VwGH Ra 2019/21/0021

VwGHRa 2019/21/002119.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der Landespolizeidirektion Niederösterreich gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 10. Dezember 2018, Zl. LVwG-S-2914/001-2017, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens nach dem FPG (mitbeteiligte Partei: F Y, vertreten durch die Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2. OG), zu Recht erkannt:

Normen

VStG §31 Abs1
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z1
VStG §44a Z2
VStG §9 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210021.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Landespolizeidirektion (im Folgenden: LPD) vom 13. Oktober 2017 wurde der mitbeteiligten Partei zur Last gelegt, sie habe es "als Verantwortlicher des Beförderungsunternehmens P." zu verantworten, dass die Bestimmungen des FPG nicht eingehalten worden seien, da am 1. September 2017 ein näher bezeichneter nigerianischer Staatsangehöriger, der über kein für die Einreise in das Bundesgebiet erforderliches Reisedokument und keine Berechtigung für die Einreise verfügt habe, mit "Flug PC 901" von Istanbul nach Wien befördert worden sei. Sie habe dadurch § 112 Abs. 1 Z 1 iVm § 111 Abs. 1 FPG verletzt. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 15.000,-- verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: LVwG) der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde statt, indem es den Bescheid gemäß § 50 VwGVG behob und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG iVm § 38 VwGVG einstellte.

3 Begründend führte das LVwG aus, dass der Spruch des Bescheides der LPD nicht den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG genüge, weil die Art der Organfunktion der mitbeteiligten Partei nicht eindeutig angeführt worden sei. Auch in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22. September 2017 sei der Tatvorwurf nicht näher konkretisiert worden. Da es dem LVwG verwehrt sei, Ergänzungen bzw. Änderungen im Spruch eines Straferkenntnisses vorzunehmen, wenn diese nicht durch eine taugliche Verfolgungshandlung innerhalb der Frist des § 31 Abs.1 VStG gedeckt seien, sei ausgehend vom Tatzeitpunkt 1. September 2017 Verfolgungsverjährung eingetreten. Das Straferkenntnis sei daher aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen gewesen.

4 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das LVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevisoin, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen hat:

5 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, dass das LVwG entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Eintritt der Verfolgungsverjährung ausgegangen sei. Dies trifft - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - im Ergebnis zu, sodass sich die Revision als zulässig und berechtigt erweist.

6 Zwar hat das LVwG richtig erkannt, dass der Bescheid der LPD nicht den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG genügt hat. § 44a Z 1 VStG erfordert unter anderem, dass im Spruch des Straferkenntnisses gegebenenfalls auch die im Sinne des § 9 Abs 1 VStG maßgebliche juristische Person, die Personengesellschaft des Handelsrechts oder die eingetragene Erwerbsgesellschaft, zu deren Vertretung nach außen der Beschuldigte berufen ist, genannt wird. Wird ein Täter als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft, so erfordert es die Bestimmung des § 44a Z 1 VStG weiters, dass im Spruch des Straferkenntnisses die Art der Organfunktion, der zufolge der Täter zur Vertretung nach Außen berufen ist, eindeutig angeführt wird (vgl. etwa VwGH 29.5.2009, 2009/03/0018, Punkt 5. der Entscheidungsgründe, mwN).

7 Für die Tauglichkeit einer Verfolgungshandlung ist demgegenüber aber nicht gefordert, dass dem individuell bestimmten Beschuldigten allenfalls auch vorgeworfen wird, er habe die Tat als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 VStG zu verantworten. Damit ist es im Stadium der Setzung von Verfolgungshandlungen auch nicht erforderlich, bereits die Art der Organfunktion konkret zu determinieren. Das Verwaltungsgericht, das verpflichtet ist, das die Verantwortlichkeit des Beschuldigten konstituierende Merkmal im Rahmen der von ihm zu treffenden Entscheidung richtig und vollständig anzugeben, ist berechtigt und verpflichtet, im Erkenntnis eine Richtigstellung des von der Verwaltungsbehörde angesprochenen, vom Verwaltungsgericht aber nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens als unzutreffend oder unzureichend erkannten Verantwortlichkeitsmerkmales vorzunehmen (vgl. etwa VwGH 27.2.2019, Ra 2018/15/0098, Rn. 31, mwN).

8 Das LVwG ist daher zu Unrecht vom Eintritt der Verfolgungsverjährung ausgegangen. Es hätte das Strafverfahren folglich nicht aus diesem Grund einstellen dürfen, sondern - im Fall des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen für eine Bestrafung der mitbeteiligten Partei - den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses korrigieren müssen.

9 Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 19. September 2019

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