Normen
B-VG Art133 Abs8
EURallg
PStG 2013 §4
PStG 2013 §41
PStG 2013 §42 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwRallg
32016R0679 Datenschutz-GrundV Art16
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010054.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 22. April 2021 den Antrag von M. auf Geschlechtsänderung von „weiblich“ auf „divers“ gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 iVm § 41 Abs. 1 Personenstandsgesetz 2013 (PStG 2013) ab.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (Verwaltungsgericht) wurde der von M. dagegen erhobenen Beschwerde Folge gegeben und festgestellt, dass der M. betreffende Geschlechtseintrag von „weiblich“ auf „divers“ zu berichtigen sei (I). Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht zugelassen (II).
3 Dagegen richtet sich die vorliegende, auf § 4 zweiter Satz PStG 2013 gestützte, Revision des Bundesministers für Inneres vom 14. Februar 2022, die sich im Wesentlichen gegen die Zulässigkeit des genannten Geschlechtseintrags wendet.
4 Das Verwaltungsgericht teilte dem Verwaltungsgerichtshof im Zuge der Vorlage der Revision und der Verfahrensakten mit, dass M. bereits am 17. Jänner 2022 verstorben sei. Beigelegt war dieser Mitteilung ein Auszug aus dem Zentralen Melderegister zu M. vom 16. Februar 2022 mit dem Vermerk „verstorben“.
5 Über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes teilte der Amtsrevisionswerber mit, dass die Amtsrevision „[a]ufgrund der nach wie vor ungeklärten allgemeinen Rechtsfragen hinsichtlich der gegenständlichen Entscheidungsfindung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark ... aufrecht erhalten“ werde.
6 Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht zu einer abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung berufen. Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt dann nicht vor, wenn eine Entscheidung lediglich über abstrakt-theoretische Rechtsfragen herbeigeführt werden soll, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann. Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben. Diese Rechtsprechung hat auch für eine Amtsrevision Gültigkeit (vgl. VwGH 30.7.2021, Ro 2020/17/0001, mit Hinweis auf VwGH 19.2.2020, Ro 2019/14/0010, mwN).
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 42 Abs. 1 PStG 2013 ausgesprochen, dass das Recht des Betroffenen auf Berichtigung einer Eintragung ein höchstpersönliches Recht des Betroffenen ist, in welches im Fall des Todes des Berechtigten eine Rechtsnachfolge nicht stattfindet; daher kommt die Fortsetzung des Verfahrens über solche Rechte durch die Verlassenschaft oder die Erben des Verstorbenen nicht in Betracht (vgl. VwGH 9.5.2022, Ra 2022/01/0044).
8 Dies gilt ‑ wegen des gleichgelagerten Schutzinteresses einer betroffenen Person gemäß Art. 16 DSGVO (vgl. dazu auch ErläutRV 65 BlgNR 26. GP 75) ‑ auch für das Recht auf Änderung und Ergänzung einer Eintragung unter dem Blickwinkel des § 41 PStG 2013.
9 Im Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Amtsrevision war M. bereits verstorben. Es ist daher davon auszugehen, dass einer Entscheidung des vorliegenden Revisionsfalles schon im Zeitpunkt der Revisionserhebung keine praktische Bedeutung mehr zukam, zumal in einem allfällig fortgesetzten Verfahren nicht mehr über den Antrag von M. auf Änderung der Geschlechtseintragung entschieden werden kann (vgl. abermals VwGH Ra 2022/01/0044; vgl. in diesem Zusammenhang zur Problematik im Hinblick auf die Garantien des Art. 6 EMRK auch EGMR 27.8.2019, Magnitskiy ua gg Russland, 32631/09 und 53799/12, Rn 281). Im Übrigen diente das gegenständliche Verfahren nach dem PStG 2013 (nur) der Beurkundung und wurde nicht etwa über den Personenstand von M. konstitutiv abgesprochen (vgl. VwGH 10.1.2011, 2010/17/0069).
10 Die vorliegende Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 13. Juni 2022
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