VwGH Ra 2022/20/0195

VwGHRa 2022/20/019514.9.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel, den Hofrat Dr. Horvath und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2022, W101 2247685‑1/5E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (Mitbeteiligte: J I, in L), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §34 Abs6 Z2 idF 2012/I/087
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200195.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die im Jänner 2000 geborene Mitbeteiligte, eine Staatsangehörige von Syrien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 1. April 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 16. September 2021 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab, soweit die Mitbeteiligte damit die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten begehrt hatte. Es wurde ihr allerdings unter einem gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine für ein Jahr gültige befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt.

3 Die Behörde ging ‑ soweit für das Revisionsverfahren von Interesse ‑ davon aus, dass die Mitbeteiligte im Heimatland keiner asylrelevanten Verfolgung unterliege. Sie habe Syrien deswegen verlassen, um zu ihrem in Österreich aufhältigen Ehemann, mit dem es im Herkunftsstaat aber nie ein Familienleben gegeben habe, zu kommen.

4 Es sei ihr auch nach § 34 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten nicht zuzuerkennen. Die Behörde habe aufgrund des Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn unter anderem die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich sei. Das sei jedoch im Fall der Mitbeteiligten nicht gegeben, weil vor der Einreise nie ein Eheleben zwischen ihr und ihrem Ehemann existiert habe. Einerseits sei der Ehemann im Zeitpunkt der Eheschließung in Österreich wohnhaft gewesen (aus den vorgelegten Verfahrensakten ergibt sich, dass dieser nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich am 29. September 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte und die Eheschließung am 1. Oktober 2020 in Talin/Syrien vorgenommen worden war), andererseits gehe aus der (syrischen) Heiratsurkunde hervor, dass nicht beide Eheleute bei der Eheschließung persönlich anwesend gewesen seien. Voraussetzung dafür, als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu gelten, sei, dass die Ehe bereits vor der Einreise des Asylberechtigten bestanden habe. Die Mitbeteiligte lebe in Österreich seit April 2021 mit ihrem Ehemann zusammen. Es liege somit zwar ein im Sinn von Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben in Österreich vor. Jedoch seien die Voraussetzungen, wonach die Ehe vor der Einreise des Asylberechtigten (oder subsidiär Schutzberechtigten) bereits im Herkunftsstaat bestanden haben müsse, nicht gegeben.

5 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid, soweit ihr damit die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten versagt wurde, Beschwerde. Vom Bundesverwaltungsgericht, das von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen hatte, wurde der Beschwerde mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis stattgegeben und der Mitbeteiligten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt sowie gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Unter einem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

6 In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Mitbeteiligte habe am 8. Dezember 2021 in Österreich eine Tochter zur Welt gebracht. Die Tochter habe am 15. Dezember 2021 einen „Asylantrag“ gestellt. In der Folge sei der Tochter mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19. Jänner 2022 der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 zuerkannt worden. Die Mitbeteiligte lebe seit der Geburt der minderjährigen Tochter mit dieser und dem Vater im selben Haushalt. Unter Berücksichtigung dieser Familiensituation und der Zeitpunkte der Antragstellungen liege im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren vor. Es sei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Mitbeteiligte ihren „Asylantrag“ am 1. April 2021 gestellt habe, die minderjährige Tochter in Österreich „nachgeboren“ worden sei, die Mitbeteiligte mit der Tochter im selben Haushalt lebe und ein Familienleben geführt werde. Zudem sei „aus Sicht der minderjährigen Tochter zum Kindeswohl zu berücksichtigen“, dass diese „im Rahmen ihres Rechts auf Familienleben einen Anspruch auf beide Elternteile“ habe. Folglich erfülle die Mitbeteiligte als Mutter ihrer minderjährigen Tochter die Begriffsbestimmung einer Familienangehörigen im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. a AsylG 2005. Da der minderjährigen Tochter der Mitbeteiligten der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei, habe die Mitbeteiligte als Familienangehörige ihrer minderjährigen Tochter gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 „das Recht, ein gesondertes Erkenntnis mit demselben Inhalt zu erhalten“. Im Einklang mit den Bestimmungen des § 34 Abs. 2, Abs. 4 und Abs. 6 AsylG 2005 sei daher der Mitbeteiligten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ebenfalls der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, ohne dass das Vorliegen allfälliger eigener Fluchtgründe geprüft werden müsste.

