshalb das BFA ungeachtet dessen die Notwendigkeit sah, in seiner Funktion als Fremdenpolizeibehörde neuerlich ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt unbefristetem Einreiseverbot zu führen und es durch die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft zu sichern, ist nicht nachvollziehbar. Jedenfalls konnte dadurch die gebotene Berücksichtigung des vorangegangenen Zeitraums der Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft auf die laufende Schubhaftdauer nicht umgangen werden.
21 Schließlich ist zur Vollständigkeit noch anzumerken, dass sich auch aus dem zu § 80 Abs. 4 FPG (in der Stammfassung) ergangenen Erkenntnis VwGH 31.3.2008, 2008/21/0053, für den Standpunkt des BVwG nichts gewinnen lässt. Dort wurde zwar zur Auslegung der Wortfolge „Schubhaft wegen desselben Sachverhalts“ die Möglichkeit erwogen, „allenfalls hätte eine solche maßgebliche Sachverhaltsänderung auch bloß in der auf Grund geänderter Umstände erfolgenden neuerlichen Durchführung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens (wenn es etwa in einem vorangegangenen Verfahren nicht zu einem Titel für die Abschiebung gekommen ist oder ein solcher Titel wieder wegfiel) erblickt werden können“. Im vorliegenden Fall lagen diese Voraussetzungen aber gerade nicht vor.
22 Zusammenfassend ergibt sich daher, dass die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft nach einer Dauer von insgesamt achtzehn Monaten ‑ unter Einbeziehung der Haft von 7. Dezember 2018 bis 3. Juni 2019 ‑ Anfang Juli 2020 jedenfalls hätte beendet werden müssen.
23 Schon deshalb erweist sich der mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. August 2020 vorgenommene Ausspruch der Zulässigkeit der weiteren Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft als rechtswidrig. Dieses Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
24 Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 und 6 VwGG abgesehen werden.
25 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. November 2020
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