7 Die Erhebung einer Revision sei ‑ so das Bundesverwaltungsgericht abschließend ‑ nicht nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht fehle, diese Rechtsprechung nicht als uneinheitlich anzusehenden sei und die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht abweiche. Es lägen auch sonst keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobene Revision, die vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

10 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, es treffe zwar zu, dass Eltern den „Asylstatus“ nach § 34 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 22 lit. a AsylG 2005 grundsätzlich von ihren minderjährigen ledigen Kindern ableiten könnten. Jedoch kämen die Begünstigungen des Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG 2005 ‑ wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner (in der Revision näher zitierten) Rechtsprechung festgehalten habe ‑ nicht jenen Fremden zu, die den Status als Asylberechtigte im Familienverfahren nur von ihrem minderjährigen Kind ableiten könnten, dem dieser Status seinerseits im Rahmen eines Familienverfahrens zuerkannt worden sei. In den Revisionsgründen wird zudem ergänzend darauf hingewiesen, dass die Mitbeteiligte den Status der Asylberechtigten auch vom Ehemann nicht ableiten könne. Dieser sei „keine in Frage kommende Bezugsperson“ im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, weil die Ehe zwischen ihm und der Mitbeteiligten erst geschlossen worden sei, nachdem der Ehemann in Österreich eingereist gewesen sei.

11 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

12 § 2, § 3 und § 34 AsylG 2005 lauten (auszugsweise und samt Überschrift):

„Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. ...

...

22. Familienangehöriger:

a. der Elternteil eines minderjährigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten;

b. der Ehegatte oder eingetragene Partner eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;

c. ...

...

23....

...

...

Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

...

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

...

Familienverfahren im Inland

§ 34.

(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) ...

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. ...

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. ...“

13 Zunächst ist festzuhalten, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Vorbringen der Mitbeteiligten, weshalb sie im Heimatland asylrechtlich relevante Verfolgung befürchte, nicht befasst hat, weil es davon ausgegangen ist, es sei ihr bereits aufgrund der Vorschriften des § 34 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen.

14 Eine solche Vorgangsweise steht an sich mit dem Gesetz im Einklang. Das Gesetz differenziert nämlich beim Status des Asylberechtigten nicht. Weder kennt das Gesetz einen „originären“ Status des Asylberechtigten, noch spricht das Gesetz in § 34 Abs. 4 AsylG 2005 davon, dass im Familienverfahren ein anderer, nur „abgeleiteter“ Status zuzuerkennen wäre. Ist einem Familienangehörigen ‑ aus welchen Gründen auch immer ‑ ohnedies der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären (vgl. VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0418).

15 Bei der Beurteilung, ob der Mitbeteiligten aufgrund der Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen ist, ist dem Bundesverwaltungsgericht aber ein maßgeblicher Fehler unterlaufen.

16 Der in § 34 AsylG 2005 verwendete Begriff des Familienangehörigen ist ‑ anders als etwa bei der Anwendung des § 35 AsylG 2005, der in seinem Abs. 5 festlegt, wer nach dieser Bestimmung als Familienangehöriger anzusehen ist ‑ im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu verstehen (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040 bis 0044; 17.5.2022, Ra 2021/19/0209).

17 Die Mitbeteiligte ist ‑ was das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat und von der revisionswerbenden Behörde auch nicht in Abrede gestellt wird ‑ im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. a AsylG 2005 ein Elternteil einer minderjährigen Asylberechtigten, nämlich die Mutter ihres im Jahr 2021 geborenen Kindes, dem der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde.

18 Das Bundesverwaltungsgericht unterliegt allerdings einem Rechtsirrtum, wenn es davon ausgeht, im vorliegenden Fall stehe § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Mitbeteiligte durch Anwendung der Vorschriften über das Familienverfahren nicht entgegen.

19 § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 sieht vor, dass die Bestimmungen dieses Abschnitts ‑ demnach dem aus § 34 und § 35 bestehenden 4. Abschnitt des 4. Hauptstückes des AsylG 2005 über das Familienverfahren ‑ nicht auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, anzuwenden sind, es sei denn, es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind. Damit soll verhindert werden, dass es zu sogenannten „Ketten-Familienverfahren“ und damit über verschiedenste Familienverhältnisse vermittelte Gewährungen von Asyl oder subsidiärem Schutz kommt, ohne dass oftmals noch irgendein relevanter familiärer Bezug zum ursprünglichen Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten besteht (vgl. VwGH 29.4.2019, Ra 2018/20/0031, mwN samt Hinweis auf die Materialien zu § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005).

20 Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Begründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Tochter der Mitbeteiligten der Status der Asylberechtigten unter Anwendung der Vorschriften des § 34 AsylG 2005 über das Familienverfahren zuerkannt worden war. Sohin war es bei diesem Sachverhalt nicht zulässig, der Mitbeteiligten den Status der Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 als Mutter ihres minderjährigen asylberechtigten Kindes zuzuerkennen, weil gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 die Anwendung der (übrigen) Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 für diese Konstellation ausgeschlossen ist.

21 Es ist ferner nicht zu sehen, weshalb es aus Gründen des Kindeswohls geboten wäre, der ‑ aufgrund der ihr als subsidiär Schutzberechtigten erteilten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen ‑ Mitbeteiligten den Status der Asylberechtigten entgegen der gesetzlichen Anordnung des § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 zuzuerkennen. Insoweit bleibt das Bundesverwaltungsgericht auch jede Begründung, im Besonderen auch auf welche Norm es sich dabei gestützt hat, schuldig.

22 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vertritt in der Revision zudem die Ansicht, die Mitbeteiligte könne den Status der Asylberechtigten auch nicht von ihrem Ehemann im Weg des Familienverfahrens ableiten, weil die Ehe nicht vor der Einreise beider Ehepartner geschlossen worden sei (dass es zudem nach dem Gesetz erforderlich wäre, dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich sei, wird hingegen von der revisionswerbenden Behörde nicht länger behauptet, vgl. zu letztgenanntem Thema und zur Rechtslage nach ‑ mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017, BGBl. I Nr. 145/2017, erfolgter ‑ Aufhebung des § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 und der Schaffung des § 34 Abs. 6 Z 3 AsylG 2005 ausführlich VwGH 15.12.2021, Ra 2021/20/0105).

23 Ob diese Sichtweise zutrifft, muss im vorliegenden Revisionsfall aber nicht geklärt werden. Von der Frage, ob § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 ‑ nach dem Wortlaut ist dort nur die Wendung „vor der Einreise“ angeführt und (anders als in § 35 Abs. 5 AsylG 2005) keine ausdrückliche oder sonst näher präzisierte Festlegung enthalten, auf wessen Einreise abzustellen ist ‑ im Sinn der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl geäußerten Rechtsansicht zu verstehen ist (oder ob in Bezug auf den Zeitpunkt der Einreise allein auf die Einreise des antragstellenden Fremden abzustellen ist), hängt nämlich die hier gegenständliche Revision nicht ab.

24 Das Bundesverwaltungsgericht ist in seiner Begründung nicht davon ausgegangen, dass der Mitbeteiligten der Status der Asylberechtigten unter Anwendung des § 34 AsylG 2005 abgeleitet von ihrem Ehemann zuerkannt werden könnte. Es hat daher die Voraussetzungen für eine darauf gestützte Zuerkennung nicht geprüft und insoweit auch keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die die Beurteilung ermöglicht hätten, ob und (gegebenenfalls) wann zwischen der Mitbeteiligten und ihrem Ehemann in für Österreich rechtsgültiger Weise die Ehe geschlossen wurde (vgl. zu den für eine solche Beurteilung in Bezug auf im Ausland geschlossene Ehen mit Blick auf die Vorschriften des IPRG notwendigen Feststellungen etwa VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094; 3.7.2020, Ra 2020/14/0006). Dass die Ehe als (allenfalls: auch) in Österreich gültig anzusehen wäre, hat aber das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ‑ wenngleich es dem nicht näher nachgegangen ist ‑ in seinem Bescheid nach den (oben wiedergegebenen) Ausführungen zur Art der Eheschließung der Sache nach in Zweifel gezogen.

25 Nach dem Gesagten hat das Bundesverwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 14. September 2022

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